Aschaffenburger Wohnungsmarkt; sozialer und preisgebundener Wohnungsbau - Antrag der SPD-Stadtratsfraktion vom 18.10.2020 - Antrag der GRÜNEN-Stadtratsfraktion vom 19.03.2021


Daten angezeigt aus Sitzung:  6. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates, 15.06.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Planungs- und Verkehrssenat 6. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates 15.06.2021 ö Beschließend 9PVS/6/9/21

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

1. Hintergrund
Mit dem städtischen Wohnraumförderprogramm beschloss der Stadtrat im Jahr 2016 u.a. Schwellenhaushalte (SWH), welche die staatliche Wohnraumförderung nicht in Anspruch nehmen können, da sie knapp über der Einkommensgrenze liegen, besonders zu fördern. Für die städtische Förderung wurde daher neben den staatlichen Einkommensstufen I – III eine weitere Einkommensstufe IV festgelegt. (Diese wurde im Jahr 2018 angepasst und angehoben.)
Ziel des städtischen Wohnraumförderprogramms war und ist es, private Bestandshalter und Bauträger dazu zu verpflichten preisgebundene Wohnungen in ihren geplanten Bauvorhaben zu integrieren und diese dann an sog. Schwellenhaushalte (SWH) zu vermieten.
Die Miete wird vertraglich festgelegt und darf die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigen. Als Grundlage der Berechnung dient der städtische Mietspiegel. Der Ausstattungsstandard der Wohnungen orientiert sich an den Wohnraumförderbestimmungen (WFB) der staatlichen Wohnraumförderung.
Die Verpflichtung von Bauherren war anfangs in erster Linie über den Verkauf von städtischen Grundstücken vorgesehen, da hier über den Kaufvertrag die Möglichkeit von Auflagen besteht. Als Gegenleistung erhält der Käufer einen Rabatt auf den Grundstückspreis. Der Zeitraum der Belegungsbindung wird auch vertraglich festgelegt (i.d.R. 10 – 15 Jahre).
Ein weiteres Fördermodell für Bauträger über städtische Darlehen wurde seinerzeit für Aschaffenburg aufgrund des niedrigen Zinsniveaus nicht als zielführend gesehen und daher nicht weiterverfolgt.

2. status quo
Schließlich konnten in den vergangenen Jahren auch über die Abwendung von Vorkaufsrecht sowie durch Bebauungsplan-Befreiungen aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit Verpflichtungen dahingehend abverlangt werden, preisgebundene Mietwohnungen herzustellen.
Dadurch entstanden in den letzten drei Jahren 37 Wohnungen für sog. Schwellenhaushalte.
Allerdings ist hierbei zu erwähnen, dass seit Beschluss des Wohnraumförderprogramms noch keine nennenswerten Grundstücksverkäufe für Geschosswohnungsbauten seitens der Stadt getätigt bzw. ausgeschrieben wurden, worüber ursprünglich Schwellenhaushaltswohnungen generiert werden sollten. Die Grundstücke für Geschosswohnungsbauten, die in Nilkheim/ Anwandeweg bisher veräußert wurden, gingen vollumfänglich an die Stadtbau, um staatlich geförderten Wohnungsbau mit sozialer Bindung (EOF-Förderung siehe nächstes Kapitel) herzustellen. Weitere Grundstücke sind momentan für Baugemeinschaften vorgesehen, die mit ihren gemeinschaftlichen Konzepten ebenso eine Art preiswerten Wohnraum schaffen (Bspw. Genossenschaftliches Wohnen) und gemäß der städtischen Wohnraumförderprogramms einen wichtigen Baustein für ein vielfältiges Wohnungsangebot in Aschaffenburg darstellen. 
Von diesen 37 Wohnungen konnten 26 bereits vermietet werden. Darunter insbesondere die Wohneinheiten in der Langestraße, dem Bahnweg und in der Schweinheimer Straße. Aufgrund der natürlichen Fluktuation kam es zwischenzeitlich auch schon mehrfach zu Nachvermietungen. (Aktuell sind daher auch aus diesem Grund zwei Wohnungen frei.) Bei den anderen Objekten konnte die Vermarktung durch das Bauordnungsamt aus verschiedenen Gründen noch nicht aufgenommen werden (Baugenehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen; noch keine Fertigstellung/Bezugsfertigkeit sowie Vermarktungsstrategie bekannt).

