Die „Forschungsinitiative Ko-FAS Kooperative Fahrzeugsicherheit“ ist ein Ergebnis der aktiven und strukturierten Vorgehensweise der Region Bayerischer Untermain. Im folgenden Bericht wird dargelegt, wie die Ausgangslage vor Beginn der Arbeiten war, welche Ziele gesteckt und welche konkreten Schritte gegangen wurden, wie die „Forschungsinitiative Ko-FAS“ positioniert ist, welcher Nutzen durch sie entstanden ist und wie weitere Perspektiven aussehen können.
Ausgangslage
Die Region Bayerischer Untermain ist bekannt als Standort zahlreicher Automobilzulieferer, die ihren Schwerpunkt in der Fahrzeugsicherheit haben. Dies ist maßgeblich darin begründet, dass Aschaffenburg die Wiege der Lenkradindustrie ist und Betriebe aus Aschaffenburg stark bei der Entwicklung und in der Markteinführung des Airbags beteiligt waren. Mehrere große Automobilzulieferer produzieren am Standort Bayerischer Untermain, einige von ihnen betreiben hier sogar Forschung und Entwicklung.
Der klassische Schwerpunkt der Tätigkeiten lag vor allem bei Technologien der „Passiven Sicherheit“, womit die Phase nach einem Unfall bezeichnet wird. Ziel von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ist aber, Unfälle zu verhindern und hierfür geeignete Technologien zu entwickeln. Eine Frage aus regionaler Sicht war daher, wie der Strukturwandel aktiv begleitet werden und wie die Region am großen Trend zu Technologien und Systemen, die unfallkritische Situationen im Vornherein erkennen und durch entsprechende Maßnahmen abwenden („Aktive Fahrzeugsicherheit“ und „Präventive Fahrzeugsicherheit“) partizipieren kann.
Ziele
In der Region entstand der Wille, aktiv Strukturbildung zu betreiben, Firmen zusammenzubringen, Ansätze für innovative Themen zu finden und aufzugreifen und auch die Hochschule Aschaffenburg strategisch hochwertig zu positionieren. Über die regionsinterne Vernetzung hinaus sollten konkrete Projekte entstehen, die der Imagebildung dienen und die zu wissenschaftlich-technischem Nachwuchs in Zukunftsthemen führen.
Konkrete Schritte
Im Jahr 2005 wurde von ZENTEC, zunächst informell, ein „Strategiekreis Fahrzeugsicherheit“ eingerichtet. Die Firmen stammten aus der gesamten Region (Sailauf, Alzenau, Dorfprozelten, Aschaffenburg, Waldaschaff) sowie aus Frankfurt. Gründungsmitglied war die Stadt Aschaffenburg sowie die Industrie- und Handelskammer Aschaffenburg. Geplant war bereits in einer sehr frühen Phase, auch die Hochschule Aschaffenburg sowie die TU Darmstadt für die Mitarbeit zu gewinnen, um den Bereich Forschung und Entwicklung von Beginn an als ein mögliches Feld für die Zusammenarbeit der Firmen, die ansonsten im Tagesgeschäft Wettbewerber sind, zu fördern. Nach der informellen Phase folgte im Jahr 2005 die Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung, die Grundlage für die weitere Arbeit war. Es fanden in der Folge regelmäßige Treffen mit der Führungsebene der Firmen statt. Über eine Förderung der Regierung von Unterfranken konnten die ersten Demonstrationsprojekte in Zusammenarbeit mit den Firmen umgesetzt und ein Erprobungsfahrzeug aufgebaut werden. Dieses wurde mehrfach auf der „SafetyWeek“, die fünf Jahre von ZENTEC organisiert wurde, zur Vorführung innovativer technologischer Konzepte der regionalen Zulieferer verwendet. Unabhängig und parallel davon bemühte sich ZENTEC erfolgreich um eine Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie, die in das vom Freistaat geförderter Projekt AMULETT mündete. Dieses befasste sich bereits mit dem Einsatz von Transpondern für den Fußgängerschutz und bildete nachfolgend ein Kernelement der „Forschungsinitiative Ko-FAS“.
Forschungsinitiative Ko-FAS
Die aus der Region Bayerischer Untermain vorgeschlagenen Themen und Strukturen ließen sich mit denen von Automobilherstellern zusammenführen und mündeten in ein nationales Kooperationsprojekt mit dem Thema „Kooperative Sensorik und kooperative Perzeption für die Präventive Sicherheit im Straßenverkehr“, in das von der Wirtschaft ca. 10 Mio. € und vom Bund ca. 15 Mio. € investiert wurden.
Die Forschungsinitiative Ko-FAS hatte sich das Ziel gesetzt, technologische Konzepte zu erforschen, mit denen unfallkritische Situationen rechtzeitig erkannt werden können. Falls die bis zu einem drohenden Zusammenstoß verbleibende Zeit zu kurz ist, um als Autofahrer selbst noch reagieren zu können, soll das Fahrzeug zukünftig selber in der Lage sein, den Unfall durch Ausweichen oder durch Bremsen oder Beschleunigen zu verhindern oder zumindest die Unfallschwere entscheidend zu mildern.
