Die Kommunale Initiative (KI) stellte am 13.02.2019 einen Antrag auf Beschluss einer Baumschutzverordnung für die Stadt Aschaffenburg. Als Vorlage für eine solche Verordnung wurde die Baumschutzverordnung der Stadt Ingolstadt benannt. Diese regelt, dass alle Bäume innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (Innenbereich) geschützt sind, die einen Stammumfang von 100 cm haben – gemessen in einer Stammhöhe von 130 cm.
Als Begründung gab die KI fünf Beispielsfälle von Fällungen von Bäumen in den letzten Jahren an, welche von einer entsprechenden Baumschutzverordnung in Aschaffenburg geschützt hätten werden können.
Diese benannten Fälle wurden nach der Vorlage der Baumschutzverordnung von Ingolstadt rechtlich und fachlich bewertet. Als Ergebnis ist festzustellen, dass fast alle Bäume unter diese Verordnung gefallen wären. Dies wird in der beigefügten Datei tabellarisch dargestellt. Als Ausnahmefall hiervon ist allein die Fällung der 150 Jahre alten Eiche in der Dümpelsmühle im Jahre 2011 zu sehen, da dieser Baum im Außenbereich stand und durch eine Baumschutzverordnung die Bäume im Innenbereich geschützt werden.
Drei der genannten Fälle waren bereits durch einen Bebauungsplan festgesetzt. Lediglich die 150 Jahre alte Blutbuche in der Deutschen Straße 1 (Fällung 2005) war nicht geschützt.
Hauptziele einer Baumschutzverordnung sind insbesondere der Schutz des alten Baumbestandes sowie die Forderung einer Ersatzpflanzung bzw. einer Ausgleichszahlung im Zuge einer genehmigten Fällung.
Um sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte/Folgen einer Verordnung besser beurteilen zu können, erfolgte eine Abfrage bei den jeweils zuständigen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen der Fachbereiche der Städte München, Ingolstadt, Schweinfurt und Bamberg, bei denen aktuell eine Baumschutzverordnung besteht oder bestanden hat.
Da in dem Antrag der KI explizit auf die Verordnung der Stadt Ingolstadt verwiesen wurde, wurden auch dort die Erkenntnisse bzw. Erfahrung zur Umsetzung einer Baumschutzverordnung erfragt.
Aufgrund der mitgeteilten Informationen der oben benannten Städte können zusammenfassend die folgenden Vor- und Nachteile einer Baumschutzverordnung dargestellt werden:
Vorteile:
- Bezogen auf den Innenbereich gem. § 34 BauGB: Schutz aller Bäume, deren Stammumfang größer als der in der Verordnung festgelegte Umfang ist.
- Im Zuge einer Fällgenehmigung können Ersatzpflanzungen oder eine Ausgleichszahlung angeordnet werden.
Nachteile:
- „gefühlte Bevormundung“ des Bürgers, Eingriff in seine persönliche Entscheidungsfreiheit, somit ist eine schlechte Akzeptanz einer Baumschutzverordnung zu erwarten.
- Es besteht Befürchtung, dass möglicherweise vor dem Erlass der Verordnung Bäume gefällt werden, die unter den Schutzumfang subsumiert werden können bzw. nach Erlass der Verordnung Fällungen von Bäumen vor Erreichen des Schutzumfangs durchgeführt werden. Dadurch könne eine „Zweiklassengesellschaft“ der Bäume (junge Bäume, die den Schutzumfang noch nicht erreicht haben sowie alte Bäume, die beim Erlass der Verordnung den Umfang bereits erreicht hatten) entstehen.
- In einer Baumschutzverordnung werden Tatbestände geregelt unter deren Voraussetzung eine Genehmigung zu erteilen ist bzw. erteilt werden kann. Ein absoluter Schutz des alten Baumbestandes ist durch eine Baumschutzverordnung daher nicht gesichert. Die Umfrage bei o. g. Städten ergab, dass durchschnittlich 80 – 85 % der Anträge auf Fällung genehmigt werden.
- Eine Baumschutzverordnung ersetzt keine intensive Beratung der Bürger, wie sie aktuell bereits innerhalb der Stadt Aschaffenburg durch die jeweiligen Fachämter durchgeführt wird. Durch die bereits freiwillig durchgeführte Baumberatung konnte die Fällung einiger Bäume bereits verhindert werden.
Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es aufgrund verstärkter Bautätigkeit im Bereich großer begrünter Grundstücke im Zuge der Innenverdichtung (Umwandlung von Grundstücken mit Einfamilienhäusern in Anlagen mit mehreren Wohneinheiten und Tiefgaragen) zu einem sukzessiven Verlust von wertvollem Baumbestand kommt. Bei Vorliegen einer Baumschutzverordnung wäre in diesen Fällen der Bauherr verpflichtet, Bäume nachzupflanzen, was aber wegen fehlendem Platz nicht möglich ist, z. B. wegen der über das Baufeld hinausragenden Tiefgarage. In diesen Fällen wäre eine Ausgleichszahlung für Nachpflanzungen an die Stadt fällig. Städtische Flächen stehen jedoch nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung.
- Durch eine Baumschutzverordnung kann es zu einer weitergehenden Personalbindung sowie einem Personalmehrbedarf kommen. Beispielsweise:
- Garten- und Friedhofsamt: Sollte bei einer genehmigten Fällung keine Ersatzpflanzung möglich sein (z. B. aufgrund Baurecht), wird eine Ausgleichszahlung festgesetzt. Mit dieser Ausgleichszahlung müsste durch das Garten- und Friedhofsamt auf geeigneten städtischen Flächen Neupflanzungen durchgeführt werden.
- Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz: Die Baumschutzverordnung muss sowohl aus fachlicher als auch aus rechtlicher Sicht umgesetzt werden. Bei einem Eingang eines Antrages auf Genehmigung auf Fällung muss eine Beurteilung des betroffenen Baumes aus fachlicher Sicht erfolgen. Nicht immer ist die vorgelegte Fotodokumentation ausreichend für die fachliche Beurteilung. Eine Vor-Ort-Kontrolle ist hier dann notwendig. Nach der fachlichen Beurteilung wird eine rechtliche Beurteilung der Situation im Hinblick auf eine Fällgenehmigung oder Fällversagung vorgenommen. Bei einer Fällversagung muss unter Umständen mit einem Widerspruchs- oder Klageverfahren gerechnet werden. Sollte die Fällung genehmigt werden und in diesem Zuge eine Ersatzpflanzung erforderlich sein, fällt diese Ersatzpflanzung direkt unter die Baumschutzverordnung. Um den Erhalt der Ersatzpflanzungen fortlaufend zu gewährleisten ist eine regelmäßige Kontrolle des „Ersatzpflanzungsbaum-Bestandes“ zu gewährleisten. Die Nachfrage bei den anderen Städten ergab, dass die Gewährleistung einen zunehmenden fachlichen sowie rechtlichen Personalbedarf benötigt. In Folge dessen und des daraus resultierenden Personalmangels in den angefragten Städten, kann eine Kontrolle der Ersatzpflanzungen nicht durchgeführt werden.
Durch die Baumschutzverordnung in Ingolstadt werden alle Bäume innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (Innenbereich) geschützt, die einen Stammumfang von 100 cm haben – gemessen in einer Stammhöhe von 130 cm. Es handelt es sich hierbei um eine vergleichsweise großzügige Regelung.
Bei anderen Städten bewegt sich der Schutzumfang zwischen 40 und 70 cm – gemessen in einer Höhe von 100 cm.
Um den alten Baumbestand durch eine Baumschutzverordnung zu schützen, erscheinen strengere Bestimmungen in Bezug auf Messhöhe + Schutzumfang (Parameter) notwendig. Es muss hierbei beachtet werden, dass je strenger diese Parameter in einer Baumschutzverordnung angesetzt werden desto geringer ist die Akzeptanz der Bürgerschaft.
Der Vergleich der angefragten Städte stellt sich als sehr schwierig dar, da die Parameter in den jeweiligen Baumschutzverordnungen unterschiedlich gestaltet wurden. Ebenfalls gibt es Unterschiede bei den innerhalb der Verordnung ausgenommenen Flächen (öffentliche Grünanlagen, Erwerbsgartenbau, etc.), den Nadel- und Obstbäumen sowie in Bezug auf die Aufnahme von mehrstämmigen Bäumen in eine Verordnung.
