1. Sachstand und Anlass
Für das Gewässersystem Kühruhgraben / Hechelsgraben gibt es eine historische Hochwasserberechnung von 1983, die als Basis für die Festlegung des rechtlich verbindlich ausgewiesenen Überschwemmungsgebietes diente. Diese Berechnung weist allerdings eine Reihe von Mängeln auf, die nachfolgend kurz aufgelistet werden:
a) Der Hechelsgraben (eigentlich der deutlich größere der beiden Quellbäche) wurde nicht detailliert vermessen und untersucht, es wurde lediglich eine Zuflussmenge errechnet und diese dann am Zusammenfluss der beiden Quellarme als Zulauf angesetzt. Das wirkliche Abflussgeschehen lässt sich so natürlich nicht darstellen.
b) Der Hechelsgraben ist ab der Wendelbergstraße verrohrt (DN 800). Diese Verrohrung führt entlang der Wendelbergstraße, quert einen Parkplatz an der Ecke Wendelbergstraße / Berliner Allee und führt dann am Rande der Berliner Allee zum Gelände des Städtischen Kinderheimes und der Comeniusschule. Dieses Gelände wird mit der Verrohrung gequert, der Graben verläuft dann im Gartenbereich der Comeniusschule wieder offen in einem künstlich gestalteten Bett. Eine Überprüfung ob diese Verrohrung vom Durchmesser her den Anforderungen entspricht fand nicht statt. Es ist zu vermuten dass im HQ 100 Fall die Verrohrung zu klein ist und das Gewässer ausufert. Der natürliche Wasserabfluss (gem. der vorhandenen Geländemodellierung) führt über die Berliner Allee und durch das Gelände des Kinderheimes bzw. der Comeniusschule auf der ursprünglichen Bachtrasse.
c) Die Sportanlage TVA ist in den Plänen von 1983 nicht enthalten, vielleicht existierte sie damals noch nicht oder nicht in der heutigen Form und Größe. Gleiches gilt teilweise für das Kinderheim und die Comeniusschule.
d) Für die angeführte Verrohrung des Hechelsgraben existiert nach den Unterlagen des TBA weder eine Berechnung (des erforderlichen Querschnittes) noch eine wasserrechtliche Genehmigung.
e) Weiter westlich quert der Kühruhgraben die Kneippstraße in einer ca. 20 Meter langen Verrohrung (DN 800). Auch für diese Verrohrung gibt es weder eine Berechnung noch eine Genehmigung. Der Straßendamm wurde in unbekannter Art und Weise errichtet, die Anforderungen an ein Dammbauwerk, das im HQ 100 Fall mehrere Meter hoch eingestaut wird erfüllt er sicherlich nicht.
f) Am westlichen Ende der Fläche der bestehenden TVA-Halle beginnt eine erneute Verrohrung, zunächst mit einem Durchmesser DN 800, der sich im weiteren Verlauf auf DN 700 reduziert. Das 1983 an dieser Stelle berechnete HQ 100 beträgt ca. 9,0 m³/s, die vorhandene Verrohrung fasst maximal 1,0 – 1,5 m³/s. Auch diese Verrohrung wurde ohne Überrechnung und Genehmigung in ihrer derzeitigen Form errichtet, sie ist aber vermutlich historisch begründet (Bau der Bahnlinie)
Grundsätzlich krankt die Überrechnung von 1983 an der Tatsache, dass zwar Abflüsse berechnet wurden (wobei diese vom Tiefbauamt als zu hoch eingeschätzt werden, das angefragte Ingenieurbüro sieht dies genauso), aber keinerlei Lösungen angeboten werden. Richtigerweise wird angeführt dass die beiden Verrohrungen an der Kneippstraße und der TVA-Halle über keine vorgelagerten Grobrechenanlagen (zum Schutz vor Verklausung) verfügen und somit, da das Gewässer jeweils oberhalb der Verrohrungen durch naturbelassene Bereiche verläuft, extrem schnell mit Ästen und Treibgut zugesetzt werden, was den möglichen Abfluss auf null reduziert. Es wird ebenfalls richtigerweise ausgeführt, dass sowohl an der Kneippstraße wie auch an der TVA-Halle mit massiven Überflutungen zu rechnen ist. In den Berechnungskarten sind diese mit Pfeilen dargestellt. Eine Aussage was überflutet wird und was für Konsequenzen dies hat fehlt. Es lassen sich aber folgende Szenarien denken:
I) Überflutung des Hechelsgraben (in der vorliegenden Berechnung, wie bereits erwähnt, nicht enthalten: Beeinträchtigung der Sportanlage TVA an der Wendelbergstraße, der Bebauung an der Berliner Allee und am Bessenbacher Weg (im Bereich der Kreuzung dieser beiden Straßen), Überflutungen auf dem Gelände des Kinderheimes und der Comeniusschule.
II) Ausuferung an der Kneippstraße: Beeinträchtigung der Bebauung entlang der westlichen Cranachstraße, Überflutung der Tennisanlage TVA.
III) Ausuferung am westlichen Ende der TVA-Halle: Beeinträchtigung der Bebauung an der Kochstraße bis hin zur Schießhausbrücke, Überflutung des Schulgeländes der Grünewaldschule, Überflutung der Ringstraße im Bereich Schießhausbrücke bis zum Tiefpunkt am Lichthof Goldbacher Straße.
Besonders die zu erwartenden Überflutungen im Bereich der beiden genannten Schulen sind problematisch und bedürfen einer kurzfristigen Lösung.
