- Anlass der Berichterstattung
In der Stadt Aschaffenburg sind rund 350 Betriebe angemeldet, die dem gastronomischen Sektor zuzurechnen sind. Das reicht vom einfachen Imbissbetrieb über Bäckereifilialen bis hin zur Hotelgastronomie. Hinzu kommen vor allem in der Sommerzeit eine Vielzahl diverser Vereinsfeste und sonstiger Veranstaltungen. All diese gaststätten- und gewerberechtlichen „Genehmigungen“ sind grundsätzlich auf ihre Einhaltung durch das Ordnungs- und Straßenverkehrsamt zu überwachen. Es liegt auf der Hand, dass eine lückenlose und kontinuierliche Überwachung mit vertretbarem Personalaufwand nicht zu gewährleisten ist. Das Ordnungs- und Straßenverkehrsamt versucht seiner Überwachungspflicht durch stichprobenartige Kontrollen gerecht zu werden. Dies geschieht durch Sonderkontrollen gemeinschaftlich mit Polizei, Lebensmittelüberwachung und Bauaufsicht, durch den Streifendienst des kommunalen Ordnungsdienstes vor allem im Zusammenhang mit der Citystreife und durch anlassbezogene Kontrollen aufgrund von Nachbar- oder Gästebeschwerden. Dies kann dazu führen, dass mangels konkreter Beschwerdelage die von der Genehmigungslage abweichende Betriebspraxis mancher Betriebe über lange Zeiträume nicht auffällt oder aber, dass man die abweichende Betriebspraxis zwar kennt, aber aus Kapazitätsgründen nicht einschreitet. Das ändert aber nichts daran, dass nach der Rechtsprechung auch ein längeres Dulden eines nicht genehmigten Zustandes nicht dazu führt, dass ein Vertrauensschutz dahingehend besteht, dass der nicht genehmigte Zustand auch in Zukunft weiter geduldet wird.
Im Bereich der Gastronomie gab es die letzten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, eine gut eingeführte und gelebte Praxis, wonach für Schank- und Speisewirtschaften Musikveranstaltungen regelmäßig angemeldet wurden. Diese Veranstaltungen wurden vom Ordnungs- und Straßenverkehrsamt in der Regel nicht beanstandet, sofern die Zahl der Veranstaltungen 12 pro Jahr nicht überstieg. Bei der ganz überwiegenden Anzahl der Gastronomen war diese Handhabung – soweit bekannt – unproblematisch.
Zuletzt gab es allerdings zwei Fälle, bei denen die Zahl der Musikveranstaltungen weit über der bisherigen Grenze von 12 pro Jahr lag und die deshalb vom Ordnungs- und Straßenverkehrsamt im Zuge eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens aufgegriffen wurden. Vor allem in den sozialen Medien wurde dieser Vorgang in der Form aufgegriffen, dass man den berechtigten Versuch, rechtskonforme Verhältnisse herzustellen, als unzulässigen Eingriff in den kulturellen Bereich ansah.
Die Stadtratsfraktionen und Stadträte haben mit den beigefügten Anträgen dies zum Anlass genommen, eine Klärung des Sachverhalts und der Rechtslage herbeizuführen, Spielräume zur Durchführung von Musikveranstaltungen auszuloten und durch Information (z. B. mittels eines Informationsblattes) für noch mehr Transparenz in der Gastronomieszene zu sorgen.
Hierzu sollen die nachführenden Ausführungen dienen.
- Rechtliche Rahmenbedingungen eines Gaststättenbetriebes im Hinblick auf Livemusik
Der Betrieb einer Gaststätte richtet sich nach zwei wesentlichen Komponenten, nämlich
• der Baugenehmigung und
• der Gaststättenerlaubnis.
Die Baugenehmigung inkl. eventueller Regelungen zur Außengastronomie wird durch das örtlich zuständige Bauordnungsamt erteilt.
- Betriebsart
Die Gaststättenerlaubnis wird gemäß § 3 Abs. 1 GastG für eine bestimmte "Betriebsart" durch das Ordnungs-und Straßenverkehrsamt konzeptorientiert nach positivem Verfahrensverlauf – diverse Stellen sind hier zu beteiligen - erteilt. Die Betriebsarten sind nirgendwo gesetzlich definiert. Es haben sich aber in der Praxis gewisse Stereotypen herausgebildet. Meist erfolgt die Konzession in der Betriebsart „Speise- und Schankwirtschaft“ ohne besondere Betriebsart.