Der Personalbedarf beträgt bei den angefragten Städten:
- München: 10 Vollzeitäquivalente (VZÄ) fachlich sowie 6 VZÄ rechtlich
- Ingolstadt (ca. doppelt so groß wie Aschaffenburg): 1 VZÄ fachlich sowie 1 VZÄ rechtlich
- Bamberg (von der Fläche vergleichbar mit Aschaffenburg): 0,5 VZÄ fachlich sowie 0,5 VZÄ rechtlich
- Schweinfurt: Baumschutzverordnung wurde am 01. Juli 2018 abgeschafft
Aufgrund der vorliegenden Informationen aus dem Vergleich der betroffenen Grundfläche der Städte sowie der angegebenen Anzahl der Anträge pro Jahr ergibt sich grob geschätzt bei der Stadt Aschaffenburg ein erhöhter Personalbedarf insbesondere für das Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz von einer 0,5 Stelle (rechtlich) sowie einer 0,5 Stelle (fachlich). Dafür müsste die Stadt ca. 65.000 € / Jahr veranschlagen.
Um dennoch einen größtmöglichen Schutz von Bäumen z. B. auf Baugrundstücken zu erreichen, wird bei Bauanträgen folgendermaßen vorgegangen:
Bereits vor Abgabe eines Bauantrages stellt der/die zuständige Sachbearbeiter/in im Stadtplanungsamt im Rahmen der Vorgespräche fest, ob sich auf den Baugrundstücken erhaltenswerte Bäume befinden und notiert dies auf einem Formblatt. Dies ist insbesondere wichtig bei genehmigungsfreien Bauvorhaben.
Ergänzend hierzu werden vom Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz (Naturschutz) nach Eingang der wöchentlich erstellten Bauantragsliste die Baugrundstücke zunächst anhand der Luftbilder überprüft. Falls größere Bäume oder Baumbestände erkennbar sind, werden das Bauordnungsamt und der städtische Baumberater informiert. Die Hinweise werden der jeweiligen Bauakte beigelegt. Diese Vorgehensweise hat auch zu einer größeren Sensibilität für den Baumschutz innerhalb der Verwaltung geführt.
Darüber hinaus wird der städtische Baumberater bei Problemen in privaten Gärten hinzugezogen. Typische Fälle sind Bäume, die zu nah am benachbarten Grundstück stehen und durch Laub- und Fruchtfall z. T. erhebliche Probleme verursachen.
Die Zunahme der Anrufe besorgter Bürger bei Baumfällungen zeigt, dass auch in der Bevölkerung das Interesse am Erhalt des städtischen Grüns groß ist.
Es sei noch erwähnt, dass die Stadt in den letzten 7 Jahren insgesamt 44 Bäume als Naturdenkmal unter Schutz gestellt hat.
Nicht zuletzt ist anhand der beigefügten Tabelle nachzuvollziehen, dass ein Schutz von Bäumen auch durch Festsetzungen in Bebauungsplänen erreicht werden kann.
Fazit:
Der Vergleich des Vollzuges von Baumschutzverordnungen in anderen Städten hat gezeigt, dass 80 – 85 % der beantragten Fällungen genehmigt werden. Ersatzpflanzungen gestalten sich im Zuge einer genehmigten Fällung in Folge der Nachverdichtung als schwierig und werden in den Städten nicht kontrolliert. Ferner zeigt die beigefügte Tabelle, dass die von der KI angegebenen Bäume mit Ausnahme der 2005 gefällten Blutbuche keinen besseren Schutz durch eine Baumschutzverordnung erhalten hätten. Für den Vollzug einer Baumschutzverordnung wird zusätzliches Personal (fachlich und rechtlich) benötigt.
Die oben dargestellte bewährte Vorgehensweise in Aschaffenburg soll daher als Alternative zu einer Baumschutzverordnung fortgeführt werden.
Aus den genannten Gründen wird empfohlen, den Erlass einer Baumschutzverordnung abzulehnen.
Anlagen:
Tabelle „Bewertung gefällter Bäume zwischen 2005 und 2019“