Anlass und Hintergrund:
Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.
Für die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit dem ÖPNV sind nach dem Personenbeförderungsgesetz und dem bayer. ÖPNV-Gesetz die Aufgabenträger zuständig. Die Anforderungen an das Verkehrsangebot definiert der Aufgabenträger in der Regel in einem Nahverkehrsplan (§8 PBefG).
Im Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern (BayÖPNVG) heißt es zum Nahverkehrsplan (Art. 13 (2) BayÖPNVG):
(2) 1 Der Nahverkehrsplan enthält Ziele und Konzeption des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs und muß mit den anerkannten Grundsätzen der Nahverkehrsplanung, den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung, der Städtebauplanung, den Belangen des Umweltschutzes sowie mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit übereinstimmen. 2 Soweit erforderlich ist die Planung mit anderen Planungsträgern sowie anderen Aufgabenträgern des ÖPNV abzustimmen. 3 Der Nahverkehrsplan ist in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen und bei Bedarf fortzuschreiben.
Der Landkreis Aschaffenburg, der Landkreis Miltenberg, die Stadt Alzenau sowie die kreisfreie Stadt Aschaffenburg sind jeweils für ihr Gebiet Aufgabenträger und bilden den Nahverkehrsraum Bayerischer Untermain.
Als gemeinsame Arbeitsebene wurde im Jahr 1995 von den Gebietskörperschaften die ARGE ÖPNV gegründet.
Diese besteht aus
- der Facharbeitsgruppe, die aus den Verwaltungen der Gebietskörperschaften gebildet wird und
- der Arbeitsgruppe der Fraktionen, in der alle Fraktionen der Gebietskörperschaften vertreten sind.
Das gemeinsame Vorgehen in der ARGE ÖPNV zur Aufstellung der Nahverkehrsplanung hat sich über viele Jahre sehr bewährt und war für ein regionales ÖPNV-Angebot schon förderlich.
Bereits seit 1999 betreiben die Gebietskörperschaften erfolgreich eine gemeinsame Nahverkehrsplanung für den allgemeinen ÖPNV (ausschließlich Busverkehr). Die Stadt Alzenau ist im Jahr 2000 als Aufgabenträger der ARGE-ÖPNV beigetreten.
In der Stadt Aschaffenburg werden die Inhalte und Ziele der Nahverkehrsplanung durch das Stadtentwicklungsreferat einvernehmlich mit den Stadtwerken als Betreiber der Buslinien abgestimmt und koordiniert.
Der Nahverkehrsplan bildet die Rechtsgrundlage zur Genehmigung von Fahrplänen sowie inhaltliche Vorgaben für die Regierung von Unterfranken als Genehmigungsbehörde und der Konzessionierung von Linienverkehren. Keine Planungs- und Entscheidungskompetenz haben die Gebietskörperschaften beim Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Hierfür ist ausschließlich der Freistaat Bayern als Aufgabenträger zuständig und wird vertreten durch die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG).
Der Nahverkehrsplan hat einen gesetzlich festgelegten Planungshorizont von 5 Jahren. Die Bearbeitung erfolgte erstmals durch den Gutachter Planungsgruppe Nord, Kassel. 2006 – 2007 erfolgte die erste Fortschreibung. Sie wurde überwiegend von den Verwaltungen der Aufgabenträger selbst durchgeführt.
Anfang 2013 wurde von den Gremien der Gebietskörperschaften beschlossen, den Nahverkehrsplan für die Region Bayerischer Untermain erneut fortzuschreiben. In der Stadt Aschaffenburg erfolgte der Beschluss des Stadtrates am 19.02.2013. Im Einvernehmen mit den Gebietskörperschaften wurde dafür das Büro plan:mobil aus Kassel mit der Bearbeitung der Planung beauftragt.
Aufgabenstellung und Inhalte des Nahverkehrsplans
Bei der Planung zur Sicherung und Verbesserung des ÖPNV sind laut BayÖPNVG (Art. 13 Abs.1 Satz 3) für die Aufgabenträger des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs insbesondere
1. die im Nahverkehrsraum vorhandenen Verkehrseinrichtungen zu erfassen,
2. das künftig zu erwartende Verkehrsaufkommen im motorisierten Individualverkehr und im öffentlichen Personennahverkehr auf Schiene und Straße zu prognostizieren,
3. Zielvorstellungen über das künftig anzustrebende Verkehrsangebot im öffentlichen Personennahverkehr auf Schiene und Straße zu entwickeln und
4. planerische Maßnahmen vorzusehen, die eine bestmögliche Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs unter Berücksichtigung der Belange des Gesamtverkehrs zulassen. ?? Der Artikel bezieht sich hier nur auf den allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr, nicht auf den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Im BayÖPNVG wird darin wie folgt unterschieden (Art.1 (2)): Zum allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr zählt die Beförderung insbesondere mit Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen, Bahnen besonderer Bauart sowie Omnibussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr.2Schienenpersonennahverkehr ist unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 die Beförderung in Zügen der Eisenbahnen.
