1 Vorbemerkungen
Im Jahr 1995 wurde von der Planungsgruppe Nord (PGN) der Grundstein für die Entwicklung des gesamtstädtischen Verkehrsmodells im Rahmen der Arbeiten zum Verkehrsentwicklungsplan gelegt. Seit dem wurden keine neuen Mobilitätsdaten erhoben, sondern nur noch punktuelle Zählungen einzelner Straßen vorgenommen. In den Jahren 2000 und 2007 fand jedoch eine Anpassung des Verkehrsmodells an Hand von Einwohneränderungen und Verkehrsmengenzählungen an mehreren Querschnitten statt. Diese Anpassungen reichen aber nicht aus, um die tatsächliche Verkehrssituation realitätsnah abzubilden.
Die Verwendung eines Verkehrsmodells ist für anstehende Analysen und Fragestellungen der Verkehrsplanung nach Öffnung der Ringstraße, für neue Aufgabenstellungen zu Verkehrsführungen insbesondere in der Innenstadt und zur Förderung des Umweltverbundes ein wichtiges Hilfsmittel. Seit 2010 verfügt das Stadtplanungsamt über eine eigene Software zur Verkehrsmodellierung. Die zu Grunde liegende Datenbasis besaß mit Ausnahme der Einwohnerdaten jedoch noch den Stand von 1995.
Im Juli 2013 wurde das Ingenieurbüro Helmert, Aachen, mit der Aktualisierung des Aschaffenburger Verkehrsmodells beauftragt. Das Verkehrsmodell führt Struktur- und Mobilitätsdaten zusammen. Die Gesamtzahl aller in Aschaffenburg zurückgelegten Wege wird an Hand theoretischer Berechnungen über die Routenwahl auf das Straßennetz umgelegt. Die Darstellung einer modellierten Verkehrsbelastung in einem Straßennetz wird daher auch "Umlegung" genannt.
Bild 1 zeigt die systematische Unterscheidung der Wege. Alle dargestellten Wege bilden zusammen das Verkehrsgeschehen in Aschaffenburg ab und müssen demzufolge erfasst werden. Hierzu wurden eine Haushaltsbefragung und eine Verkehrsbefragung durchgeführt.
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Wegeart
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Erhebungsmethode
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Binnenverkehr
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Haushaltsbefragung in Aschaffenburg
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Quellverkehr
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Haushaltsbefragung in Aschaffenburg
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Zielverkehr
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Haushaltsbefragung in Aschaffenburg / Verkehrsbefragung
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Durchgangsverkehr
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Verkehrsbefragung
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Bild 1: Systematische Unterscheidung und Erhebung der Wege
2 Haushaltsbefragung zum Mobilitätsverhalten
Die Haushaltsbefragung zum Mobilitätsverhalten der Aschaffenburger Bevölkerung wurde im Herbst 2013 durchgeführt. Für die Teilnahme wurden zufällig 12.000 Haushalte ausgewählt. Die Teilnahme war freiwillig und konnte postalisch, online oder telefonisch erfolgen.
Eine Antwort erteilten 2.652 (22,1%) Haushalte bzw. 5.756 Personen, welche 17.090 Wege protokollierten (Quelle, Ziel, wann, wie und zu welchem Zweck).
Im Folgenden werden einige Ergebnisse der Haushaltsbefragung vorgestellt, die sich ausschließlich auf das Mobilitätsverhalten der Aschaffenburger Bevölkerung beziehen. Über das Mobilitätsverhalten des Umlands liegen keine Kenntnisse vor.
Bild 2: Verkehrsmittelwahl 2013 (Anteil in % an allen erfassten Wegen) – Stadt Aschaffenburg
Der Modal-Split stellt die Verkehrsmittelwahl der Aschaffenburger Bevölkerung dar, unabhängig davon, wo die Wege getätigt wurden. Dagegen sind die Wege von Nicht-Aschaffenburgern nicht enthalten. Bei der Nutzung mehrerer Verkehrsmittel für einen Weg, z. B. mit dem Fahrrad zum Hauptbahnhof und anschließend weiter mit dem Zug nach Frankfurt, zählt das Verkehrsmittel, mit welchem der längste Wegeanteil zurückgelegt wurde. Auf Grund der klaren Definition des Modal-Split, lässt er sich gut mit anderen Städten vergleichen.
