1. Vorbemerkung
Seit einigen Monaten besteht nicht nur in der Stadt Aschaffenburg Verunsicherung darüber wie sich der liberalisierte Fernbusreiseverkehr durch die Änderung des Personenbeförderungsgesetzes auf die Haltestelleninfrastruktur der Gebietskörperschaften auswirken wird. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer bewertet die Gesetzesänderung als eine der wichtigsten verkehrspolitischen Entscheidung der letzten Jahre. „Der Fernbus wird neben der Bahn, dem PKW und dem Flugzeug die vierte Säule des Personenverkehrs werden“. (Pressemitteilung des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer - bdo - vom 2.11.2012). Eine Vielzahl von Linienverbindungen sind bundesweit in Planung bzw. bereits in Betrieb. Die Linien verbinden bevorzugt die Zentren größerer Städte. Der bdo spricht derzeit von 30 neuen Fernbusunternehmen am Markt.
Die Stadtverwaltung hat im vergangenen Jahr im Rahmen der Diskussion und Einrichtung einer Bushaltestelle für den „Ausflugsverkehr“ in der Ludwigstraße empfohlen, zunächst die Marktentwicklung im Fernbusreiseverkehr zu beobachten und Haltestellenoptionen für Fernbuslinien zu untersuchen. Aus der Mitte des Stadtrates gingen hierzu mehrere Anträge ein. Die Stadtverwaltung möge untersuchen an welchen Stellen im Stadtgebiet, insbesondere im Umfeld des Hauptbahnhofes, Haltestellen für Fernreisebusse eingerichtet werden können.
2. Der neue rechtlicher Rahmen des Personenbeförderungsgesetztes
Mit der Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zum 01.01.2013 hat der Bundesgesetzgeber die Beschränkungen für Fernbuslinien parallel zum Schienenverkehr aufgehoben. Das bedeutet, dass mit Jahresbeginn Fernbusse Deutschlandweit ab einer Entfernung von 50 km im Linienverkehr fahren können. Der Haltestellenabstand muss mindestens 50 km betragen. Für diese Verkehre sind Genehmigungen nach den §§ 40 und 42a erforderlich. Die Zuständigkeit für die Genehmigungen liegen bei den Landesmittelbehörden. Die Gebietskörperschaften, durch die die Fernbuslinien verkehren haben dem Unternehmer eine Haltestelle zuzuweisen.
3. Bestehende Fernbusverbindungen von und nach Aschaffenburg
A. Internationale Verkehre
Die Stadt Aschaffenburg wird bislang von internationalen Fernbuslinien angefahren. Dieser internationale Verkehr ist nicht Gegenstand der o. g. Gesetzesänderung.
Es bestehen folgende sechs Verbindungen:
Aschaffenburg – Moskau
Aschaffenburg – Simferopol (Ukraine)
Krasnik (Polen) – Aschaffenburg - Freiburg
Bukarest - Aschaffenburg – Antwerben
Düsseldorf – Aschaffenburg – Prag
Frankfurt a. M – Aschaffenburg – Brasov (Rumänien)
Weitere vier Anträge auf internationale Verkehre liegen derzeit bei der Regierung von Unterfranken.
Die o. g. internationalen Verkehre bestehen bereits seit längerer Zeit auf der Grundlage von EU – Recht. Der Busverkehr wird über die Haltestellen City-Galerie Fahrtrichtung stadtauswärts und Stadtbadstraße abgewickelt, was völlig problemlos funktioniert. Die Unternehmen schätzen das Umfeld der City-Galerie als Versorgungsstandort.
B. Innerdeutsche Linien
Als erstes Unternehmen hat das Busunternehmen MeinFernbus GmbH, Berlin, einen Antrag auf innerdeutschen Fernlinienverkehr auf der Linie Duisburg- München mit Halt in Aschaffenburg gestellt. Die Buslinie wird über die BAB 45 – Seligenstädter Dreieck – BAB 3 geführt. Weitere Zwischenhalte sind Essen, Dortmund, Siegen, Gießen, Würzburg und Nürnberg. Montags bis Samstags sollen zwei Busse je Richtung verkehren, sonntags einer. Der Unternehmer beantragte einen Bushalt am Hauptbahnhof/Ludwigstraße. Die Stadtverwaltung hat in einvernehmlicher Absprache mit dem Unternehmer die Bushaltestelle City-Galerie (Fahrtrichtung stadteinwärts), vor dem Kreisverkehr Citygalerie/Platanenallee bestimmt und gegenüber der Regierung von Unterfranken mitgeteilt. Die Haltestelle wird momentan vom Stadt- und Regionalbuslinien nicht angefahren. Mit Stand vom 26.03.2013 ist über den Antrag von MeinFernbus von der zuständigen Bezirksregierung Düsseldorf noch nicht entschieden.