Dementsprechend gliedert sich der Nahverkehrsplan in folgende Kapitel:
1. Vorbemerkung
2. Rahmenbedingungen
3. Raumstrukturanalyse
4. Bestandsaufnahme der ÖPNV-Angebotsstruktur
5. Verkehrsgeschehen im Untersuchungsraum
6. Entwicklungsziele
7. Zustandsbewertung und Mängelanalyse
8. Nachfrage im ÖPNV
9. Prognose der Raum- und Verkehrsentwicklung
10. Herausbildung von Nahverkehrsprodukten in der Region Bayerischer Untermain
11. Konzept zur Weiterentwicklung des Regionalbusverkehrs im Nahverkehrsraum Bayerischer Untermain
12. Konzept zur Weiterentwicklung des Stadt- und Nachbarortverkehrs im Oberzentrum Aschaffenburg
13. Maßnahmenprogramm
Die Bearbeitung des NVP erfolgt analog zu den vorangegangenen Nahverkehrsplänen in Abschnitten. Mittlerweile fertiggestellt sind die Kapitel 1 bis 7, die die Bestandsaufnahme, die Zieldefinition sowie die Zustandsbewertung und Mängelanalyse umfassen. Hierzu wird in allen Gremien der Gebietskörperschaften ein Billigungsbeschluss herbeigeführt, um für den gesamten Nahverkehrsraum so eine gemeinsame Arbeitsgrundlage für die Konzepterarbeitung festzulegen. Die Vorstellung erfolgt im Planungs- und Verkehrssenat durch das Gutachterbüro plan:mobil aus Kassel.
Zusammenfassende Darstellung der Kapitel 1-7
Zusammenfassend wird das ÖPNV-Angebot in der Region Bayerischer Untermain wie folgt beurteilt. Diese Aussagen sind vor allem wichtig für den noch ausstehenden Arbeitsschritt Konzeptentwicklung und Maßnahmenprogramm:
Auszug aus dem Zwischenbericht (Kap. 7.1.5.4 Zusammenfassende Beurteilung des ÖPNV-Angebotes in der Region Bayerischer Untermain [S.142 f.] )
- Es liegen nur punktuelle Erschließungsdefizite in der Region Bayerischer Untermain vor. Diese hängen im hohen Maße mit der Siedlungs- und Gewerbestandortentwicklung der vergangenen Jahre zusammen.
- Die Defizite im Stadtverkehr Aschaffenburg ergeben sich aus dem Fehlen einzelner Fahrtenangebote. Der vielfach angebotene 30-Minuten-Takt auf den Stadtverkehrslinien führt in Überlagerung mit den regionalen Angeboten (vielfach im 60-Minuten-Takt) zu drei Fahrtenangeboten in der Stunde (zu einem 20-Minuten-Takt, sofern die Angebote im Stadt- und Regionalverkehr im Fahrplan exakt aufeinander abgestimmt sind) und erfüllt somit nicht gänzlich die Anforderung an das Bedienungsangebot von vier Fahrten bzw. dem 15-Minuten-Takt. Relationen auf denen nachweislich, auch durch ein verbessertes Angebot, keine Nachfragesteigerungen zu erwarten sind, können im 30-Minuten-Takt bedient werden.
- Defizite beim Fahrtenangebot in den Landkreisen resultieren in Summe vor allem aus
- dem eingeschränkten Bedienungsangebot in den Schwachverkehrszeiten,
- dem eingeschränkten Bedienungsangebot am Wochenende,
- der Ausrichtung des Angebots auf die Erfordernisse im Schulverkehr,
- dem Fehlen nur vereinzelter Fahrten zu Tagesbeginn oder zum Tagesende,
- der auf den Takt bezogenen, nicht immer durchgängigen Anbindung der Gemeindeteile an ihren Hauptort (Verflechtungsnetz).
- Defizite in der Bedienungsqualität bei den Landkreisgrenzen überschreitenden Relationen bestehen größtenteils in den Tagesrandzeiten und an Schulferientagen.
