1. Vorbemerkungen und Aufgabenstellung des Gutachtens
Die Stadtwerke Aschaffenburg haben die Bürogemeinschaft planmobil/LK Argus, Kassel, im Januar 2010 mit der Untersuchung zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs im Korridor Großostheim/Aschaffenburg und im Stadtgebiet bezogen auf die Nutzung der Ringstraße für den Busverkehr beauftragt. Der Markt Großostheim hat das Verkehrskonzept zu Teil 1 – Potenzialabschätzung für den Schienenverkehr zwischen Großostheim und Aschaffenburg mitfinanziert und war in den Bearbeitungs- und Diskussionsprozess aufs Engste eingebunden. Das Gutachten wird im Gemeinderat des Marktes Großostheim voraussichtlich am 23.07.2013 vorgestellt und beraten. Die Beschlussempfehlungen der Verwaltungen sind inhaltlich aufeinander abgestimmt. Die Bearbeitung des Gutachtens in der Stadt Aschaffenburg erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung als Aufgabenträger für den ÖPNV.
Anlass für das vorliegende Gutachten war:
- die Verkehrsbelastungen auf der ST 3115 (Großostheimer Straße) in den Verkehrsspitzenzeiten mit langen Fahrzeiten für den Busverkehr,
- die politischen Forderungen auf eine Reaktivierung der Bachgau-Bahn als Reaktion auf die Verkehrsbelastungen im Korridor zwischen Aschaffenburg und Großostheim,
- die 2008 entwickelten groben Planungsüberlegungen zur Nutzung der Hafenbahn für den Schülerverkehr und deren Einbindung in ein ÖPNV-Konzept für die Stadtteile Nilkheim und Leider unter Berücksichtigung des Fahrgastpotenzials,
- sowie das Potential des fertig gestellten Stadtrings für eine Bedienung durch den Busverkehr herauszuarbeiten.
Die Studie zeigt auf, welche verkehrlichen und wirtschaftlichen Bewertungen mögliche Bedienungsalternativen haben und welche Fahrgastpotenziale für geänderte ÖPNV-Bedienungen abgeschätzt werden können. Die Studie trifft grundlegende Aussagen allerdings ohne Detailbetrachtungen z. B. zur technischen Realisierbarkeit der Inbetriebnahme der Schienenstrecke.
2. Rahmenbedingungen
Der Untersuchungsraum für die Inbetriebnahme der Schienenstrecke umfasst die Stadt Aschaffenburg, insbesondere die Stadtteile Nilkheim und Leider, und den Markt Großostheim.
Die berücksichtigten Grundlagendaten umfassen:
- Einwohner im Untersuchungsraum,
- Schulstandorte mit Schülerzahlen,
- Arbeitsplatzschwerpunkte mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten nach Wohn- und Arbeitsort sowie Ein- und Auspendler,
- Pendlerverflechtung und
- Fahrgastnachfragedaten nach Linienein- und aussteiger.
Bei der Bewertung des ÖPNV – Angebotes werden die im Nahverkehrsplan von 2007 festgelegten Qualitätsstandards zur Erschließungsqualität (Haltestellen Einzugsbereiche), Bedienungsqualität (Takt) und Verbindungsqualität (Geschwindigkeit) als Vorgabe berücksichtigt.
3. Die bestehenden ÖPNV-Angebote im Korridor Aschaffenburg (Nilkheim / Leider) – Großostheim
3.1. Großostheim – Aschaffenburg – Zentrum
Es verkehren die Regionalbuslinien 53, 54 und 55 jeweils montags bis freitags im 60-Minuten-Takt. (samstags – sonntags 120 Minuten). Die Fahrzeit beträgt durchschnittlich 90 Minuten. Im Haltestelleneinzugsbereich wohnen rund 6.600 Einwohner. Die Erschließungswirkung beträgt 79%.
3.2. Aschaffenburg – Nilkheim – Zentrum
Der Stadtteil wird durch die Stadtbuslinie 6 und randlich von den Regioalbuslinien 53, 54 und 56 erschlossen. Die Bedienung erfolgt im 30-Minuten-Takt (Regelbedienung). Taktverdichtungen in der Hauptverkehrszeit. Die Fahrzeit beträgt zum Hauptbahnhof maximal 16 Minuten. Es werden rund 5.800 Einwohner erschlossen, was einer Erschließungswirkung von 98 % entspricht.
3.3. Aschaffenburg – Leider – Aschaffenburg – Zentrum
Der Stadtteil Leider wird durch die Stadtbuslinie 3 erschlossen. Sie verkehrt montags bis samstags im 15-Minuten-Takt. An Sonntagen im 60-Minuten-Takt. Die Fahrzeit beträgt zum Hauptbahnhof 16 Minuten. Im 300 Meter Radius der Haltestellen wohnen rund 3.300 Menschen (Erschließungswirkung 93%).