Ob die konkrete Betriebspraxis der Gaststätte von dem Grundtyp „Schank- und Speisewirtschaft“ abweicht, kommt auf das Gesamtgepräge der Gaststätte an.
Das BVerwG hat hierzu im Beschluss vom 22-07-1988 - 1 B 89/88 (NVwZ-RR 1989,14) Folgendes ausgeführt:
„Der Grundtyp der Schank- und Speisewirtschaft - also die Gaststätte ohne besondere Betriebseigentümlichkeit - wird geprägt vom Ausschank von Getränken und vom Verzehr zubereiteter Speisen. Für die Frage, ob eine Gaststätte eine besondere Betriebsart aufweist, ist von Bedeutung, ob sie nach ihrem Gesamtgepräge vom Grundtyp in einer Weise abweicht, die unter dem Gesichtspunkt der Erlaubnisvoraussetzungen des § 4 GaststG, beispielsweise unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes (§ 4 I Nr. 3 GaststG), ins Gewicht fällt.“
Aus der zitierten Entscheidung stammt auch der Orientierungssatz:
„Die Vorinstanzen halten zu Recht eine Gaststätte, in der regelmäßig an den Wochenenden Tanzveranstaltungen im größten Gaststättenraum durchgeführt werden, nicht für eine Gaststätte ohne besondere Betriebseigentümlichkeit und billigen die Ansicht der Behörde, wonach jedenfalls nicht mehr als zwölf öffentliche Tanzveranstaltungen jährlich im Saal der Klägerin durch die Gaststättenerlaubnis für eine Gaststätte ohne besondere Betriebseigentümlichkeit gedeckt sind.“
In der einschlägigen Kommentarliteratur wird meist auf dieses Urteil verwiesen. Die meisten Genehmigungsbehörden – darunter auch Aschaffenburg – leiten daraus ab, dass bis zu 12 „abweichende“ Veranstaltungen in Gaststätten pro Jahr hingenommen werden, ohne dass eine Anpassung der Baugenehmigung oder eine Anpassung der Gaststättenerlaubnis verlangt wird.
Zumindest die Stadt Regensburg weicht hiervon ab und ermöglicht bis zu 24 von den Genehmigungen abweichende Veranstaltungen pro Jahr. Die Stadt Regensburg leitet dies aus einer Entscheidung des VG München vom 16.3.1993 – Az. M 16 K 92.1701 – ab. Dort findet sich folgende Passage:
„Das Gericht ist jedoch der Ansicht, dass bei Musikaufführungen, die alle 14 Tage stattfinden, noch kein prägendes Merkmal in Richtung einer Musikgaststätte gegeben ist, denn dann haben die Konzerte im Verhältnis zum normalen Gaststättenbetrieb weiterhin eine untergeordnete Rolle. Folglich ist generell erst bei mehr als 24 Veranstaltungen im Jahr von einer speziellen erlaubnispflichtigen Betriebsart auszugehen.“
Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass jede Zahl, die von den Genehmigungen abweichende Veranstaltungen toleriert, ausschließlich dazu dient, die Schwelle der Genehmigungsbehörden für ein Einschreiten gegenüber den Gastronomen festzulegen. Sie bildet keine „faktische“ Genehmigung der Veranstaltungen und hat auch keine bindende Wirkung gegenüber den Nachbarn oder gegenüber den Gerichten. Insbesondere und vor allem sind bei solchen tolerierten Veranstaltungen immer die genehmigungsrechtlichen und gesetzlichen Lärmvorschriften einzuhalten.
Entsprechend der bisherigen Ermessenspraxis enthalten die örtlichen Gaststättenerlaubnisse für „bloße“ Schank- und Speisewirtschaften demzufolge immer eine Auflage zum Veranstalten öffentlicher Vergnügungen, die wie folgt lautet:
„… Einzelne Veranstaltungen (max. 12 Veranstaltungen im Jahr) wie z.B. Faschingsball, Kerbtanz, Live-Musik oder sonstige Veranstaltungen, die über den normalen Gaststättenbetrieb hinausgehen, müssen mindestens 1 Woche vorher beim Ordnungs- und Straßenverkehrsamt angezeigt werden.“
Diese Auflage hat ihren rechtlichen Ursprung in Art 19 Abs. 1 LStVG. Dort heißt es:
„…Wer eine öffentliche Vergnügung veranstalten will, hat das der Gemeinde unter Angabe der Art, des Orts und der Zeit der Veranstaltung und der Zahl der zuzulassenden Teilnehmer spätestens eine Woche vorher schriftlich anzuzeigen. Für regelmäßig wiederkehrende, gleichartige öffentliche Vergnügungen genügt eine einmalige Anzeige.“
- Hintergrundmusik
Die Betriebsart einer „normalen“ Schank- und Speisewirtschaft ändert sich durch Musikdarbietungen nicht, wenn diese Musikdarbietungen „gedämpft“ sind und lediglich den Charakter von „Hintergrundmusik“ aufweisen. Welche Musik noch „Hintergrundmusik“ in diesem Sinne ist und welche nicht mehr, ist im Einzelfall umstritten.