- In den Landkreisen bestehen in Summe nur wenige Defizite im Bereich der Reisezeit und Umsteigehäufigkeit. Die wenigen Relationen mit Auffälligkeiten zeigen zumeist jedoch sehr deutliche Abweichungen von den geforderten Standards auf.
- Es sind keine gravierenden Überschreitungen der Bedienungsstandards im Sinne einer Überbedienung erkennbar.
- Parallelverkehre stellen die notwendige Feinerschließung, die Verknüpfung der Verkehrsangebote und die notwendige Verdichtung auf Abschnitten dar, woraus sich kein Handlungsbedarf in diesem Themenfeld ergibt.
- Für die Stadt Aschaffenburg ist vor allem die Überprüfung der Liniennetzstruktur der Stadtbus- und Regionalbuslinien notwendig, um schnellere und direkte Verbindungen im Stadtgebiet bzw. zwischen den Umlandgemeinden und relevanten Zielen im Stadtgebiet zu erreichen. Insbesondere sind die Überprüfung einer verbesserten Anbindung der nördlichen Innenstadt und die schnellere Erreichbarkeit des Hauptbahnhofs auf ausgewählten Korridoren notwendig. Darüber hinaus weisen verschiedene Übergangszeiten zwischen den verschiedenen Buslinien tlw. erhebliche Defizite auf.
- Die Ausrichtung des ÖPNV-Angebots auf die Erfordernisse der Hochschule und der Studierenden, ist stärker als bisher zu berücksichtigen.
- In den Landkreisen sind vor allem die Gewerbestandorte, unter dem Aspekt der Aktivierung zusätzlichen Fahrgastpotenzials, zu untersuchen und tlw. mit verbessertem Angebot anzudienen.
- Die Potenziale für die Einrichtungen weiterer Expressbusverbindungen sind zu prüfen und die potentialstarken Relationen in der Maßnahmenkonzept darzustellen.
Aufbauend auf den Ergebnissen des Zwischenberichtes kann nun mit der Maßnahmenentwicklung begonnen werden, durch welche die definierten Ziele in den nächsten ca. 5 Jahren erreicht werden sollen.
Die Arbeitsgemeinschaft ÖPNV (ARGE ÖPNV) hat in ihrer Sitzung am 26.11.2015 mit einer Gegenstimme den Beschluss gefasst, den zuständigen Gremien der Gebietskörperschaften zu empfehlen den vorliegenden Zwischenbericht (Stand 01.12.2015) zu billigen.
Beteiligung von Fahrgastverbänden an der Erstellung des NVP
Nach dem Personenbeförderungsgesetz sind bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans auch Fahrgastverbände, soweit diese vorhanden sind, anzuhören. Mit der Empfehlung der Regierung von Unterfranken eine Anhörung frühzeitig durchzuführen, beschloss die ARGE ÖPNV in der Sitzung am 26.11.2015 einstimmig den Verkehrsclub Deutschland (VCD), ProBahn&Bus und den ADFC zu beteiligen und um Stellungnahme zu dem bereits vorliegenden Zwischenbericht zu bitten.
Eingehende Stellungnahmen der Fahrgastverbände werden in der nächsten ARGE ÖPNV-Sitzung besprochen und nachträglich in den Zwischenbericht eingearbeitet.
Vorschlag der Verwaltung:
Gemäß dem Empfehlungsbeschluss der ARGE ÖPNV soll der Zwischenbericht des Nahverkehrsplans (Stand 01.12.2015), der u.a. die Bestandsaufnahme, die Entwicklungsziele sowie die Zustandsbewertung und Mängelanalyse enthält beschlossen werden.
Die Verwaltung soll beauftragt werden, gemeinsam mit den übrigen Aufgabenträgern des Nahverkehrsraums (Stadt Alzenau, Landkreis Aschaffenburg und Landkreis Miltenberg) die noch ausstehenden Kapitel: Konzept zur Weiterentwicklung des ÖPNV und Maßnahmenprogramm zu bearbeiten.
Weiteres Vorgehen:
Der Nahverkehrsplan wird nach seiner vollständigen Fertigstellung in der ARGE ÖPNV beendet und dann den Gremien der Gebietskörperschaften zur abschließenden Beschlussfassung vorgelegt. Dabei muss es wie bisher zu einer einheitlichen Beschlussfassung kommen. Der Nahverkehrsplan wird voraussichtlich im Sommer 2016 abgeschlossen und kann daher im Herbst 2016 dem Stadtrat vorgelegt werden.