- Sachverhalt
Mit mail vom 13.05.2020 hat die KI einen Antrag der Initiative Seebrücke als eigenen Antrag übernommen und dementsprechend beantragt, dass der Stadtrat nachfolgende Resolution beschließen soll:
„Der Stadtrat Aschaffenburg
- fordert die sofortige Evakuierung der Menschen aus den griechischen Lagern und bekräftigt in einem Brief an Bundes- und Landesregierung die Bereitschaft der Stadt. Menschen aufzunehmen
- positioniert sich gegen die Unterstützung der staatlichen Gewalt an der EU-Außengrenze
- setzt sich endlich proaktiv für die Rettung von Menschen aus dem Mittelmeer ein“
- Tagesordnung
Nach geltendem Bayerischen Kommunalrecht hat der Oberbürgermeister gemäß den Regelungen der Geschäftsordnung jeden Stadtratsantrag auf die Tagesordnung zu setzen. Der Stadtrat entscheidet dann, wie mit den Anträgen umzugehen ist. Der Oberbürgermeister hat also keine „Verwerfungskompetenz“. Der Oberbürgermeister hat allerdings die Pflicht, die Anträge zu prüfen und auf rechtliche Probleme hinzuweisen. Diese Vorgehensweise wurde bereits 2017 anlässlich eines anderen KI-Antrages mit ausländerrechtlicher Thematik geklärt.
- Kommunale Befassungskompetenz
Einstiegspunkt der Prüfung ist, ob die mit dem Antrag verfolgte Angelegenheit in die kommunale Befassungskompetenz fällt, denn der Gemeinderat ist kein Parlament sondern ein Verwaltungsorgan. Er kann sich nicht mit allen möglichen Dingen befassen sondern mit den Dingen, die ihm nach der Gemeindeordnung übertragen sind. Diese Dinge sind nach der Gemeindeordnung die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“.
Das BVerwG hat sich im Zusammenhang mit den Nachrüstungsbeschlüssen grundsätzlich mit der Frage auseinandergesetzt. Im Urteil vom 14.12.1990 - 7 C 37/89, das eine Beschlussfassung einer oberbayerischen Gemeinde betraf wurden folgende grundlegenden Aussagen getroffen, die bis heute immer wieder zitiert werden:
„Voraussetzung einer auf dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht gründenden hoheitlichen Befassung ist indessen, dass sie die der Gemeindevertretung gezogenen Grenzen des Betätigungsfeldes wahrt, die durch den Tatbestand der “Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" vorgegeben sind. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i. S. von Art. 28 II 1 GG sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen (BVerfGE 79, 127 (151) = NVwZ 1989, 347 = NJW 1989, 1790 L; ferner BVerfGE 8, 122 (134) = NJW 1958, 1341, 1771 L; BVerfGE 50, 195 (201) = NJW 1979, 1347; BVerfG 52, 95 (120) = NJW 1979, 3474). Die Stellungnahme muss demnach auch und gerade, wenn sie den Kompetenz- und Zuständigkeitsbereich sonstiger Stellen der vollziehenden Gewalt betrifft, in spezifischer Weise ortsbezogen sein. Der bloße Umstand, dass die Gemeindevertretung nur für die eigene Gemeinde spricht, genügt dem Anspruch spezifischer Ortsbezogenheit schon deshalb nicht, weil sie sonst unter Berufung auf die im Selbstverwaltungsrecht wurzelnde Allzuständigkeit der Gemeinde auch allgemeinpolitische Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit machen könnte. Die Gemeinde erlangt jedoch aus Art. 28 II 1 GG nur ein kommunalpolitisches, kein allgemeines politisches Mandat (BVerfGE 79, 127 (147) = NVwZ 1989, 347 = NJW 1989, 179 L; ferner BVerfGE 8, 122 (134) = NJW 1958, 1341, 1771 L), ebenso wie sie selbst weder Inhaberin grundrechtsgeschützter politischer Freiheit noch Sachwalterin der grundrechtlichen Belange ihrer Bürger ist (BVerGE 61, 82 (102 f.) = NJW 1982, 2173 = NVwZ 1982, 554 L). Die von der Gemeindevertretung gefassten Beschlüsse ergehen vielmehr, auch soweit die Vertretung sich in der Form “appellativer” oder “symbolischer” Entschließungen äußert, in Ausübung gesetzlich gebundener öffentlicher Gewalt und bedürfen daher der - hier durch Art. 28 II 1 GG vermittelten - Rechtsgrundlage.“
Bereits mehrfach wurden im Stadtrat Anträge zu Flüchtlingsthemen gestellt. Immer wieder wurde seitens der Verwaltung darauf hingewiesen, dass zwar für das Grundanliegen der Anträge Verständnis besteht, dass aber hinsichtlich dieser Themenkreis in der Regel keine Entscheidungszuständigkeit der Stadt besteht.
Speziell im Hinblick auf Ziffer 3 der Resolution wurde in der Beschlussvorlage zu TOP 11 der Plenumssitzung vom 6.5.2019 dargelegt, dass Entscheidungen über die Aufnahme von Flüchtlingen nicht in die kommunale Entscheidungskompetenz fallen. Lediglich die Erklärung, bereit zu sein, Flüchtlinge aufzunehmen, wurde nach Abstimmung mit der Regierung für zulässig erklärt. Dementsprechend wurde damals folgender Beschluss gefasst:
1. Die Stadt Aschaffenburg erklärt sich im Kontext zu Ziffer 2 dieses Beschlusses zum
„sicheren Hafen.“
Anwesend: 40
Beschlussfassung: Mehrheitlich angenommen.
2. Die Stadt Aschaffenburg ist auch weiterhin bereit, in den von ihr betriebenen dezentralen
Unterkünften zugewiesene Flüchtlinge aufzunehmen und zu betreuen. Dies gilt
insbesondere dann, wenn dadurch ermöglicht wird, den aus Seenot geretteten
Flüchtlingen eine angemessene Unterkunft an Land zu ermöglichen. Im Hinblick auf die
Notwendigkeit, die dezentralen Unterkünfte für die Unterbringung von
Familiennachzügen
und eigenen bedürftigen Personen zu nutzen (z.B. Obdachloser) sollen allerdings vorrangig die leerstehenden zentralen Unterkünfte in der Aschaffenburger GU für aus Seenot gerettete Flüchtlinge genutzt werden.
Anwesend: 40
Beschlussfassung: Einstimmig angenommen.
3. Die Verwaltung wird aufgefordert, diesen Beschluss der Bundesregierung schriftlich mitzuteilen.“
Dieser Beschluss hat nach wie vor seine Gültigkeit und kann erneut bekräftigt werden. Die weitergehenden resolutionsbestandteile sind allgemeinpolitischer Natur und haben keinerlei spezifischen örtlichen Bezug im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG. Die Aufnahme des entsprechenden Resolutionsantrages muss dementsprechend abgelehnt werden.