I.
Mit Antrag, eingegangen bei der Stadt Aschaffenburg am 08.02.2022 stellte die Firma City Liegenschaften GmbH, vertreten durch die ARTE Projektentwicklungs- und Ingenieurgesellschaft mbH eine Bauvoranfrage zum Abbruch und zum Neubau von 2 Mehrfamilienwohnhäusern auf den Baugrundstücken Fl.-Nrn. xxx und xxx, Gem. Schweinheim, Gailbacher Straße xxx, xxx, 63743 Aschaffenburg.
Die Bestandsbebauung, bestehend aus zwei Gebäuden (Gebäudegruppe Dümpelsmühle, Gailbacher Straße xxx und xxx) soll abgebrochen werden. Es sind zwei zweigeschossige Neubauten mit Satteldach mit, in Bezug auf die bisherige Bebauung gleichem Grundriss und ähnlicher Kubatur an gleicher Stelle geplant.
In der Bauvoranfrage wurde ausgeführt, dass die bestehenden Gebäude wirtschaftlich vertretbar nicht umgebaut werden können. Es ist daher ein Abbruch und die Errichtung von zwei, mit den Altbauten nahezu deckungsgleichen Neubauten als Mehrfamilienhäuser geplant. Diese sollen dem öffentlich geförderten Wohnungsbau zugeführt werden.
Bereits am 27.03.2008 wurde hier eine Bauvoranfrage für diese Baugrundstücke eingereicht. Auch hier ging es um einen Abbruch der beiden Bestandsgebäude und den Neubau eines Wohnhauses mit 1 Wohn- und 1 Büroeinheit (BV-Nr. xxx). Die Bauvoranfrage wurde mit Bescheid vom 01.04.2009 abgelehnt. Der Bescheid wurde damit begründet, dass das Vorhaben im Außenbereich, gem. § 35 BauGB liege und es sich hier weder um eine privilegierte Nutzung, noch eine sonstige zulässige Nutzung handele. Öffentliche Belange (insb. Darstellungen im Flächennutzungsplan, Überschwemmungsbereich, Naturschutz) stehen dem Bauvorhaben entgegen. Gegen den Ablehnungsbescheid wurden damals keine Rechtsmittel eingelegt.
Eine Bauvoranfrage ist grundsätzlich mit Fragen zu versehen, über welche im Verfahren zu entscheiden ist. Die Bauvoranfrage vom 08.02.2022 beinhaltete im Wesentlichen Aussagen. Der Antragsteller wurde hierauf hingewiesen und um Ergänzung der Bauvoranfrage, bzw. Einreichung entsprechender Fragen gebeten. Hierauf wurde ein Schreiben vom 11.04.2022 vorgelegt, welches nunmehr ebenfalls Gegenstand der Bauvoranfrage ist. Nachdem auch dieser Ergänzung keine konkrete Fragestellung zu entnehmen war, wurde das Bauvorhaben planungsrechtlich umfassend geprüft und bewertet. Die Bauvoranfrage wird insofern in einer Gesamtdarstellung strukturiert beantwortet.
II.
Im Rahmen der Bauvoranfrage erfolgt lediglich eine eingeschränkte Prüfung im Umfang der gestellten Fragen, vorliegend beschränkt auf eine rein planungsrechtliche Beurteilung. Sonstige Fragestellungen, insbesondere bauordnungsrechtlicher, wasserrechtlicher, naturschutz- oder artenrechtlicher Natur bleiben außen vor.
Genehmigungslage:
Für die Gebäudegruppe der „Dümpelsmühle“ (Gailbacher Straße 80 und 80b) wurde erstmals im Jahr 1894 eine Genehmigung zum „Umbau einer Scheune zu einem Wirtschafts-Lokale“ erteilt. Das vordere Gebäude bestand damals aus einem „projektierten Wirts-Lokal“, einem Schuppen und einer Halle. Das Rückgebäude bestand aus einem Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Gang und im hinteren Teil einer Mühle.
Im Jahre 1906/07 wurde ein Erweiterungsbau an das bestehende Wohnhaus genehmigt. Weitere Genehmigungen für An- Umbauten und einen Anschluss an die städtische Entwässerungsanlage erfolgten 1948, 1961 und 1964. Im Jahr 1969 wurde eine einsturzgefährdete Scheune mit Stall abgebrochen.
Im Jahr 2008 wurde eine Bauvoranfrage für einen Abbruch der beiden Bestandsgebäude und den Neubau eines Wohnhauses mit 1 Wohn- und 1 Büroeinheit (BV-Nr. xxx) eingereicht. Diese wurde als unzulässiges Außenbereichsvorhaben abgelehnt.
Für das weiter westlich gelegene Wohngebäude (Gailbacher Straße xxx) wurde 1969 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit 6 Wohnungen erteilt (BV-Nr. xxx). In den Jahren 2015 und 2018 wurden Genehmigungen für einen Umbau des Wohnhauses und eine Versetzung einer Carportanlage erteilt.
Nach den Feststellungen genießen die bestehenden Gebäude Bestandschutz. Ob darüber hinaus bauliche Veränderungen durchgeführt werden dürfen, hängt im Wesentlichen von deren planungsrechtlichen Zulässigkeit ab.