3.4. Aschaffenburg – Leider – Schulzentrum – Aschaffenburg – Zentrum
Das Schulzentrum und der Berufsschulstandort sind zu Schulzeiten mit einem dichten Angebot angebunden. Die Linie 3 ist weiter verdichtet mit bis zu 10 Fahrten in der Spitzenstunde. Die umsteigefreie Fahrt vom Hauptbahnhof dauert maximal 10 Minuten. Zwei Bushaltestellen liegen in kurzer Entfernung zum Schulzentrum.
3.5. Weitere ÖPNV-Angebote im erweiterten Untersuchungsraum
Es bestehen weitere Linienverbindungen mit Bedeutung für die vorliegende Aufgabenstellung. Auf die Aussagen im Gutachten (Seite 26 f.) wird verwiesen.
3.6. Beurteilung des bestehenden ÖPNV-Angebotes
Das ÖPNV-Angebot in Korridor Aschaffenburg (Nilkheim – Leider) – Großostheim wird hinsichtlich der Bedienungs- und Erschließungsqualität als gut bewertet. Betriebliche Probleme bestehen bei der Fahrplansicherheit auf der Großostheimer Straße durch häufige Stauerscheinungen im gesamten Verlauf der Großostheimer Str. bis ins Industriegebiet jeweils lastrichtungsbezogen.
4. Schienenverbindung Aschaffenburg – Großostheim
4.1 Vorhandene Infrastruktur
Zwischen Aschaffenburg und Großostheim besteht keine durchgängige Schienenverbindung mehr. Im regelmäßigen Güterfahrbetrieb ist der Abschnitt Hafenbahn bis zum Hafenbahnhof Leider. Als Streckenabschnitt vorhanden ist ein Industriegleis zum Gewerbegebiet Nilkheim West bis zur Firma Linde / Transgas. Die Gleisanlagen zwischen Obernburger Straße und Großostheim wurde 1994 abgebaut. Die Trasse wird heute als landwirtschaftlicher Weg bzw. Fahrradweg genutzt. Innerhalb Großostheims ist die Trasse nicht mehr vorhanden. Sie wurde in den letzten Jahren teilweise privatisiert und an vielen Stellen überbaut.
4.2 Fahrgastpotential/Fahrgastnachfrage und Fahrzeiten
Das Fahrgastpotential im ÖPNV zwischen Großostheim und Aschaffenburg liegt bei rund 2.200 Personen. Die Fahrgastnachfrage auf der Schienenverbindung wird durch die Randlage eines Bahnhofs in Großostheim als gering eingeschätzt. Die Fahrzeiten zwischen Großostheim und AB-Hbf. würden sich über die Schiene um 3-5 Minuten verkürzen. Deutliche Fahrzeitgewinne sind in der Relation Großostheim – Hochschule zu erwarten, da im Busverkehr keine umsteigefrei Verbindung besteht, jedoch müsste die Anzahl der tatsächlichen Nutzer dieser Verbindung noch ermittelt werden. Zwischen den südlichen Ortsteilen Großostheims und Aschaffenburgs ergäben sich jedoch deutliche Fahrzeitverlängerungen, da ein Umsteigen von der Schiene am Ortsrand auf den Bus erforderlich wird.
4.3 Bewertung
Die Reaktivierung der Schienenverbindung Aschaffenburg – Großostheim wird von den Gutachtern nicht empfohlen. Die Erschließung kann nur bis zum nördlichen Ortsrand von Großostheim erfolgen und bedarf von dort einer weiteren Feinerschließung durch den Bus. Die Errichtung der Schienenverbindung bedarf erheblicher Investitionen in Trasse, Haltepunkte und Kreuzungsbauwerke. Sie liegen nach Grobschätzung des Gutachtens bei rund neun bis zwölf Millionen Euro. Durch den gebrochenen Verkehr gehen die Gutachter auch von einem Rückgang der Fahrgastnachfrage im Korridor Aschaffenburg – Großostheim aus. Ein paralleler Verkehr von Bus und Bahn ist unwirtschaftlich und wird daher nicht befürwortet. Weiterhin müsste überprüft werden, ob auf dem Abschnitt Hbf –Südbahnhof, insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Mehrverkehre auf der Maintal- und Bachgaubahn, ausreichende Kapazitäten überhaupt noch möglich wären.