3. Einkommensorientierte Förderung (EOF) – staatliche Wohnraumförderung
Gemäß des bayerischen Wohnraumfördergesetzes wird vom Land Bayern u.a. die Errichtung von Mietwohnraum gefördert, um insbesondere Haushalte zu unterstützen, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können. Dies ist die Einkommensorientiere Förderung (EOF). Gefördert werden Haushalte der Einkommensstufen I bis III nach bayerischem Wohnraumfördergesetz (bayWoFG).
Im Rahmen dieser Förderung erhält der Bauherr Darlehen und Zuschüsse zur Errichtung der Gebäude. Zudem erhalten die Mieter je nach Einkommen einen Zuschuss zur Miete. Dieser Zuschuss wird über die Zinsen der Darlehen finanziert und über den Zeitraum der Belegungsbindung gezahlt (auch das Darlehen läuft über diesen Zeitraum).
Gemäß der bayerischen Wohnraumförderbestimmungen beträgt die Bandbreite der zumutbaren Miete für Haushalte der Einkommensstufe I: 3,50 € bis 6,00 € je m² Wohnfläche monatlich. Für Haushalte der Einkommensstufen II und III erhöht sich die zumutbare Miete jeweils um 1,00 € je m² gegenüber der nächstniedrigeren Einkommensstufe. Bei großen Familienwohnungen (ab 4 Zimmer) sowie Rollstuhlwohnungen wird jeweils eine zusätzliche Förderung von 0,40 € je m² Wohnfläche gewährt. Die Bewilligungsstelle legt entsprechend dem örtlichen Mietenniveau eigenverantwortlich die jeweils zumutbare Miete fest.
Durch diese Einkommensorientierte Förderung reduziert sich die zu zahlende Miete für Einkommensschwache deutlich. Der Bauherr erhält jedoch die vorab festgelegte höchstzulässige Miete in vollem Umfang.
In Aschaffenburg wurden seit 2016 im Rahmen dieser Förderung sechs Projekte mit insgesamt 299 Wohneinheiten von der Stadtbau errichtet und ein Objekt mit 87 Wohneinheiten von der Sahle Baubetreuungsgesellschaft mbH ist derzeit im Bau. Zudem errichtet die Stadtbau im Baugebiet Anwandeweg vier weitere Mehrfamilienhäusern mit 124 Wohneinheiten, davon auch 108 geförderte Wohnungen. 
Und neun weitere Grundstücke wurden im vergangenen Jahr an die Stadtbau verkauft, die zur Bebauung mit Mehrfamilienhäusern mit dem Ziel „Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sowie sozialem Wohnungsbau“ vorgesehen sind.
Außerdem sind derzeit zwei Grundstücke für eine Baugemeinschaft ausgeschrieben. Erste Konzepte zeigen auf, dass hier ca. 40 Wohneinheiten entstehen können, welche gemäß des gemeinschaftlichen Gedankens ebenso preiswertes Wohnen bieten.

Insgesamt gibt es im Stadtgebiet momentan 1.708 Sozialwohnungen (= Stand der öffentlich geförderten Wohnungen zum 31.12.2020). Die Bindungsfristen laufen aber auch immer wieder aus. Die Anzahl der Wohnungen mit Sozialbindung war daher seit Jahren rückläufig. Dieser Trend konnte 2019 erstmals gestoppt und punktuell umgewendet werden. 2020 gab es jedoch wieder einen leichten Rückgang.
(Quelle: Jahresbericht des Bauordnungsamtes 2019)

