Der Flugsport-Club „MÖVE 1951“ Obernau/ Main e.V., Altenbachstraße 29, 63743 Aschaffenburg, stellte am 17.01.2013 beim Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz – untere Naturschutzbehörde – den Antrag Gehölze in der an die Lande- und Startbahn angrenzenden westlichen Fläche beseitigen zu dürfen.
Hintergründe:
Auslöser für die Notwendigkeit von Gehölzbeseitigungen rund um das Gelände des Vereins Möve Obernau e.V. war die Einstellung des Flugbetriebs durch das Luftamt Nordbayern am 05.04.2012.
Die vollständige Untersagung des Flugbetriebs basierte auf einer detaillierten Vermessung des Luftamtes mit dem Ergebnis, dass Hindernisse - hier ausschließlich Bäume - teilweise massiv in die Hindernisfreiflächen ragen und diese durchstoßen. In einem Schriftwechsel des Luftamtes mit der Stadt Aschaffenburg im Mai 2012 bestätigte dieses, dass die Sicherheitsbedenken so groß gewesen sind, dass eine sofortige Einstellung zwingend geboten war.
Der Flugsport-Club Möve Obernau e.V. stellte in den Anträgen und Schreiben an die Stadt Aschaffenburg dar, dass die Einstellung des Flugbetriebs bis zum Oktober eine außerordentliche finanziellen Belastung für den Verein zur Folge hat, die letztendlich zur Aufgabe der Vereinstätigkeit führen wird.
Den hohen Ausgaben für die Instandhaltung samt Überprüfungen der Fluggeräte und des Zubehörs sowie die bereits gezahlten Versicherungsbeiträge stehen während der gesamten Segelflugsaison von April bis September keine Einnahmen gegenüber. Hinzu kommt, dass der Verein seine 16 Flugschüler nicht weiter ausbilden könnte und ein Teil der zur Zeit angemeldeten 180 Mitglieder möglicher Weise ihre Mitgliedschaft außerordentlich kündigen würde, sodass das Aussetzen einer vollständigen Saison und die damit verbundenen wirtschaftlichen Einschnitte das Vereinsleben nicht nur vorübergehend einschränken, sondern die Existenz des Flugsport-Clubs ernsthaft gefährden würden.
Rückschnitt von Gehölzen im Frühjahr/ Sommer 2012:
Die Vorstandschaft von Möve Obernau setzte sich nach der Einstellung des Flugbetriebs unverzüglich mit der Stadt Aschaffenburg in Verbindung und beantragte nach ersten Gesprächen zunächst den Rückschnitt von Gehölzen im nördlichen Bereich des Fluggeländes.
Am 26.04.2012 fand eine Ortsbegehung mit dem Forstamt, Liegenschaftsamt und der Regierung von Unterfranken in ihrer Funktion als höhere Naturschutzbehörde statt. Diese wurde umgehend in das Verfahren miteinbezogen, da sich der direkt an die Flugbahn angrenzende Altenbach teilweise im Geltungsbereich der Naturschutzgebietsverordnung befindet.
Dem Antrag auf Beseitigung von Gehölzen im nördlichen Abschnitt (siehe Anlage) gab die untere Naturschutzbehörde am 27.04.2012 statt, da es sich um Gehölze innerhalb gärtnerisch genutzter Flächen handelte, die auch unabhängig der Schonzeit nach § 39 Abs. 5 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) gefällt werden dürfen.
Eine Überprüfung auf das Vorkommen von Brutstätten wurde von der unteren Naturschutzbehörde zuvor durchgeführt.
Um zumindest wieder einen eingeschränkten Flugbetrieb mit Segelflugzeugen aufnehmen zu können, mussten weitere Gehölze im Norden der Start- und Landebahn sowie herunterhängenden Zweige und Äste sowie Buschwerk von ca. 1-2 Metern Breite auf einer Länge von ca. 5-10 Metern im Randbereich des Naturschutzgebietes entfernt werden.
Bei den betroffenen Bäumen und Sträuchern handelte es sich um Gehölze außerhalb von gärtnerisch genutzten Flächen. Der Verbotstatbestand nach § 39 Abs. 5 BNatSchG ist daher erfüllt, weswegen vom Verein Möve Obernau e.V. ein Antrag auf Befreiung von den naturschutzrechtlichen Verboten beantragt wurde.
Die Entfernung eines weiteren Gehölzstreifens im Norden (siehe Anlage) wurde nach eingehender Prüfung von der unteren Naturschutzbehörde am 30.04.2012 erlassen, da die Einhaltung der Schonzeit durch die Existenzgefährdung zu einer unzumutbaren Belastung des Vereins geführt hätte.
Die Beseitigung der Zweige und Äste entlang des Naturschutzgebietes wurde am 01.06.2012 nach Rücksprache und Stellungnahme mit der Regierung von Unterfranken gestattet.
Aus naturschutzfachlicher Sicht bewertete diese den Rückschnitt des Gehölzstreifens als problemlos, da aufgrund der Geringfügigkeit der geplanten Maßnahmen im Randbereich des Naturschutzgebietes nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes bzw. der Schutzgüter auszugehen ist.
In beiden Fällen musste vor Beginn des Rückschnittes durch eine fachkundige Person sichergestellt werden, dass keine Vogelbruten gestört oder deren Nester zerstört werden.
