1. Anlass
Die Überprüfung der Denkmaleigenschaft der Alten Schule in Obernau wurde von Seiten eines Obernauer Bürgers angeregt. Seit der Eingemeindung Obernaus im Jahr 1978 ist das Gebäude Eigentum der Stadt Aschaffenburg. Zur Überprüfung der Denkmaleigenschaft des Gebäudes fand am 15.11.2018 eine Ortseinsicht statt, an der Vertreter des Bauordnungsamtes als Unterer Denkmalschutzbehörde, des Sachgebietes Liegenschaften, die Stadtheimatpfleger, Herr Dipl.-Ing. Ernst Holleber und Frau Anika Magath und des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege teilnahmen. Das Gebäude konnte hierbei nahezu vollständig begangen werden; der nördliche Teil des Obergeschosses war nicht zugänglich.
2. Baugeschichte und Baubeschreibung des Landesamtes für Denkmalpflege, Referat Inventarisierung
Bei dem Gebäude handelt es sich um die ehemalige Schule von Obernau, die im südöstlichen Bereich des Altortes an der Sulzbacher Straße, Ecke Schulgasse als Solitärbau errichtet wurde. Die Schule des 1978 eingemeindeten Ortes wurde bis zum Bau der neuen Grundschule im Jahr 1959 in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt. Anschließend wurden Wohnungen und Räume der evangelischen Gemeinde eingerichtet. Die damit einhergegangenen Umbauten sind durch Pläne dokumentiert. Seit drei Jahren steht das Gebäude leer.
Die Geschichte des Obernauer Schulwesens lässt sich im weiteren Sinn bis in das ausgehende 17. Jahrhundert nachvollziehen: So ist ein Schulmeister in Obernau – namentlich überliefert als Kilian Leykam – erstmals in den Kirchenrechnungen der Jahre 1687/88 verzeichnet. Der Unterricht erfolgte seinerzeit in einem Schulzimmer in einem Gebäude an der Kirchhofgasse. Für das Jahr 1752 ist überliefert, dass der „Schulmeister beim Schulhaus ein Gärtlein samt dem Kirchhof zu benutzen hatte“. Wenige Jahre später wurden nachweislich 70 Mädchen und Knaben in dem Schulzimmer getrennt unterrichtet. 1814 fiel Obernau an das Königreich Bayern; im Zuge dessen erhielt das Dorf wie vielerorts 1813 auch ein eigenes Schulhaus, das der Überlieferung zufolge als zweigeschossiger, unterkellerter Massivbau mit Schulsaal und Lehrerwohnung sowie zugehörigem Schulgarten errichtet wurde. Das Gebäude lag „hinter der Kirche“ – und somit charakteristischerweise in größtmöglicher Nähe zum örtlichen Gotteshaus. In dem Schulgebäude wurden im Jahr 1864 über 100 Kinder unterrichtet; seinerzeit wurde die Forderung nach einer zweiten Schule bzw. einem Umbau des bestehenden Gebäudes laut. Schließlich erfolgte eine Aufstockung des Gebäudes wie auch die Einrichtung einer zweiten Lehrerwohnung.
Bei dem betreffenden Schulgebäude handelt es sich folglich um das dritte Schulgebäude des Ortes Obernau. Die Errichtung dieser Schule wurde 1891 von der Regierung beschlossen. Die Gemeinde hatte den Anspruch, dass das neue Schulhaus „(…) auch zugleich eine monumentale Zierde des hiesigen Ortes werde, dass also zugleich mit dem Notwendigen auch das Schöne verbunden werde“. Bezüglich der Positionierung wurde festgelegt, dass die „Front“, hier die traufseitige Hauptfassade des Gebäudes, zur ehemaligen Distriktstraße, der heutigen Sulzbacher Straße, ausgerichtet werde. Das Gebäude ist inschriftlich auf das Jahr 1895 datiert; die Grundsteinlegung war am 13. August dieses Jahres erfolgt. Das Schulhaus soll allerdings erst im Folgejahr fertiggestellt worden sein. Die Schulstellen wurden 1897 mit Ordensfrauen der Kongregation der Töchter vom Allerheiligsten Erlöser in Würzburg besetzt.