4. Belegung und Höhe der preisgebundenen Miete
Die städtische Wohnraumförderstelle (Sachgebiet Wohnungswesen im Bauordnungsamt) ist mit der Belegung der Wohnungen (Schwellenhaushalte und EOF) betraut. 
Die Belegung der städtischen Wohnungen für Schwellenhaushalte war anfangs in enger Zusammenarbeit mit der Stadtbau angedacht, was jedoch aus verschiedenen Gründen nicht zweckmäßig war.
In den meisten Verträgen zu Schwellenhaushaltswohnungen wird festgelegt, dass die Stadt dem Eigentümer drei geeignete Mietinteressenten je Wohnung vorschlagen muss, aus diesen der Eigentümer dann auswählen kann. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Wohnungen an die vorgesehene Einkommensschicht vergeben werden. In der Praxis entstand dadurch jedoch ein immenser Mehraufwand für das Sachgebiet, auch da die vertraglichen Regelungen nicht immer eindeutig festgelegt werden konnten.
Die Höhe der Miete wurde/wird für jedes Vorhaben anhand des Mietspiegels festgelegt. Außerdem wurde die angesetzte Miete in Vergleich zu den höchstzulässigen und zumutbaren Mieten der EOF-Wohnungen gesetzt. 
Beispiel:
Bei einem Objekt der Stadtbau für EOF-Wohnungen im Jahr 2018 wurde eine höchstzulässige Miete von 9,40€ nach Mietspiegel von der Bewilligungsstelle festgelegt. Die zumutbare Miete für die Einkommensstufe I lag hier bei 5,15€/m². Mit einer Preisstaffelung von einem Euro lagen die Einkommensstufen II und III somit bei 6,15€/m² bzw. 7,15€/m². Nach dem gleichen System müsste entsprechend für die Einkommensstufe IV eine zumutbare Miete von 8,15€/m² angesetzt werden. Für ein Objekt für preisgebundene Wohnungen im gleichen Jahr konnte man sich dementsprechend mit dem Eigentümer auf eine Miethöhe von 8,50€/m² als angemessene Miete einigen, bei einer durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete nach Mietspiegel von 9,38€/m².

Allerdings zeigte sich die Suche nach geeigneten Mietern für die preisgebundenen Wohnungen (SWH) als schwierig, da aus verschiedenen Gründen das Preis-Leistungsverhältnis nicht den Ansprüchen der ursprünglich vorgesehenen Einkommensstufe entsprach. 
Häufig wurden die Wohnungen dann mit Mietern der Einkommensstufen I bis III belegt, die eigentlich Anspruch auf Mietzuschüsse in EOF-Wohnungen gehabt hätten, da sich keine Interessenten der Einkommensstufe IV gefunden haben. Die Einkommensstufen I - III nahmen den für sie zu hohen Preis der SWH-Wohnungen in Kauf, um zügig an eine Wohnung heranzukommen. In der Regel nehmen aber auch die Haushalte der Einkommensstufe I-III die EOF-Förderung in Anspruch und warten bis wieder EOF-Wohnungen für ihre Einkommensstufe zur Verfügung stehen. Insgesamt scheint sowohl bei der Stadtbau als auch bei der Wohnraumförderstelle die Nachfrage nach Wohnungen der Einkommensstufe I besonders hoch. Dies liegt auch daran, dass mit der Anhebung der Einkommensgrenzen im Jahr 2017/2018 inzwischen die meisten Antragsteller in die Einkommensstufe I fallen.
Diese Erfahrungen der Belegung zeigen jedoch, dass die sogenannten Schwellenhaushalte, für welche ursprünglich das Konzept dieser preisgebundenen Mietwohnungen erstellt wurde, (inzwischen) andere Bedarfe haben. Es ist anzunehmen, dass diese Einkommensschichten auch noch stärker das Bedürfnis nach Eigentum verfolgen. Oder doch hingenommen wird, dass ein Großteil des Nettoeinkommens den Wohnkosten zum Opfer fallen und dafür auf andere Ausgaben verzichtet wird. Was auch der Fall ist, wenn Einkommensstufen I – III in SWH-Wohnungen ziehen.

