- Anlass
Im Zusammenhang mit den Anträgen der Fraktionen und Gruppierungen von SPD vom 14.8.2019 „Tarifbindung für Busfahrer bei der SVG“, von KI vom 20.9.2019 „Überführung der Busfahrer*innen der SVG in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TV-N)“ und Bündnis 90/Die Grünen vom 29.9.2019 „SVG wird Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband“ wurde die Frage diskutiert, wer in der SVG zuständig ist für Entscheidungen über die Mitgliedschaft der Gesellschaft in einem Arbeitgeberverband und die damit verbundene Tarifzugehörigkeit. Hierzu wurde klargestellt, dass auf der Basis der Regelungen des Gesellschaftsvertrages die Entscheidungszuständigkeit bei der Geschäftsführung der SVG liegt.
Mit Antrag vom 10.11.2019 hat deshalb die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgenden Antrag gestellt:
„In allen Gesellschaftsverträgen und Satzungen, welche die AVG, SVG und ABE betreffen und/oder es erforderlich ist, wird folgender Grundsatz gefasst.
Über Personalangelegenheiten, die Grundsätzliches betreffen wie Zugehörigkeit zu einem Arbeitgeberverband, Tarifbindung/Tarifanlehnung o. Ä., entscheidet die Gesellschafterversammlung nach vorheriger Einbindung des Stadtrates.“
- Aktuelle Rechtslage
- Grundzuständigkeit der Geschäftsführung
Nach § 7 Abs. 3 GV-SVG obliegt die Führung der Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrates der Geschäftsführung (ebenso: § 9 Nr. 3 GV-AVG; § 8 Abs. 3 GV-ABE).
Es gibt keine gesetzliche Regelung, nach der die Geschäftsführung bei Entscheidungen über „Tarifangelegenheiten“ einer Zustimmung des Aufsichtsrates oder der Gesellschafterversammlung bedarf. Der Gesellschaftsvertrag der SVG sieht in dem Katalog der Sachverhalte nach § 11 Abs. 3 GV-SVG (ebenso: § 13 Nr. 3 GV-AVG; § 12 Abs. 3 GV-ABE), nach denen die Geschäftsführung einer Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf, keinen Sachverhalt vor, der „Tarifangelegenheiten“ betrifft. Ebenso wenig gibt es im Katalog der Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung nach § 14 GV-SVG (ebenso: § 16 Nr. 1 GV-AVG; § 15 GV-ABE) eine entsprechende Regelung.
Zurzeit sind daher die Geschäftsführer städtischer Gesellschaften in Entscheidungen über „Tarifangelegenheiten“ frei. Wenn man diese Entscheidungsbefugnis beschränken will, ist eine Regelung „erforderlich“ im Sinne des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
- Zustimmungserfordernis
aa) Aufsichtsratsregelung
Nach § 11 Abs. 4 GV-SVG (ebenso: § 13 Nr. 4 GV-AVG; § 12 Abs. 4 GV-ABE) kann der Aufsichtsrat beschließen, dass weitere Arten von Geschäften und Maßnahmen nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen.
Grundsätzlich steht die gesamte Geschäftsführungsbefugnis zur Disposition der Gesellschafter (Axhausen in „Becksches Handbuch der GmbH“, § 5 Rdnr. 136 m.w.N.), sofern nicht das Gesetz bestimmte Befugnisse ausdrücklich der Geschäftsführung zuordnet (Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rdnr. 8). Der Gesellschafter kann diese Dispositionsbefugnis durch Satzung auf den Aufsichtsrat übertragen (Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rdnr. 14). Der Aufsichtsrat kann also auf der Basis der bestehenden Satzungsregelungen beschließen, dass Entscheidungen der Geschäftsführung in Tarifangelegenheiten einer vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen.
Neuere Gesellschaftsverträge sehen vor, dass die von der Stadt entsandten Aufsichtsratsmitglieder an Weisungen gebunden sind, soweit dies gesellschaftsrechtlich zulässig ist (z.B. § 10 Nr. 11 GV-AVG, keine Regelung bei SCG, ABE). Über ein solches Weisungsrecht könnte die gewünschte Einbindung des Stadtrates gewährleistet werden.
bb) Gesellschafterversammlungsregelung
Wie erwähnt gibt es in den Gesellschaftsverträgen keine Regelungen, die „Tarifangelegenheiten“ an die Zustimmung der Gesellschafterversammlung koppeln.
Die Zuständigkeitskataloge der Gesellschaftsverträge für die Gesellschafterversammlungen enthalten auch keine „Initiativkompetenz“ wie bei den Aufsichtsräten in der Form, dass die Gesellschafterversammlung beschließen kann, dass Entscheidungen der Geschäftsführung in Tarifangelegenheiten einer vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. Umstritten ist, ob die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführern im Zuge der Prüfungs- und Überwachungszuständigkeit nach § 46 Nr. 6 GmbHG durch einfachen Beschluss Anweisungen generell oder im Einzelfall ohne satzungsrechtliche Ermächtigung erteilen kann (bejahend z. B. Axhausen in „Becksches Handbuch der GmbH“, § 5 Rdnr. 141 m.w.N.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rdnr. 31; verneinend Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 46 Rdnr. 44). Sicherheitshalber wird man wohl eine Satzungsänderung herbeiführen müssen.
Unabhängig davon, ob man eine Satzungsregelung für erforderlich hält oder nicht, wäre die nächste Frage ob der Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung, also der Oberbürgermeister, zur entsprechenden Anweisung oder Zustimmung einer vorherigen Ermächtigung durch den Stadtrat bedarf. Wenn man berücksichtigt, dass nach der Geschäftsordnung des Stadtrates der Oberbürgermeister nur sehr eingeschränkte personalrechtliche Befugnisse hat (vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 15 und Abs. 4) und auch in finanzieller Hinsicht seine Befugnisse sich in einer Größenordnung zwischen 50.000 € und 100.000 € bewegen, tarifrechtliche Änderungen in den Tochtergesellschaften in der Regel deutlich größere finanzielle Auswirkungen haben dürften, wird man wohl von einer Stadtratsbedürftigkeit für den entsprechenden Gesellschafterbeschluss ausgehen müssen.
- Empfehlung
Nach den städtischen Gesellschaftsverträgen kann der Aufsichtsrat durch einfachen Beschluss Tarifangelegenheiten unter Zustimmungsvorbehalt stellen. Diesen Beschluss kann er auch jederzeit wieder aufheben. Dieses Instrument ist daher sehr flexibel und kostengünstig, da keine Änderung der Gesellschaftsverträge notwendig ist.
Sofern trotz der gängigen Praxis, in der Zusammensetzung des Aufsichtsrates die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat abzubilden, eine zusätzliche Beschlussfassung im Stadtrat für erforderlich gehalten wird, kann dies über einen Weisungsbeschluss erfolgen.