- Vorbemerkungen
Die Verkehrsunternehmen der VAB bestimmen einvernehmlich die Fahrpreise der ÖPNV-Nutzung und lassen sich diese Tarife durch die Regierung von Unterfranken genehmigen. Damit wird jedes Verkehrsunternehmen, das seine öffentlichen Verkehrsleistungen im VAB-Gebiet erbringt, verpflichtet, diesen Tarif anzuwenden.
Wenn es gewünscht ist, dass der Fahrgast weniger bezahlt als der Tarif vorgibt, so steht dem Verkehrsunternehmen ein Ausgleich in Höhe des Differenzbetrags bis zum Tarif zu. In dieser Weise gleicht die Stadt Aschaffenburg als Aufgabenträger des städtischen ÖPNV z. B. die Erlöse aus, die den Verkehrsunternehmen für die kostenfreie ÖPNV-Nutzung an Samstagen zustehen. Verkehrsunternehmen (vertreten durch die VAB GmbH) und Aufgabenträger schließen dafür eine sogenannte Allgemeine Vorschrift ab, in der die Ausgleichsmodalitäten geregelt werden.
- Anträge zur günstigeren ÖPNV-Nutzung für Jugendliche / junge Erwachsene
Der Stadtverwaltung liegen drei Anträge vor, die Jugendlichen eine günstigere ÖPNV-Nutzung ermöglichen sollen. Im Bild 1 sind die Anträge mit ihren jeweiligen Konditionen und jeweiligen finanziellen Auswirkungen dargestellt:
Bild 1: Antragsübersicht (Quelle: AVG und Stadtplanungsamt)
Die potenziellen Nutzer sind alle Jugendlichen / jungen Erwachsenen, die in die jeweiligen Alterssparten fallen. Davon ist der geschätzte Nutzeranteil die Anzahl von Personen, die das Ticket tatsächlich erwerben. Hierbei wurde bei den vergünstigten aber noch kostenpflichtigen Angeboten von einem 50%-Anteil ausgegangen. Beim kostenfreien Angebot des KI-Antrags wird von einer 100%-Nutzerquote ausgegangen.
Der genehmigte Tarif entspricht der Monatskarte Azubi der Preisstufe 11 Stadt Aschaffenburg, da diese Monatskarte die antragsseitigen Leistungen abdeckt. Abzüglich eines Eigenanteils durch die Nutzer ergibt sich der Auffüllbetrag je Karte.
Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) gewährt den Verkehrsbetrieben gemäß § 45a Ausgleichsmittel für die Beförderung Auszubildender mit vergünstigten Zeitfahrausweisen. Durch die in den Anträgen genannten Zeit- und Alterseinschränkungen entsteht ein neues Tarifangebot, welches die Gewährung der Ausgleichsmittel nach § 45a in Frage stellt.
Je nach Angebotskondition der Anträge ergeben sich geschätzte Auffüllbeträge durch den städtischen Haushalt zwischen ca. 890.000 und 3.700.000 € pro Jahr.
Weitere Kosten können der Stadt entstehen, wenn eine durch das Ticket beabsichtigte Fahrgastzunahme zu Kapazitätsengpässen in den Fahrzeugen führt. Durch die dann sprunghaften Fixkosten (mehr Fahrzeuge, mehr Personal) und Taktnachverdichtungen ergibt sich eine neue Datengrundlage für die Abrechnung von Verkehrsleistungen gemäß dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag.
- Pilotprojekt 365-Euro-Ticket
Der bayerische Koalitionsvertrag führt unter 5. für nachhaltige Mobilität auf:
"Für die großen Städte München, Nürnberg/Fürth/Erlangen, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt und Würzburg wollen wir auf Dauer ein 365-Euro-Jahresticket einführen. Auf dem Weg dorthin schaffen wir innerhalb der Verkehrsverbünde die Voraussetzungen für neue Tarifangebote für Jugendliche sowie Schülerinnen und Schüler."
Belegbare Details sind im Moment noch nicht bekannt, außer, dass sich der Freistaat am erforderlichen Auffüllbetrag zu 2/3 beteiligen wird, d. h. 1/3 muss durch die Aufgabenträger erbracht werden. Im Juli 2019 fand ein interministerieller Arbeitskreis statt, dessen Ergebnis in einer Ministerratsvorlage nach den Sommerferien münden soll.
Ungeachtet der im Koalitionsvertrag aufgeführten Städte bzw. Regionen, haben sich die Aufgabenträger des bayerischen Untermains darauf verständigt, dem Staatsministerium mitzuteilen, das VAB-Gebiet ebenfalls als Pilotregion für das 365-Euro-Ticket zu berücksichtigen. Ein entsprechendes Schreiben wird gerade vom Landratsamt Aschaffenburg vorbereitet (Stand 23.08.2019).