5. Resümee und Ausblick
Aus diesen genannten Gründen soll im Rahmen eines Gutachtens zur Erstellung eines Wohnungsmarktkonzeptes nochmals geprüft und analysiert werden, wie der derzeitige Bedarf an preisgebundenen Wohnungen aussieht, welche Ausstattungsstandards und Miethöhen benötigt werden und v.a. welchen Anteil die Wohnkosten am Nettogehalt einnehmen. 
Dabei sind die Bedürfnisse der sogenannten Schwellenhaushalte besonders zu untersuchen. Hier stellt sich bspw. auch die Frage, ob die Mietwohnungsförderung die richtige ist oder vielmehr auf eine Unterstützung im Schaffen von Eigentum erforderlich ist. Es zeigt sich z.B., dass Personen der Einkommensstufe IV sich eher in Richtung eines Eigentumserwerbs beraten lassen. Problem hier ist das beschränkte Angebot auf dem Immobilienmarkt und die extrem stark gestiegenen Preise.
Zudem ist der Bedarf an Wohnraum mit sozialer Bindung für die nächsten Jahre darzustellen.
Ein Ziel der städtischen Wohnraumförderung ist unbestritten weitere Bestandshalter (neben der Stadtbau) dazuzugewinnen, Wohnraum mit sozialer Bindung (staatlich geförderter EOF-Wohnungsbau) zu errichten.
Darüber hinaus ist das Konzept der Stadt, Schwellenhaushalte, die keine EOF-Förderung erhalten, gesondert zu unterstützen, weiterhin sinnvoll und ein zusätzliches Angebot für preiswerten Wohnraum in Aschaffenburg. Es bedarf jedoch nun nach ca. 5 Jahren Praxiserfahrung einer Anpassung, um zielgerichteter die entsprechende Einkommensschicht anzusprechen und zu erreichen. Außerdem müssen den Bauträgern noch stärker einheitliche Vorgaben abverlangt werden, um diese nicht jedes Mal neu verhandeln zu müssen. In diesem Zusammenhang sollte im Rahmen des Gutachtens nochmals geprüft werden, welche (Miet-)Preise und baulichen Vorgaben von den Bauherren rechtlich eingefordert und einheitlich festgeschrieben werden können.
Außerdem muss Aufwand – Nutzen der städtischen Wohnraumförderung auch für die Stadt in einem positiven Verhältnis stehen. Dies kann in der Bilanz der Schwellenhaushaltswohnungen (37 Wohnungen in fünf Jahren) mit dem beschriebenen Vermarktungsaufwand nicht bejaht werden.
Zudem soll evaluiert und geprüft werden, ob es weitere oder andere (finanzielle) Anreize und Modelle oder rechtliche Möglichkeiten gibt, die Bauträger zur Errichtung von preisgebundenem oder sozialem Wohnraum (Miete und Eigentum) zu bewegen. Dabei soll auch der Preisnachlass von 10% bei Verkauf von städtischen Grundstücken zu Gunsten von preiswertem Wohnraum nochmals geprüft werden. Außerdem sind die kommunalen Möglichkeiten zu prüfen, wie das Schaffen von Eigentum für Schwellenhaushalte unterstützt werden kann.

.Beschluss:

I.
  1. Der Bericht über den sozialen und preisgebundenen Wohnungsbau in Aschaffenburg wird zur Kenntnis genommen.

  1. Der Antrag der SPD-Stadtratsfraktion vom 18.10.2020 wird zur Kenntnis genommen (vgl. Anlage 3).


II. Angaben zur Klimawirkung:

Bewertung -  jeweils Mehrung oder Minderung der Treibhausgase (THG)
Wenig klimarelevant
Teilweise klimarelevant 
Sehr klimarelevant
[ x ]   keine weiteren Angaben erforderlich
[…..]   kurze Erläuterung in den Begründungen
[…..]  ausführlicher Erläuterung 
in den Begründungen 
Bewertungsschema nach KÖP (Klimaschutzmanagement in öffentlich Projekten)
 (Nationale Klimaschutz-Initiative  -  Klimabündnis / ifeu-Heidelberg / BMU)


III. Angaben zu den Kosten:

Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [   ]
nein [ x ]

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 0, Dagegen: 0

Datenstand vom 08.12.2021 11:27 Uhr