Zu 1:
Planungsanlass:
Bei dem Plangebiet handelt es sich um einen Siedlungsabschnitt nordöstlich der Beckerstraße, der etwa die Hälfte des Grundstücks der ehemaligen Jugendherberge (Flurnr. 6055) und das östlich anschließende Gelände (Grundstück Flurnr. 6055/6) umfasst.
Dieser Siedlungsabschnitt befindet sich aktuell im Geltungsbereich des übergeleiteten „Baulinienplans für das Gebiet zwischen Hartmannstraße, Schepplerweg, Gentil- und Beckerstraße“ vom 10. Oktober 1961, der ein „Reines Wohngebiet“ festsetzt.
Der aktuell geltende Flächennutzungsplan stellt das ehemalige Jugendherbergsgrundstück als „Gemeinbedarfsfläche für Jugendeinrichtungen“ dar. Das Deutsche Jugendherbergswerk hat den Standort jedoch bereits vor längerer Zeit aufgegeben, die ehemalige Jugendherberge steht seit etlichen Jahren leer.
Im Vorentwurf des neuen Flächennutzungsplans ist das ehemalige Jugendherbergsgelände als „Wohnbaufläche“ dargestellt – dies deckt sich also auch mit dem rechtsgültigen Baulinienplan vom 10. Oktober 1961.
Mit einer Entwicklung des Grundstücks zum Wohnbauland einschließlich Grundstücksverkauf und voraussichtlichem Abbruch des leerstehenden Gebäudes sind verschiedene Frage- und Zielstellungen verknüpft, die der geltende übergeleitete Baulinienplan nicht vollständig abdecken kann. So geht es neben der Frage nach einem verträglichen bzw. erwünschten Maß der baulichen Ausnutzung und der Nachverdichtung des Grundstücks auch um den Umgang mit dem Vegetationsbestand, um die Einordnung von Zufahrten und Parkierungsanlagen und um Anordnung und Kubatur neuer Baukörper.
Der Stadtrat hat im Rahmen der Haushaltsberatungen 2012 den Verkauf des stadteigenen ehemaligen Jugendherbergsgrundstücks beschlossen. An einem Erwerb besteht generelles Interesse von Seiten verschiedener Bauträger sowie von Seiten der „Stadtbau Aschaffenburg GmbH“. Die „Stadtbau“ hat bereits ein grobes Bebauungskonzept vorgelegt, das allerdings auf Basis des geltenden übergeleiteten Baulinienplans nur in Teilen realisierbar ist und für die an der Beckerstraße gelegene Grundstückshälfte die Neuaufstellung eines Bebauungsplans erfordert.
Zur Wahrung der städtebaulichen Ordnung und im Sinne einer planerischen Gleichbehandlung ist es geboten, das gleichfalls an der Beckerstraße gelegene und im Geltungsbereich des Baulinienplans befindliche Grundstück Flurnr. 6055/6 in die Neuaufstellung des Bebauungsplans einzubeziehen.
Der Baulinienplan vom 10. Oktober 1961 wird vom vorgeschlagenen Geltungsbereich eines neuen Bebauungsplans nur zu einem Teil überdeckt. Für die verbleibenden Flächen außerhalb des Geltungsbereiches eines neuen Bebauungsplans gilt das Bauplanungsrecht des Baulinienplans unverändert weiter.
So kann der Übergang zwischen einer denkbaren dichteren Bebauung an der Beckerstraße und der nördlich anschließenden niedergeschossigen Wohnbebauung an der Hartmannstraße, dem Butzbachweg, der Gentilstraße und dem Schepplerweg durch Annäherung der Geschossigkeit, der baulichen Dichte und der Gebäudetypologien gelingen. Folglich sind in der nördlichen Grundstückshälfte des ehemaligen Jugendherbergsgeländes Einzel-, Doppel- oder Reihenhäuser mit bis zu zwei Vollgeschossen vorzusehen. Damit können die Festsetzungen des Baulinienplans Nr. 10 eingehalten werden, Befreiungen kämen - wenn überhaupt - nur in geringem Ausmaß in Betracht.
Städtebauliche Situation:
Das Plangebiet ist erschlossen durch Becker-, Hartmann-, Gentilstraße und Butzbachweg.