Der Erlös aus einem 365-Euro-Ticket reicht aber nicht aus, um eine Kostendeckung oder gar eine Weiterentwicklung des ÖPNV zu erreichen. Auch hier muss eine langfristige Finanzierungszusage durch den städtischen Haushalt bzw. durch den Freistaat erfolgen. Dieser Aspekt führt zur anschließenden Betrachtung über die Wirkung einer reinen Fahrpreispolitik.
- Fahrpreissenkungen im Kontext allgemeiner ÖPNV-Förderung
Vielerorts wird dem ÖPNV im Rahmen von Konzepten zur Emissionsminderung eine tragende Rolle zugesprochen. Günstigere Fahrpreise sollen zum Umstieg auf den ÖPNV anreizen. Das funktioniert nur bedingt, denn auch diejenigen, die dann günstiger fahren benötigen ein angemessenes Angebot und fordern eine moderne Infrastruktur. Je günstiger die Fahrpreise für den Nutzer sind, desto höher ist der finanzielle Ausgleichsaufwand durch den kommunalen Haushalt und desto geringer wird der Spielraum tatsächlich nachhaltige Investitionen dem Angebot und der Infrastruktur zufließen zu lassen.
Die Stadt Wien erfüllt eine Vorbildfunktion im ÖPNV und hat das 365-Euro-Ticket im Jahr 2012 eingeführt (der ÖPNV-Anteil beträgt 38%). Es liegt also nahe, dass Modell des 365-Euro-Tickets auf deutsche Städte zu übertragen. Weitgehend unberücksichtigt bleibt dabei, dass der Erfolg des Wiener ÖPNV nicht auf dem 365-Euro-Ticket, sondern auf dem schon sehr hohen ÖPNV-Standard beruht. Dies hat eine Begleitstudie für den Wiener ÖPNV ergeben, die zusammenfassend folgende Empfehlungen ausspricht (Quelle: civity Management consultants):
- Der Ausbau und die Verdichtung des ÖPNV-Angebots durch kontinuierliche und konsequente Investitionen führen am ehesten zu mehr umweltfreundlicher Mobilität und zu einer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs.
- Die Ausweitung und Intensivierung der Parkraumbewirtschaftung stellt einen weiteren zentralen Hebel zur Erhöhung und Finanzierung des ÖPNV dar (Wien hat die Einnahmen aus Parkraumgebühren um 73,5% in den letzten sieben Jahren gesteigert, von 70 auf 120 Mio. €)
- Eine zweckgebundene Drittnutzerfinanzierung eröffnet zudem neue Finanzierungsmöglichkeiten für den ÖPNV (U-Bahnsteuer). Die Machbarkeit derartiger Finanzierungsinstrumente sollte auch in deutschen Städten geprüft werden.
- Ergänzende "leichtverständliche" Tarifangebote wie das 365-Euro-Ticket sind nur sinnvoll, wenn sie flexibel auf nachfolgende Entwicklungen abgestimmt werden können. Die Wiener Karte ist zu starr auf den kommunikativ reizvollen, aber zugleich nur schwer veränderbaren Preis festgelegt.
- Vergleich - Das Bayreuther Modell
In Bayreuth gibt es für Schüler und Auszubildende eine von der Stadt Bayreuth bezuschusste Schülermonatskarte.
Schüler und Auszubildende im Alter zwischen 6 und 17 Jahren, mit Wohnort in Bayreuth, bekommen auf Nachweis eine vom Regeltarif (aktuell € 33,50) vergünstigte Schülermonatskarte für € 18,50. Dieses Ticket ist, wegen der Überprüfung der Berechtigung, nur im Kundenzentrum erhältlich.
Die Stadt Bayreuth gleicht hierbei den Einnahmenverlust für die Verkehrsunternehmen in Höhe von € 15.- je Ticket und Monat aus. Der jährliche Ausgleichsbetrag summiert sich so für die Stadt auf immerhin ca. 2.400.000 Euro.
Das „Bayreuther Modell“ ist von den Zugangsvoraussetzungen nicht direkt mit den Stadtratsanträgen vergleichbar, zeigt aber in welche Richtung sich die finanziellen Belastungen entwickeln können.
Aus diesen Erkenntnissen heraus, schlägt die Verwaltung für die Zukunft vor, keine weiteren Ausgaben für Tarifsubventionen zu tätigen, um einen angemessenen finanziellen Handlungsspielraum für Investitionen in Angebot und Infrastruktur nicht zu gering werden zu lassen.
Zudem laufen bereits verschiedene Projekte, deren finanziellen Auswirkungen zurzeit noch gar nicht absehbar sind. Hierzu zählen die kostenfreie Busnutzung an Samstagen, das Auf-Achse Ticket in den Sommerferien und Wochenenden, das zukünftige P+R-Ticket sowie evtl. auch ein zukünftiges 365-Euro-Ticket. Es wird empfohlen, diese Projekte nach einer gewissen Laufzeit auf Effektivität hinsichtlich der Fahrgastzahlen zunächst zu bewerten, bevor neue Überlegungen zur Fahrpreisreduzierung zum Tragen kommen.