A. Sachverhalt
Mit Schreiben vom 28.4.2017 haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen, UBV. KI und ÖDP folgende Anträge gestellt:
1. Der Aschaffenburger Stadtrat spricht sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan aus.
2. Auf allen Ebenen setzt sich die Stadt Aschaffenburg dafür ein, dass alle Geflüchteten Zugang zu lntegrationsleistungen, zu Sprachkursen, Ausbildung und Arbeit auch während des laufenden Asylverfahrens erhalten.
3. Die Stadt Aschaffenburg setzt sich für eine konsequente Umsetzung der "3 plus 2"-Regelung aus dem Bundesintegrationsgesetz auch in Bayern ein, die Geflüchteten in Ausbildung und Arbeitgebern mehr Rechtssicherheit bietet.
Der Antrag ist identisch mit einem Beschluss, den der Stadtrat der Stadt München in der Sitzung der Vollversammlung am 5.4.2017 mehrheitlich gefasst hat. Der Beschluss geht zurück auf einen Antrag der Fraktionen Die Grünen/Rosa Liste vom 4.4.2017, modifiziert durch Änderungsantrag der SPD-Stadtratsfraktion zur Vollversammlung.
B. Tagesordnung
Nach geltendem Bayerischen Kommunalrecht hat der Oberbürgermeister gemäß den Regelungen der Geschäftsordnung jeden Stadtratsantrag auf die Tagesordnung zu setzen. Der Stadtrat entscheidet dann, wie mit den Anträgen umzugehen ist. Der Oberbürgermeister hat also keine „Verwerfungskompetenz“. Der Oberbürgermeister hat allerdings die Pflicht, die Anträge zu prüfen und auf rechtliche Probleme hinzuweisen.
I. Kommunale Befassungskompetenz
Einstiegspunkt der Prüfung ist, ob die mit dem Antrag verfolgte Angelegenheit in die kommunale Befassungskompetenz fällt, denn der Gemeinderat ist kein Parlament sondern ein Verwaltungsorgan. Er kann sich nicht mit allen möglichen Dingen befassen sondern mit den Dingen, die ihm nach der Gemeindeordnung übertragen sind. Diese Dinge sind nach der Gemeindeordnung die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“.
Das BVerwG hat sich im Zusammenhang mit den Nachrüstungsbeschlüssen grundsätzlich mit der Frage auseinandergesetzt. Im Urteil vom 14.12.1990 - 7 C 37/89, das eine Beschlussfassung einer oberbayerischen Gemeinde betraf wurden folgende grundlegenden Aussagen getroffen, die bis heute immer wieder zitiert werden:
„Voraussetzung einer auf dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht gründenden hoheitlichen Befassung ist indessen, daß sie die der Gemeindevertretung gezogenen Grenzen des Betätigungsfeldes wahrt, die durch den Tatbestand der “Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" vorgegeben sind. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i. S. von Art. 28 II 1 GG sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen (BVerfGE 79, 127 (151) = NVwZ 1989, 347 = NJW 1989, 1790 L; ferner BVerfGE 8, 122 (134) = NJW 1958, 1341, 1771 L; BVerfGE 50, 195 (201) = NJW 1979, 1347; BVerfG 52, 95 (120) = NJW 1979, 3474). Die Stellungnahme muß demnach auch und gerade, wenn sie den Kompetenz- und Zuständigkeitsbereich sonstiger Stellen der vollziehenden Gewalt betrifft, in spezifischer Weise ortsbezogen sein. Der bloße Umstand, daß die Gemeindevertretung nur für die eigene Gemeinde spricht, genügt dem Anspruch spezifischer Ortsbezogenheit schon deshalb nicht, weil sie sonst unter Berufung auf die im Selbstverwaltungsrecht wurzelnde Allzuständigkeit der Gemeinde auch allgemeinpolitische Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit machen könnte. Die Gemeinde erlangt jedoch aus Art. 28 II 1 GG nur ein kommunalpolitisches, kein allgemeines politisches Mandat (BVerfGE 79, 127 (147) = NVwZ 1989, 347 = NJW 1989, 179 L; ferner BVerfGE 8, 122 (134) = NJW 1958, 1341, 1771 L), ebenso wie sie selbst weder Inhaberin grundrechtsgeschützter politischer Freiheit noch Sachwalterin der grundrechtlichen Belange ihrer Bürger ist (BVerGE 61, 82 (102 f.) = NJW 1982, 2173 = NVwZ 1982, 554 L). Die von der Gemeindevertretung gefaßten Beschlüsse ergehen vielmehr, auch soweit die Vertretung sich in der Form “appellativer” oder “symbolischer” Entschließungen äußert, in Ausübung gesetzlich gebundener öffentlicher Gewalt und bedürfen daher der - hier durch Art. 28 II 1 GG vermittelten - Rechtsgrundlage.“
