A. Sachverhalt:
Am 18.10.2013 wurde bei der Stadt Aschaffenburg ein Antrag auf Durchführung eines Bürger-entscheids abgegeben, dem einschließlich einiger wenig später nachgereichter Unterstützungs-
listen 522 Unterschriftenlisten, die insgesamt 4.863 Unterschriften enthielten, mit folgendem Text beigefügt waren:
„ …
Deshalb beantragen wir einen Bürgerentscheid mit folgender Fragestellung:
„Sind Sie dafür, dass die Stadt Aschaffenburg ihren Beschluss vom 19.2.2013 zur Billigung des durchgehenden vier- bis sechsspurigen Ausbaus der B26 zwischen Waldfriedhof und Thyssenbrücke zurücknimmt und alle politischen und rechtlichen Maßnahmen ergreift, um einen vier- bis sechsspurigen Ausbau der B26 zu verhindern.“
…“
B. Zulässigkeit des Bürgerbegehrens
Ein Bürgerbegehren ist grundsätzlich für zulässig zu erklären, wenn es eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung und eine Begründung enthält sowie bis zu drei Personen benennt, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten (Art. 18a Abs. 4 Satz 1 der Gemeindeordnung (GO); formelle Rechtmäßigkeit). Darüber hinaus ist es erforderlich, dass Entscheidungsgegenstand eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises ist (Art. 18a Abs. 2 GO) und kein gesetzlicher Ausschlussgrund vorliegt (Art. 18a Abs. 3 GO); inhaltliche Rechtmäßigkeit). Schließlich müssen bei einer Stadt mit der Einwohnerzahl Aschaffenburgs mindestens 6 % der Gemeindebürger das Bürgerbegehren unterschrieben haben (Art. 18a Abs.6 GO).
I. Formelle Rechtmäßigkeit
Das Bürgerbegehren enthält eine zulässige Fragestellung. Unschädlich ist hierbei, dass die Fragestellung aus zwei Teilen besteht, da diese eindeutig in einem sachlichen Zusammenhang (Ausbau der B26) stehen.
Die gesetzlich vorgesehene Begründung ist vorhanden. Als Vertreter des Bürgerbegehrens werden auf den Unterschriftenlisten drei Vertreter benannt, so dass insgesamt die formelle Rechtmäßigkeit des Bürgerbegehrens gegeben ist.
II. Inhaltliche Rechtmäßigkeit
Die inhaltliche Rechtmäßigkeit hängt entscheidend davon ab, welchen Inhalt die durch den späteren Bürgerentscheid herbeizuführende Entscheidung haben wird. Dies ist notfalls durch Auslegung zu ermitteln. In ständiger Rechtsprechung geht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) davon aus, dass keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen, da bei den Bürgern keine besonderen verwaltungsrechtlichen Kenntnisse vorausgesetzt werden dürfen.
Der erste Teil des Bürgerbegehrens zielt darauf ab, den Beschluss des Stadtrates vom 19.2.2013 „zurückzunehmen“. Mit diesem Beschluss hatte der Stadtrat im Rahmen des Anhörungsverfahrens zum Planfeststellungsverfahren für die Bundesstraße B 26, Darmstädter Straße, Ausbau der Kontenpunkte „Hafen-West“ und „Hafen-Mitte“ folgende Positionen zur Kenntnis genommen und gebilligt:
Stellungnahme der Stadt Aschaffenburg im Rahmen ihrer Beteiligung als Trägerin öffentlicher Belange einerseits sowie die Einwendungen als betroffene Grundstückseigentümerin andererseits. Nach der einschlägigen Kommentierung können beide Teile dieses Beschlusses (Stellungnahme als Trägerin öffentlicher Belange und Einwendungen als betroffene Grundstückseigentümerin) grundsätzlich ein zulässiger Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein. Auch die Rücknahme einer solchen Stellungnahme im Rahmen eines Bürgerbegehrens ist grundsätzlich zulässig. Nach der Rechtsprechung ist die Rückname von Einwendungen im Planfeststellungsverfahren ebenfalls grundsätzlich möglich (vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 30.04.1997, Az.: 7 K 38887/96, welches die Rücknahme von Einwendungen vor endgültigem Abschluss des Anhörungsverfahrens so wertet, als wenn von Anfang an keine Einwendungen erhoben worden wären; oder Bundesgerichtshof, Urteil v. 31.01.1975, Az.: V ZR 74/73, das in Randziffer 16 die Rücknahme von Einwendungen als rechtlich zulässig einstuft).
