Streuobstwiesen mit alten höhlenreichen Bäumen sind charakteristische Landschaftselemente am Untermain und haben eine hohe Bedeutung für Rote-Liste-Arten wie Steinkauz, Wendehals und Gartenrotschwanz sowie für Reptilien und zahlreiche Insekten. Sie haben in der Region ein Schwerpunktvorkommen in Bayern.
Die Gebiete am Untermain beherbergen mit knapp 200 Brutpaaren die größte Steinkauz-Population in Bayern, die auf Bruthöhlen in alten (Obst-)Bäumen angewiesen ist. In der Stadt Aschaffenburg sind ca. 15 Reviere in den Gemarkungen Schweinheim und Obernau bekannt. Für den Schutz dieser in Bayern vom Aussterben bedrohten Vogelart ist die Stadt Aschaffenburg als untere Naturschutzbehörde gesetzlich verpflichtet.
Trotz großer Anstrengungen ist in den letzten Jahrzehnten ein beständiger Rückgang der naturschutzfachlich wertvollen Streuobstwiesen und ihrer Lebensgemeinschaften zu verzeichnen. Eine wesentliche Ursache dieser Entwicklung ist die Aufgabe der Nutzung der Streuobstbestände: Viele Bestände sind mangels Nachpflanzungen und Pflege stark überaltert und drohen zusammenzubrechen.
Darüber hinaus wird der Unterwuchs vielfach nicht mehr naturschutzfachlich adäquat gemäht oder beweidet und die Bestände verbuschen zusehends. Damit droht in absehbarer Zeit nicht nur das Höhlenangebot für den Steinkauz drastisch zu schwinden, sondern auch wesentliche Jagdhabitate verloren zu gehen, da der Steinkauz auf kurzrasige Vegetation angewiesen ist.
Aufgrund von Nutzungsauflassung und/oder mangelnder Nutzung sind Pflegemaßnahmen wie Freistellungen, Entlastungsschnitte und Nachpflanzungen erforderlich.
Es fehlt bisher jedoch ein Überblick über Struktur und Pflegezustand der einzelnen Bestände. Unklar ist der konkrete Pflegebedarf, da der Umfang der vorhandenen Streuobstbestände und wichtige Parameter für die Planung der Pflegemaßnahmen wie Altersstruktur oder Pflegezustand nicht bekannt sind.
Viele Streuobstbestände erreichen in absehbarer Zeit ihre Altersgrenze. Ohne eine Erfassung der Bestände können notwendige Maßnahmen nicht rechtzeitig erkannt werden. An einer gezielten Erfassung der Bestände und ihrer Struktur führt daher kein Weg vorbei.
Aus diesem Grund wurde für einzelne Teilbereiche des Aschaffenburger Stadtgebietes, die einen Schwerpunkt der Steinkauzvorkommen darstellen, ein Streuobstaktionsplan entwickelt. Als Grundlage für die Auswahl wurden das Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) und die Artenschutzkartierung (ASK) herangezogen.
Die beiden Hauptziele des Streuobstaktionsplanes sind:
? die vorhandenen Bestände mit ihrem Pflegezustand und der Altersstruktur zu erfassen, um eine belastbare Datengrundlage für weitere Maßnahmen zu haben
? aufgrund der erhobenen Daten sollen brachfallende Flächen ausgewählt, saniert und wieder in eine langfristige Pflege gebracht werden.
Der Plan besteht aus den Abschnitten
- Erfassung (Teil 1)
- Datenaufbereitung und Entwicklung eines Pflegekonzeptes (Teil 2) und
- Umsetzung der Maßnahmen (Teil 3)
Teil 1: Die Auftragserteilung an das Büro Fraxinus in Mömbris erfolgte am 11.8.2015. Die Arbeit wurde am 30.10.15 abgeschlossen.
Die Gesamtkosten in Höhe von 9.727,06 € hat zu 100 % die Regierung von Unterfranken bezuschusst.
Teil 2: Auch diese Arbeit mit Gesamtkosten in Höhe von 3.748,50 € (brutto) wird zu 100 % die Regierung von Unterfranken bezuschusst.