II. Befassungskompetenz bezüglich der einzelnen Anträge
1. Afghanistanantrag
Der erste Antrag lautet:
„Der Aschaffenburger Stadtrat spricht sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan aus.“
Die Stadtverwaltung München hat in ihrer Sitzungsvorlage 14-20/V 08658 – dort S. 4 – Folgendes zum Ausdruck gebracht:
„Die Ausländerbehörde München ist nicht in der Lage, die Sicherheitslage in Afghanistan zu beurteilen. Diese Einschätzung obliegt alleine dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Sie hat daher auch keine Kompetenz, die Sicherheitslage zur Grundlage einer „positiven Bleibeentscheidung“ zu machen, vielmehr ist sie an die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in allen Fällen gebunden.“
Ein ähnlicher Resolutionsantrag, von der SPD-Fraktion am 28.3.2017 in den Würzburger Stadtrat eingebracht lautete:
„Wir fordern die Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan.“
Die Stadtverwaltung Würzburg hat diesen Antrag mangels Befassungskompetenz in der Sitzungsvorlage Nr. 02/0200-7473/2017 für unzulässig erklärt. In der Sitzung vom 11.5.2017 wurde der Antrag wie folgt modifiziert:
„Wir fordern die Aussetzung der Abschiebungen von Flüchtlingen aus Afghanistan aus dem Würzburger Stadtgebiet.“
Die Resolution wurde in dieser Form mit 23 zu 22 Stimmen beschlossen.
Bezüglich Ein- und Auswanderungen und Auslieferungen liegt die ausschließliche Gesetzgebung beim Bund (Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG). Beim Vollzug des Ausländerrechts und der Durchführung von Abschiebungen handelt es sich um eine Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises (Art. 83 BV, Art. 8, 58 GO). Beim Ausländerrecht handelt es sich somit auch um eine Aufgabe die die Stadtverwaltung der Stadt Aschaffenburg im sog. übertragenen Wirkungskreis wahrnimmt. Die Stadt unterliegt bei dieser Aufgabenerledigung im übertragenen Wirkungskreis der Fachaufsicht im Sinne des Art 116 GO. Unabhängig hiervon hat für alle in Aschaffenburg lebende afghanische Asylbewerber die zentrale Ausländerbehörde in Schweinfurt die Zuständigkeit seit Januar 2017 wieder an sich gezogen. Insofern hat die Ausländerbehörde der Stadt Aschaffenburg derzeit über keine Abschiebungen von abgelehnten und geduldeten afghanischen Asylsuchenden zu entscheiden. Die Stadt Aschaffenburg hat auch keinen Einfluss auf die Entscheidungen und die Verfahrensweise der zentralen Ausländerbehörde. Entsprechend hat die zentrale Ausländerbehörde auch die Zuständigkeit für alle anderen abgelehnten Asylbewerber (nicht nur Afghanistan) und für Asylbewerber mit sog. schlechter Bleibeperspektive auch während des Asylverfahrens übernommen.
Die Verwaltung der Stadt Aschaffenburg teilt die Rechtsauffassung der Verwaltungen aus München und Würzburg, wonach solche Anträge nicht in die Befassungskompetenz der Gemeinden gehören. Sie betreffen nur die Asylbewerber aus Afghanistan und nicht Angelegenheiten, die den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Mit Schreiben vom 23.5.2017 hat die Stadt Aschaffenburg bei der Regierung von Unterfranken angefragt, wie dort die Rechtslage bezüglich Ziffer 1 des Antrages gesehen wird. Mit Schreiben vom 31.5.2017 , eingegangen per mail der Stadt am 1.6.2017, teilte die Regierung von Unterfranken unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bay. Staatsministerium des Innern mit, dass die Beschlussfassung gegen die Abschiebungen nach Afghanistan unzulässig ist, weil ein Bezug zu örtlichen Angelegenheiten nicht ersichtlich ist.