Das Projekt dauert insgesamt vier Jahre und wird Ende November 2013 beendet. Koordiniert und organisiert wurde es von ZENTEC und dem Standort von Continental in Alzenau. Strukturiert waren die Arbeiten in drei Verbundprojekte (Ko-TAG, Ko-PER und Ko-KOMP), die über eine Schnittstellenmatrix miteinander verzahnt waren. Die wissenschaftlichen Arbeiten wurden von Automobilherstellern, Automobilzulieferern, Universitäten und Technischen Universitäten, Hochschulen und weiteren außeruniversitären Forschungseinrichtungen von Fraunhofer und Steinbeis durchgeführt.
Die „Forschungsinitiative Ko-FAS“ hat im September 2011 und im September 2013 in der Region ihre Zwischenergebnisse sowie ihre Abschlussergebnisse präsentiert. Höhepunkt der Abschlussveranstaltung war die Vorführung unfallvermeidender Technologien auf den Straßen rund um die Hochschule Aschaffenburg und insbesondere an der dort aufgebauten Versuchskreuzung. Die Stadt Aschaffenburg hatte durch eine zeitlich begrenzte Straßensperrung ermöglicht, die Kreuzung Würzburger Straße / Flachstraße / Spessartstraße für Fahrvorführungen zu nutzen. Ohne die Unterstützung der Stadt Aschaffenburg wäre diese stark beachtetet Technologievorführung nicht möglich gewesen.
An der Abschlusspräsentation nahmen 370 Experten und Entscheider aus Wirtschaft und Wissenschaft teil. Zwölf Automobilhersteller, acht der führenden Automobilzulieferer, 30 Forschungseinrichtungen sowie Verbände und Vereine aus dem Bereich der Automobilbranche entsandten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu den Fachvorträgen, den Fahrvorführungen und den Diskussionsplattformen und nutzen die Veranstaltung, um sich über die Konzepte und Technologien zu informieren und Kontakte zu knüpfen.
Ergebnisse und Nutzen
Die Forschungsinitiative Ko-FAS hat in über achtzig internationalen Publikationen seine Ergebnisse präsentiert, vier sog. „Best Paper Awards“ bei internationalen Top-Konferenzen gewonnen und sich international in der Fachszene einen sehr guten Ruf erworben.
Der ADAC Bayern hat am 2. Oktober den ADAC Mobilitätspreis für das Jahr 2013 an das Verbundprojekt Ko-TAG für ihre Technologien zum Fußgängerschutz übergeben und damit die Forschungsarbeiten besonders gewürdigt.
Ko-FAS führte zu zahlreichen Promotionen auch an der Hochschule Aschaffenburg, was die Attraktivität der Hochschule Aschaffenburg weiter stärkt.
An der Hochschule können Studentinnen und Studenten an hoch aktuellen Forschungsthemen ausgebildet werden mit dem großen Vorteil, ihr „Labor“ direkt vor der Tür an der Kreuzung Würzburger Straße / Flachstraße / Spessartstraße zu haben.
Aus den Reihen der Forschungspartner kam es zu zahlreichen Personalwechseln in die Wirtschaft, so dass die in dem Projekt entstandene wissenschaftliche Expertise in den Firmen nutzbringend eingesetzt wird.
Die Wirtschaftspartner arbeiten an der wirtschaftlichen Verwertung der Ergebnisse, die Wissenschaftspartner an der wissenschaftlichen Verwertung. Ein Teil der Wirtschaftspartner ist bereits jetzt in der Lage, die Projektergebnisse unmittelbar in Dienstleistungen und Produkte zu überführen, so dass im Anschluss an das Vorhaben industrielle Wertschöpfung entsteht.
Die Hochschule Aschaffenburg hat über ihre Arbeitsgruppe „Intelligente Fahrerassistenzsysteme“ erfolgreich an einer Ausschreibung des BMBF zur Förderung des Ingenieurnachwuchses teilgenommen und führt somit im Rahmen eines weiteren Projekts Teilaspekte von Ko-FAS weiter fort.
An der Hochschule Aschaffenburg wurde Europas intelligenteste Forschungskreuzung aufgebaut. Diese bietet europaweit, wenn nicht sogar weltweit, eine einmalige Testumgebung für die Erforschung der Kritikalität von Verkehrssituationen und zur Unfallvermeidungsforschung. Dies ist ein Aufsetzpunkt für weitere Projekte.
Die intensive Pressearbeit im Rahmen der Forschungsinitiative Ko-FAS hat dazu beigetragen, dass die Region als wirtschaftsfreundlich, zukunftsorientiert und pragmatisch wahrgenommen wird.
Die Region Bayerischer Untermain als „Mekka der Fahrzeugsicherheit“ hat sich erfolgreich in den neuen Zukunftsthemen der Fahrzeugsicherheit positioniert und erfolgreich Imagebildung betrieben.
Perspektiven
Die sich aus Ko-FAS ergebenden Perspektiven sind mannigfaltig und gehen über die o.g. genannten Chancen hinaus. Herauszuheben ist die Chance, als Region gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft von dem Zukunftstrend des „Hochautomatisierten Fahrens“, für den die Forschungsinitiative Ko-FAS wertvolle technologische Beiträge geleistet hat, zu profitieren. Hierzu wird derzeit ein industrielles Verbundprojekt entwickelt, aus dem zahlreiche Ko-FAS Partner mitwirken sollen. Ebenso wie bei der „Forschungsinitiative Ko-FAS“ ist ZENTEC auch bei diesem Projekt mit den der Aufgabe der Projektentwicklung und den Abstimmungen mit den beteiligten Bundesressorts und sonstigen Akteuren betraut.
Gerald Heimann, 7. Oktober 2013