Bericht zum ZfK- Artikel „Zweifelhafte Umwege sind nicht mehr nötig“ vom November 2020


Daten angezeigt aus Sitzung:  2. Sitzung des Werksenates, 17.06.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Werksenat 2. Sitzung des Werksenates 17.06.2021 ö Beschließend 5WS/2/5/21

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

Der Zfk-Artikel „Zweifelhafte Umwege sind nicht mehr nötig“ von November 2020 behandelt Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zur Zulässigkeit sog. Inhouse-Vergaben bei der Vergabe von Nahverkehrsaufträgen, aber auch neuen Aufgaben wie on-demand-Verkehren oder Bike-Sharing unter Geltung des allgemeinen Vergaberechts. Konkret bezieht sich der Artikel auf die Beschlüsse Verg 1/19 v. 19.02.2020, Verg 11/18 v. 04.03.2020 und 27/19 v. 27.04.2020.

1. Kontext des Zfk-Artikels

Gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 VO 1370/2007 sind Dienstleistungsaufträge oder öffentliche Dienstleistungsaufträge gemäß der Definition in den allgemeinen Vergaberichtlinien für den straßengebundenen ÖPNV vorrangig nach den dort (Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU) vorgesehenen Regeln zu vergeben. 
Öffentliche Aufträge sind gemäß § 103 Abs. 1 GWB entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die u.a. die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. 
Diese Regeln finden mangels Auftragseigenschaft im klassisch vergaberechtlichen Sinne bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen und bei Inhouse-Vergaben keine Anwendung. Eine Inhouse-Vergabe liegt vor, wenn der Auftrag an ein von dem Auftraggeber rechtlich verschiedenes Unternehmen vergeben wird, über das er eine ähnliche Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt (Kontrollkriterium) und dieses Unternehmen im Wesentlichen für den Auftraggeber tätig wird (Wesentlichkeitskriterium). 

An diesem Punkt setzt der ZfK-Artikel an und erläutert aktuelle Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Inhouse-Vergabe.

2. Kurzzusammenfassung der Beschlüsse

Verg 1/19 B. v. 19.02.2020
In dem diesem Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt ist nach Auffassung des OLG Düsseldorf das allgemeine Vergaberecht anwendbar und die vom Aufgabenträger beabsichtigte Direktvergabe an eine in ihrem Alleineigentum stehende GmbH gemäß Art. 5 Abs. 2 VO 1370/2007 unzulässig, da zum einen die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession nicht vorlagen (das mit Übernahme der Busverkehrsdienstleistungen verbundene Betriebsrisiko wurde durch die konkrete Ausgestaltung nicht zu einem wesentlichen Teil selbst von der GmbH getragen) und eine Inhouse-Vergabe zum anderen aufgrund der bestehenden Gas- und Wasserversorgungssparte nicht in Betracht kam (GmbH erbrachte nicht mehr als 80% ihrer Tätigkeiten für den Aufgabenträger, so dass das sog. Kontrollkriterium nicht erfüllt war). 

Verg 11/18 B. v. 04.03.2020
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Vergabeverfahren hat der Aufgabenträger die gewählte Direktvergabeart in der Vorinformation fehlerhaft als eine „Direktvergabe nach Art. 5 Abs. 2“ der Verordnung (EG) 1370/2007 bezeichnet. Die Vergabe einer Dienstleistungskonzession war nicht beabsichtigt. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf lagen aber die Voraussetzungen für eine Direktvergabe nach § 108 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 GWB vor und rechtfertigten die getroffene Vergabeentscheidung zugunsten des kommunalen Verkehrsunternehmens an der der Aufgabenträger mit 12,5% beteiligt war. Dass der Aufgabenträger gemeinsam mit weiteren Kreisen und Städten Mitglied eines Zweckverbandes war dem unter anderem die Teilaufgabe Tarif unter dem Aspekt „Gemeinschaftstarif“ übertragen wurde, die Durchführung des Verkehrs und damit die Übernahme der unternehmerischen Tätigkeit hingegen nicht Aufgabe des Zweckverbands war, stand nach Auffassung des OLG Düsseldorf der Annahme des Kontrollkriteriums nicht entgegen. Der Aufgabenträger übe nach Auffassung des Gerichts im Sinne von § 108 Abs. 5 Nr. 1 bis 3 GWB gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern über das Unternehmen eine ähnliche Kontrolle aus wie jeder der öffentlichen Auftraggeber über seine eigenen Dienststellen. Gemeinsam haben sie ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der Beigeladenen. Bezüglich des Wesentlichkeitskriterium erachtete es das OLG Düsseldorf als unkritisch, dass die Beigeladene einen großen Teil ihrer Umsätze mit Fahrgästen erzielt. Diese Umsätze seien nicht als Drittumsätze zu werten, sondern beruhen auf dem Auftrag, den das Unternehmen vom Aufgabenträger erhält. Sie würden nicht aufgrund einer eigenen unternehmerischen Entscheidung erzielt, sondern aufgrund der Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers.