2. „Integrationsantrag“
Der zweite Antrag lautet:
„2. Auf allen Ebenen setzt sich die Stadt Aschaffenburg dafür ein, dass alle Geflüchteten Zugang zu lntegrationsleistungen, zu Sprachkursen, Ausbildung und Arbeit auch während des laufenden Asylverfahrens erhalten.“
Mit Schreiben vom 23.5.2017 hat die Stadt Aschaffenburg bei der Regierung von Unterfranken auch angefragt, wie dort die Rechtslage bezüglich Ziffer 2 des Antrages gesehen wird. Mit dem bereits erwähnten Schreiben vom 31.5.2017 teilte die Regierung von Unterfranken unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bay. Staatsministerium des Innern mit, dass die für die Beschlussfassung zu Antrag 2 ein ausreichender Ortsbezug gegeben ist. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage verwiesen.
3. Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten
Der dritte Antrag lautet:
„3. Die Stadt Aschaffenburg setzt sich für eine konsequente Umsetzung der "3 plus 2"-Regelung aus dem Bundesintegrationsgesetz auch in Bayern ein, die Geflüchteten in Ausbildung und Arbeitgebern mehr Rechtssicherheit bietet.“
Mit Schreiben vom 23.5.2017 hat die Stadt Aschaffenburg bei der Regierung von Unterfranken auch angefragt, wie dort die Rechtslage bezüglich Ziffer 3 des Antrages gesehen wird. Mit dem bereits erwähnten Schreiben vom 31.5.2017 teilte die Regierung von Unterfranken unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bay. Staatsministerium des Innern mit, dass die für die Beschlussfassung zu Antrag 3 kein ausreichender Ortsbezug gegeben ist. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage verwiesen.
III. Formelle Behandlung des Prüfungsergebnisses
Es stellt sich damit die Frage, wie auf der Basis dieses Ergebnisses weiter zu verfahren ist.
1. Beschlussfassung über die Behandlung der Anträge im Hinblick auf die Tagesordnung
Im Gutachten WD 3 - 3000 - 035/15 des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages „Befassungs- und Beschlusskompetenz der Kommunalvertretungen im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen“ ist auf Seite 7 Folgendes ausgeführt:
„In Ländern, in denen eine solche Regelung nicht besteht, verneint die Rechtsprechung ein solches materielles Vorprüfungsrecht des Bürgermeisters. Er muss Beratungsgegenstände, wenn sie in Erfüllung der kommunalrechtlichen Quoren von den Ratsmitgliedern beantragt werden, daher auf die Tagesordnung setzen. Mangels Befassungskompetenz ist der Gemeinderat zur Vermeidung rechtswidrigen Handelns aber verpflichtet, einen von der Verbandskompetenz nicht gedeckten Tagesordnungspunkt nach Eröffnung der Gemeinderatssitzung von der Tagesordnung abzusetzen.“
Dieses Gutachten nimmt Bezug auf eine Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes NRW (StGB NRW-Mitteilung 659/2014 vom 07.11.2014) in der es heißt:
„Da der Bürgermeister kein eigenes materielles Vorprüfungsrecht besitzt, muss er entsprechende Anträge auf die Tagesordnung des Rates setzen. Mangels Befassungskompetenz des Rates hat dieser sodann in der Ratssitzung den Tagesordnungspunkt/ die Anregung von der Tagesordnung abzusetzen.“
Zu Beginn des Tagesordnungspunktes hat daher der Stadtrat darüber zu entscheiden, welche Anträge auf der von der Tagesordnung herunter genommen werden und welche nicht.
2. Beratungsumfang
Damit stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Angelegenheit im Stadtrat trotz fehlender Befassungskompetenz beraten werden darf.