Der zweite Teil der Fragestellung ist dahingehend zu interpretieren, dass alle zulässigen rechtlichen Maßnahmen gegen den Ausbau der B26 ausgeschöpft werden sollen und zulässige Klagen dagegen erhoben werden sollen (vgl. hierzu auch BayVGH, Urteil vom 16.3. 2001, 4 B 99.318). Durch die geforderte Rücknahme des Beschlusses vom 19.2.2013 ist die Stadt Aschaffenburg jedoch von der Möglichkeit der Abgabe weiterer Stellungnahmen oder von der Geltendmachung neuer Einwendun-gen aufgrund des Verfahrensstandes ausgeschlossen, denn der Erörterungstermin wurde bereits am 21.10.2013 durchgeführt. Auch im Rahmen etwaiger Klageverfahren wäre die Stadt Aschaffenburg hinsichtlich der Geltendmachung ihrer Rechte durch die vom Bürgerbegehren geforderte Rücknahme des Beschlusses vom 19.2.2013 rechtsverbindlich ausgeschlossen.
Bei einer großzügigen und wohlwollenden Auslegung der Fragestellung sind aber weiterhin formlose rechtliche Maßnahmen wie Petitionen und Beschwerden denkbar. Unter Zugrundelegung dieses äußerst großzügigen Auslegungsmaßstabes gelangt man zu dem Ergebnis, dass das vorliegende Bürgerbegehren inhaltlich zulässig ist.
III. Zahlen der Eintragungen auf den Unterstützungslisten des Bürgerbegehrens
Nach Art. 18a Abs.6 GO ist ein Bürgerbegehren in Aschaffenburg nur zulässig, wenn es von mindestens 6 % der Gemeindebürger unterschrieben ist. Entscheidend ist, wer zum Zeitpunkt der Einreichung (18.10.2013) Gemeindebürger ist (Art. 18a Abs. 5 GO). Gemeindebürger ist, wer gemeindewahlberechtigt ist. Am Stichtag 18.10.2013 waren dies nach Feststellung der Meldebehörde
52.280 Personen, womit das Quorum von 6 % bei 3.137 Personen liegt. Von den auf 522 Listen insgesamt eingereichten 4.863 Eintragungen konnten nach umfassender und akribischer Prüfung durch das Bürgerservicebüro 3.580 Eintragungen als gültig geleistet anerkannt werden, während
1.283 Eintragungen aus den verschiedensten Gründen (Unterschrift fehlt, Eintragung unlesbar oder
offensichtlich unzutreffend, Unterzeichner hat nicht das 18. Lebensjahr vollendet, keine deutsche oder
EU-Staatsangehörigkeit, wohnt nicht in Aschaffenburg etc.) ungültig sind. Hinsichtlich des Quorums erfüllt das Bürgerbegehren also die Zulässigkeitsvoraussetzung.
C. Entscheidungsnotwendigkeiten
Der Stadtrat muss im Zusammenhang mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden gemäß der
Bürgerentscheidssatzung der Stadt Aschaffenburg folgende Entscheidungen treffen:
§ 7 Abs. 1 der Satzung: Feststellung der gültigen und ungültigen Eintragungen
und Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens
§ 11 : Bestellung des stellvertretenden Abstimmungsleiters
§19 Abs.1: Festsetzung des Abstimmungstages
§ 25 Abs.3 : Darlegung der Auffassung des Stadtrates zum
Bürgerbegehren (Beschlussfassung erfolgt im
Zusammenhang mit dem Stadtratsbegehren)