Mit Antrag, eingegangen bei der Stadt Aschaffenburg am 14.11.2017 reichte die Bauherrin Kalkan Immobilien GmbH eine Bauvoranfrage für die Errichtung eines Verbrauchermarktes mit PKW-Stellplätzen auf dem Baugrundstück Fl.Nr. xxx, Gemarkung Aschaffenburg, Schweinheimer Str. xxx in 63739 Aschaffenburg mit den im Beschlusstext genannten Fragestellungen ein.
Die Bauvoranfrage bezieht sich auf ein Gebäude für einen Verbrauchermarkt in Form eines Lebensmittel-Discounters mit Anlieferung und Lager, sowie Verwaltung mit einer Gesamtgröße von 2.267,21 m². Für die Verkaufsräume ist eine Fläche von 1.800 m² vorgesehen. Eine genauere Betriebsbeschreibung, insbesondere Angaben zu den einzelnen Sortimenten, liegt der Bauvoranfrage nicht zugrunde. Die Fragestellungen beziehen sich im Wesentlichen auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung und auf den Stellplatznachweis.
Das Bauvorhaben liegt geringfügig im Geltungsbereich des übergeleiteten Baulinienplans Nr. 5 (= einfacher Bebauungsplan) „für das Gebiet zwischen Spessart-, Blüten-, Bavaria- und Lindestraße“. Im Übrigen zählt das Baugrundstück zu einem „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ nach § 34 BauGB. Der Ortsteil im Abschnitt zwischen Schweinheimer Straße, Spessartstraße, Lindestraße und Hefner-Alteneck-Straße weist den Charakter eines überwiegend gewerblich geprägten Gebiets auf, das aufgrund umliegender Wohngebiete allerdings gewissen Einschränkungen bezüglich gewerblicher Emissionen unterworfen ist.
Die planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben beurteilt sich daher zum einen nach den Vorgaben des übergeleiteten Baulinienplans im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB und in vorliegendem Fall hauptsächlich nach dem „Einfügungsgebot“ des § 34 BauGB: Demnach „ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.“
Zu beachten ist in vorliegendem Fall besonders § 34 Abs. 3 BauGB, wonach von einem sich ansonsten einfügenden Vorhaben „keine negativen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein“ dürfen. Dies betrifft großflächigen Einzelhandel, der grundsätzlich nur in Kern- und Sondergebieten zulässig ist. Außerhalb dieser Gebiete greift die sogenannte „Vermutungsregel“ des § 11 Abs. 3 BauNVO, d.h. bei großflächigem Einzelhandel ab 1.200 m² Geschossfläche ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich diese Betriebe „auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können“. Dem kann nur dann abgeholfen werden, „wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen […] bei mehr als 1.200 m² Geschossfläche nicht vorliegen“. […]
Der hier maßgebende bauliche Rahmen des zu betrachtenden, im Zusammenhang bebauten Ortsteils lässt sich, wie nachfolgend dargestellt, beschreiben, und zwar unabhängig von Grundstücksgrößen und relativen Maßzahlen wie GFZ und GRZ, die kein Beurteilungskriterium für das „Einfügungsgebot“ sind:
- Die Gebäudegrundflächen erreichen ein Maß bis max. 15.000 m² (Bezugsfall: Werkhalle TRW, Hefner-Alteneck-Straße 11).
- Die bauliche Höhenentwicklung ist abzuleiten aus dem zum Abbruch vorgesehenen Bestandsgebäude (vgl. BV xxx) an der Schweinheimer Straße mit III Vollgeschossen plus Dach und Sockel sowie durch die südlich gelegene Bebauung Schweinheimer Straße xxx, die bis V Vollgeschosse aufweist. Schräg gegenüber (Spessartstraße xxx, Schweinheimer Straße xxx) stehen zwei Gebäude mit III Vollgeschossen plus Dach.
- Auf dem Areal der Linde-Gießerei sind die straßenbegleitenden Baukörper an der Schweinheimer Straße unmittelbar an der Straßenbegrenzungslinie (= Gehweghinterkante) platziert.
- Die Bauweise ist auf dem gewerblich genutzten Areal von Linde und TRW sehr unterschiedlich. Vorwiegend handelt es sich um eine „abweichende Bauweise“ mit Baukörpern, die unter Wahrung von (seitlichen) Abständen „Überlängen“ von mehr als 50 m aufweisen.
Zu Frage 1:
Zulässigkeit eines Verbrauchermarktes: Ist ein Verbrauchermarkt (Lebensmittel-Discounter) mit Anlieferung und Lager / Verwaltung in der Gesamtgröße von 2.267,21 m² und einer Verkaufsfläche von 1.800 m² an dem Standort Schweinheimer Straße xxx, 63743 Aschaffenburg, in der dargestellten Form möglich?
Nach dem „Einzelhandelsstandort- und Zentrenkonzept der Stadt Aschaffenburg“ aus dem Jahr 2010 gehört vorliegender Standort nicht zu den identifizierten Nahversorgungszentren und/oder Ergänzungsstandorten der Nahversorgung der Stadt Aschaffenburg.