Hierzu führt das OVG Münster, Urteil vom 21-12-1988 - 15 A 951/87, Folgendes aus:
„Soll das so ausgestaltete Initiativrecht sich nicht in einer Formalie ohne inneren Sinn erschöpfen, so darf es den Fraktionen nicht verwehrt werden, ihre Vorschläge vor einer etwaigen Entscheidung über deren Absetzung von der Tagesordnung in angemessenem Umfang mündlich zu erläutern. Das Initiativrecht dient dem Minderheitenschutz (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung vom 6. 4. 1978, LT-Dr 8/3152, S. 2 u. 62) und soll gewährleisten, daß die politischen Vorstellungen auch der kleinen Fraktionen vor den Rat gebracht werden können und allein dieser darüber befindet, ob und in welcher Weise er sich mit der jeweiligen Angelegenheit befassen will. Eine an Sachkriterien orientierte Entscheidung des Rates erfordert in der Regel, daß er nicht nur den im Einzelfall gestellten Antrag, sondern auch die wesentlichen Gründe für die Antragstellung zur Kenntnis nimmt. Anderenfalls wäre die Ratsmehrheit in der Lage, ohne jegliche Auseinandersetzung mit dem von der Minderheit gestellten Antrag zur weiteren Tagesordnung überzugehen; es liegt nahe, daß sie davon nicht selten - je nach den politischen Verhältnissen in einer Gemeinde gewissermaßen schematisch - Gebrauch machen würde. Das Initiativrecht hat aber den Sinn, den Minderheiten im Rat eine Chance zu geben, die Mehrheit davon zu überzeugen, daß eine Befassung mit und eine Entscheidung zu dem Gegenstand des jeweiligen Vorschlages zulässig und geboten sind. Das ist ohne das Recht zu einer sachangemessenen Begründung des Vorschlages nicht erreichbar (ebenso: OVG Lüneburg, Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungsrecht, § 33 GO Nr. 13 und NVwZ 1984, 460 = DVBl 1984, 734 (735); OVG Koblenz, NVwZ 1985, 673 = DVBl 1985, 906 (907 ff.); Schoch, DÖV 1986, 137; Buhren, VerwRdsch 1986, 412; Rothe, DVBl 1988, 386). Hieraus folgt zugleich, daß es im Grundsatz der antragstellenden Fraktion überlassen bleiben muß, ob sie statt (oder neben) einer schriftlichen Begründung ihrer Vorschläge (auch) eine mündliche Erläuterung in der Ratssitzung geben will. Die Entscheidung, das Vorschlagsrecht überhaupt auszuüben, hängt wesentlich ab davon, welche politische Bedeutung der jeweiligen Angelegenheit aus der Sicht der antragstellenden Fraktion zukommt. Noch mehr wird davon das Maß dessen bestimmt, was zur Durchsetzung der Initiative geboten erscheint. Würde die Entscheidung darüber teilweise - wenn auch nur hinsichtlich der Frage einer mündlichen Erläuterung des Vorschlags - der Ratsmehrheit überantwortet, wäre das Vorschlagsrecht aus den bereits dargelegten Gründen weithin entwertet.“
Hierzu ebenfalls das OVG Münster im Urteil vom 16.12.1983 - 15 A 2027/83:
„Die Aufnahme eines Fraktionsvorschlages in die Tagesordnung zwingt den Rat nach der Gemeindeordnung allenfalls dazu, der Fraktion in der Sitzung Gelegenheit zur Erläuterung ihres Antrags zu geben; eine Aussprache zur Sache ist nicht gefordert.
…
Danach hat es der Rat in der Hand, die Behandlung der Angelegenheit, z. B. durch Übergang zur weiteren Tagesordnung, durch eine Geschäftsordnungsentscheidung zügig zu beenden (vgl. insoweit den RdErl. des NRW Innenministers v. 29. 12. 1982, MittNRWStuGemB 1983, 37) er muß sie sogar in dieser Weise abschließen, wenn die Befassung mit der Sache wegen Überschreitung der Verbandskompetenz unzulässig wäre.“
3. Ergebnis und Verfahrensvorschlag für die Sitzung
Die Antragsteller dürfen ihren Antrag begründen.