In Bild 3 ist ein Vergleich der Verkehrsmittelwahl aus der Haushaltsbefragung von 1995 aufgeführt. Die Werte von 1995 basieren auf einer Stichprobe, die nur etwa halb so groß wie die aus dem Jahr 2013 war. Entsprechend höher kann die statistische Abweichung sein.
Verkehrsmittel
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1995
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2013
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Veränderungen
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Wege / Tag
|
%
|
Wege / Tag
|
%
|
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Wege insgesamt
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204.900
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100,0%
|
213.000
|
100,0%
|
+4,0%
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Pkw-Selbstfahrer
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87.819
|
42,9%
|
103.000
|
48,3%
|
+17,2%
|
Pkw-Mitfahrer
|
23.911
|
11,7%
|
22.000
|
10,3%
|
-8,0%
|
Motorrad
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3.442
|
1,7%
|
1.000
|
0,5%
|
-70,9%
|
Summe MIV
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115.172
|
56,3%
|
126.000
|
59,1%
|
+9,4%
|
Bus & Bahn
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17.867
|
8,7%
|
20.000
|
9,4%
|
+11,9%
|
Fahrrad
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19.773
|
9,6%
|
26.000
|
12,2%
|
+31,5%
|
zu Fuß
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49.933
|
24,4%
|
41.000
|
19,2%
|
-17,9%
|
Summe Umweltverbund
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87.573
|
42,7%
|
87.000
|
40,8%
|
-0,7%
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Sonstiges / k. Angabe
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2.131
|
1,0%
|
-
|
-
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Bild 3: Anzahl der Wege nach Verkehrsmitteln im Vergleich der Jahre 1995 und 2013
Aus den Bildern 2 und 3 lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten:
- Die Anzahl der Wege, die die Aschaffenburger Bevölkerung an einem Werktag zurücklegt, ist seit 1995 um ca. 8.000 Wege auf insgesamt 213.000 Wege angestiegen – ein Zuwachs von ca. 4%.
- Der Anteil der Pkw-Selbstfahrer ist um ca. 5% gestiegen, die der Mitfahrer um 1 % gesunken. Relativ unbedeutend bleibt die Zahl der mit dem Motorrad zurückgelegten Wege.
- Bei den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds legte das Fahrrad mit knapp 3% am Anteil aller Wege zu, sowie Bus & Bahn mit ca. 0,7%. Ein deutlicher Rückgang von ca. 5% bzw. ca. 18% bezogen auf die Wegeanzahl ist bei den Fußwegen zu verzeichnen. Es liegt nahe, dass ein Teil der Fußwege jetzt mit dem Fahrrad oder dem Pkw zurückgelegt werden.
- Die Summe des motorisierten Kraftfahrzeugverkehrs beträgt 126.000 Wege und damit ca. 59% der Tagesmenge. Im Jahr 1995 waren es ca. 115.000 Wege und ca. 56%. Der Anstieg der Wegeanzahl in dieser Kategorie um ca. 9,4% kann unterschiedlichste Gründe besitzen, wie z. B. ein Anstieg der Arbeitsplätze oder der Einwohnerzahl. Sogar das Bewohnerparken kann unter Umständen die eigene Pkw-Nutzung durch einen wohnungsnahen Parkplatz begünstigen.
- Die Summe der Wege des Umweltverbunds hat sich gegenüber 1995 nicht wesentlich verändert. Der Anteil an den Gesamtwegen hat sich jedoch reduziert und liegt nun bei 40,8% (1995: 42,7%).
Die Verkehrsmittelnutzung variiert teilweise mit erheblichen Unterschieden zwischen den Stadtteilen, wie Bild 4 zeigt:
Stadtteil
|
Kfz
|
zu Fuß
|
Fahrrad
|
ÖV
|
Damm + Strietwald
|
63,9%
|
16,1%
|
11,4%
|
8,5%
|
Innenstadt + Obernauer Kolonie
|
48,5%
|
29,6%
|
12,8%
|
9,1%
|
Leider
|
61,6%
|
14,3%
|
12,6%
|
11,5%
|
Nilkheim
|
59,5%
|
13,4%
|
16,6%
|
10,5%
|
AB-Ost + Österreicher Kolonie
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56,0%
|
20,8%
|
16,3%
|
7,0%
|
Gailbach + Schweinheim
|
66,4%
|
15,7%
|
6,8%
|
11,1%
|
Obernau
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69,4%
|
10,5%
|
9,8%
|
10,3%
|
Gesamtstadt
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59,3%
|
19,3%
|
12,1%
|
9,3%
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Bild 4: Verkehrsmittelwahl der Stadtteile
Bild 5 zeigt die Summenhäufigkeit der Verkehrsmittel nach Entfernung. Anhand der Grafik bzw. Tabelle lässt sich ablesen, wie viele Wege innerhalb einer Entfernungsklasse mit welchem Verkehrsmittel zurückgelegt werden. Das Ablesebeispiel zeigt, dass 51% der Kfz-Fahrten (hier: Selbstfahrer, Mitfahrer und Motorrad) eine Länge von 4 km nicht überschreiten – das sind ca. 64.000 Wege, die sich zu weiten Teilen auch durch den Umweltverbund substituieren ließen.