Bei Einzelhandelsbetrieben mit Geschossflächen über 1.200 m² besteht grundsätzlich die Vermutung, dass sich diese auf zentrale Versorgungsbetriebe der Gemeinde auswirken könnten. Bei vorliegendem Vorhaben bestehen Anhaltspunkte dafür, dass mit negativen Auswirkungen trotz einer Geschossfläche von mehr als 1.200 m² nicht zu rechnen ist. Dies ergibt sich zunächst aus der hinreichend integrierten Lage an der Nahtstelle zwischen gewerblichen Flächen und größeren Wohngebieten, auch des Geschosswohnungsbaus, und die damit verbundene Eignung für eine Nahversorgung. Weiterhin ist zu konstatieren, dass der im „Einzelhandelsstandort- und Zentrenkonzept der Stadt Aschaffenburg 2010“ noch enthaltene (kleine) wohnungsnahe Versorgungsstandort an der Schweinheimer Straße / Ecke Matthäusstraße (nah & gut) inzwischen aufgegeben wurde.
Folgende Bedingungen sind einzuhalten:
- Die Zulässigkeit des großflächigen Einzelhandelsbetriebes mit einer Verkaufsfläche von 1.800 m² erfordert eine landesplanerische Stellungnahme der Regierung von Unterfranken, in welcher die Übereinstimmung mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung, sowie die Nahversorgungsfunktion aufgrund der integrierten Lage des Standorts ohne schädliche Auswirkungen auf die Versorgungszentren bestätigt wird.
- Die Anforderungen an gesunde Arbeitsverhältnisse (§ 34 BauGB) müssen gewahrt bleiben. Aufgrund der erheblichen gewerblichen Immissionen (z.B. Geruch) durch den angrenzenden Gewerbebetrieb ist im Baugenehmigungsverfahren die Untere Immissionsschutzbehörde zu beteiligen. Die Auflagen der unteren Immissionsschutzbehörde sind zu beachten.
Zu Frage 2:
PKW-Stellplatznutzung für Verbrauchermarkt und andere: Ist es möglich, die Nutzung der Stellplätze auf dem Teilgrundstück xxx (einschließlich Überbauung der Halle 2 „Linde Hydraulics GmbH & Co.KG“) auf die Linde Hydraulics GmbH & Co.KG auszudehnen?
Planungsrechtlich ist in einem überwiegend gewerblich geprägten Gebiet die Errichtung von Stellplatzanlagen, auch z.B. für gewerbliche Zwecke, zulässig. Für die Anzahl und Ausgestaltung der Stellplätze sind die Vorgaben der städtischen Garagen-, Stellplatz- und Abstellplatzsatzung (GaStAbS) zu beachten. Bei einem Stellplatznachweis auf anderen Grundstücken ist eine dauerhafte Zuordnung und Verfügbarkeit der nachgewiesenen Stellplätze durch eine dingliche Sicherung im Grundbuch zu gewährleisten. Im Einzelfall ist allerdings zu prüfen, ob die Stellplätze für Bauvorhaben oder Nutzungen auf anderen Grundstücken als Nachweis anerkannt werden können (z.B. wegen Zumutbarkeit der Entfernung).
Überbaubare Grundstücksflächen / Festsetzungen Baulinienplan Nr. 5:
Die im Baulinienplan festgesetzte Baugrenze an der Spessartstraße wird eingehalten. Die festgesetzte Baulinie an der Straßenbegrenzungslinie der Dessauerstraße wird nicht eingehalten; eine Befreiung von dieser Baulinie ist städtebaulich unproblematisch und daher zu vertreten (§ 31 Abs. 2 BauGB).
Zur Spessartstraße soll aus städtebaulichen Erwägungen ein Abstand des Baukörpers von mind. 5 m eingehalten werden, damit hier straßenbegleitend die Pflanzung einer Baumreihe ermöglicht wird.
Begrünung / Baumbestand:
Auf dem Baugrundstück befindet sich aktuell hauptsächlich entlang der Spessartstraße ein erheblicher Baumbestand, der bei Realisierung der Planung zum großen Teil entfallen wird. Stadtplanerisch wird gefordert, dass eine GRZ von 0,8 nicht überschritten wird (= 20 % Grünfläche), und dass ein straßenbegleitender Grünstreifen (mind. 3 m breit) mit Baumreihe entlang der Spessartstraße erhalten bzw. entwickelt wird. Der Baumberater des Garten- und Friedhofsamtes ist frühzeitig einzubeziehen.
Hinsichtlich der KFZ-Stellplätze und Fahrradabstellplätze sind die Regelungen der städtischen Garagen-, Stellplatz- und Abstellplatzsatzung zu beachten. Die Anzahl der erforderlichen Stellplätze richtet sich nach der neu errichteten Nutzfläche. Hierbei sind auch die Anforderungen hinsichtlich der Anordnung und der Begrünung der Stellplätze zu berücksichtigen.
In einem gesonderten städtebaulichen Vertrag werden außerdem Regelungen zur immissionsschutzrechtlichen Verträglichkeit des Bauvorhabens getroffen und eine Obergrenze für die Verkaufsfläche von Einzelhandelsbetrieben vereinbart.
Dem Umwelt- und Verwaltungssenat wird die Zustimmung zur Erteilung des beantragten Bauvorbescheides mit den im Beschlusstext ausgeführten Antwortformulierungen vorgeschlagen.