Verstärkte Ausübung des Vorkaufsrechts; - Antrag der Stadtratsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen vom 18.06.2017


Daten angezeigt aus Sitzung:  4. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates, 17.04.2018

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Planungs- und Verkehrssenat 4. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates 17.04.2018 ö Vorberatend 10pvs/4/10/18
Stadtrat (Plenum) 6. Sitzung des Stadtrates (Plenum) 14.05.2018 ö Beschließend 10pl/6/10/18

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

Mit Schreiben vom 18.06.2017 hat die Stadtratsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen beantragt, die Stadt Aschaffenburg solle von ihrem Vorkaufsrecht bei Immobilien verstärkt Gebrauch machen. Dies gelte insbesondere für nicht mehr benötigte Gewerbe- und Industrieflächen. Die Verwaltung solle zudem beauftragt werden, potenzielle Sanierungsgebiete auszuweisen sowie andere entsprechende Maßnahmen ergreifen, um das Mittel des Vorkaufsrechts stärker ausüben zu können.
Nach § 24 des Baugesetzbuches - BauGB - steht der Gemeinde ein Vorkaufsrecht in folgenden Fällen zu:
1.        im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, soweit es sich um Flächen handelt, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke oder für Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Abs. 3 festgesetzt ist,
2.        in einem Umlegungsgebiet,
3.        in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet und städtebaulichen Entwicklungsbereich,
4.        im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus und einer Erhaltungssatzung,
5.        im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans, soweit es sich um unbebaute Flächen im Außenbereich handelt, für die nach dem Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist,
6.        in Gebieten, die nach § 30, 33 oder 34 Abs. 2 vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können, soweit die Grundstücke unbebaut sind, sowie
7.        in Gebieten, die zum Zweck des vorbeugenden Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhalten sind, insbesondere in Überschwemmungsgebieten.
Darüber hinaus kann die Gemeinde gemäß § 25 BauGB
1.        im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch Satzung ihr Vorkaufsrecht an unbebauten Grundstücken begründen;
2.        in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung Flächen bezeichnen, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken zusteht.
Das Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt.
Die Verwaltung hat den Antrag zum Anlass genommen, alle Kaufverträge, die im 1. Halbjahr 2017 bei der Stadtverwaltung eingegangen sind, auf die Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts zu untersuchen.
Geprüft wurden in diesem Zeitraum 107 Kaufverträge. Die Stadt hätte das Vorkaufsrecht in 16 Fällen auf Basis folgender Rechtsgrundlagen ausüben können:
-        § 24 Abs. 1 Nr. 2 BauGB - Umlegungsgebiet
1 Grundstück
-        § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB - förmlich festgelegtes Sanierungsgebiet:
7 Grundstücke
Alle Grundstücke sind bebaut und bieten - mit Ausnahme von 1 Grundstück, auf dem eine Neubebauung erfolgen soll - kaum Potenzial zu baulichen Weiterentwicklung.
-        § 24 Abs. 1 Nr. 6 BauGB - unbebaute Grundstücke, die überwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können:
8 Grundstücke
Die meisten Grundstücke sind kleiner als 500 m², lediglich in zwei Fällen wurden Flächen über 800 m² veräußert.
Bei dieser Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechtes rechtfertigen muss. Dabei steht das Vorkaufsrecht der Gemeinde nicht als Instrument einer allgemeinen Bodenbevorratung oder zur Verfolgung jedweder Gestaltungs- oder Verhinderungsabsichten zur Verfügung (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 12.03.2015, Az. W 5 K 14.808). Im „Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch“ (RdNr. 21 zu § 24 BauGB) wird hierzu ausgeführt:
„Es genügt, dass im Hinblick auf eine gemeindliche Aufgabe überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden. … Das wird sich bei Flächen für den Gemeinbedarf, bei Verkehrs-, Versorgungs- und ähnlichen Flächen regelmäßig schon aus der rechtsverbindlichen Festsetzung als Gemeinbedarfsfläche usw. i. V. m. dem Sicherungszweck ergeben …, in allen anderen Fällen dagegen einer zusätzlichen konkreten Begründung bedürfen. Allgemeine bodenpolitische Erwägungen reichen nicht aus …“
Zudem ist bei Ausübung des Vorkaufsrechts den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben.
Im Einzelnen ist zu den Voraussetzungen, unter denen ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann, Folgendes anzumerken:
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB
öffentliche Flächen und Ausgleichsflächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes
Das Vorkaufsrecht kann bereits zu Beginn der öffentlichen Auslegung ausgeübt werden. Voraussetzung ist aber, dass die Planung realisierbar sein muss. Die Ausübung des Vorkaufsrechts scheidet aus, wenn absehbar ist, dass die Umsetzung der Planung an unüberwindbaren Hindernissen scheitern wird.