Das Grundstück Flurnr. 6055 (Anwesen Beckerstraße 47) ist bebaut mit dem seit mehreren Jahren leerstehenden Gebäude der ehemaligen Jugendherberge. Zur Beckerstraße und zur Hartmannstraße weist dieses Gebäude zwei Geschosse plus Satteldach auf, im Hofbereich ist das Gebäude aufgrund der Geländeverhältnisse lediglich eingeschossig plus Dach. Der Nordflügel des Gebäudes ragt durch Geländeabgrabung mit einer bis zu 3 m hohen Böschung auch nach innen zweigeschossig (plus Dach) aus dem Gelände. Nach Maßgabe des aktuell gültigen Baulinienplans Nr. 10 hat das Gebäude planungsrechtlich zwei bis drei Vollgeschosse.
Abgesehen vom Hauptgebäude mit einer Grundfläche von ca. 720 qm ist das Grundstück mit einem Garagen- und Nebenanlagentrakt (Grundfläche ca. 140 qm) bebaut, dazu kommen der befestigte Hofbereich und einige weitere Nebenflächen (z. B. Zufahrt, Basketballplatz) sowie eine Trafostation.
Insgesamt ist das Grundstück wenig dicht bebaut (GRZ ca. 0,15 / GFZ ca. 0,3 bzw. 0,45 bei Einbeziehung DG), durch den hohen Grünflächenanteil und die zahlreichen Gehölze, die durch Stadtplanungs- und Gartenamt bereits kartiert und begutachtet worden sind, weist das Grundstück einen parkartigen Charakter auf, wenngleich das äußere Erscheinungsbild durch die dringend sanierungsbedürftige bzw. abgängige Bausubstanz sowie die etwas vernachlässigten und wenig gepflegten Außenanlagen getrübt wird.
Das Grundstück Flurnr. 6055/6 (Anwesen Beckerstraße 51 + 53 sowie Gentilstraße 9) ist bebaut mit drei gleichartigen zweigeschossigen Wohngebäuden ohne Dachausbau im Stil des Zeilenbaus der 60er Jahre; zur Beckerstraße orientiert sind zudem zwei Gemeinschaftsgaragenanlagen.
Die Bebauung weist eine geringe Dichte mit einer GFZ von lediglich etwa 0,4 auf; das Grundstück weist einen relativ hohen Grünflächenanteil auf, allerdings handelt es sich dabei überwiegend um „Abstandsgrün“ mit im Vergleich zum Jugendherbergsgelände geringem Bestand an größeren Gehölzen.
Das Plangebiet ist überwiegend umgeben von Wohnbaugrundstücken, die allerdings in unterschiedlicher Ausprägung bebaut sind. Unterschiedlichen Baustrukturen sowie städtebauliche Brüche und Nahtstellen zeichnen sich vornehmlich im unmittelbaren Nahbereich beidseits der Beckerstraße ab.
Städtebaulich lassen sich im näheren Umfeld des Plangebiets abstrakt drei unterschiedliche Zonen identifizieren:
1. Südlich der Beckerstraße findet sich u. a. auf großen Grundstücken errichteter Geschosswohnungsbau der 70er Jahre in Form von Solitär- und Zeilenbauten mit vier Geschossen, im Einzelfall werden auch fünf Geschosse erreicht. Bereits deutlich erkenn- und vor Ort auch spürbar ist hier die gemischte und gewerbliche Nutzung entlang der Würzburger Straße, die auf einigen Grundstücken bis zur Beckerstraße „durchschlägt“ und zum Teil großflächige Baukörper mit sich bringt. Augenfällig im Band zwischen Würzburger- und Beckerstraße sind die heterogene Gebäudestruktur, die gemischte Nutzung mit erhöhten Lärmimmissionen sowie der relativ hohe Versiegelungsgrad. Dies spiegelt sich auch in den Festsetzungen des Bebauungsplans 03/19, in der Darstellung des Flächennutzungsplans als „gemischte Baufläche“ und in den Abgrenzungen der Bodenrichtwertkarte wider.