Wiederaufnahme des Flugbetriebs:
Durch die oben genannten Maßnahmen zur Beseitigung der Hindernisse, stimmte das Luftamt Nordbayern einer eingeschränkten Wiederaufnahme des Flugbetriebs mit Segelflugzeugen am 25.05.2012 zu, unter der Vorgabe, dass weitere Bemühungen zur vollständigen Wiederherstellung der Hindernisfreiheit nachgewiesen werden müssen.
Eine Wiederaufnahme des Flugbetriebs für Motorsegler wurde allerdings erst in Aussicht gestellt, wenn die weiteren Sicherheitsflächen des Geländes ebenfalls freigestellt sind.
Anträge vom 24.08.2012 und 17.01.2013:
Zur Wiederherstellung des gesamten Flugbetriebs und Aufhebung der Einstellungsverfügung durch das Luftamt Nordbayern stellte der Verein am 24.08.2012 erneut einen Antrag auf Erlaubnis zur Beseitigung von Gehölzen.
Daraufhin fand am 24.09.2012 eine Ortsbegehung mit Vertretern des Luftamtes Nord, der Regierung von Unterfranken, der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Miltenberg sowie Vertretern der betroffenen städtischen Ämter statt.
Als Ergebnis wurde hierbei festgehalten, dass sich der Verein Möve Obernau mit Fachleuten in Verbindung setzen soll, die entsprechende Unterlagen zu Artenschutzprüfung und Eingriffsbewertung erstellen, da von behördlicher Seite einer Fällgenehmigung sonst nicht zugestimmt werden kann.
Das Luftamt Nordbayern legte als Schwerpunkt die Hindernisfreiheit im westlichen Bereich fest.
Im Januar diesen Jahres nahm der Verein dann erneut Kontakt mit dem Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz auf, um die geforderten Unterlagen vorzulegen.
Beseitigung von Gehölzen im westlichen Teil:
Der aktuell betroffene westliche Teil ist ein als Biotop kartierter Gehölzbestand (Biotop Nr. 1274 – TF 001). In der Biotopbeschreibung wird die Fläche als dichte mit Schwarz-Erlen, Eschen und Bruch-Weiden bestandene Feuchtfläche beschrieben.
Die Fläche ist entsprechend der aktuellen Biotopkartierung zudem als gesetzlich geschütztes Biotop nach § 30 BNatSchG kartiert. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass diese Schutzwürdigkeit nicht durch das Vorkommen der oben genannten Gehölze beruht, sondern auf die dort bestehenden seggen- und binsenreichen Nasswiesen.
Der Verein legte in seinem Antrag detailliert dar, welche Bäume auf welche Weise zurückgeschnitten, gefällt oder auf den Stock gesetzt werden müssen, um die Vorgaben des Luftamtes Nord zu erfüllen. Dabei wurde jedoch darauf geachtet, dass nur soviel zurückgeschnitten wird, wie unbedingt erforderlich ist.
Im Ergebnis sind insgesamt 42 Gehölze betroffen. Es handelt sich dabei vorrangig um Erlen, Eschen, Weiden und Birken, deren geschätztes Alter zwischen 8 und 25 Jahren liegt.
Insgesamt sollen 16 der 42 Gehölze bestanderhaltend gekürzt werden.
21 Gehölze werden auf den Stock gesetzt (ein Austreiben ist wieder möglich) und 5 Bäume müssen gefällt werden (4 Birken und eine 10-jährige Eiche). Bei 9 Exemplaren besteht aus Gründen der Verkehrssicherung bereits Handlungsbedarf.
Naturschutzrechtliche und -fachliche Bewertung:
Bei der teilweisen Beseitigung bzw. der Rücknahme des Gehölzbestandes liegt zunächst ein Eingriff in die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie ein Eingriff in das Landschaftsbild nach § 14 BNatSchG vor. Da nur wenige Bäume des Gesamtbestandes gefällt werden und die auf den Stock gesetzten Bäume wieder austreiben können, handelt es sich aber um einen Eingriff, der teilweise nur temporär besteht bzw. der durch Ersatzpflanzungen ausgeglichen werden kann.
Der durch die Maßnahme verursachte Habitatverlust für heimische Vogelarten kann durch Nisthilfen kompensiert werden.
Von einer Beeinträchtigung des gesetzlich geschützten Biotops ist nicht auszugehen, da durch die Rodungsmaßnahmen keine nachteiligen Auswirkungen auf die Nasswiesen zu erwarten sind und der Biotoptyp somit erhalten bleibt.
Die Belange des Artenschutzes – vor allem im Hinblick auf die Funktion der Gehölze als Brut-, Nahrungs- und Aufzuchthabitat für Vögel wurden ebenfalls geprüft. Hierbei schaltete der Verein den Landesbund für Vogelschutz ein, der in seiner Stellungnahme dokumentierte, dass „durch die Umsetzung der geplanten Maßnahme (…) im Hinblick auf ornithologische Gegebenheiten keine nachhaltigen negativen Auswirkungen zu erwarten sind“. Ein aktuelles Vorkommen seltener Brutvogelarten ist nicht bekannt. Ein Anbringen zusätzlicher Nisthilfen wurde vorgeschlagen.
Die untere Naturschutzbehörde kommt daher zu dem Ergebnis, dass dem Antrag des Vereins Möve Obernau e.V. unter Festlegung von Ausgleichsmaßnahmen (Ersatzpflanzung, Anbringen von Nisthilfen) stattgeben werden kann. Die Rückschnitt- und Fällarbeiten müssen allerdings noch vor dem 1. März oder dürfen erst nach dem 30. September durchgeführt werden.