Eine Aussprache zur Sache erfolgt nicht.
Die Abstimmung über die Absetzung der Anträge 1 und 3 hat vorab zu erfolgen.
Anschließend erfolgt die inhaltliche Diskussion über den Antrage 2.
Diese Vorgehensweise wurde von der Regierung von Unterfranken mit mail vom 19.6.2017 bestätigt.
4. Hinweis
Nachdem nicht auszuschließen ist, dass die Stadtratsmehrheit den Empfehlungen der Verwaltung und der Regierung nicht folgt, also die Anträge 1 und 3 zulässt – wurde rein vorsorglich mit der Regierung abgestimmt, wie dann weiter zu verfahren ist.
In diesem Fall ist es so, dass der OB die Behandlung des Tagesordnungspunktes nicht abzubrechen, den Zulassungsbeschluss zu beanstanden und der Regierung zur Prüfung vorzulegen hat. Es kann vielmehr in die inhaltliche Behandlung der Angelegenheit eingestiegen werde. Sollte zu Ziffer 1 und 3 ein antragsgemäßer Beschluss gefasst werden, wäre dieser im Nachhinein vom OB zu beanstanden, vom Vollzug auszusetzen und der Regierung vorzulegen.
Die einschlägige Passage in der mail der Regierung vom 19.6.2017 lautet:
Sollte der Antrag auf Nichtbefassung keine Mehrheit finden, muss dementsprechend auch eine Beratung und Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt insgesamt zugelassen werden. Ansonsten würde die diesbezügliche Beschlussfassung des Stadtrates ins Leere laufen und Herr Oberbürgermeister faktisch eine materielle Vorprüfungskompetenz inne haben. Sachbeschlüsse des Stadtrates zu Ziffer 1 und 3 des fraktionsübergreifenden Antrags sind entsprechend Art. 59 Abs. 2 GO zu behandeln.
C. Behandlung von Antrag 2
Zu den Rahmenbedingungen für die angesprochenen „Integrationsmaßnahmen“ ist Folgendes festzustellen:
I. Integrationskurse
Die Möglichkeit für Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens an einem Integrationskurs (Deutschkurs) teilzunehmen ist im § 44 Abs. 4 AufenthG geregelt. Die Ausländerbehörden dürfen einen sog. Berechtigungsschein nach den Maßgaben der verfügbaren Kursplätze an Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive ausgeben. Dabei handelt es sich derzeit um Asylbewerber aus den Herkunftsstaaten Syrien, Irak, Iran, Eritrea und Somalia. Für Asylbewerber aus anderen Herkunftsstaaten besteht derzeit keine Möglichkeit bereits während des laufenden Asylverfahrens einen Integrationskurs durch das BAMF finanziert zu erhalten.
Angesichts der Vielzahl der Asylbewerber und der begrenzten Anzahl von Plätzen in Integrationskursen muss eine Auswahl getroffen werden. Hier erscheint das Differenzierungskriterium Bleibeperspektive sachgerecht. Ob eine Ausweitung der Kurse auf alle Asylbewerber sachgerecht und finanzierbar ist, kann hier nicht beurteilt werden.
II. Zugang zu Ausbildung und Arbeit
Asylbewerber sind während der ersten sechs Monate des Asylverfahrens zum Wohnen in einer Erstaufnahmeeinrichtung verpflichtet. Während der Verpflichtung zum Wohnen in einer Erstaufnahmeeinrichtung und auch während der ersten drei Monate des Asylverfahrens besteht ein gesetzliches Beschäftigungsverbot (§ 61 AsylG). Auch für alle Asylbewerber aus sog. sichern Herkunftsstaaten besteht ein generelles Beschäftigungsverbot sowohl während als auch nach Abschluss des Asylverfahrens. Allen anderen Asylbewerbern kann nach Antragstellung eine Beschäftigung erlaubt werden. Dabei sind die Vorschriften der Beschäftigungsverordnung (BeschV) zu berücksichtigen. Der Antrag auf eine Arbeitserlaubnis ist bei der zuständigen Ausländerbehörde im Einzelfall zu stellen. Es handelt sich um eine sog. Ermessensentscheidung. Bei den meisten Fallgestaltungen wird eine Beteiligung der Agentur für Arbeit erforderlich sein. Die Agentur für Arbeit prüft die Arbeitsbedingungen, den sog. Vergleichslohn und führt eine sog. Vorrangprüfung durch. Bei der Vorrangprüfung wird geprüft, ob die angebotene Stelle nicht genauso von einem arbeitssuchenden Deutschen oder anderen Ausländer mit gesicherten Bleiberecht ausgeführt werden kann. Die Ausländerbehörden sind an die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit gebunden.