2. Unmittelbar nördlich der Beckerstraße findet sich bereits praktisch ausschließlich Wohnungsbau, und zwar überwiegend in Form zwei- bzw. dreigeschossiger Wohngebäude ohne Dachausbau im Stil des Zeilenbaus der 60er Jahre. Auch diese Baugrundstücke sind vergleichsweise groß – hier reiht sich auch das Grundstück der ehemaligen Jugendherberge ein, das aufgrund seines atypischen Baukörpers, der geringen baulichen Grundstücksausnutzung und der parkartig bewachsenen Grünfläche jedoch eher aus dem Rahmen fällt.
3. Weiter nördlich, im Umgriff der von der Beckerstraße abzweigenden Erschließungsstraßen im Quartier zwischen Gentilstraße, Bessenbacher Weg und Kneippstraße sowie unmittelbar östlich der Gentilstraße, schließen sich reine Wohngebiete in gehobener Wohnlage an. Die Parzellen- und Gebäudestruktur ist hier bereits wesentlich kleinteiliger, es überwiegen Ein-, Zwei- und kleinere Mehrfamilienhäuser aus der Epoche nach dem II. Weltkrieg bis zur Neuzeit. Trotz der unterschiedlichen Haustypen (Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser) vermittelt das Gebiet einen relativ homogenen Eindruck - dazu tragen die überwiegend gleichmäßig straßenbegleitende Gebäudestellung, die Höhe der Gebäude mit max. II Geschossen plus (ausgebautem) Dach sowie der hohe Grünflächenanteil maßgeblich bei.
Planungsrechtliche Situation:
Der Flächennutzungsplan, der keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet, stellt das Gelände der ehemaligen Jugendherberge als „Gemeinbedarfsfläche: Zweckbestimmung Jugendeinrichtung“ dar. Nord- und südöstlich grenzen Wohnbauflächen an, nord- und südwestlich gemischte Bauflächen.
Die Grundstücke Flurnrn. 6055 und 6055/6 befinden sich im Geltungsbereich des übergeleiteten „Baulinienplans für das Gebiet zwischen Hartmannstr., Schepplerweg, Gentil- und Beckerstr.“ vom 10. Oktober 1961 (Baulinienplan Nr. 10). Dieser Baulinienplan erfüllt die Anforderungen an einen qualifizierten Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB und trifft folgende Festsetzungen:
- Reines Wohngebiet
- max. II Vollgeschosse,
wobei zurück gesetzte Geschosse, ausgebaute Dachgeschosse sowie Keller, die mehr als 50% über Terrain ragen, als Vollgeschosse gelten
- Ausnutzungsziffer (Geschossflächenzahl): 0,5
- Offene Bauweise
- Mindestgebäudeabstand 7,0 m
- Mindestgrenzabstand 3,50 m
- Baugrenzen mit jeweils 5 m Abstand zur Straßenbegrenzungslinie von Beckerstraße und Hartmannstraße und 3 m Abstand zur Straßenbegrenzungslinie des Butzbachwegs
Im näheren Umfeld gelten neben dem Baulinienplan Nr. 10 mehrere andere Bebauungs- bzw. Baulinienpläne mit unterschiedlichen Festsetzungen – nachfolgend in den Grundzügen dargestellt:
1. An der Südwestseite der Beckerstraße anliegende Flächen (Abschnitt zwischen Kneipp- und Gentilstraße): B-Plan Nr. 03/19 vom 21.01.2005:
- Besonderes Wohngebiet WB und Mischgebiet MI
- GRZ 0,4
- III bis IV Vollgeschosse
- GFZ 1,2
- Offene (im WB) bzw. geschlossene (im MI) Bauweise
2. An der Nordostseite der Beckerstraße anliegende Flächen (Abschnitt zwischen Kneipp- und Hartmannstraße): Übergeleiteter Baulinienplan Nr. 17 vom 10.05.1955:
- Gewerbe- und Wohngebiet (= vergleichbar MI)
- max. III Vollgeschosse,
wobei zurück gesetzte Geschosse, ausgebaute Dachgeschosse sowie Keller, die mehr als 50% über Terrain ragen, als Vollgeschosse gelten
- Ausnutzungsziffer (Geschossflächenzahl): 1,0
- halboffene Bauweise
- Mindestgebäudeabstand 7,0 m
- Mindestgrenzabstand 3,50 m
3. An der Südostseite der Gentilstraße anliegende Flächen (Abschnitt zwischen Beckerstraße und Bessenbacher Weg): B-Plan Nr. 03/11 Änd. vom 15.10.1999:
- Reines Wohngebiet WR
- GRZ 0,4
- II Vollgeschosse
- GFZ 0,8
- Offene Bauweise
Planungsziele:
Aus städtebaulicher Sicht können folgende Oberziele für das Plangebiet und eine (Neu-) Bebauung des Geländes der ehemaligen Jugendherberge formuliert werden:
- Es ist eine wohnbauliche Nutzung (WR / WA) zu realisieren.
