Gewährung eines Ehrengrabes (Vollzug des § 22 Abs. 3 der Friedhofs- und Bestattungssatzung) für Peter Pfarrer


Daten angezeigt aus Sitzung:  3. Sitzung des Stadtrates (Plenum), 29.02.2016

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Stadtrat (Plenum) 3. Sitzung des Stadtrates (Plenum) 29.02.2016 ö Beschließend 1pl/3/1/16

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

Der Verwaltung liegt ein Antrag auf Gewährung eines Ehrengrabes für Herrn Peter Pfarrer, geb. am 13. April 1873, verstorben am 26. Juli 1926, bestattet im Altstadtfriedhof, Grab Nr. I 0096 A, vor.

Seitens der Angehörigen von Herrn Peter Pfarrer wurde die Anfrage gestellt, die Grabstätte künftig als Ehrengrabstätte der Stadt Aschaffenburg weiterzuführen.

Die Nutzungsberechtigte möchte das Nutzungsrecht zurückgeben, die Grabstätte würde in diesem Fall abgeräumt.

In dem Antrag wird auf das Wirken Herrn Peter Pfarrers und auf seine Bedeutung für die Einführung der demokratischen Republik verwiesen:

Herr Peter Pfarrer, seit Mitte der 1890er Jahre Mitglied der Sozialdemokratie, im Jahre 1917 als aktiver Kriegsgegner Mitbegründer der Aschaffenburger Sektion der Unabhängigen Sozialdemokratie, die sich wegen der Bewilligung von Krediten für die weitere Kriegsführung durch die sozialdemokratische Reichstagsfraktion von den Mehrheitssozialdemokraten abgespalten hatte, war maßgeblich beteiligt an der November-Revolution in Aschaffenburg.

Auf einer großen Volksversammlung am 8. November 1918 am „Scharfeck“, dem damaligen Verkehrsmittelpunkt der Stadt,

forderte er als Erster die Absetzung des Kaisers und die Einführung der demokratischen Republik.

Als Sprecher einer Delegation dieser Volksversammlung erneuerte er im Sitzungssaal des Rathauses vor dem auf Anregung von Bürgermeister Dr. Matt aus Vertretern von Zentrumspartei, Nationalliberalen, Deutscher Fortschrittspartei, Sozialdemokraten, Unabhängigen Sozialdemokraten, Vertretern der Presse und des Magistrats gebildeten Wohlfahrtsausschusses, diese urdemokratischen Forderungen.

Gemeinsam mit Bürgermeister Dr. Matt, dem Vertreter der Mehrheitssozialdemokratischen Lauer und dem Vertreter der Unabhängigen Sozialdemokraten Eisenhauer sprach er anschließend vom Balkon des Sitzungssaales nochmals zur Volksversammlung auf dem Rathausplatz und führte abschließend den großen Demonstrationszug durch die Stadt an.

Peter Pfarrer war beteiligt an der Bildung des ersten Arbeiter- und Soldatenrates in Aschaffenburg noch am Abend des 8. und 9. November 1918 und an dessen Arbeit bis zum Mai 1919.

Am 7. April 1919 wurde er zum Mitglied des Aktionsausschusses des Aschaffenburger Arbeiter- und Soldatenrates gewählt, der die Unterstützung der in München ausgerufenen Räterepublik zum Ziel hatte. Der Aktionsausschuss löste sich bereits am 10. April 1919, nachdem er nennenswerte, insbesondere aber auch keinerlei gewalttätigen Aktivitäten entfaltet hatte, wieder auf, da er keine Unterstützung vor allem bei den Soldaten des Aschaffenburger Jägerbataillons gefunden hatte.

Wegen der Beteiligung an diesem Aktionsausschuss wurde Peter Pfarrer am 13. Mai 1919 zusammen mit Rudolf Hartig, dem Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates Aschaffenburg und Mitglied des Aktionsausschusses, sowie dessen weiteren Mitgliedern Jean Stock und Stephan Eser wegen des dringenden Verdachtes eines Verbrechens des Hochverrats in Haft genommen.

Bereits am 27. Mai 1919 wurden die Angeklagten von dem nach zwischenzeitlich verhängtem Kriegsrecht gebildeten Standgericht am Landgericht Aschaffenburg wegen des Verbrechens der Beihilfe zum gewaltsamen Versuch der Änderung der Verfassung des Bundesstaates Bayern verurteilt. Peter Pfarrer erhielt ein Jahr und 3 Monate Festungshaft.

Am 15. Juni 1919 wurde er als dritter von vier gewählten Vertretern der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Mitglied des ersten nach allgemeinem demokratischem Wahlrecht gewählten Stadtrats. (Reihenfolge der Gewählten: 1. Stefan Eser, 2. Rudolf Hartig, 4. Jean Stock).

Bei der zweiten Kommunalwahl am 7. Dezember 1924 kandidierte er nicht mehr.

Am 26. Juli 1926 verstarb Herr Peter Pfarrer.

Der Antrag auf Gewährung eines Ehrengrabes wurde dem Stadt- und Stiftsarchiv, Herrn xxx , vorgelegt. Seitens des Stadt- und Stiftsarchives wird er uneingeschränkt befürwortet.

Die Denkmalschutzbehörde, Frau xxx, teilte in ihrer Stellungnahme mit, dass die beiden mittleren Blöcke des Grabmales gestalterisch bemerkenswert seien. Da aber sowohl der Sockelblock, als auch der Giebelblock bereits erneuert oder verändert sind, ist die Einstufung als „kunstgeschichtlich erhaltenswert“ aus der Sicht der Denkmalschutzbehörde nicht gerechtfertigt.

Der Friedhofsbeirat empfiehlt das Grab von Herrn Peter Pfarrer wegen seiner persönlichen Verdienste als Ehrengrab der Stadt Aschaffenburg zu übernehmen.

.Beschluss:

I. Dem Antrag auf Gewährung eines Ehrengrabes für Herrn Peter Pfarrer, Sozialdemokrat und Mitglied des ersten gewählten Stadtrates 1919, wird zugestimmt.

II. Angaben zu den Kosten:

Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [ x ]
nein [   ]

Sofern Kosten entstehen:


Die Kosten sind im laufenden Haushaltsplan veranschlagt
ja [ x ]
nein [   ]
Es entstehen Folgekosten
ja [ x ]
nein [   ]
Häufigkeit der Folgekosten
einmalig
[  ]
wiederkehrend
[ x ]

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 37, Dagegen: 0

Datenstand vom 29.09.2016 14:19 Uhr