Einführung einer Niederschlagswassergebühr (Gesplittete Abwassergebühr)


Daten angezeigt aus Sitzung:  6. Sitzung des Stadtrates (Plenum), 14.05.2018

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Stadtrat (Plenum) 6. Sitzung des Stadtrates (Plenum) 14.05.2018 ö Beschließend 3pl/6/3/18

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

Bisher gibt es in der Stadt Aschaffenburg nur eine einheitliche Abwassergebühr sowohl für die Beseitigung des Schmutzwassers als auch für die Oberflächenwasserentsorgung der Grundstücke. Die Gebührenhöhe ergibt sich hierbei nach der Menge des bezogenen Frischwassers in Kubikmeter, evtl. reduziert um nicht in den Kanal eingeleitete Wassermengen, wie beispielsweise für die Gartenbewässerung (= modifizierter Frischwassermaßstab). Dieser Maßstab ist auch weiterhin zulässig, solange die sog. „Erheblichkeitsgrenze“ von 12 % nicht überschritten wird. Damit ist gemeint, dass die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung den Anteil von 12 % an den gebührenfähigen Gesamtkosten der Abwasserentsorgung nicht überschreiten darf. Wird er überschritten, so ist nach ständiger Rechtsprechung eine eigene Niederschlagswassergebühr einzuführen. Das bedeutet die Gesamtkosten sind jeweils auf Schmutz- und Oberflächenwasserentsorgung aufzuteilen (Splitting) und eigenständige Gebührensätze zu ermitteln. Die Schmutzwassergebühr kann dabei weiterhin nach dem Frischwassermaßstab abgerechnet werden, wohingegen für die Niederschlagswassergebühr ein neuer, flächenbezogener Verteilungsmaßstab gefunden werden muss.
Bis zur Neubewertung der Abwasseranlagen im letzten Jahr ging man davon aus, dass die Stadt Aschaffenburg unter der Erheblichkeitsgrenze liegt und somit keine gesplittete Abwassergebühr einführen muss. Die Ergebnisse der Neubewertung haben jedoch gezeigt, dass die Grenze von 12 % überschritten wird und deshalb nach der Rechtsprechung die separate Gebühr einzuführen ist.
Zur Verteilung der Niederschlagswasserkosten auf die Gebührenpflichtigen sind ausschließlich flächenbezogene Verteilungsmaßstäbe zulässig. Die Bandbreite der Möglichkeiten reicht hierbei von sehr groben bis ganz exakten („Quadratmetergenau“) Maßstäben. Diese können dann noch variiert und teilweise kombiniert werden, um die für den jeweiligen Einrichtungsträger geeignetste Lösung zu finden. Denn alle diese Varianten haben jeweils Vor- und Nachteile. Deshalb sollen nachfolgend die drei gängigsten Verfahren kurz dargestellt werden:
  • Gebietsabflussbeiwert
Bei diesem Maßstab wird die Grundstücksfläche mit einem für das Gebiet, in dem das Anwesen liegt, geltenden Abflussbeiwert multipliziert. Dazu wird vorab das Stadtgebiet in Gebiete unterteilt, denen jeweils entsprechend der vorhandenen bebauten und befestigten Flächen auf den betreffenden Grundstücken ein Gebietsabflussbeiwert zugeordnet werden kann. Daraus ergibt sich dann die sog. Gebietsabflussbeiwertkarte, aus der man die Zuordnung der Grundstücke zum jeweiligen Gebiet durch farbliche Kennzeichnung leicht erkennen und somit schnell den festgesetzten Abflussbeiwert ermitteln kann.
Bei diesem Maßstab wird also nicht die tatsächlich angeschlossene Fläche ausgemessen, sondern vielmehr die angeschlossene Fläche geschätzt und angenommen, dass die so ermittelte Fläche der tatsächlich versiegelten Fläche entspricht, von der aus Niederschlagswasser in den Kanal abfließt. Der größte Vorteil des Gebietsabflussbeiwerts ist die schnelle Ermittlung der Versiegelungsfaktoren, ohne vor Ort oder durch elektronische Luftbildverfahren für jedes einzelne Grundstück Daten erheben zu müssen. Auch der Aktualisierungsaufwand ist sehr gering, da bauliche Änderungen auf einem einzelnen Grundstück am Gebietsabflussbeiwert nichts ändern.
Das ist jedoch gleichzeitig auch der größte Nachteil, da sich die tatsächlich versiegelten Flächen auf den Grundstücken innerhalb eines Gebiets doch stark unterscheiden können und dies somit zu erheblichen Ungleichbehandlungen der Gebührenpflichtigen führt. Bei extremen Abweichungen müsste auf Antrag sogar eine Einzelveranlagung erfolgen, was den o. g. Erhebungsvorteil wieder zunichtemacht.
Fazit: Aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten, wie z. B. hochgenaue Luftbilder und Auswertung mit elektronischen Verfahren, gilt der Gebietsabflussbeiwert inzwischen als veraltet, da die Ergebnisse zu grob und es damit zu den genannten Ungleichbehandlungen kommt.

