In der Sitzung am 04.03.2024 hat der Stadtrat den Beschluss gefasst, dass die Stadt Aschaffenburg grundsätzliches Interesse hat, Teil einer möglichen Biosphärenregion Spessart zu sein. Der Entscheidung vorausgegangen war die durchgeführte Machbarkeitsstudie, die zu dem Ergebnis kommt, dass eine Biosphärenregion Spessart grundsätzlich möglich ist.
In der Machbarkeitsstudie wurde festgestellt, dass der Großteil der MAB-Kriterien leicht oder sehr leicht zu erfüllen sind, lediglich die beiden Kriterien der Repräsentativität sowie der rechtlichen Sicherung sind mit größerem Aufwand umsetzbar.
Hier kommt der Stadt Aschaffenburg eine zentrale Rolle zu. Ein mögliches Alleinstellungsmerkmal einer Biosphärenregion „Spessart“ wäre eine „ländlich-urbane Biosphärenregion“ mit der starken regionalen Stadt-Land-Verflechtung zwischen dem Verdichtungsraum der Stadt Aschaffenburg und den ländlich geprägten Bereichen im Vor- und Hochspessart.
Bezüglich der rechtlichen Sicherung stellt die Verfügbarkeit ausreichend großer Kernzonenflächen eine wesentliche Schwierigkeit im Biosphärenprozess dar.
Die Kernzone muss mindestens drei Prozent der Gesamtfläche der Biosphärenregion einnehmen, d.h. die erforderliche Kernzonenfläche ist abhängig von der Größe der Biosphärenregion, welche derzeit noch nicht absehbar ist. Sollte die Gebietskulisse die Größe des gesamten Naturparks Spessart wiederspiegeln, würde eine Kernzonenfläche von insgesamt ca. 5.500 ha benötigt. Einzelne Kernzonen sollen eine Mindestgröße von 50 ha aufweisen. Kernzonen haben das Ziel des Prozessschutzes und sind als Naturschutzgebiete oder gleichwertig rechtlich zu sichern. Daher bieten sich in erster Linie Naturwaldflächen und Wald in bereits bestehenden Naturschutzgebieten als Kernzonenflächen an.
Nach dem derzeitigen Stand werden die zur Verfügung stehenden Flächen der Bayer. Staatsforsten allein die erforderliche Flächengröße nicht erreichen. Es braucht hier v. a. die Bereitschaft der Kommunen, eigene Waldflächen für Kernzonenflächen zur Verfügung zu stellen.
In den Landkreisen Aschaffenburg, Miltenberg und Main-Spessart haben einige Kommunen bereits den Beschluss gefasst, Teil einer Biosphärenregion Spessart sein zu wollen und mit Kommunalwaldflächen ihren Teil zur Kernzonenfläche beizutragen (u.a. Hösbach, Glattbach, Sailauf, Lohr a.M., Marktheidenfeld, Rothenfels, Hasloch, Hafenlohr, Steinfeld, Partenstein, Collenberg, Herrnwald, Gräfendorf) – viele weitere Kommunen prüfen dies derzeit. Ähnlich wie in der bayerischen Rhön wird hierfür laut dem bayer. Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz eine adäquate finanzielle Ausgleichsleistung durch den Freistaat Bayern in Aussicht gestellt.
Die Stadt Aschaffenburg als größte Kommune im Untersuchungsraum sowie mit ihrer zentralen Rolle für eine ländlich-urbane Biosphärenregion sollte aus Sicht der Stadtverwaltung ebenso einen wertvollen Beitrag für die Realisierung einer Biosphärenregion leisten.
Der Bundesforst hat gegenüber der Stadt Aschaffenburg seine Bereitschaft bekundet, Waldflächen des Bundesforstes im bestehenden Naturschutzgebiet „Ehemaliger Truppenübungsplatz und Altenbachgrund“ in einem Umfang von ca. 144 ha für eine mögliche Kernzone zur Verfügung zu stellen. Der Bundesforst hatte sich bereits im Rahmen der Machbarkeitsstudie aktiv in den Prozess eingebracht, steht einer Biosphärenregion positiv gegenüber und betont die Überschneidungen und gemeinsamen Ziele. Die Entscheidung, ob der Bundesforst Kernzonenflächen zur Verfügung stellt, obliegt ihm als Waldeigentümer eigenständig. In den Waldflächen des Bundesforstes erfolgt bereits jetzt nur noch eine sehr eingeschränkte forstwirtschaftliche Nutzung, die sich in erster Linie an den Zielen des Naturschutzes und der Verkehrssicherung orientiert.