Bild 5: Summenhäufigkeit der Verkehrsmittel nach Entfernung
Bild 6 zeigt, zu welchem Zweck Wege unternommen werden und Bild 7 stellt die dazu verwendeten Verkehrsmittel dar.
Bild 6: Reisezweckverteilung (Anteil in % aller Wege)
Das Kfz dominiert dabei die Reisezwecke Arbeit, geschäftlich unterwegs und Bringen /Holen. Bei den Ausbildungswegen ist der Umweltverbund mit rund 73% am stärksten vertreten.
Bild 7: Verkehrsmittel nach Reisezweck
3 Verkehrsbefragung
Die zweite Komponente zur Erfassung der Mobilitätsdaten ist die Verkehrsbefragung. Sie wurde im Oktober 2013 auf allen Straßen, die über die Stadtgrenze hinausgehen durchgeführt. In Zusammenarbeit mit der Polizei wurden dabei die Insassen von Fahrzeugen direkt befragt, von wo nach wo und zu welchem Zweck die Fahrt erfolgt. Die Uhrzeit und Anzahl der Insassen wurde ebenfalls notiert. Damit lagen nun auch Mobilitätsdaten von Nicht-Aschaffenburgern vor, die aber Wege im Stadtgebiet zurücklegen. Zu den 103.000 Kfz-Fahrten der Aschaffenburger Bevölkerung (vgl. Bild 3) kommen demnach 191.000 Kfz-Fahrten aus dem Umland dazu, die als Durchgangsverkehr (33.000 Kfz-Fahrten) oder Quell-Ziel-Verkehr (158.000 Kfz-Fahrten) auftreten. Auf dem Aschaffenburger Stadtgebiet werden somit an einem Werktag ca. 294.000 Kfz-Fahrten realisiert.
4 Aktualisierung des Verkehrsmodells
Die Daten der Haushaltsbefragung, der Verkehrsbefragung und eine umfangreiche Strukturdatenbank sind die Eingangsgrößen des Verkehrsmodells. Nach der Übergabe des Modells vom Gutachter an das Stadtplanungsamt wurde die Eichung des Modells durchgeführt. Bei der Eichung werden die Verkehrsbelastungen des Modells tatsächlich gezählten Werten gegenüber gestellt und möglichst in Übereinstimmung gebracht. Als Eichungsstellen wurden die radialen Hauptverkehrsstraßen gewählt. Bei den gezählten Werten wurden ausschließlich Zählungen berücksichtigt, die nach der Fertigstellung der Ringstraße durchgeführt wurden und bei denen die Verkehrsmenge 24 Stunden erhoben wurde. Dem Bild 8 sind die Ergebnisse der Eichung zu entnehmen. Die Zählungen stellen die werktäglichen Verkehrsmengen dar, weil das Verkehrsmodell ebenfalls die werktäglichen Verkehrsmengen modellieren soll.
Bild 8: Eichungstabelle
An fast allen Eichungsstellen lassen sich Abweichungen zwischen Zähl- und Modellwerten von unter 10% erzielen, was eine ausreichende Genauigkeit darstellt. Der Fortschritt der Eichung ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Er hat aber einen Bearbeitungsstand erreicht, der es erlaubt, eine erste Verkehrsumlegung zu präsentieren (s. Bild 9).
In der Umlegung in Bild 9 tritt die Ringstraße mit ihren dicken "Belastungsbalken" deutlich hervor und zeigt damit ihre Funktion, die Verkehrsströme zu bündeln und zu verteilen. Die früheren Ringstraßen (Hohenzollernring, Wittelsbacherring, Kurmainzer Ring) besitzen nur noch eine kleinräumige Erschließungsfunktion innerhalb ihres Quartiers.
Bild 9: Verkehrsumlegung (Analysestand: 19.01.2015)