Verg 27/19 B. v. 27.04.2020
Das OLG Düsseldorf hat in diesem Beschluss ausgeführt, dass das für eine Inhouse-Vergabe gem. § 108 Abs. 1, 2 GWB erforderliche Kontrollkriterium auch dann erfüllt ist, wenn der Aufgabenträger über eine 100%ige Tochter-GmbH am Verkehrsunternehmen zu 90 % mittelbar und zu 10% direkt beteiligt ist (Enkelunternehmen). Begründet wurde dies mit dem zwischen der Tochter-GmbH und dem Enkelunternehmen zugunsten der Tochter-GmbH bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Im Hinblick auf das Wesentlichkeitskriterium wurde auch hier nochmal darauf verwiesen, dass Fahrgeldeinnahmen keine für ein Inhouse-Geschäft schädlichen Drittumsätze darstellen.

Die Beschlüsse sind dieser Beschlussvorlage im Volltext als Anlage beigefügt.

3. Konstellation in Aschaffenburg 

In Aschaffenburg wurden die Stadtwerke Aschaffenburg im Jahr 2018 im Wege der Direktvergabe gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 VO 1370/2007 mit der Durchführung des ÖPNV beauftragt. 

Bei den Stadtwerken Aschaffenburg handelt es sich um einen Eigenbetrieb der Stadt Aschaffenburg ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Eine Beauftragung der Stadtwerke durch die Stadt Aschaffenburg stellt daher lediglich eine verwaltungsinterne Abrede dar und keinen Vertrag zwischen verschiedenen Rechtssubjekten. Daher fehlte vorliegend bereits der Anknüpfungspunkt für die Anwendung des klassischen Vergaberechts. Eine Inhouse-Vergabe spielte aus diesem Grund ebenfalls keine Rolle.

Entscheidend für die Möglichkeit der genannten Direktvergabe entsprechend der VO 1370/2007 war, dass keine Anträge auf eigenwirtschaftliche Erbringung der Verkehrsleistungen gestellt wurden. Diese wären grundsätzlich vorrangig gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 PBefG zu berücksichtigen mit allen daraus resultierenden Konsequenzen welche die Werkleitung immer wieder betont hat. An dieser Sachlage hat sich also grundsätzlich, auch durch die o.g. Beschlüsse, nichts geändert. Solange im PPefG der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit unverändert bestehen bleibt, ist die Wiedererlangung der Konzession im Rahmen einer Direktvergabe nach wie vor dem Risiko eines eigenwirtschaftlichen Antrages ausgesetzt. Auch bei der jüngsten Änderung des PPefG im Jahr 2021 wurde dieser Umstand nicht entschärft.

.Beschluss:

I. Der Bericht der Werkleitung zum ZfK-Artikel „Zweifelhafte Umwege sind nicht mehr nötig“ vom November 2020 wird zur Kenntnis genommen.

II. Angaben zur Klimawirkung:

Bewertung -  jeweils Mehrung oder Minderung der Treibhausgase (THG)
Wenig klimarelevant
Teilweise klimarelevant 
Sehr klimarelevant
[ x ]   keine weiteren Angaben erforderlich
[…..]   kurze Erläuterung in den Begründungen
[…..]  ausführlicher Erläuterung 
in den Begründungen 
Bewertungsschema nach KÖP (Klimaschutzmanagement in öffentlich Projekten)
 (Nationale Klimaschutz-Initiative  -  Klimabündnis / ifeu-Heidelberg / BMU)

III. Angaben zu den Kosten:

Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [   ]
nein [ x ]

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 0, Dagegen: 0

Datenstand vom 12.10.2021 11:55 Uhr