Das städtische Forstamt hat die städtischen Waldbestände im Hinblick auf die fachlichen Vorgaben für die Kernzonen von Biosphärenflächen geprüft. Diese Vorgaben sind:
Aus fachlicher Sicht müssen die für die Kernzonen benötigten Waldflächen eine Mindestflächengröße von 50 ha umfassen. Hierbei sollte
a. die Baumartenzusammensetzung eine zumindest annähernd standortgerechte Bestockung aufweisen
b. im Hinblick auf die Bestandsalter sollten die Waldflächen nicht zu jung sein.
Waldflächen, die sehr stark durch Naherholungssuchende genutzt werden sind aus Sicht des Forstamtes für die Ausweisung von Kernzonen ungeeignet.
Der Stadtwald ohne die Flächen der AVG (XIII. Wasserwerkswald, 189,0 ha) hat eine Größe von ca. 1871 ha. Diese Flächen verteilen sich auf 19 Walddistrikte mit unterschiedlichen Flächengrößen. Diese Zersplitterung aber auch die zurückliegende Waldbewirtschaftung trägt dazu bei, dass es im Stadtwald schwierig ist, zusammenhängende Waldflächen in ausreichender Flächengröße auszuweisen, die für eine mögliche Kernzone geeignet erscheinen. Zudem unterliegen alle Stadtwaldflächen einem hohen Naherholungsdruck, der es also nahezu aussichtslos erscheinen lässt, die gewünschten Betretungsverbote abseits der ausgewiesenen Wege durchzusetzen.
Insofern schlägt das Forstamt vor, zwei Flächen im Schweinheimer Wald als Kernzonen vorzuschlagen, die bereits jetzt von den Betretungsregelungen der Sicherheitsverordnungen des ehemaligen Übungsplatzes erfasst sind und teilweise zudem von den Regularien der bestehenden Naturschutzgebietsverordnung.
Beide Flächen grenzen zudem an die vom Bundesforst vorgeschlagene Fläche an und weisen zudem ein Bestockungsalter auf, das weitere Pflegemaßnahmen weitgehend entbehrlich macht. Eine Herausnahme aus der Bewirtschaftung ist daher vertretbar. Es handelt sich hierbei um insgesamt 39 ha, verteilt auf 2 Flächen.
Insgesamt käme man mit den Flächen von Bundesforst und Stadt Aschaffenburg somit auf eine Kernzone mit einer Größe von ca. 183 ha.
In der Anlage 1 ist die mögliche Kernzone in einem Luftbild dargestellt.
Die vorgeschlagene Kernzonenfläche stellt aufgrund ihrer geologischen und forstwirtschaftlichen Unterschiede einen Kontrast zu den Waldflächen des Hochspessarts dar und ist gerade auch aus wissenschaftlicher Sicht für die Forschung und ein Monitoring (wichtiger Bestandteil einer Biosphärenregion) interessant. Auch die Nähe zur städt. Umweltstation bietet hier Synergien und Vorteile.
Die Kernzonenfläche des Bundesforsts liegt vollständig innerhalb des Naturschutzgebiets „Ehemaliger Standortübungsplatz und Altenbachgrund“ sowie innerhalb des Geltungsbereichs der Sicherheitsverordnung ehemaliger Standortübungsplatz (staatlicher Teil). Die beiden städtischen Flächen befinden sich ebenfalls innerhalb des Geltungsbereichs der Sicherheitsverordnung ehemaliger Standortübungsplatz (städtischer Teil) und zu einem kleinen Teil bereits innerhalb des bestehenden Naturschutzgebietes.
Somit gilt für den kompletten Kernzonenvorschlag bereits ein Betretungsverbot außerhalb der befestigten Wege.
Die Ausweisung als Kernzone hätte damit keine zusätzlichen Einschränkungen für Erholungssuchende zur Folge. Das Radfahren und Wandern wird somit im gleichen Umfang wie bisher auf den zugelassenen und befestigten Wegen zulässig sein. Ebenso wird die Verkehrssicherheit der bestehenden Wege weiterhin gewährleistet.
Auch die rechtmäßige Ausübung der Jagd wird in Form eines Wildtiermanagements (andere Bezeichnung) weiterhin möglich sein. Dies bedeutet, dass die Jagdausübung nicht mehr wirtschaftlichen Zwecken dient, sondern (wie bisher im Naturschutzgebiet auch) aus Gründen des Prozess-, Wald- oder Jagdschutzes ausgeübt wird.