Der über einem Kellersockel errichtete zweigeschossige Massivbau mit Satteldach wurde in unverputzter Sandsteinquaderbauweise ausgeführt. Die Erschließung des Gebäudes erfolgt über die zur Sulzbacher Straße gewandte, nördliche Traufseite. Der in der Mittelachse dieser siebenachsigen Fassade platzierte Zugang ist um zwei Stufen erhöht, die keilsteinartige Sturzbekrönung über dem Sandsteinrahmen weist die inschriftliche Datierung auf das Jahr 1895 auf; das Türblatt wurde erneuert. Der klein durchfensterte Kellersockel ist in Bossenmauerwerk ausgeführt; die darüber aufgehenden Werksteinquader sind glatt behauen. Eine dezente Fassadengliederung erfolgt durch leicht aus der Fassadenflucht hervortretende Ecklisenen, die ortgangparallel fortgesetzt werden, sowie ein hier verkröpfendes Sohlbankgesims, welches das Erdgeschoss höher und das Obergeschoss niedriger erscheinen lässt, was den Bau insgesamt höher wiederum wirken lässt. Die nördliche Giebelseite verfügt über zwei und die südliche über vier Fensterachsen; die südlich Traufseite mit gartenseitigem Zugang ist unregelmäßig befenstert. Die Fenster sind mit einer abgesetzten, gekehlten Fase versehen.
Es ist zu vermuten, dass in dem Gebäude ursprünglich drei Schulsäle und eine Lehrerwohnung untergebracht waren. Wie die Umbaupläne zeigen, wurde die Grundrissdisposition des Gebäudes im Zuge der Umnutzung zu Wohnzwecken im weiten Teilen nachträglich verändert, indem die Säle durch den Einbau von Zwischenwänden unterteilt wurden. Lediglich im Obergeschoss ist ein Schulsaal ohne nachträgliche Binnengliederung überliefert; hier wurde seinerzeit ein evangelischer Gemeinderaum eingerichtet. Die vermeintliche Lehrerwohnung befand sich wohl im gegenüberliegenden nördlichen Bereich des Obergeschosses. Der Grundriss des Gebäudes ist zweihüftig angelegt, mit einem breiten, das Treppenhaus aufnehmenden Mittelflur und beidseitig angeordneten Räumen. Das Geländer des bauzeitlichen Treppenhauses verfügt über einen markanten gedrechselten Antrittspfosten, filigrane Stäbe, Krümmlinge in den Ecken und einen hölzernen Handlauf. Die Toiletten befinden sich im Zwischengeschoss wie auch vor dem Kellerabgang. Der erwähnte obergeschossige Saal erstreckt sich im Bereich der westlichen Giebelseite und ist vermutlich mit Dielenboden unter PVC sowie der bauzeitlichen wandfesten Ausstattung wie Lambris und historischer Türe überliefert.
Neben der Erschließung durch die Innentreppe ist der Keller zusätzlich über eine Außentreppe an der südlichen Giebelseite zugänglich. Die Kellerräume sind überwiegend mit Preußischen Kappendecken überwölbt. Auch die stehende Stuhlkonstruktion des mit einigen Kammern ausgebauten Dachs ist erhalten. Während die Fenster vollständig erneuert wurden, ist im Inneren die historische wandfeste Ausstattung mit Lamperien in Erd- und Obergeschoss wie auch im Bereich des Treppenhauses, zahlreichen bauzeitlichen Türen, dem Treppenhaus sowie Teilen der – nachträglich verkleideten – historischen Dielenböden anschaulich überliefert.