Die Stadt Aschaffenburg hat in einem Klageverfahren hinsichtlich einer Bar in der Sandgasse vom Verwaltungsgericht Würzburg die Auflage bekommen, dass in dem Lokal keine lautere Musik als Hintergrundmusik abgespielt werden darf. Hintergrundmusik wurde danach so definiert:
„Von Hintergrundmusik ist auszugehen, wenn sich die Lautstärke der Musik den anderen Geräuschen in der Gaststätte, welche durch Unterhaltungen und andere Nebengeräusche entstehen, unterordnet (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2018 – 1 ZB 18.765 – juris Rn. 5).“
Das VG Regensburg hat im Beschluss vom 28. März 2018 – RO 5 S 18.228 – Rdnr. 80 ausgeführt:
„Zwar muss sich eine gewöhnliche Schank- und Speisewirtschaft im Wesentlichen und als Hauptleistung auf die Zubereitung von Speisen und den Ausschank von Getränken beschränken, so dass Musikdarbietungen nach Art und Maß nicht über eine nicht betriebsprägende, unauffällige und nicht nach außen dringende Hintergrundmusik hinausgehen dürfen (BayVGH, U.v. 21.1.1980 – 22 B 1112/79; BayVGH, B.v. 6.10.1981 – 22 CS 81 A.1936 –BayVGH, B. v. 19.05.2015 – 22 CE 15.612).“
Auch der VGH München hat im Beschluss vom 19. Mai 2015 – 22 CE 15.612 – Rdnr. 21 Folgendes ausgeführt:
„bb) Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, muss sich eine gewöhnliche Schankwirtschaft im Wesentlichen und als Hauptleistung auf den Ausschank von Getränken beschränken, so dass Musikdarbietungen nach Art und Maß nicht über eine nicht betriebsprägende, unauffällige und nicht nach außen dringende Hintergrundmusik hinausgehen dürfen (Beschluss S. 11 f. m.w.N. auf BayVGH, U.v. 21.1.1980 – 22 B 1112/79 – GewArch 1980, 303/304; BayVGH, B.v. 6.10.1981 – 22 CS 81 A.1936 – GewArch 1982, 238). Von dieser Betriebsart unterscheide sich das zur Erlaubnis gestellte Vorhaben des Antragstellers, weil die Musikdarbietungen betriebsprägend seien, insbesondere nach dem Internet-Auftritt während der gesamten Öffnungszeiten an Freitagen und Samstagen musikalische „Events“ beworben würden, bei Kontrollen die Musiklautstärke über eine Hintergrundmusik hinausgegangen sei, am 31. Januar 2015 sogar eine bescheidswidrig nicht zuvor angezeigte Live-Musikveranstaltung stattgefunden habe und die Musikdarbietungen daher über den Rahmen der Nr. 2.7 der vorläufigen Erlaubnis hinausgingen (Beschluss S. 12 ff.).“
Entscheidend ist also, ob die Live-Musik
- den Unterhaltungen gegenüber untergeordnet,
- nicht nach außen dringend und
- unauffällig und
- nicht aufgrund von Bewerbung der Musik betriebsprägend
ist.
Ein Anhaltspunkt für die „Unauffälligkeit“ und die „Unterordnung“ in diesem Sinne sind die Lärmgrenzwerte, die anhand der VDI-Richtlinie 3726 festgesetzt sind. Gaststätten, die ausschließlich Hintergrundmusik bieten, werden dort als Gaststätten der Geräuschstufe G II eingestuft. In Baugenehmigungen finden sich daher Auflagen wie diese:
„Die Gaststätte ist maximal als Gaststätte der Geräuschstufe GII im Sinne der VDI 3726 „Schallschutz bei Gaststätten und Kegelbahnen“ zu betreiben. Das Innengeräusch der Gaststätte darf demnach einen Mittelungspegel L AFm von 85 dB/A) nicht überschreiten.“
Die Rechtsprechung ist zum Teil noch restriktiver.