Planungsrechtliche Beurteilung des Bauvorhabens:
Das Baugrundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und ebenso nicht in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil, gem. § 34 BauGB. Es fehlt vorliegend bereits an einem Bebauungszusammenhang. Die Bebauung muss hierzu eine Geschlossenheit (Zusammenhang) vermitteln und in ihrem Umfang ein siedlungsstrukturelles Gewicht besitzen (Ortsteilqualität). Vorliegend handelt es sich um drei einzelne, außerhalb des Bebauungszusammenhanges stehende Gebäude, welche keinen Bebauungszusammenhang mit dem nahegelegenen Stadtteil Schweinheim bilden. Es handelt sicher hier um eine sog. Splittersiedlung. Insofern ist das auf dem Anwesen der „Dümpelsmühle“ (Gailbacher Straße xxx und xxx) geplante Bauvorhaben als sog. Außenbereichsvorhaben nach § 35 BauGB zu beurteilen.
Bei der Beurteilung eines Außenbereichsvorhabens ist zunächst danach zu unterscheiden, ob es sich um ein sog. privilegiertes Vorhaben oder um sonstiges Vorhaben handelt. Privilegierte Vorhaben sind solche, welche vom Gesetzgeber ausdrücklich dem Außenbereich zugewiesen wurden (§ 35 Abs. 1 BauGB), z.B. weil diese nur im Außenbereich verwirklicht werden können, wie z.B. land- und forstwirtschaftliche Betriebe oder Betriebe, die der gartenbaulichen Erzeugung dienen oder welche im Innenbereich, insbesondere aufgrund zu erwartender Emissionen stören würden, wie z.B. Betriebe der Tierhaltung, etc.
In vorliegendem Fall ist ein reines Wohnbauvorhaben geplant, welches typischer Weise dem Innenbereich zuzuordnen ist und im Außenbereich ein sog. sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB bildet, welches nur zugelassen werden kann, wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden und die Erschließung gesichert ist. Wegen der klaren Trennung zwischen Innen- und Außenbereich und um eine ungeordnete Entwicklung im Außenbereich zu verhindern ist generell ein strenger Maßstab anzulegen.
Das betreffende Areal ist im Flächennutzungsplan als „Grünfläche“ dargestellt. Insofern widerspricht das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplanes und beeinträchtigt öffentliche Belange (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB).
Wegen des Widerspruches zum Flächennutzungsplan werden auch die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB).
Zudem besteht die Gefahr, dass sich die Splittersiedlung verfestigt (§ 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB), da im Falle einer Zulassung des Vorhabens die Gefahr besteht, dass mit weiteren Baugesuchen gerechnet werden muss. Den Baugesuchen könnte auch nicht entgegengehalten werden, dass es sich hier um einen Ersatzbau für die „Dümpelsmühle“ handelt, da der Bestandschutz mit dem Abbruch entfällt. Ein Ausnahmefall des § 35 Abs. 4 BauGB ist vorliegend nicht gegeben.
Letztendlich ist eine Nutzung der bestehenden Gebäude im Rahmen der früher erteilten Baugenehmigungen i.R.d. Bestandschutzes zulässig und damit möglich. Mit Abbruch der Gebäude entfällt der Bestandschutz und ein Neubau kann nicht zugelassen werden.
Analog dem Bauvorhaben auf dem unmittelbaren Nachbargrundstück (Gailbacher Straße xxx), für welches in den Jahren 2015 und 2018 Genehmigungen erteilt wurden, wäre im Rahmen eines Umbaus eine interne Änderung der Grundrisse und ein geringfügiger Dachausbau mit Gauben ohne gravierende Ausdehnung der Nutzung (also z.B. ohne Erhöhung der Zahl der Wohneinheiten) sowie Umbau / Umorganisation des Parkplatzes vorstellbar, wenn dadurch die Verhältnisse für den Hochwasserabfluss verbessert oder Eingriffe in Natur und Landschaft verringert werden können.
Die Hauptgebäude Gailbacher Straße xxx, xxx und xxx stehen im faktischen Überschwemmungsgebiet des Hensbachs. Bauliche Anlagen dürfen nur dann errichtet werden, wenn die Anforderungen an eine Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG eingehalten werden. U.a. wäre der verlorengegangene Retentionsraum auszugleichen und es wäre eine hochwasserangepasste Bauweise erforderlich.
Die Ausführungen zum sozialen Wohnungsbau betreffen lediglich die Finanzierungsart des Bauvorhabens und die damit einhergehende Bindung für bestimmte Mietergruppen. Dies setzt allerdings dem Grunde nach ein zulässiges Bauvorhaben voraus und rechtfertigt nicht seinerseits die Zulassung eines bauplanungsrechtlich und wasserrechtlich unzulässigen Vorhabens. Ebenso spielen welt- oder tagespolitische Ereignisse bei der objektiven baurechtlichen Beurteilung keine Rolle.
Dem Umwelt-, Klima- und Verwaltungssenat wird vorgeschlagen, der Bauvoranfrage mit den genannten Antwortformulierungen zuzustimmen.