Teil 1: 2015
Erfassung des Streuobstbestandes in 5 Teilgebieten inkl. Grundlagenermittlung und Erarbeitung der Erfassungsmethodik:
? Erbig/ Bischberg
? Ebersbacher Straße
? Fußberg
? Obernauer Mainbogen
? Obernau Süd
Die Flächengröße des Kartierungsgebietes beträgt ca. 600 ha, davon ca. 125 ha Streuobstflächen.
Diese Flächen befinden sich zum Teil innerhalb der Fauna-Flora- Habitat-Gebiete 6020-301 „Streuobstwiesen zwischen Erbig und Bischberg“ und FFH-Gebiet 6021-371 „Extensivwiesen und Ameisenbläulinge in und um Aschaffenburg“ sowie innerhalb kartierter Biotope, die im Rahmen der Stadt-Biotopkartierung (2012) und Artenschutzkartierung (2012) erfasst wurden.
Die Kartierung entspricht den Zielen folgender Unterlagen:
Europäische FFH-Richtlinie (1992), Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) der Stadt Aschaffenburg (1999), BayernNetz (BNN)-Projekt Nr. 649 „Schlaraffenburger Streuobstwiesenprojekt“ (Landesbund für Vogelschutz und Stadt Aschaffenburg (und weitere Projektteilnehmer) (2002), BNN-Projekt Nr. 651 „Artenhilfsprogramm Steinkauz“ (Landschaftspflegeverband Miltenberg) (2004), Landschaftsplan der Stadt Aschaffenburg (2008) und Bayerische Biodiversitätsstrategie (2008)
Erfassungsmethode:
? Bewertung des Unterwuchses je nach Nutzung: Wiese/ Weide/Acker/Gehölze, Verbrachungs- bzw. Verbuschungszustand
? Art der Bäume (Halbstamm/ Hochstamm)
? Gelände: eben steil, Zugänglichkeit
? Handlungsbedarf an Obstbäumen/ Baumpflege wie Stabilisierungsschnitt, Pflegeaufwand je nach Alter und Dringlichkeit
Ergebnisse:
? Anzahl erfasste Streuobstbestände: 1.028
? Fläche der erfassten Streuobstbestände: ca. 68 ha
? Anzahl erfasste Obstbäume: 2.719
? Anzahl Obstbäume im Untersuchungsgebiet (Hochrechnung bei 90 Bäumen/ ha): ca. 6.151
? Anzahl Fotos von Flächen mit hohem und sehr hohem Handlungsbedarf: 227
Teil 2: 2016
Datenaufbereitung und Erarbeitung eines Pflegekonzeptes in den 2015 kartierten Gebieten mit folgenden Leistungen:
? Festlegung von Pflegezielen
? Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs mit Pflegeprioritäten
? Erstellen eines Pflegekonzeptes zur Erstpflege und dauerhaften Pflege der Flächen unter Einbeziehung lokaler Akteure (Landwirte, Schlaraffenburger Streuobstprojekt, Stadt Aschaffenburg etc.) und unter Berücksichtigung der ökologischen Zielsetzung (FFH-Gebiet)
? Kalkulation der Pflegemaßnahmen
Dieser Teil wurde ebenfalls durch das Büro Fraxinus bearbeitet (Auftragserteilung 13.06.2016, Abschluss am 12.09.2016).
Ergebnisse:
? Pflegezustand Unterwuchs: Die meisten Flächen werden beweidet oder gemäht (ca. 53,13 ha = 78 %). Die restlichen Flächen wie Acker, leicht verbracht, stark verbracht, Wiese/ Weide ohne Mahd umfassen 15,22 ha (=22 %)
? Obstbäume: 6.151 Bäume gesamt: Jugendphase 976
Ertragsphase 1.131
Altersphase 3.207
Abgangsphase 647
Ruine 190
Hinzu kommen 976 Jungbäume aus Nachpflanzungen (Schlaraffenburger Flächen, Ausgleichsmaßnahmen, LP-Umsetzungsmaßnahmen etc.), die ebenfalls gepflegt werden müssen.
Zeitplan und Kosten:
Das Büro Fraxinus schlägt vor die Gebiete nacheinander je nach Priorität zu bearbeiten. Dabei werden die Ergebnisse der Flächennutzungsplanung berücksichtigt.