Beispielsweise führt das VG München im Beschluss vom 30.09.2011 - M 8 SE 11.4108 – Folgendes aus:
„Eine Musikbeschallung auf der Basis der dort festgelegten Gesamtinnenpegel ist nach Auffassung des Gerichts nicht als Hintergrundmusik anzusehen. … Nach den Erfahrungen des Gerichts dürfte tatsächlich eine Unterhaltung bei einem Musikpegel von 78 dB(A) innerhalb von geschlossenen Räumen nur schwer möglich sein. Das gilt erst recht bei einem Musikinnenpegel von LAFeq = 90 dB(A) im Kellergeschoss, für dessen Ansatz als „nicht dominant“ im Übrigen keinerlei Begründung abgegeben wird.“
Der VGH München hat im Beschluss vom 05.08.1993 - 22 CS 93.2124 – zu nachfolgendem Genehmigungshinweis:
„Zum Betrieb des Tanzlokals sowie des Musikclubs erging der Hinweis, dass sich die Erlaubnis lediglich erstrecke auf den Auftritt von Livebands bzw. Tanzkapellen mit Tanzgelegenheit und das Abspielen von mechanischer Musik (Schallplatten, Kassetten und dergl.) als Hintergrundmusik ohne Tanzgelegenheit, wobei die Musik nach Art der Darbietung und Lautstärke nicht im Vordergrund stehen dürfe ("Zimmerlautstärke").“
Folgendes ausgeführt:
„In Bezug auf Begriffe wie "Hintergrundmusik" und "Zimmerlautstärke" mag es in Nuancen verschiedene Auffassungen geben, dessen ungeachtet haben sie einen (vollstreckungsfähigen) Kern. Maßgeblich ist, ob während der Musikdarbietung eine Tischunterhaltung ohne erhobene Stimme ("normale Unterhaltung" in einer Lautstärke von ca. 50 dB[A]) möglich ist.“
- Fazit zu den rechtlichen Rahmenbedingungen von Gaststättenbetrieben im Hinblick auf Livemusik
- Die einschlägigen Lärmgrenzwerte eines Gaststättenbetriebes sind immer einzuhalten, egal ob Livemusik in Form von Hintergrundmusik oder Veranstaltungen stattfindet.
- Die Genehmigungsauflagen aus Baugenehmigung und Gaststättenerlaubnis sind einzuhalten. Ggf. kann eine Erweiterung der Baugenehmigung und Gaststättenerlaubnis auf Livemusik beantragt werden, wenn die betrieblichen Rahmenbedingungen das zulassen.
- Von der genehmigten Betriebsart ist sogenannte Hintergrundmusik mit umfasst. Hintergrundmusik in diesem Sinne ist den Unterhaltungen gegenüber untergeordnet, nicht nach außen dringend, unauffällig und nicht aufgrund von Bewerbung der Musik betriebsprägend.
- Unabhängig von der genehmigten Betriebsart können bis zu 24 sonstige Veranstaltungen im Jahr ohne Änderung der Genehmigung zugelassen werden, wenn die Lärmgrenzwerte (und ggf. sonstige veranstaltungsspezifische Anforderungen) eingehalten werden.
- Rechtliche Rahmenbedingungen der beiden überprüften Gaststättenbetriebe
Im Hinblick auf etwaige Datenschutzgesichtspunkte wird davon abgesehen, die Gaststättenbetriebe namentlich zu benennen.
Fall 1:
- Baugenehmigung
Beantragt wurde eine Baugenehmigung für ein Objekt, in dem eine „normale“ Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebsart wie z. B. Livemusik enthalten ist.
Die Baugenehmigung datiert vom 14.8.2008.
Unter Ziffer 99 der Baugenehmigung finden sich die festgelegten Immissionsrichtwertanteile. An der nächstgelegenen Wohnung dürfen nachts Werte von 37 dB(A) nicht überschritten werden. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte in der Tagzeit um nicht mehr als 30 dB(A), in der Nachtzeit um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
Unter Ziffer 103 der Baugenehmigung findet sich folgende Auflage:
„Die Gaststätte ist maximal als Gaststätte der Geräuschstufe GII im Sinne der VDI 3726 „Schallschutz bei Gaststätten und Kegelbahnen“ zu betreiben. Das Innengeräusch der Gaststätte darf demnach einen Mittelungspegel L AFm von 85 dB/A) nicht überschreiten.“
Wie erwähnt entspricht diese Auflage den Rahmenbedingungen für „Hintergrundmusik“.