Das Sandsteingeschoss des südlich des Schulgebäudes gelegenen Nebengebäudes mit integrierten Stall- und Lagerräumen – der südwestlichste Raum wiederum mit Preußischer Kappendecke – wurde wohl zeitgleich mit dem Hauptgebäude errichtet, allerdings später aufgestockt und mit einem einseitig abgewalmten Satteldach versehen. Das Nebengebäude verfügt über keine Denkmaleigenschaften.
Begründung der Denkmaleigenschaft
Baudenkmäler sind nach Vorgabe des Art. 1 BayDSchG Sachen oder Teile davon aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt.
Sämtliche im Denkmallistentext genannten baulichen Anlagen und Anlageteile stammen aus vergangener Zeit.
a. Denkmalbedeutung: geschichtliche Bedeutung
Aufgrund der ehemaligen Nutzung als kommunaler Schulbau kommt dem Gebäude Bedeutung für die Ortsgeschichte zu. Als charakteristische, anschaulich erhaltene Bildungseinrichtung des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist dem Gebäude trotz der Veränderungen der Grundrissdisposition des Weiteren sozialgeschichtliche Bedeutung beizumessen.
b. Denkmalbedeutung: künstlerische Bedeutung
Bei dem Alten Schulhaus von Obernau handelt es sich um einen repräsentativen Massivbau, der mit dem unverputzten Sandsteinmauerwerk, der Lisenengliederung und dem Sohlbankgesims von einem gewissen architektonischen Gestaltungsanspruch zeugt, der das kommunale Gebäude im Vergleich zu der weiteren Bebauung im Ort exponiert.
c. Denkmalbedeutung: städtebauliche Bedeutung
Aufgrund der Lage an der Straßenkreuzung Sulzbacher Straße, Ecke Schulgasse und der gewissen Fernwirkung des freistehenden Gebäudes kommt der Alten Schule außerdem städtebauliche Bedeutung zu.
Denkmalwürdigkeit
Aufgrund ihrer geschichtlichen und städtebaulichen Bedeutung erfüllen beide Objekte die Kriterien nach Art. 1 BayDSchG. Ihre Erhaltung ist aus den, das öffentliche bzw. allgemeine Interesse gesetzlich definierenden Bedeutungsarten erforderlich und damit im Interesse der Allgemeinheit.
3. Verfahren
Das Bayerische Landesamt für Denkmalschutz hat mit Schreiben vom 10.12.2018 die Denkmaleigenschaft des ehemaligen Schulhauses von Obernau festgestellt. Dieses Schreiben dient der nach Art. 2 Abs. 1 BayDSchG vorgesehenen Herstellung des Benehmens mit der Stadt Aschaffenburg. Es besteht somit die Gelegenheit, sachliche Ergänzungen oder Korrekturen dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, das für die Führung der Denkmalliste zuständig ist, mitzuteilen. Es wurde um Rückäußerung bis 10.03.2019 gebeten.
Das Baudenkmal ist aktuell im Bayerischen Denkmalatlas, mit dem Vermerk eingetragen, dass das Benehmen mit der Stadt Aschaffenburg noch nicht hergestellt ist. (http://www.denkmal.bayern.de).
4. Künftige Nutzung des Grundstückes
Die Stadtverwaltung hatte das Grundstück gem. Stadtratsbeschluss vom 24.10.2016 zum Verkauf ausgeschrieben, mit der Verpflichtung Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus oder preisgünstige Wohnungen mit einer „bezahlbarer Miete“ zur Verfügung zu stellen. Zur Realisierung dieses Zieles hätte die Bestandsbebauung abgebrochen werden dürfen. Die Vergabe sollte nach dem städtischen Wohnraumförderprogramm erfolgen. Ein Investor war am Kauf interessiert und hatte entsprechende Planungen, die den Abbruch der vorhandenen Bebauung vorsah, vorangetrieben. Dieses planerische Konzept muss nun aufgegeben werden. Die künftige Nutzung des Grundstückes ist kurzfristig zu klären.
Dem Umwelt- und Verwaltungssenat wird empfohlen das erforderliche Benehmen mit den Feststellungen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege herzustellen.