Aufgrund des bestehenden Naturschutzgebietes sowie der geltenden Sicherheitsverordnungen wird es in der beabsichtigten Kernzone zu keinen zusätzlichen Einschränkungen für die Allgemeinheit kommen. Der einzige Unterschied zum IST-Zustand ist, dass die 39 ha des Stadtwaldes aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen werden sollen. Diese Flächen bestehen aus Mischwald und weisen trotz der zielgerichteten Reduzierung des Nadelholzanteils immer noch einen unterschiedlich hohen Anteil an Nadelhölzern auf. Auch unabhängig von einer Realisierung einer Biosphärenregion war für diese Flächen ein dauerhafter Nutzungsverzicht vorgesehen. Anlass hierfür war die Sitzung „Klima-Plenum“ vom 13.10.2020, in der der Stadtrat das Forstamt beauftragt hatte, städtische Waldflächen im Hinblick auf einen dauerhaften Nutzungsverzicht auf Teilflächen zu überprüfen. Bei den für die Kernzone vorgesehenen Flächen handelt es sich nicht um Wertholzbestände.
Die Stadt Aschaffenburg erhält zudem für die Stilllegung als Kernzone eine staatliche Ausgleichzahlung.
Die jetzige Bereitschaft Waldflächen für eine mögliche Biosphärenregion einzubringen, hat keinerlei rechtlich bindenden Charakter, sondern ist lediglich ein wichtiges Signal an die Region, dass sich auch die Stadt Aschaffenburg ihrer Bedeutung bewusst ist und sich vorstellen kann, ihren Beitrag für die Realisierung einer Biosphärenregion zu leisten.
Ob diese Flächen zukünftig zu Kernzonen werden, ist abhängig davon, ob in der gesamten Region die Voraussetzungen für eine Biosphärenregion erfüllt werden können und dies die Kommunen wollen. Sofern dies in einigen Jahren der Fall ist und das Anerkennungsverfahren durchlaufen ist, werden diese Kernzonen – wie in Bayern üblich – als Naturschutzgebiet gesichert. Dies ist für den Großteil der beabsichtigten Flächen in der Stadt Aschaffenburg ohnehin bereits der Fall – diesbezüglich ergeben sich demnach keine Änderungen. Für die 39 ha des Stadtwaldes, welche derzeit außerhalb des bestehenden Naturschutzgebiets liegen, würde voraussichtlich eine Erweiterung des Naturschutzgebietes um diese Flächen durch die Regierung von Unterfranken erfolgen. Dieses Verfahren wird seitens der Regierung unter Einbeziehung der Öffentlichkeit und in einem breiten Beteiligungsprozess erfolgen. Über Ausnahmen und Befreiungsmöglichkeiten innerhalb der Naturschutzgebiets-Verordnung können sämtliche örtliche Besonderheiten, bestehende Nutzungen o. ä. berücksichtigt werden. Es wird durch eine Biosphärenregion zu keiner rechtlichen Verschärfung der IST-Situation im bestehenden Naturschutzgebiet kommen.
Dies sind jedoch Schritte, die erst konkret werden, wenn die Region sich zuvor für die Biosphäre ausspricht (d. h. auch im Stadtrat förmliche Beitrittsbeschlüsse gefasst wurden) und die Anerkennung durch das deutsche UNESCO-Nationalkomitee fachlich als möglich erachtet und befürwortet wird. Bis der offizielle Antrag auf Anerkennung der Biosphärenregion gestellt wird und die abschließende Entscheidung hierüber getroffen wurde sowie die offizielle Erklärung durch das Bayer. Umweltministerium erfolgt ist, wird es voraussichtlich noch mehrere Jahre dauern.
Für weitergehende Informationen wird auf die Informationsbroschüre zur Biosphärenregion sowie das Faktenblatt für Kommunen verwiesen, die den Unterlagen zu diesem TOP (als Anlagen 2 und 3) beigefügt sind.
Aus den dargestellten Gründen wird vorgeschlagen, dass der UKVS folgenden Beschluss fasst:
Die Stadt Aschaffenburg begrüßt die Bereitschaft des Bundesforsts, Waldflächen des bestehenden Naturschutzgebietes in eine mögliche Kernzonenkulisse einer Biosphärenregion Spessart einzubringen. Die Stadt Aschaffenburg erklärt – sofern sich die Region für eine Biosphärenregion entscheiden sollte - ihre grundsätzliche Bereitschaft, eigene Waldflächen gemäß der Anlage 1 mit einer Größe von ca. 39 ha in eine potenzielle Kernzonenkulisse einzubringen.
Anlagen:
Anlage 1: Kernzonenvorschlag
Anlage 1a: Detailkarte städt. Kernzonenvorschläge
Anlage 2: Informationsbroschüre zur Biosphärenregion Spessart
Anlage 3: Faktenblatt für die Stadt Aschaffenburg“