Diese Auflagen bedeuten nicht, dass eventuell andere Nutzungen mit mehr Musik nicht zulässig wären. Sie bedeuten lediglich, dass für eine entsprechende Zulassung eine Tekturgenehmigung erforderlich wäre.
- Gaststättenrechtliche Erlaubnis
Beantragt wurde eine Konzession für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebsart wie z. B. Livemusik. Die entsprechende Gaststättenerlaubnis für eine „Schank- uns Speisewirtschaft“ wurde am 11.10.2011 erteilt.
Als Auflage 10 der Konzession wurde festgelegt, dass jede Änderung der Betriebsart (z. B. regelmäßige Musikdarbietungen u. a.) vorher beim Ordnungsamt zu beantragen ist. Einzelne Veranstaltungen wie z. B. Faschingsball, Live-Musik u. a., die über den normalen Gaststättenbetrieb hinausgehen, müssen mind. 1 Woche vorher beim Ordnungsamt angezeigt werden.
- Beschwerdelage
2012 wurde Hintergrundmusik in Form eines Pianisten als nicht anzeigepflichtig festgelegt. 2015 und 2022 wurde der Konzessionsinhaber über die genehmigungsrechtliche Situation aufgeklärt und angeregt, eine baurechtliche Prüfung zur Genehmigungsfähigkeit regelmäßiger Musikdarbietungen zu betreiben. Es wurde darauf hingewiesen, dass in diesem Fall die Veranstaltungen bereits im Rahmen Baurecht und Gaststättenrecht gewürdigt wären. Weitere Anzeigen von Veranstaltungen wären dann nicht mehr notwendig. Ein Bauantrag wurde nicht eingereicht. Die letzten Lärmbeschwerden wurden von der Polizei übermittelt und datierten vom 06.05.2023, 22:39 Uhr (Polizeivermerk: überlaute Musik aus „Fall 1“; Ruhe hergestellt) und vom 09.09.2023, 23:03 Uhr (Polizeivermerk: überlaute Musik aus „Fall 1“; Geburtstagsfeier aufgelöst, Ruhe hergestellt). Am 13.10. wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet mit einer Anhörung. Am 2.11. fand ein Gespräch zwischen Konzessionsinhaber und Ordnungsamt statt, bei dem die weitere Vorgehensweise abgeklärt wurde. Am 06.11.2023 wurde das OWi-Verfahren durch den Oberbürgermeister eingestellt.
Fall 2:
- Baugenehmigung
Beantragt wurde 1989 eine Baugenehmigung für eine „normale“ Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebsart.
Die Baugenehmigung datiert vom 28.6.1989.
Unter Ziffer 04 der Baugenehmigung ist festgelegt, dass die Gaststätte für maximal 30 Personen zugelassen ist. Außerdem ist festgelegt, dass spätestens beim Ausbau der Gaststätte ein Schallschutzgutachten eines amtl. zugelassenen Sachverständigen für Akustik und Bauphysik vorzulegen ist.
- Gaststättenrechtliche Erlaubnis
Beantragt wurde für den aktuellen Betrieb eine Konzession für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebsart wie z. B. Livemusik. Dem Antrag beigefügt war ein Pachtvertrag, der den Betrieb eines „Bistros im gehobenen Stil“ vorsah. Die entsprechende Gaststättenerlaubnis für eine „Schank- uns Speisewirtschaft“ wurde am 29.7.2021 erteilt.
Als Nr. 10 der Anlage zum Konzessionsbescheid wurde Folgendes festgelegt:
„Jede Änderung der Betriebsart (z. B. regelmäßige Musikdarbietungen, Erweiterung von Schankwirtschaft auf Speisewirtschaft oder umgekehrt, der Betrieb einer Gartenwirtschaft/Außenbestuhlung) ist vorher beim Ordnungsamt- und Straßenverkehrsamt zu beantragen.