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB
Umlegungsgebiet
       Rechtfertigen lässt sich die Ausübung des Vorkaufsrechts mit der Argumentation, ein Erwerb durch einen Dritten würde die Umlegung erschweren oder unmöglich machen. Die Ausübung ist auch gerechtfertigt, wenn das Grundstück als Ersatzland in die Verteilungsmasse eingebracht werden soll oder wenn es sich zum Austausch gegen andere Grundstücke eignet (vgl. „Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch“, RdNr. 24 zu § 24 BauGB).
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB
Sanierungsgebiet / städtebaulicher Entwicklungsbereich
       Maßgeblich sind die konkreten Sanierungs- bzw. Entwicklungsziele. Lange Durchführungszeiten stehen der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht entgegen. In Sanierungsgebieten kommt auch ein Kauf zu Tauschzwecken in Betracht. In Entwicklungsbereichen besteht eine Erwerbspflicht der Gemeinde (§ 166 Abs. 3 Satz 1 BauGB, Ausnahmen s. § 166 Abs. 3 Satz 3 BauGB), so dass die Ausübung des Vorkaufsrechts grundsätzlich durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.
       Allerdings ist die Festsetzung eines Sanierungsgebietes oder eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs an gesetzliche Vorgaben geknüpft. Voraussetzung für die Ausweisung als Sanierungsgebiet ist das Vorliegen „städtebaulicher Missstände“ (§ 136 BauGB). Mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen sollen Ortsteile und andere Teile des Gemeindegebiets entsprechend ihrer besonderen Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Gemeinde oder entsprechend der angestrebten Entwicklung des Landesgebiets oder der Region erstmalig entwickelt oder im Rahmen einer städtebaulichen Neuordnung einer neuen Entwicklung zugeführt werden (§ 165 BauGB). Aus diesen Formulierungen lässt sich ableiten, dass bestehende Baugebiete, die einem Umnutzungsdruck unterliegen, in denen aber der Erhalt der bestehenden Struktur beabsichtigt ist, kaum die Voraussetzungen zum Einsatz dieser Instrumente erfüllen. Hier erscheint die Aufstellung eines Bebauungsplanes, durch welchen die bestehende Art der Nutzung gesichert wird, das geeignete Instrumentarium zu sein. Durch einen solchen lässt sich eine gewerbliche oder industrielle Nutzung - unter Berücksichtigung der Belange der Umgebungsbebauung - rechtlich sichern.
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB
Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus / Erhaltungssatzung
       Gemäß § 171a Abs. 2 BauGB sind Stadtumbaumaßnahmen Maßnahmen, durch die in erheblich von Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden. U. a. gilt dies, wenn ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen für bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke, besteht oder zu erwarten ist. Diese Vorschrift dürfte in Aschaffenburg kaum anwendbar sein.
       Durch eine Erhaltungssatzung kann eine Gemeinde Gebiete bezeichnen, in denen zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt, zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung oder bei städtebaulichen Umstrukturierungen der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. Diese Regelung stellt kein Instrumentarium zur städtebaulichen Weiterentwicklung eines Gebietes dar, und kommt daher z. B. für brachgefallene Grundstücke nicht in Betracht.
       Zur Ausübung des Vorkaufsrechts ist die begründete Annahme erforderlich, dass durch den Kauf und den mit ihm verbundenen Zweck das Ziel der jeweiligen Satzung beeinträchtigt wird. Dieser kann sich z. B. aus dem Inhalt des Kaufvertrages und anderen Erklärungen ergeben.
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB
unbebaute Flächen im Außenbereich mit FNP-Darstellung „Wohnbaufläche“
       Ziel dieser Regelung ist es, den Wohnungsbau zu fördern und zu erleichtern sowie zugleich dämpfend auf die Preisentwicklung einwirken zu können, weil die Gemeinde nur den Verkehrswert des Grundstücks entrichten muss. (vgl. „Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch“, RdNr. 14 zu § 24 BauGB).
       Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Begrenzungen des Vorkaufsrechts zu beachten sind, und dass das Vorkaufsrecht kein Instrument zur allgemeinen Bodenbevorratung der Gemeinden sein kann (BVerwG, Entscheidung v. 25.01.2010, 4 B 53.09). In diesem Urteil werden zwei Kriterien für eine rechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrechts benannt.