Nach aktuellem Stand liegt der Regierung von Unterfranken nur ein weiterer Antrag für eine Fernbuslinie mit Halt in Aschaffenburg vor. Sie betrifft die Relation Frankfurt – Nürnberg. Bei dieser Fahrstrecke wird allerdings der Haltestellenabstand von mindestens 50 km zu würdigen sein. Alle weiteren Anträge die der Regierung von Unterfranken vorliegen betreffen im wesentlichen Würzburg.
4. Mögliche Haltestelle für Fernreisebusse im Stadtgebiet von Aschaffenburg
4.1 Kurzfristige Lösung
Die Notwendigkeit spezielle Angebote für den Halt von Fernbusse anzubieten, ist davon abhängig wie intensiv Verkehrsunternehmen Aschaffenburg in ihre Liniennetzplanung tatsächlich einbinden werden. Zurzeit muss davon ausgegangen werden, dass die Unternehmen an Aschaffenburg vorbeifahren. Die häufige Bedienung von Frankfurt am Main lässt darauf hindeuten, dass ein weiterer Halt in Aschaffenburg weder rechtlich möglich noch wirtschaftlich rentabel ist.
Unabhängig von dieser gegenwärtigen Einschätzung ist es stadtplanerisch geboten, geeignete Haltestellen „vorzuhalten“, die bei steigender Nachfrage aktiviert werden können.
Das Stadtplanungsamt hat daraufhin das erweiterte Bahnhofsumfeld nach geeigneten Haltestellen untersucht. Haltestellen in Lagen außerhalb der Innenstadt, etwa in der Nähe der Autobahn, sind nach Rücksprache mit den Unternehmen nicht gewünscht. Man braucht die gute Erreichbarkeit mit dem ÖPNV und die Möglichkeit für Fahrgäste Wartezeiten etwa durch Besorgungen zu überbrücken.
Sehr gut geeignet für den Fernbusverkehr ist die Haltestelle „City Galerie“ in der Goldbacher Straße vor der Hausnummer 11. Während des Fahrplans 2012/2013 findet dort keine Bedienung mit Linienbusverkehr statt, da die Busse aus dem östlichen Korridor direkt über die Elisenstraße den ROB anfahren. Mit der Busspur steht dort eine ausreichende Breite für Ladevorgänge zur Verfügung, auch ein kurzzeitiger Aufenthalt auch von zwei Bussen ist möglich.
Eine weitere Option für den Halt von Fernbussen besteht am Parkhaus Elisenstraße. Hier befindet sich eine nicht benötigte Einfahrspur ins Parkhaus. Diese Fläche wurde bereits vor einigen Monaten als Haltestelle für den Ausflugsverkehr geprüft. Ein Bushalt setzt aber einen kompletten und damit kostenintensiven Umbau voraus.
Im engeren Bahnhofsumfeld zwischen Glattbacher Überfahrt im Osten, der Lange Straße/Ottostraße im Norden, der Müllerstraße im Westen und der Ludwigstraße im Süden bestehen keine Bushaltestellen, die auch bei geringer Nachfrage von wenigen Fernbuslinien mit genutzt werden können. Die Haltestellen Stadtpalais, Grauer Stein, Maximilanstraße und Lange Straße sind durch die Linienverkehr stark belegt. Die neue Haltestelle am Dammer Tor Platz ist als Buskap ausgebildet und daher für einen längeren Bushalt auf der Fahrbahn nicht geeignet. Die Haltestelle vor der Ludwigstraße soll für „Ausflugsbusse“ dauerhaft freigehalten werden und ist auch entsprechend belegt.
Der Halt von Fernbussen auf dem Gelände des Regionalen Omnibusbahnhofs, ist aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich und wird deshalb von den Stadtwerken abgelehnt. Die Kapazitäten für weitere Busse sind nicht gegeben. Da bei Fernbuslinien häufig bauartbedingt sehr hohe Busse eingesetzt werden, ist ein Anfahren der Haltestellen kritisch. Zu- und Abgangsverkehre von Fahrgästen auf dem Betriebgelände können nicht ausgeschlossen werden.
