Fahrgastzählsystem im Verkehrsbetrieb der Stadtwerke Aschaffenburg
Fahrgastzahlen bilden eine wichtige Kennzahl in einem Verkehrsunternehmen. Sie dienen als interne Planungsgrundlage für die Bereitstellung von Ressourcen und als externe Darstellung für den unternehmerischen Einsatz der Kapazitäten.
Die jahrzehntelang übliche manuelle Datenerhebung wird mit fortschreitender technologischer Entwicklung und bedingt durch die steigenden Personalkosten vielerorts auf automatische Zählverfahren umgestellt.
Fahrgastzählsystem
Bereits seit 2006 werden die Busse im Rahmen der Busersatzbeschaffungen mit der Hardware für Fahrgastzählsysteme ausgestattet. Diese in den Fahrzeugen, für die Ermittlung der Ein- und Aussteiger mittels Türsensoren eingesetzte Technik, bildet weiterhin die Grundlage für die Zählungen. Diese Zähldaten werden zusammen mit den Verkaufsdaten im Bordrechner abgelegt. Das eingesetzte Fahrpersonal muss für die Aufzeichnung der Zähldaten keinen Prozess aktiv anstoßen, da diese automatisch gestartet werden. Um die Qualität der Auswertung und Ausgabe der Zähldaten zu verbessern, wurde 2010 eine Standardsoftware zur Fahrgastzählung und Auswertung beschafft. Diese bietet gegenüber der bis dahin eingesetzten Software deutlich mehr Leistungsmerkmale. Neben der reinen Aufbereitung und Ausgabe der Zählwerte (Modul Fahrgastzählung) können die Messwerte nun für einen definierten Zeitbereich auch hochgerechnet werden (Modul Hochrechnung). Zur Hochrechnung notwendig ist eine statistisch abgesicherte Zahl von gezählten Linienfahrten über einen Zeitraum notwendig. Das Modul Messfahrtenplanung übernimmt dabei die Kontrolle der bereits erhobenen Fahrten und gibt eine Auswahl der noch zu zählenden Fahrten, um die statistisch abgesicherten Zählwerte zu erhalten. Dieses Modul ist notwendig, da der Ausrüstungsgrad unserer Busse mit Zähleinrichtungen aktuell 42 % beträgt (= 21 Busse) und demnach nicht alle Fahrten gleichzeitig erhoben werden können. Je mehr Fahrzeuge mit einer Zähleinrichtung ausgestattet sind, desto schnellerer können statistisch plausible und abgesicherte Hochrechnungswerte erzeugt werden, weil die notwendige Mindeststichprobe schneller erfüllt werden kann.
Welchen Nutzen hat die Fahrgastzählung?
Die Fahrgastzählung dient als betrieblicher Leistungsnachweis gegenüber Auftraggebern und Aufgabenträgern und sie unterstützt die operative Kapazitätsplanung. Anhand der Zähldaten wird die Entscheidung getroffen, ob für eine Fahrt z.B. ein normaler Bus ausreicht oder ob ein Gelenkbus notwendig ist. Außerdem erfolgt damit auch eine kundenorientierte Angebotsplanung, d.h. auf welchen Linien könnte eine Taktverdichtung sinnvoll sein oder welche Fahrten können aufgrund schwacher Nachfrage sogar aus dem Angebot genommen werden. Daneben unterstützt die Fahrgastzählung auch eine objektive Beweisführung zum Beispiel bei Reklamationen (zu volle Schulbusse). Die Fahrgastzähldaten dienen als Grundlage für die Linienerfolgsrechnung und können auch als Grundlage für eine nachfrageorientierten Einnahmeaufteilung herangezogen werden.
? Betrieblicher Leistungsnachweis
? Operative Kapazitätsplanung
? Kundenorientierte Angebotsplanung
? Nachfragegerechte Einnahmeaufteilung
? Objektive Beweisführung
? Basis der Linienerfolgsrechnung
Wie funktioniert die automatische Fahrgastzählung?
Prinzipiell basiert die automatische Fahrgastzählung aus 4 Schritten: Im ersten Schritt erfolgt die Erfassung der Ein- und Aussteiger mittels Sensoren im Türbereich des Fahrzeuges. Im zweiten Schritt werden diese und weitere fahrtspezifischer Daten im Bordrechner aufgezeichnet, bevor die Datensätze im dritten Schritt regelmäßig per W-LAN an eine zentrale Stelle übertragen werden. Erst im vierten Schritt erfolgt die Aufbereitung der Rohdaten zur weiteren Auswertung.
Das Modul Fahrgastzählung beinhaltet:
? Darstellung von Einsteigern, Aussteigern und Fahrzeugbelegung in zeitlicher und örtlicher Auflösung
? Haltestellen-, Strecken-, Linien- und linienübergreifende Belastungen
? Ausgabe von Mittelwerten und Verteilungen
? Erzeugung von Ganglinien
? Datenexport zur weiteren Verarbeitung in Office-Anwendungen oder zur Archivierung
? Prüfung der Datengüte auf Plausibilität oder Vollständigkeit
Die folgende Darstellung zeigt eine Auswertung der Ein- und Aussteiger auf der Linie 12, bezogen auf jede einzelne Haltestelle in Richtung Klinikum. Diese ortsbezogene Auswertung umfasst 206 Fahrten, die im Zeitraum vom 02.07. mit 10.08.2014 erfasst wurden.