Einzelne Veranstaltungen (max. 12 Veranstaltungen im Jahr) wie z. B. Faschingsball, Kerbtanz, Live-Musik oder sonstige Veranstaltungen, die über den normalen Gaststättenbetrieb hinausgehen, müssten mind. 1 Woche vorher beim Ordnungsamt angezeigt werden.“
- Beschwerdelage
2021 gab es eine Anzeige wegen Lärmbeschwerden. Am 22.7.2023 hat sich eine Familie darüber beschwert, dass es nachts um 2.00 Uhr so laut war, dass die Kinder nicht schlafen konnten. Zudem wurden Lärmbeschwerden über die Polizei übermittelt: 18.03.2023, 22:46 Uhr: Mitteilung über 150 Personen auf der Straße keine Ruhestörung festgestellt; 03.05.2023, 22:04 Uhr: überlaute Musik, MT versuchte schon erfolglos in der „Fall 2“ anzurufen, Ruhe hergestellt; 22.07.2023, 01:39 Uhr: mehrere Menschentrauben vor der „Fall 2“ ohne Feststellungen der Streife; 04.10.2023, 22:16 Uhr: O-Ton „An der „Fall 2“ ist die Hölle los“, Ruhe hergestellt. Internetrecherchen ergaben, dass im Zeitraum vom 25.01.2023 bis 25.10.2023 wohl 37 nicht angezeigte, aber als Event beworbener Veranstaltungen stattgefunden haben. Videoaufnahmen zeigten deutlich, dass es dabei um Veranstaltungen handelte und im Betrieb regelmäßige Musikveranstaltungen elektronisch verstärkt durchgeführt werden. Das Ordnungs- und Straßenverkehrsamt hat ein Ordnungswidrigkeitenverfahren mit einer Anhörung eingeleitet. Ein Gesprächstermin war diesbezüglich vorgesehen, fand aber nicht mehr statt, weil das Ordnungswidrigkeitenverfahren am 06.11.2023 durch den Oberbürgermeister eingestellt wurde.
Angesichts der zitierten rechtlichen Rahmenbedingungen und der spezifischen Fallkonstellationen spricht in beiden Fällen viel für das Vorliegen eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes. Gleichwohl gilt im Ordnungswidrigkeitenrecht der Opportunitätsgrundsatz. Es ermöglicht der Verwaltung in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens von der Verhängung eines Bußgeldes abzusehen.
- Weitere Vorgehensweise
Auf der Basis der vorbenannten Ausführungen wurden verwaltungsintern folgende Maßgaben für die Behandlung von Livemusik in Gaststätten festgelegt:
• Die einschlägigen Lärmgrenzwerte eines Gaststättenbetriebes sind immer einzuhalten, egal ob Livemusik in Form von Hintergrundmusik oder in Form von Veranstaltungen stattfindet.
• Die Genehmigungsauflagen aus Baugenehmigung und Gaststättenerlaubnis sind einzuhalten. Ggf. kann eine Erweiterung der Baugenehmigung und Gaststättenerlaubnis auf Livemusik beantragt werden, wenn die betrieblichen Rahmenbedingungen das zulassen.
• Von der genehmigten Betriebsart ist sogenannte Hintergrundmusik mit umfasst. Hintergrundmusik in diesem Sinne ist den Unterhaltungen gegenüber untergeordnet, nicht nach außen dringend, unauffällig und nicht aufgrund von Bewerbung der Musik betriebsprägend. Dies wird von der Verwaltung unterstellt, wenn folgende Rahmenbedingungen eingehalten werden:
- kein Eintritt für die Veranstaltung wird verlangt,
- keine Eintrittskarten werden ausgegeben,
- die reguläre Bestuhlung bleibt bestehen,
- während der Darbietung wird der gastronomische Service nicht unterbrochen,
- es erfolgt keine Werbung für die Musik
- die Lautstärke der Darbietung macht Unterhaltungen weiterhin möglich. Dies wird fiktiv unterstellt, bei
- Musik ohne Verstärkeranlage: Zahl der auftretenden Künstler ohne Beschränkung
- Musik mit Verstärkeranlage: Mittelungspegel im Gastraum auf max. 80 dB(A) beschränkt
• Unabhängig von der genehmigten Betriebsart können bis zu 24 sonstige Veranstaltungen im Jahr ohne Änderung der Genehmigung zugelassen werden, wenn die Lärmgrenzwerte (und ggf. sonstige veranstaltungsspezifische Anforderungen) eingehalten werden.
- Den Gastronomen wird angeboten, sich im Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz ein geeichtes Lärmmessgerät auszuleihen, um abzuschätzen, ob die eigenen Veranstaltungen die Lärmwerte einhalten.
- Die vorbenannten Punkte werden in einem Informationsblatt ausgearbeitet und mit einigen einschlägig tätigen Gastronomen auf Verständlichkeit geprüft und anschließend verteilt.