  • Einzelflächenabrechnung
Das genaue Gegenteil zum groben Gebietsabflussbeiwert ist das Verfahren der exakten Einzelflächenabrechnung. Hierbei wird die Niederschlagswassergebühr für jedes Grundstück nach den tatsächlich überbauten und befestigten Flächen berechnet, von denen aus Oberflächenwasser in die Entwässerungseinrichtung gelangen kann. Der Ermittlungsaufwand ist dadurch natürlich wesentlich höher, da verschiedene Methoden wie Selbstauskunft, Befliegung bis hin zur Ausmessung auf dem Grundstück kombiniert werden müssen, um zu tatsächlich exakten wie verlässlichen Ergebnissen zu kommen. Auch Aufwand und Kosten für die Datenaktualisierung sind deutlich höher, da bei jeder noch so kleinen Änderung der Flächen durch bauliche Maßnahmen (Ver- bzw. Entsiegelung) sich die Bemessungsgrundlage der Niederschlagswassergebühr ändert und somit vom Grundstückseigentümer der Stadt mitgeteilt werden müsste. Die Praxis aus anderen Kommunen zeigt jedoch, dass dies häufig nur bei Entsiegelungsmaßnahmen geschieht. Folglich ist der Verwaltungsaufwand bei diesem Maßstab am höchsten, um das angestrebte Ziel der maximalen Flächengenauigkeit und der damit verbundenen Einzelfallgerechtigkeit zu erreichen.
Fazit: Der Maßstab der Einzelflächenabrechnung führt zwar zu quadratmetergenauen Versiegelungsflächen und damit zur gerechtesten Verteilungsmethode. Dies wird jedoch teuer erkauft mit einem wesentlich höheren Zeit- und Kostenaufwand sowohl bei der Datenermittlung als auch bei der fortwährenden Datenpflege, der letztlich immer von den Gebührenpflichtigen getragen wird und mögliche Einsparungen durch geringere Flächen u. U. egalisiert. Bei der Auswahl des Verfahrens sollten diese Aspekte berücksichtigt werden.