Die folgende Auswertung bezieht sich ebenfalls auf die Linie 12, stellt aber eine Auslastung der Busse im Zeitfenster von 05:15 Uhr bis 18:40 Uhr (Betriebszeiten der Linie 12) dar.
Wie funktioniert die Messfahrtenplanung?
Für eine gute und sichere Hochrechnung ist eine repräsentative Stichprobe notwendig. Die Messfahrtenplanung unterstützt uns hierbei bei der Auswahl des erforderlichen Stichprobenumfangs. In Abhängigkeit der schon erhobenen Fahrten und gütetechnisch für verwertbar gekennzeichneten Datensätze ermittelt das Messfahrtenmodul selbständig den erforderlichen Stichprobenumfang und erstellt eine Messfahrtenliste. Die zu messenden Fahrten werden dabei auch auf die einzelnen Betriebstage gleichmäßig verteilt. Der Stichprobenumfang wird somit immer aktuell mit den Vorgaben verglichen und die verbleibende Messzeit zur Erfüllung der Stichprobe geschätzt.
Das Modul Messfahrtenplanung beinhaltet:
? Automatische Berechnung der Stichprobengröße
? Zufallsauswahl der Messumläufe
? Echtzeit-Überwachung der Stichprobenerfüllung (Zähldatenkontrolle, Restzeitprognose, Gesamtzeitwarnung).
Wie funktioniert die Hochrechnung?
Während die einzelne Fahrgastzählung nur eine Momentaufnahme der aktuellen Nachfragesituation darstellt, ist eine permanente Vollerhebung aller Fahrten auf allen Linien aus technischen oder finanziellen Gründen nicht immer möglich. Die Lösung liegt in einer intelligenten Hochrechnung der Ergebnisse für größere Zeiträume auf Basis einer repräsentativen Stichprobe.
Bei einer Ausrüstung von rund 10 % der Fahrzeuge mit Zähleinrichtungen lassen sich erfahrungsgemäß alle Fahrten einmal im Quartal zählen. Aus einer solchen Stichprobe lassen sich dann die benötigten Jahreskennzahlen wie Beförderte Personen oder Personenkilometer ermitteln. Bei einem größeren Ausrüstungsgrad ist eine gesicherte Hochrechnung noch besser möglich und zum Teil in kürzerer Zeit, da eine Fahrt in kürzeren Abständen wiederholt gezählt werden kann.
Die eigentliche Hochrechnung ist ein iterativer Prozess mit vorgegebenen Gütekriterien. Dabei werden alle innerhalb der Stichprobe erhobenen Fahrten gesichtet und nach den Kriterien Linie, Richtung, Tagesart, Tageszeit sortiert. Dann erfolgt eine Schätzung der betreffenden Kennzahlen je Schicht für den gegebenen Hochrechnungszeitraum. Anschließend werden die summierten Schätzergebnisse aller Schichten auf ihre statistische Sicherheit überprüft.
Das Modul Hochrechnung beinhaltet:
? Berechnung der Kennzahlen Beförderte Personen, Personenkilometer und Haltestellenbelastung
? Ausgabe der Kennzahlen wahlweise linienübergreifend, linienscharf oder linienabschnittsweise
? Vorgabe beliebiger Hochrechnungszeiträume
? Vollautomatische Übernahme der validierten Zähldaten aus dem Modul Fahrgastzählung
? Bewertung der Datengüte (statistische Sicherheit, statistischer Zufallsfehler)
Schwerbehindertenzählung als Teil der Fahrgastzählung
Zur Ermittlung der Fahrgeldausfälle im Nahverkehr nach § 61 SGB, aufgrund der kostenlosen Beförderung Schwerbehinderter mit Freifahrtberechtigung, müssen alle zwei Jahre auch manuelle Zählungen durchgeführt werden. Diese im Rahmen der Schwerbehindertenzählung durchgeführten sog. Handzählungen, sowie jede andere Handzählung, kann in die Fahrgastzählsoftware manuell eingepflegt werden und erhöht somit die Zahl der in dem betreffenden Erhebungsjahr gezählten Fahrten.
Fazit:
Das Fahrgastzählsystem bietet umfassende Auswertemöglichkeiten zur Ermittlung von Kennzahlen im Liniennetz der Stadtwerke Aschaffenburg. Hinsichtlich Inhalt und Darstellung kann die Auswertung umfangreich definiert werden. Allerdings sollte die Auswertung standardisiert und regelmäßig fortgeschrieben werden. Nur so erhalten wir eine belastbare Grundlage für ein effektives Zählcontrolling.
Aktuell bereiten wir die Zähldaten aus den Nachtverkehren auf und werden diese noch im Herbst 2014 präsentieren. Gleichzeitig werden wir Vorschläge, die auf Grundlage der Zählergebnisse erarbeitet wurden, vorstellen.
Ob sich ein Verkehrsangebot rechnet, hängt aber nicht nur von den Fahrgastzahlen allein ab. Hierzu bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung aller betrieblichen Kosten und Erlöse und ihrer korrekten Zuordnung zu einzelnen Linien. Das komplexe Instrumentarium dafür heißt Linienleistungs- und Linienerfolgsrechnung (LLE). Die aus dem Fahrgastzählsystem gewonnenen Daten dienen künftig als wesentlicher Baustein für eine LLE.