5. Bedienungsalternativen im Korridor Aschaffenburg – Großostheim
Das Gutachten hat zusätzlich weitere Verkehrsalternativen geprüft. Im Einzelnen sind dies:
Im Korridor Aschaffenburg-Großostheim
- schnelle ÖPNV-Verbindung im Busverkehr über die ST 3115 – Obernburger Straße – Darmstädter Straße Richtung Aschaffenburg Hauptbahnhof (Bedienungsalternative A1)
- Beschleunigung der bestehenden Busverkehrslinien (Bedienungsalternative A3)
Im Korridor Aschaffenburg-Nilkheim-Leider
- einem Schienenangebot auf der Hafenbahn zwischen Aschaffenburg Hauptbahnhof mit einzelnen Fahrten für den Schülerverkehr und den Berufsverkehr in die Gewerbegebiete Nilkheim – Leider (Bedienungsvariante B1)
- ein regelmäßiges Schienenangebot auf der Hafenbahn zwischen Aschaffenburg – Hauptbahnhof und Nilkheim – Leider im Stundentakt mit Neuausrichtung der Busverkehre (Bedienungsvariante B2).
Eine Nutzung des fertigen Stadtrings durch:
- Führung einzelner zusätzlicher Fahrten in der Hauptverkehrszeit über den Stadtring zum Hauptbahnhof / ROB (Expressfahrten Bedienungsvariante C1)
5.1 Bewertungen der Bedienungsalternativen
Das Plangutachten bewertet die Bedienungsalternativen wie folgt:
- Die schnelle ÖPNV-Anbindung über die Darmstädter Straße zum Hauptbahnhof (A1) bietet Fahrzeitgewinne von rund 25%. Eine sinnvolle Neuerschließung von Stockstadt und Leider kann nicht erkannt werden. Fehlende Haltestellen und auch nur begrenzte Möglichkeiten welche einzurichten (Ausbau Darmstädter Str. B 26 zwischen Waldfriedhof und Hafenzufahrt Mitte) stellen den Punkt in Frage. Der Fahrgastgewinn wird mit rund 200 zusätzlichen Personen angegeben.
- Die Bedienungsvariante A3 (Beschleunigungsvariante) schafft bei gleichbleibender Bedienung der Siedlungsräume und mit geringen Fahrzeitgewinnen von rund 1-2 Minuten, Fahrplansicherheit. Der Fahrgastzuwachs ist allerdings gering. Das Gutachten geht von zusätzlich 80 Personen aus.
- Ein Schienenangebot zwischen AB-Hauptbahnhof und AB-Leider für den Schülerverkehr mit einzelnen Fahrten für den Berufsverkehr (Bedienungsvariante B1) hat den Vorteil einer schnellen betrieblich-stabilen Verbindung. Neue Fahrgastpotenziale sind aus dem Einzugsbereich der Haltepunkte AB-Hochschule und AB-Süd zu gewinnen. Nachteilig ist die Bedienung der Innenstadt, da nur die Haltepunkte am östlichen Rand der Innenstadt von Aschaffenburg angefahren werden können. Ein kombiniertes Bus- / Schienenangebot zu unterschiedlichen Zeiten führt zu einer schlechten Merkbarkeit für den Fahrgast.
- Das regelmäßige Schienenangebot (Bedienungsvariante B2) unterscheidet sich hinsichtlich der Bewertung nur wenig von der Bedienungsvariante B1.
- Voraussetzung dieses Betriebs wäre eine Anpassung des Busangebotes auf den Linien 3 und 6. Wegen der Feinerschließung kann auf eine Busbedienung in den Stadtteilen nicht verzichtet werden, was generell den Betriebsaufwand erhöht. Die umwegige Schienentrasse zwischen Aschaffenburg Hauptbahnhof und Leider führt auch zu keinen Fahrzeiteinsparungen gegenüber der direkten Busverbindung. Das gesamte Fahrgastaufkommen wird mit 1.650 Variante B1 und 2.200 Fahrgästen in Varianten B2 abgeschätzt.
6. Empfehlungen zum weiteren Vorgehen
Mit dem vorliegenden Gutachten wird deutlich, dass eine Schienenverbindung im Korridor Aschaffenburg – Großostheim sowie auf Teilstrecken mit Anbindung von Nilkheim und Leider (Bedienungsvarianten B1 und B2) aufgrund
- umwegiger Trassenführung,
- der Randlage der Siedlungsschwerpunkte,
- unvollständiger bzw. fehlender Infrastruktur sowie
- hoher Kosten für die Gleisinfrastruktur
zu keiner zusätzlichen Verkehrsnachfrage und nicht zur Verbesserung der ÖPNV-Struktur führt.
Die Einbindung der Ringstraße in das Busliniennetz mit direkt geführten Linien zu Hauptverkehrszeiten und der Beschleunigung des Busverkehrs wird dagegen als zielführender eingeschätzt. Es soll daher eine Vertiefung der Aufgabenstellung im aktuellen Nahverkehrsplan erfolgen. Die Verwaltung wird diesen Aspekt daher im Rahmen der laufenden Arbeiten zum neuen Nahverkehrsplan vertiefend prüfen und weiter ausarbeiten.