  • Der Grundstücksabflussbeiwert als Stufenmodell
Der Grundstücksabflussbeiwert als Maßstab zur Verteilung der Niederschlagswasserkosten versucht die Vorteile der beiden vorgenannten Verfahren zu nutzen und gleichzeitig deren Nachteile zu vermeiden. Zwar geht der Grundstücksabflussbeiwert ebenso wie der Gebietsabflussbeiwert von der gesamten Grundstücksfläche aus und nicht von der quadratmetergenauen, tatsächlich versiegelten Fläche, jedoch wird beim Grundstücksabflussbeiwert die Stufe des Versiegelungsbeiwerts nicht mehr zu einem Gebiet zusammengefasst, sondern grundstücksbezogen festgelegt. Der Grund dafür ist, dass die versiegelten Flächen in einem Stadtgebiet eben häufig nicht homogen sind, sondern auf der Abflussbeiwertkarte eher wie ein Flickenteppich aussehen. Der Grundstücksabflussbeiwert ist also genauer und bildet damit die tatsächliche Versiegelung besser ab als der Gebietsabflussbeiwert. Allerdings besteht weiterhin dessen Nachteil, bei deutlichen Abweichungen von der tatsächlich versiegelten Fläche eine Einzelabrechnung durchführen zu müssen, was wiederum den Zeit- und Kostenaufwand erheblich steigert.
Um dies zu vermeiden, wurde der Grundstücksabflussbeiwert modifiziert und als Stufenmodell gestaltet. Dabei werden die Grundstücksabflussbeiwerte als Stufen festgelegt, die um eine Spanne ergänzt werden, für die die Stufe gilt. Die Zuordnung der Grundstücke in die jeweilige Stufe erfolgt dann aufgrund der Ergebnisse einer umfassenden Flächenermittlung mittels Auswertung von Luftbildern und Selbstauskunft durch vorausgefüllte Fragebögen. Diese vorbereitenden Arbeiten müssen durch einen geeigneten Dienstleister erbracht werden, der die dazu erforderlichen fachlichen und personellen Ressourcen besitzt.
Ein großer Vorteil bei diesem Vorgehen ist, dass alle Grundstücke nach dem gleichen Maßstab behandelt werden und die Grundstückseigentümer durch die Rücksendung der Fragebögen dennoch unpassende Stufenzuordnungen melden können und bei Richtigkeit der korrekten Stufe zugeordnet werden. Aber als Unterschied zur Einzelflächenabrechnung nicht bei jeder noch so kleinen Änderung, sondern nur wenn die Spannweite der festgesetzten Stufe unter- bzw. überschritten wird. Auf diese Weise wird erheblicher Verwaltungsaufwand bei der Datenerstermittlung und dem ständigen Änderungsdienst eingespart. Die Veranlagung zur Niederschlagswassergebühr erfolgt dann für alle Grundstückseigentümer gleichermaßen nach dem Durchschnittswert der jeweiligen Stufe.
Zur besseren Verdeutlichung nachfolgend der Maßstab Grundstücksabflussbeiwert in Stufen als Übersicht dargestellt:
Aufgrund der genannten Vorteile schlägt die Verwaltung zur Verteilung der Niederschlagswasserkosten den Maßstab Grundstücksabflussbeiwert in Stufen vor.

Für weitergehende Informationen und den technischen und organisatorischen Ablauf bei der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr wird auf den Vortrag von Herrn Leistner (Kommunalberatung Leistner) verwiesen.

Es wird um Zustimmung zu den Beschlussvorschlägen gebeten.

.Beschluss:

I.
1. Die Stadt Aschaffenburg führt eine Niederschlagswassergebühr (Gesplittete Abwassergebühr) ein.
2. Die Verteilung der Niederschlagswasserkosten erfolgt nach dem Maßstab Grundstücksabflussbeiwert in Stufen. Die Zuordnung der Grundstücke erfolgt gemäß der in Anlage 1 beigefügten Übersicht.
3. Die Verwaltung wird beauftragt, die Ausschreibung für einen geeigneten Dienstleister und die Änderung der Entwässerungsgebührensatzung vorzubereiten.

II. Angaben zu den Kosten:

Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [ X ]
nein [   ]

Sofern Kosten entstehen:


Die Kosten sind im laufenden Haushaltsplan veranschlagt
ja [ x ]
nein [   ]
Es entstehen Folgekosten
ja [   ]
nein [   ]
Häufigkeit der Folgekosten
einmalig
[  ]
wiederkehrend
[   ]

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 41, Dagegen: 0

Datenstand vom 20.11.2018 14:41 Uhr