- Eine Neubebauung soll sich konfliktarm in die umgebende Siedlungsstruktur einpassen und vorhandene Siedlungsmuster aufgreifen, ohne neue städtebauliche Brüche zu erzeugen.
- Die im Plangebiet gelegenen, zur Beckerstraße orientierten Grundstücke bzw. Grundstücksteile vertragen und rechtfertigen im Vergleich zum jetzigen Bestand eine Nachverdichtung.
- Angrenzend an die Beckerstraße ist eine bis zu dreigeschossige Bebauung, gegebenenfalls auch mit zusätzlichem Staffelgeschoss, in offener Bauweise denkbar; die gegenüberliegende vier- bis fünfgeschossige Wohnbebauung südlich der Beckerstraße kann allerdings nicht als maßstabsprägend herangezogen werden.
- Im Falle eines Geschosswohnungsbaus ist der ruhende Verkehr vorrangig in Tiefgaragen unterzubringen. In Abhängigkeit der im Bebauungsplan festzusetzenden Geschossflächenzahl (GFZ) sind gegebenenfalls Geschossflächenzuschläge im Sinne des § 21a Abs. 5 BauNVO regelbar.
- Die Laubbäume entlang der Beckerstraße und der Hartmannstraße sind aufgrund ihrer ortsbildprägenden Qualität dauerhaft zu erhalten.
Zu 2:
Beschleunigtes Verfahren nach § 13a BauGB:
Die Aufstellung des Bebauungsplans kann im „beschleunigten Verfahren“ im Sinne des § 13a BauGB erfolgen. Da es sich um einen „Bebauungsplan der Innenentwicklung“ zum Zwecke der „Nachverdichtung“ handelt, sind die entsprechenden Vorschriften des § 13a BauGB einschlägig.
Im „beschleunigten Verfahren“ kann der Bebauungsplan auch ohne vorherige Änderung des Flächennutzungsplans aufgestellt werden – dieser stellt aktuell nämlich „Gemeinbedarfsfläche: Zweckbestimmung Jugendeinrichtung“ dar. Der Flächennutzungsplan wäre dann im Wege der Berichtigung anzupassen (vgl. § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB).
Auch die weiteren Voraussetzungen für die Anwendung des beschleunigten Verfahrens sind erfüllt: Bei einer Plangebietsgröße von lediglich rund 6.000 qm ist zwangsläufig sichergestellt, dass die im Plangebiet festzusetzende zulässige Grundfläche weniger als 20.000 qm betragen wird. Weiterhin wird durch den Bebauungsplan keine Zulässigkeit von Vorhaben begründet, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, Schutzgüter im Sinne des §1 Abs. 6 Nr. 7b BauGB (z.B. FFH-Gebiet) werden nicht beeinträchtigt (§ 13a Abs.1 Satz 4+5 BauGB).
Von der Umweltprüfung und von der Erstellung eines Umweltberichts wird im beschleunigten Verfahren abgesehen. Der im beschleunigten Verfahren planungsrechtlich ebenfalls verzichtbare Verfahrensschritt der frühzeitigen Beteiligung und Erörterung soll aber trotzdem durchgeführt werden.
Auf Basis des Aufstellungsbeschlusses durch den Stadtrat wird die Verwaltung einen Bebauungsplanvorentwurf für die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 3 Abs. 1 BauGB sowie die frühzeitige Beteiligung der Behörden gem. § 4 Abs. 1 BauGB ausarbeiten.