       Danach muss sich das Vorkaufsrecht an den Zielen, die der Gesetzgeber mit den einzelnen Tatbeständen des § 24 BauGB verfolgt, orientieren. Mit § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Flächen für den Wohnungsbau verfügbar zu machen. Voraussetzung ist immer, dass das Grundstück unmittelbar oder mittelbar (als Tauschland) Wohnzwecken zugeführt werden soll. Dies schließt solche Grundstücke ein, die der infrastrukturellen Ausstattung des zu entwickelnden Wohngebietes dienen sollen. Dagegen steht das Vorkaufsrecht der Gemeinde nicht als Instrument einer allgemeinen Bodenbevorratung zur Vergrößerung ihres Eigentumsanteils oder zum Erwerb von Grundstücken zur Verfügung, die später möglicherweise als Tauschgrundstücke anderswo verwendet werden sollen.
Zudem ist das Kriterium der zeitlichen Bindung zu beachten. Das öffentliche Wohl rechtfertigt die Inanspruchnahme des Grundstücks mittels Vorkaufsrecht nur dann, wenn die Gemeinde alsbald diejenigen Schritte unternimmt, die erforderlich sind, um das städtebauliche Ziel, Wohnbauland bereitzustellen, zu verwirklichen. Das wird im Regelfall die alsbaldige Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans sein, es können aber auch andere sinnvolle Vorbereitungsmaßnahmen sein.
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB
unbebaute Grundstücke in Gebieten, die nach § 30, 33 oder 34 Abs. 2 BauGB vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können
       Es handelt sich um ein Vorkaufsrecht im unbeplanten Innenbereich und im Geltungsbereich von Bebauungsplänen. Die unbebauten Grundstücke müssen vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können, so dass ein Vorkaufsrecht in Dorf-, Misch- und Kerngebieten nicht in Frage kommt.
       Die Ausübung des Vorkaufsrechts liegt im Gemeinwohl, wenn das Grundstück ernstlich für eine Wohnbebauung bereitgestellt werden soll. Dies gilt insbesondere dann, wenn nachgewiesen wird, dass das Grundstück zur Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung dienen soll.
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BauGB
vorbeugender Hochwasserschutzes
       Es handelt sich um Grundstücke, die von Bebauung freigehalten werden sollen. Diese Regelung ist für die Weiterentwicklung von Bauland irrelevant.
-        § 25 Abs. 1 BauGB
Besonderes Vorkaufsrecht
       Die Gemeinde kann
-        im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes durch Satzung ihr Vorkaufsrecht an unbebauten Grundstücken begründen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) sowie
- in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung Flächen bezeichnen, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken zusteht (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB).
       Somit ist es nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB möglich, im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes ein Vorkaufsrecht an Grundstücken zu einzuführen, die weder für öffentliche Zwecke benötigt noch für Wohnbauzwecke nutzbar sind. Somit kann z. B. ein Vorkaufsrecht an gewerblichen Grundstücken begründet werden, die jedoch unbebaut sein müssen.
       Nach der Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, ein Vorkaufsrecht für Gebiet zu erlassen, in den eine Bebauungsplan noch nicht besteht, in denen aber städtebauliche Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Eine Gemeinde zieht städtebauliche Maßnahmen schon dann in Betracht, wenn sie vorhat, das Gebiet in einigen Jahren zu erschließen, das Stadtquartier zu entwickeln oder zu erneuern. Die Gemeinde soll so möglichst früh in die Lage versetzt werden, Grundstücke zu erwerben, um auf diese Weise später umso leichter die gebotenen städtebaulichen Maßnahmen durchführen zu können. Allerdings muss die Gemeinde bereits Planvorstellungen haben. Es genügt nicht, lediglich einen städtebaulichen Konflikt zu bezeichnen, ohne zum Ausdruck zu bringen, welche städtebaulichen Maßnahmen zur Lösung des Konflikts in Betracht kommen. Voraussetzung ist außerdem, dass eine Weiterveräußerung an Dritte den angestrebten Entwicklungszweck erschweren würde. Dies gilt v. a. für öffentliche Flächen und Gemeinbedarfsflächen, aber auch für Flächen, die für gewerbliche Nutzungen oder für Wohnzwecke vorgesehen sind (vgl. „Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch“, RdNrn. 4 - 6 zu § 25 BauGB). Das Vorkaufsrecht kann hier auch bei bebauten Grundstücken ausgeübt werden.
