Bei Regenereignissen reicht die hydraulische Leistungsfähigkeit eines Kanalnetzes und die Durchsatzleistung einer Kläranlage nicht aus, sämtliches Regen- und Schmutzwasser (zusammen = Mischwasser) über die Kläranlage und damit gereinigt einem Gewässer zuzuleiten.
Deshalb werden im Kanalnetz Zwischenspeichervolumina (Regenrückhaltebecken) oder kombinierte Speicher- / Entlastungsanlagen für vorbehandeltes Mischwasser (Regenüberlauf-becken, Regenüberläufe) installiert, um zum einen den erforderlichen Kanalquerschnitt wirtschaftlich zu halten und zum anderen den Austrag von Schmutzstoffen in die Gewässer zu begrenzen.
In einem so genannten „Mischwasserbehandlungskonzept“ werden auf Basis des Einzugsgebietes (Einwohner, abflusswirksame Flächen, gewerbliche & industrielle Nutzung, Kapazität Kläranlage) die erforderlichen Mischwasserbehandlungsanlagen dimensioniert und optimiert, so dass zulässige Grenzwerte im Entlastungsverhalten des Kanalnetzes eingehalten sind.
Bei größeren und komplexen Kanalnetzen wie hier in Aschaffenburg wird üblicherweise eine Schmutzfrachtberechnung durchgeführt. Hier wird das Entlastungsverhalten verschiedener Schmutzstoffe für einen Regenzeitraum von einem Jahr modelliert und bilanziert. Untersucht werden der Ist-Zustand und ein Prognose-Zustand mit Erweiterungsgebieten.
Historie
Das bestehende Mischwasserbehandlungskonzept der Stadt Aschaffenburg (2002) ist mit dem sogenannten „vereinfachten Aufteilungsverfahren“ durchgeführt worden (keine detaillierte Modellierung) und beruht maßgeblich auf dem Generellen Entwässerungsplan 1981 (GEP). Es wurde nur der damalige Prognose-Zustand betrachtet (kein Ist-Zustand 2002).
Die Grunddaten des bestehenden Mischwasserbehandlungskonzeptes waren in Vergleich zum aktuellen Bestand (abflusswirksame Flächen) und realistischen Prognosen (Erweiterungs-gebiete) „sehr auf der sicheren Seite“ gewählt. Aktuelle städtebauliche Planungen gehen von deutlich geringerem Umfang an realistischen Erweiterungsflächen aus (vgl. Entwurf zum Flächennutzungsplan, 2012).
Das ursprüngliche Mischwasserbehandlungskonzept mündete in das so genannte „Beckenbau-programm 2002“. Dieses sieht neben dem Rückbau nahezu sämtlicher Regenüberläufe den Neubau von 13 Regenüberlaufbecken vor – Stauraumkanäle waren nicht vorgesehen.
Bislang wurden von diesem Konzept nur zwei Maßnahmen umgesetzt – das Wasserwirtschaftsamt sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf. Zur Legitimation der bestehenden unzureichenden Situation erteilte die Aufsichtsbehörde eine befristete Genehmigung der bestehenden Regenüberläufe bis Ende 2013 (die Aufhebung erfolgt nach Aktualisierung des Beckenbauprogramms).
Schmutzfrachtberechnung
? Entwicklung eines zeitgemäßen Mischwasserbehandlungskonzeptes über UNGER ingenieure (ab 9/2011): Modellierung von Mischwasserentlastungen (Schmutzfrachtberechnung), enge Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt
? Detaillierte Erhebung der Grunddaten
- Abflusswirksame Flächen: GIS-basierte Bestimmung von Haupt- und Nebengebäuden, Straßen, Grünflächen, abflusswirksamen Nebenflächen (Wege, Hof) über Bebauungskategorien und Vor-Ort-Erhebungen (nahezu sämtliche Gewerbe- und Sonderflächen)
- neue einheitliche computergestützte Laser-Vermessung der Entlastungsbauwerke
- Berücksichtigung aller Regenüberläufe – Ziel: Erhaltung / Sanierung der Anlagen für ordnungsgemäßen Betrieb
- Berücksichtigung vorhandener Stauraumkanäle
- Aktuelle Einwohnerdaten, realitätsnaher Einwohnerzuwachs
- Berücksichtigung des realistischen Fremdwasseranfalls
- Regelkonforme Ermittlung zulässiger Grenzwerte für Gesamteinzugsgebiet der Kläranlage (einschließlich Anschlussgemeinden und Hafen)
? Prognosezustand (Zeithorizont ca. 20-25 Jahre):
- Schließen von Baulücken (Baulückenkataster)
- Berücksichtigung bestehender Bebauungspläne (auch Entwürfe)
- Realistische Erweiterungsgebiete (auf Basis Entwurf Flächennutzungsplan, 8/2012)
? Ergebnisse
- Neubau von 3 Regenüberlaufbecken:
1. RÜB Willigisbrücke (mit Sanierung Zuflusssituation, Integration Pumpwerk „Willigisbrücke“)
2. RÜB Wörnerstrasse (mit Integration Pumpwerk „Abwasserschiene Damm“)
3. RÜB Kläranlage (Kanalsanierungsmaßnahmen bewirken eine Fremdwasserreduktion und können sich vor allem am zentralen Beckenstandort volumenreduzierend auswirken)
- Aktivierung von Kanalstauvolumen (Schillerstraße) und Querschnittsvergrößerung am RÜ Brunnengasse
- Umbau / Sanierung von Regenüberläufen (Aufdimensionierung Drossel, Einbau Drosselorgane)
- Aufdimensionierung Abwasserschiene Schweinheim (unterhalb RÜ Weinbergstraße, L=510m)
- Rückbau Notentlastungen
- Pumpwerk „Tränkgasse“: Anhebung & Neu-Zuordnung Pumpenleistung / Steuerung