Die Europäische Kommission hat am 20.12.2011 einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe veröffentlicht. Konzessionen bestehen aus der Übertragung einer Verpflichtung von einer Gebietskörperschaft auf einen Konzessionsnehmer, eine Dienstleistung zu erbringen oder ein Bauwerk zu erstellen. Der Konzessionsnehmer erhält dafür keine Geldleistung, sondern das Recht, sich gegenüber Dritten (in der Regel den Nutzern der Dienstleistung oder des Bauwerks) zu refinanzieren (Prinzip: Leistung gegen Recht auf „Gebührenerhebung“). Das Betriebsrisiko trägt somit der Konzessionsnehmer. Bislang geltende Richtlinien sehen Regeln für die Vergabe von Aufträgen und Baukonzessionen vor. Die Vergabe von Dienstleistungs-konzessionen ist bisher ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien ausge-nommen. Zu beachten waren jedoch im Rahmen der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen die Grundsätze der Europäischen Verträge, also Transparenz und Nicht-Diskriminierung (vgl. EuGH, Telaustria, C-324/98). Es besteht daher bereits ein zu beachtender Rechtsrahmen bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen.
Der Bundesrat hat den Richtlinienvorschlag aus diesem Grund im März 2012 abgelehnt und argumentiert, dass keine schwerwiegenden Wettbewerbesverzerrungen oder Marktabschottung vorliegen, die eine europaweite Regelung erforderlich machen.
Der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments hat dem Richtlinienvorschlag am 24.01.2013 grundsätzlich zugestimmt. Es folgen nun Verhandlungen des EU-Ministerrates und des Europäischen Parlaments zur Formulierung eines einheitlichen Richtlinientextes. Das Gesetz-gebungsverfahren könnte wohl bis Juli 2013 abgeschlossen sein. Danach würde die Umsetzung in deutsches Recht erfolgen.
Konkret bezogen auf den Bereich der Wasserversorgung, der in Deutschland regelmäßig über die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen bewirtschaftet wird, ist damit zu rechnen, dass die Umsetzung der Richtlinie in ihrer derzeitigen Entwurfsfassung zu einer Einschränkung der kommunalen Entscheidungsfreiheit bei der Ausgestaltung der Organisation der öffentlichen Wasserversorgung führt und die Trinkwasserversorgung beispielsweise europaweit auszu-schreiben ist. Dies hängt letztlich davon ab wo die Grenze zwischen eigener Leistung des Auftraggebers und ausschreibungspflichtiger Beschaffung am Markt gezogen wird.
Problematisch könnte sich die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie nach ihrer derzeitigen Fassung insbesondere auf die bisher „kommunale Eigenerbringung“ der Trinkwasserversorgung durch kommunale Unternehmen mit privater Minderheitsbeteiligung und / oder mit zusätzlichen Tätigkeiten in anderen Sektoren (z.B. in der Energieversorgung, „Mehrspartenstadtwerk“) gestalten. Der Richtlinienentwurf orientiert sich diesbezüglich an der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zum vergaberechtsfreien Inhouse-Geschäft. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie sind nach bisherigem Kenntnisstand lediglich die Vergabe von Dienstleistungs-konzessionen an kommunale Eigenbetriebe und Zweckverbände, die die Wasserversorgung ganz überwiegend für ihre Mitglieder übernehmen und nicht über eine private Beteiligung verfügen, ausgenommen.
Im Zuge der Erörterungen im Gesetzgebungsverfahren, zuletzt im Binnenmarktausschuss am 24.01.2013, wurden weitere Ausnahmen diskutiert bzw. beschlossen. Klarheit wird allerdings erst der endgültige Richtlinientext bringen. Nach BDEW extra 1/2013 – Information Wasserwirtschaft, 28.01.2013 handelt es sich unter anderem um folgende Modifizierungen, die Eingang in die Richtlinie finden sollen:
- vor Inkrafttreten der Richtlinie vergebene und ausgeschriebene Konzessionsverträge sollen von der Richtlinie unberührt bleiben,
- es soll eine Übergangszeit für bestehende Konzessionsverträge mit Mehrsparten-unternehmen mit privater Beteiligung geben; sie sollen eine Laufzeit bis maximal zum Jahr 2020 erhalten können, wenn der Gesamtumsatz der Wassersparte zu 100 % aus der Erbringung der Tätigkeiten für die die Konzession vergebende Kommune resultiert bzw. zu 90 %, wenn die Konzession sich auch auf benachbarte Kommunen bezieht.
Sofern die Vergabe der Trinkwasserkonzession dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterliegt, verbleibt der Kommune im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung lediglich die Möglichkeit, über Leistungsbeschreibung und Definition der Eignungsvoraussetzungen, Qualitätskriterien aufzustellen, die eine qualitativ hochwertige Trinkwasserversorgung sicherstellen und unter Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen ggf. weiterhin zu einer kommunalen Versorgung führen.
Zu 1.
Bezogen auf die Trinkwasserversorgung in Aschaffenburg stellt sich die Situation wie folgt dar: Die Stadt Aschaffenburg hat mit den Stadtwerken Aschaffenburg am 29.08.2000 einen Konzessions-vertrag über die Versorgung der Stadt und ihrer Einwohner innerhalb des Stadtgebietes mit Elektrizität, Gas, Wasser und Fernwärme für private, gewerbliche, landwirtschaftliche und gewerbliche Zwecke geschlossen. Mit Übertragung dieser Versorgungssparten auf die Aschaffenburger Versorgungs-GmbH am 20.10.2000 ist die AVG in diesen Konzessionsvertrag eingetreten. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 20 Jahren. Er endet somit am 28.08.2020. Aufgrund der obigen Ausführungen ist wohl eher davon auszugehen, dass die bisherige Konstellation die Kriterien einer Inhouse-Vergabe nach der Umsetzung der Richtlinie nicht mehr erfüllen wird. Die AVG ist ein kommunales Unternehmen unter privater Minderheitsbeteiligung und ist in mehreren Sparten tätig. Die aufgeführte Übergangsregelung dürfte ebenfalls nicht anwendbar sein, da die AVG – unabhängig von der Frage bestehender Konzessionsverträge - mehr als 10 % ihres Gesamtumsatzes aus der Sparte Wasserversorgung aus der Versorgung umliegender Gemeinden generiert. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass der bestehende Konzessionsvertrag mit der Stadt Aschaffenburg von der Richtlinie für die vorgesehene Laufzeit unberührt bleibt, so dass zumindest bis zum 28.08.2020 die bestehende Trinkwasserversorgung unverändert fortgeführt werden kann.
Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass die Weiterführung der bereits angesprochenen Versorgung von Umlandgemeinden bzw. Zweckverbänden durch die AVG in bestehender Konstellation aufgrund des derzeit vorliegenden Richtlinientextes ebenfalls nicht unproblematisch sein dürfte. Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Richtlinienentwurfs ist derzeit lediglich die Vergabe von Konzessionen u. a. an Gemeinschaftsunternehmen von öffentlichen Auftraggebern bzw. an juristische Personen, die aus gemeinsamer Perspektive der an ihr beteiligten öffentlichen Auftraggeber die oben genannten Inhouse-Kriterien erfüllen.
Zu 2.
Der Stadtrat schließt sich der beiliegenden Stellungnahme der Grünen-Stadtratsfraktion bezüglich des Verbleibes der Trinkwasserversorgung bei den Kommunen an.