- Baugeschichte
Die Jesuitenkirche wurde von 1619 bis 1621 im Renaissance-Kirchenstil unter dem Mainzer Kurfürsten Johann Schweikard erbaut. Auf dem Hauptdach sitzt als „einzigartiges Zimmermann-Kunstwerk“ ein sechseckiger Dachreiter mit raffiniert schiefgestellten Holzpfosten. Wegen seines eigentümlichen Aussehens wurde der Dachaufbau das „achte Wunder von Aschaffenburg“ (1) genannt. (1) Alois Grimm, Aschaffenburger Häuserbuch II
1896 wurde der Dachreiter mit Knopf und Kreuz restauriert und 3 neue Glocken geweiht.
Der Einbau einer Stahlkonstruktion als Tragwerk für die Glocken ist mit großer Wahrscheinlichkeit zur gleichen Zeit durchgeführt worden.
Durch den Luftangriff am 21.11.1944 entstanden schwere Schäden am Mauerwerk und am Hauptgewölbe der Kirche. Die Fotos aus dem Jahr 1945 und 1946 zeigen erstaunlicherweise einen vollkommen intakten Dachreiter auf dem beschädigten Dachstuhl.
Die Stadt Aschaffenburg hat das Kirchengebäude 1969 erworben. Im gleichen Jahr erklärte die Diözese Würzburg den Verzicht auf die sakrale Nutzung. Nach einer umfassenden Innensanierung erfolgte am 04.12.1976 die feierliche Eröffnung der neuen Kulturstätte.
1983 wurde der Haupt-Dachstuhl statisch saniert und der Dachreiter stellenweise repariert. Dabei wurde das Kreuz nach altem Muster durch die Kunstschmiede Schnellenberger, Würzburg rekonstruiert.
- Dachreiter – Bauzustand
Die statische Bewertung des sichtbaren Tragwerks wurde im April 2015 vom Ingenieurbüro Wombacher Kempf und Hondl durchgeführt. Die Besichtigung von außen konnte mittels Hubsteiger auf der Nordseite vorgenommen werden. Im Dachstuhl wurden keine größeren Schäden an der sichtbaren Tragkonstruktion festgestellt. Der größte Teil der Tragkonstruktion war jedoch bedingt durch die Schiefer- und Holzschalung nicht sichtbar.
Nach dem Rückbau der abdeckenden Holzschalung konnte der Bauzustand genauer untersucht und bewertet werden. Die vorhandenen Schäden, vor allem an den (konstruktiven) Holzverbindungen waren größer als von außen erkennbar.
Das Alter der Holzkonstruktion wurde durch eine dendrochronologische Untersuchung bestimmt. Die untersuchten Eichenbalken wurden zwischen 1619 und 1624 gefällt.
- Maßnahmenbeschreibung
- Gerüstbau
Auf der Nordwest-Seite der Jesuitenkirche wurde ein Allroundgerüst bis Unterkante Dachreiter errichtet. Ein Treppenturm und Aufzug erschließt die obere Arbeitsplattform für die Handwerker. Der Dachreiter mit Kreuz wurde vierseitig mit einem Arbeits- und Schutzgerüst eingerüstet.
- Dokumentation
Als Vorbereitung der Sanierungsmaßnahme wurde der Dachreiter mit allen Details fotografisch und zeichnerisch dokumentiert, um sicherzustellen, daß es während der Maßnahme zu keinen wesentlichen gestalterischen Änderungen kommen kann. Die Dokumentation war gleichzeitig auch Arbeitsgrundlage für alle beteiligten Handwerker.
- Zimmerarbeiten
Die zimmermannsmäßige Restaurierung des Dachreiters, einschließlich Kaiserstiel und Dachschalung erfolgte vor Ort durch die Zimmerei Michael Kunkel aus Waldaschaff.
Alle sichtbaren konstruktiven Holzergänzungen oder Holzaustausche wurden in der Holzart Eiche ausgeführt. Sämtliche Balken die noch ihre Tragwerksfunktion erfüllen blieben erhalten.