4.2 Mittel- bis langfristige Lösung bei großer Nachfrage
Sollte sich zukünftig ein deutlich größerer Bedarf nach Halteplätzen für Fernbusse einstellen, ergibt sich aus Sicht der Stadtverwaltung die Notwendigkeit eine geeignete Fläche in verkehrsgünstiger Lage mit guter Anbindung an den ÖPNV vorzuhalten und je nach Bedarfsentwicklung schrittweise auszubauen.
Die Stadtverwaltung schlägt vor eine rund 2.500 m² große Fläche westlich des Dämmer Steges zwischen Ottostraße und Bahngleisen für diese Nutzung zu reservieren. Das Gelände befindet sich seit einigen Jahren im Eigentum der Stadt Aschaffenburg. Die Planungsüberlegungen für dieses Areal waren im Zuge eines Bebauungsplans noch nicht abschließend entschieden. Zwei Optionen würden bislang diskutiert, die Erweiterung des Stadtteilparks bzw. die Ausweisung eines Gewerbegebietes. Das Gelände wird gegenwärtig für die Baustellenabwicklung Bahnparallele verwendet.
Das Gelände wurde auf seine Eignung für einen Busbetrieb untersucht. Die verkehrliche Erreichbarkeit ist sehr gut. Von Osten ist das Gelände über die Ringstraße und die Bahnparallele bereits heute schnell erreichbar. Mit der Anbindung der Bahnparallele an die Hanauer Straße ergibt sich in wenigen Jahren auch eine gute Zuführung aus Westen. In das Grundstück kann von der Ottostraße ohne Probleme eingefahren werden. Je nach Organisation der Haltestellen können mindestens 3 Fernbusse gleichzeitig abgefertigt werden. An den Rändern der Fläche besteht Platz für Stellplatze für Fahrgästen. Fußläufig ist das Gelände über den Dämmer Steg angebunden und mit dem Regionalen Omnibusbahnhof gut verknüpft. In der Umgebung der FOS / BOS haben sich außerdem etliche Gastronomiebetriebe und Kioske angesiedelt, die die Versorgung der Fahrgäste übernehmen könnten. Konflikte mit der gewerblich-geprägten Nachbarschaft sind nicht zu erwarten. Die Nutzungsüberlegungen wurde den Kalkwerken im Vorfeld bekannt gemacht.
Die Fläche kann bei geringem Herstellungsaufwand (Aufschotterung) zeitnah genutzt werden. Eine Investitionsentscheidung zum Ausbau der Fläche mit angemessener Ausstattung (Bussteige, Wartehäuschen etc.) braucht deshalb zunächst nicht getroffen werden. Die Verwaltung empfiehlt hierfür zunächst zu prüfen ob die Unternehmen an den Ausbaukosten beteiligt werden können.
Alternative Flächen im Umfeld des Hauptbahnhofes im Eigentum der Stadt Aschaffenburg existieren nicht. Eine Nutzung des Geländestreifens des ehemaligen ebenerdigen Park + Ride-Platzes wird nicht empfohlen, da damit erhebliche finanzielle Aufwendungen für den Grunderwerb verbunden wären. Weiterhin müsste für die Nutzung als Fernbushalteplatz der Lärmschutz entlang der Bahnparallele durch eine verlängerte Lärmschutzwand entlang der Bahnparallele direkt zum Parkhaus Dämmer Tor gewährleistet werden. Eine Bebauung würde dagegen von sich aus den notwendigen Schallschutz entfalten. Hinsichtlich der Versorgungslage, der Erreichbarkeit mit ÖPNV und für sonstigen Zubringerverkehr, hat die Fläche am Dämmer Steg eine vergleichbare Standortqualität.
5. Zusammenfassende Empfehlung
Die Stadtverwaltung empfiehlt zunächst die Entwicklung des Fernbuslinienverkehrs weiter zu beobachten. Als Sofortlösung soll Unternehmen die Haltestelle City Galerie an der Goldbacher Straße zugewiesen werden Die Fläche am Dammer Steg bietet sich als „kleiner Busbahnhof“ bei größerer Nachfrage an und soll hierfür vorgehalten, gegebenenfalls rechtlich gesichert und je nach Bedarf entwickelt werden.