Das Grundproblem des Gewässersystems Kühruhgraben ist natürlich, dass das Gewässer zum einen direkt in Richtung Innenstadt läuft (wo sowieso keine Rückhaltemöglichkeiten bestehen), zum zweiten aber durch den Bau der Bahnlinie (und der Ringstraße) hier eine deutliche Zäsur erfolgte.
Diese beiden Bauwerke werden mit einem Düker DN 600 gequert, ein Hochwasser kann hier nicht durchschlagen. Die Innenstadt ist also geschützt (gleiches gilt im Übrigen für die Röderbachleitung).
Man hat auch im Bereich der alten Bahntrasse östlich der Ringstraße gewisse Rückhaltemöglichkeiten geschaffen (ein System von mit einander verbundenen Erdbecken, das entlang der Deutschen Straße bis zur Österreicher Straße reicht (und vor einigen Jahren nach starken Regenereignissen auch bis dorthin teilweise gefüllt war). Allerdings ist nicht bekannt wie groß hier das potentielle Rückhaltevolumen ist (es wurde nie auf gemessen). Das Wasser kann hier auch nicht mehr abfließen, es versickert oder verdunstet. Das Hauptproblem ist aber der Zulauf zu diesem System, die bereits erwähnte Verrohrung DN 800 / DN 700. Sie ist zum einen deutlich zu klein dimensioniert, zum anderen ist die Verklausungsgefahr sehr hoch.
Eine weitere, künstlich geschaffene Rückhaltefläche ist, sicherlich unbeabsichtigt, die Trasse der Ringstraße. Das Wasser würde dort zum Tiefpunkt am Lichthof Goldbacher Straße fließen, dort sitzt im Tiefpunkt ein großes Pumpwerk, das die Überflutung dann nach und nach wegpumpen würde (leider gelangt das an und für sich saubere Regenwasser dann ins Mischwassernetz), was aber durchaus bei einem HQ 100 mehrere Stunden dauern wird. Die Ringstraße wäre in diesem Lichthof dann eine gewisse Zeit nicht benutzbar.
Als Fazit ist festzuhalten dass das System Kühruhgraben dringend in Gänze überrechnet werden muss. Nach der Vermessung des kompletten Einzuggebietes (wobei man die Außenbereiche und z. B. auch die Flächen auf Haibacher Gemarkung über topographische Karten erfassen wird), insbesondere auch der vorhandenen Überflutungsmulden, würde eine Überrechnung mit den heute üblichen Modellen erfolgen. Im Anschluss müssten dann Lösungsmöglichkeiten (wie Einbau von Rückhaltesperren im Verlauf des Gewässers, Aufdimensionierung der Verrohrungen, Objektschutz an Gebäuden etc.) erarbeitet und diskutiert werden. Danach folgt die Umsetzungsphase der Maßnahmen.
2. Projektbeschreibung:
Sichtung der vorhandenen Unterlagen, Vermessung des in 1) genannten Gebietes.
Mit den vorhandenen und gewonnen Daten Überrechnung des Gewässersystems (Grunddaten dazu vom Landesamt für Umwelt). Diskussion der Berechnungsergebnisse mit den Fachbehörden (Tiefbauamt, Untere Wasserbehörde, Wasserwirtschaftsamt).
Erarbeitung von Lösungsvorschlägen, Abstimmung dieser in den genannten Gremien und zusätzlich mit weiteren Betroffenen (städtische Ämter, Private). Ausarbeitung eines Konzeptes und Berechnung der zu erwartenden Kosten. Vorstellung des Projektes im Stadtrat (und hier wahrscheinlich notwendig auch bei den Betroffenen Bürgern). Umsetzung des beschlossenen Konzeptes.
3. Kosten:
Der Verwaltung liegt ein Angebot der Ingenieurbüros Unger Ingenieure, Darmstadt und BGS, Darmstadt (in Bietergemeinschaft) zur Neuberechnung des Gewässersystems in Höhe von ca. 20.000.- € vor. Dieses Angebot beinhaltet nicht die erforderliche Vermessung des Einzugsgebietes, die Kosten hierfür werden mit ca. 10.000.- € abgeschätzt. Das Angebot beinhaltet auch nicht die erforderliche Hochwasserfreilegung für das Gewässersystem, ein entsprechendes Planungsangebot kann erst nach Vorlage der Überrechnungsergebnisse vorgelegt werden.
4. Finanzierung
Für das Projekt sind bislang keine Haushaltsmittel eingestellt. Die Verwaltung schlägt vor in einem ersten Schritt die entsprechenden Haushaltsmittel (30.000.- € für Vermessung und Überrechnung) im Nachtragshaushalt 2015 bereit zu stellen. Weitere Planungsmittel müssen dann im HH 2016 bereitgestellt werden. Die Umsetzung der Maßnahmen ist für die Folgejahre geplant.
Bildanlagen
Lageplan Gesamteinzugsgebiet Kühruhgraben / Hechelsgraben (aus Projekt 1983)
Lageplan Hochwasserüberrechnung Kühruhgraben (Projekt 1983)
Foto: Einlass Verrohrung Hechelsgraben an der Wendelbergstraße
Foto: Verrohrung Kneippstraße (Auslass)
Foto: Verrohrung TVA-Halle (Einlass)
Foto: Auslass Muldenspeichersystem
Foto: Muldensystem Höhe Kronberggymnasium