In den nächsten 5 Jahren sollen mit Priorität 1 und 2 die erforderlichen Maßnahmen wie Freistellen verbuschter Streuobstbestände und Baumschnitt zusammengefasst in 3 Gebieten erfolgen:
I. Gebiete 2 + 3: Fußberg und Ebersbacher Straße 307 Bäume auf ca. 2,21 ha
II. Gebiet 1: Erbig/ Bischberg 272 Bäume auf ca. 3,21 ha
II. Gebiete 4 + 5: Obernauer Mainbogen/ Obernau Süd 188 Bäume auf ca. 1,87 ha
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767 Bäume ca. 7,29 ha
Baumanzahl und Flächengröße wurden im Gelände erfasst und in eine Karte übertragen. Besonderes Augenmerk wird hier auf größere zusammenhängende Flächen gelegt, da diese im kleinstrukturieren Gebiet auf Dauer einfacher zu pflegen sind. Die Bäume, die noch im Ertragsalter stehen, haben Vorrang, da diese noch eine lange Lebenserwartung haben.
Für das Freistellen der Obstbäume werden Kosten in Höhe von ca. 200 €/ ha kalkuliert. Für die Obstbaumschnitt je Baum zwischen 40 bis 70 € - je nachdem, ob es sich um einen Stabilisierungs- oder um einen Sanierungsschnitt handelt.
Für die Nachpflanzung entstehen je Baum Kosten in Höhe von 100 € zzgl. 50 € / Jahr in den ersten 5 Jahren (Erziehungsschnitt).
? Bei 7,29 ha x 200 € ergeben sich Kosten von 1.458,00 € für das Freistellen der Obstbäume.
? Für die Pflege von ca. 767 Bäumen x 60 € ergeben sich Kosten in Höhe von 46.020,00 €.
? Hinzu kommen Kosten für die Nachpflanzung von geschätzten 200 Bäumen (in 5 Jahren) x 150,00 € = 30.000,00 €.
(Um 80 % des Bestandes bis 2035 zu erhalten, schlägt der Streuobstaktionsplan eine Verdoppelung der Nachpflanzungen vor (ca. 100 Bäume/ Jahr). Diese Anzahl wird jedoch als unrealistisch angesehen, da der Stadt geeignete Flächen in Schweinheim und Obernau derzeit nur unzureichend zur Verfügung stehen.)
? Gesamt: ca. 77.500,00 € (in 5 Jahren) -> pro Jahr ca. 15.500,00 €
Umsetzung der Maßnahmen
Aufgaben des Büros
? Eruieren und Kontaktieren der Eigentümer von Flächen mit Pflegebedarf
? Einholung der Einverständniserklärung für die Pflegemaßnahmen oder Vermittlung von Pachtverträgen mit Schlaraffenburger Projekt oder Vermittlung des Flächenkaufs durch die Stadt Aschaffenburg oder Vermittlung der Pflegeflächen an Dritte
? Einrichten einer Streuobstbörse zur Vermittlung von Streuobstflächen
? Organisation der Erstpflege über LNPR-Landschaftspflegeprogramm (Antragstellung über UNB)
? Organisation und Umsetzung der Folgepflege unter Berücksichtigung lokaler Akteure
Aufgaben der Stadt / Naturschutzbehörde:
? Evtl. Vergabe eines Werkvertrages für die Ermittlung der Eigentümer oder Ermittlung durch Mitarbeiter der Naturschutzbehörde
? Angebotseinholung für Baumschnittmaßnahmen inkl. Entsorgung des Schnittgutes, ggfs. Nachpflanzungen sowie Mähen/ Mulchen der Flächen
? Antragstellung bei der Regierung
? Auftragsvergabe
? Kontrolle der Maßnahmen
Da die verwaltungsmäßige Bearbeitung dieser Maßnahmen (Eigentümerkontakte, Angebote einholen, Zuschussanträge stellen) viel Zeit in Anspruch nimmt, sollen diese Kosten auf ca. 5 Jahre verteilt werden.
Finanzierung:
Die Kosten von jährlich ca. 15.500,00 € sollen in den nächsten 5 Jahren in den städtischen Haushalt eingestellt werden. Die Naturschutzbehörde rechnet mit einem 70 % igen Zuschuss seitens der Regierung. Somit entstehen der Stadt netto Kosten in Höhe von ca. 4.650,00 € pro Jahr (= 30 % Eigenmittel).
Haushaltsstelle: 0.3600.5165 Unterhaltungsmaßnahmen /Landschaftspflegemaßnahmen