Schwierig gestaltete sich jedoch der Austausch eines waagrechten Eiche-Tragbalkens in der Kuppelebene, da die Maßnahme nicht im eingebauten Zustand möglich war. Hierzu musste der obere Dachhelm komplett abgebaut und die senkrechte Laterne mittels Kranwagen abgehoben werden. Nach dem Rückbau war ersichtlich daß der äußerlich intakte Tragbalken durch Wassereinbruch und/oder Insektenbefall innen hohl war und somit keine Tragfunktion mehr übernehmen konnte.
Die komplette Erneuerung der Dachschalungen als Untergrund für die Dachdeckung war ebenfalls Bestandteil des Auftrags.
Außerdem wurde der innere Aufstieg zum Dachreiter durch den Einbau von Handläufen, Laufstegen und Beleuchtung gesichert und verbessert.
- Dachdecker- und Spenglerarbeiten
Die Dachdeckung des Dachreiters mit Moselschiefer erfolgte durch die Fa. Klemens Ott aus Miltenberg.
Sämtliche Grate sowie der Dachtisch erhielten eine neue Bleiabdeckung.
- Turmkreuz
Das Turmkreuz von 1984 wurde von der Fa. Nietiedt aus Aschaffenburg neu beschichtet und in Teilflächen neu vergoldet.
Auf- und Abbau des Turmkreuzes erfolgte durch die Schlosserei Bergmann aus Aschaffenburg. Die Zeitkapsel wurde mit aktuellen Dokumenten gefüllt und in die Kupferkugel unterhalb des Kreuzes eingelegt.
- Anpassungsmaßnahmen
- Blitzschutz
Der Anschluß des Dachreiters an die bestehende Blitzschutzanlage führte die Firma GP-Blitzschutz aus Schaafheim aus.
- Nebenkosten
Die Nebenkosten verteilen sich auf:
- Ingenieurbüro Wombacher, Kempf und Hondl, Aschaffenburg, Tragwerksplanung
- Peter Kunkel, Aschaffenburg, Sachverständiger für das Zimmerhandwerk
- Marcus Stüben, Bessenbach, Biologe, Gutachten Fledermäuse
- Edgar Hartmann, Fürth, Dendrochronologische Untersuchung
- Termine
Die Bauzeit war mit ca. 2,5 Monaten veranschlagt und von Mai bis Juli 2017 geplant. Die tatsächliche Bauzeit dauerte von Mitte Mai bis Mitte September insgesamt 4 Monate.
- Kosten
In den Gewerken Gerüstbau und Dachdeckung konnten die Leistungen genau definiert werden. Dadurch sind die Kosten durch die vorgenommenen Ausschreibungen weitgehend genau bestimmt worden.
Das Gewerk Zimmerarbeiten konnte nur nach Aufwand durchgeführt werden, da der Leistungsumfang nicht bekannt war. Die komplette Holzkonstruktion mit allen konstruktiven Verbindungen war erst nach dem Rückbau der Dachdeckung und Schalung sichtbar.
Die Schäden an der Holzkonstruktion waren durch Witterungseinflüsse und Insektenbefall erheblich.
Die Zimmerarbeiten wurden vorab auf 300 h Stunden geschätzt, tatsächlich erforderlich waren jedoch ca. 1250 h. Die hohe Stundenanzahl ist auch durch den verdrehten Baukörper entstanden. Durch die Verdrehung war jedes einzelne auszutauschende oder ergänzende Holzelement, egal welcher Größe (Balken, Brett, Gesims, Schalung), eine Einzelanfertigung und musste vor dem endgültigen Einbau mehrfach angepaßt werden.
Die Kostenschätzung vom 27.10.2016 belief sich auf 138.500,00 €.
Die Kostenfeststellung vom 01.09.2017 beläuft sich auf 180.000,00 €
Die Mehrkosten sind ausschließlich in dem Gewerk Zimmerarbeiten angefallen.
7 Förderung
Mit Bescheid vom 24.04.2017 hat das Landesamt für Denkmalpflege einen Zuschuß von 6.000,00 € bewilligt.
Die Bayer. Landesstiftung hat mit Schreiben vom 17.07.2017 eine Zuwendung von 12.000,00 € zugesagt.