Auch für die Aufnahme einer Ausbildung ist für Asylsuchende während des Asylverfahrens eine Erlaubnis gem. § 32 BeschV erforderlich. Eine Ausbildung zählt als Beschäftigung. Bei der Prüfung ob eine Bewilligung für einen Ausbildungsaufnahme ausgesprochen werden kann ist nach aktueller Weisungslage des Ministeriums unter anderem auf die Bleibeperspektive im Einzelfall abzustellen. Bei bereits abgelehnten Asylsuchenden im Klageverfahren bzw. bei Geduldeten ist die Bleibeperspektive grundsätzlich als schlecht zu bewerten, weshalb hier keine positive Entscheidung für die Ausbildungsaufnahme zu erwarten ist.
Da die örtliche Ausländerbehörde der Stadt Aschaffenburg derzeit nur für Asylbewerber im Asylverfahren mit guter Bleibeperspektive zuständig ist, sollte es bei Anträgen auf Ausbildungserlaubnis in unseren Fällen keine größeren Schwierigkeiten geben um eine positive Ermessensentscheidung zu erlangen. Bei Fällen in der Zuständigkeit der zentralen Ausländerbehörde in Schweinfurt sind hingegen die Chancen für eine positive Entscheidung eher gering.
Falls während des Asylverfahrens eine Ausbildung begonnen wurde und die dafür erforderliche Beschäftigungserlaubnis vorgelegen hatte, darf diese Ausbildung beendet werden. In diesen Fällen greift die sog. „3 plus 2“ Regelung. Diese Regelung nach § 60 a Abs. 2 Satz 4 AufenthG bringt Rechtssicherheit sowohl für Asylbewerber als auch für die Arbeitgeber. Es besagt, dass eine Ausbildung die von der Ausländerbehörde bewilligt wurde, auch nach rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrags abgeschlossen werden darf. Bei erfolgreichen Ausbildungsabschluss ergibt sich im Anschluss auch eine Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis, wenn eine Arbeit im erlangten Ausbildungsberuf aufgenommen wird. Auch in Bayern ist die Weisungslage des Ministeriums so, dass eine Duldung für die Dauer des Ausbildungsverhältnisses auszustellen ist, falls während der Ausbildung eine ablehnende Entscheidung im Asylverfahren getroffen wird.
Oftmals wird jedoch in diesen Fällen die Gesetzessystematik verkannt. § 60 a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist keine Anspruchsgrundlage für die Bewilligung der Beschäftigung (Ausbildung). Ob die Ausbildung aufgenommen werden darf ist nach den Vorschriften des §§ 61 AsylG und 32 BeschV im Einzelfall und im Ermessen zu prüfen. Nur falls diese Ermessensentscheidung positiv ausgefallen war, kann es im Nachgang zu einer Bewilligung einer Ausbildungsduldung nach der sog. „3 plus 2“ Regelung kommen. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wird es bei der Ausländerbehörde der Stadt Aschaffenburg zu keinen Problemen bei der Ausstellung der Duldung kommen.
Genaueres zu diesen Entscheidungsgrundsätzen und rechtlichen Vorgaben kann aus dem beiliegenden Schaubild des Innenministeriums und aus der Pressemitteilung der Regierung von Unterfranken zum Runder Tisch an zum Thema Beschäftigung und Ausbildung von Asylbewerbern und Geduldeten ersehen werden.
Wir verweisen auch auf die Positionierung des bayerischen Städtetages zur Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration vom 30.5.2017, das ebenfalls als Anlage beigefügt ist.