Generell gilt Folgendes:
-        Ausschluss des Vorkaufsrechts
       Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist u. a. dann ausgeschlossen,
- wenn Käufer und Verkäufer verheiratet oder eng miteinander verwandt sind (§ 26 Nr. 1 BauGB) oder
- das Grundstück entsprechend den Festsetzungen das Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist oder genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel i. S. d. § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist (§ 26 Nr. 4 BauGB).
-        Nicht ausgeübt werden kann ein Vorkaufsrecht beim Kauf von Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz und von Erbbaurechten (§ 24 Abs. 2 BauGB).
-        Abwendung des Vorkaufsrechts
       Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden, wenn die Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist, der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu nutzen, und er sich vor Ablauf der Frist nach § 28 Absatz 2 Satz 1 BauGB hierzu verpflichtet. Ausnahmen von diesem Abwendungsrecht gelten gemäß § 26 Abs. 2 BauGB für öffentliche Flächen und Ausgleichsflächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) sowie in einem Umlegungsgebiet, wenn das Grundstück für Zwecke der Umlegung benötigt wird.
Diese Regelung dürfte insbesondere Bedeutung erlangen bei der Ausübung des Vorkaufsrechts im unbeplanten Innenbereich bzw. im Geltungsbereich von Bebauungsplänen, da der Käufer sich zur Bebauung des Grundstücks verpflichten und somit die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden könnte.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts engen Grenzen unterliegt, zumal das Wohl der Allgemeinheit diese immer rechtfertigen muss. Auch muss die Möglichkeit bestehen, überhaupt die Grundlage für die Ausübung zu schaffen. Gerade die Ausweisung von Sanierungsgebieten oder städtebaulichen Entwicklungsbereichen unterliegt gesetzlichen Einschränkungen und erfordert umfassende Vorarbeiten (z. B. Durchführung vorbereitender Untersuchungen). Zudem sind die Möglichkeiten zum Erwerb bebauter Grundstücke sehr eingeschränkt. Gleiches gilt für gewerblich nutzbare Grundstücke.
Die Verwaltung schlägt daher folgende Vorgehensweise vor:
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB
öffentliche Flächen und Ausgleichsflächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes
       Das Vorkaufsrecht wird grundsätzlich ausgeübt.
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB
Umlegungsgebiet
       Das Vorkaufsrecht wird grundsätzlich ausgeübt. Auf die Ausübung wird verzichtet, wenn dadurch die Umlegung vereinfacht wird (z. B., wenn ein Umlegungsbeteiligter zusätzlich Flächen erwirbt, ohne die er im Umlegungsverfahren keinen Anspruch auf Zuteilung eines neuen Grundstücks hätte).
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB
Sanierungsgebiet / städtebaulicher Entwicklungsbereich
       Auf die Ausweisung neuer Sanierungsgebiete oder städtebaulicher Entwicklungsbereiche wird verzichtet, wenn diese nur dazu dienen sollen, die Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts zu schaffen (s. hierzu auch folgende Ausführungen unter „Besonderes Vorkaufsrecht“). Das Vorkaufsrecht wird ausgeübt für
- öffentliche Flächen,
- Brachflächen,
- Flächen, die einer Neuordnung bedürfen und
- unbebaute Grundstücke, auf denen Wohnungsbau möglich und eine Geschossfläche von mindestens 700 m² erreichbar ist (vgl. nachfolgend Ausführungen zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB)
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB
Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus / Erhaltungssatzung
       Diese Regelung ist für den beantragten Zweck weitgehend wirkungslos und daher irrelevant.
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB
unbebaute Flächen im Außenbereich mit FNP-Darstellung „Wohnbaufläche“
       Es gibt in Flächennutzungsplan eine Reihe von potenziellen Baugebieten, die als „Wohnbauflächen“ dargestellt sind. Allerdings verhindert die vom Bundesverwaltungsgericht gefordert zeitlich Nähe der Ausweisung als Baugebiet die generelle Ausübung des Vorkaufsrechts. Es wird daher vorgeschlagen, die Ausübung des Vorkaufsrechts auf die Bereiche zu beschränken, für die es Beschlüsse zur Aufstellung von Bebauungsplänen gibt.
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB
unbebaute Grundstücke in Gebieten, die nach § 30, 33 oder 34 Abs. 2 BauGB vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können
       In diesen Bereichen werden häufig Grundstücke veräußert, die lediglich mit Ein- oder Zweifamilienhäusern bebaut werden können. Diese sind für die Errichtung von Geschosswohnungsbau und damit auch von gefördertem Wohnraum ungeeignet. In diesen Fällen sollte auf die Ausübung des Vorkaufsrechts verzichtet werden. Wird aber eine mögliche Geschossfläche von 700 m² überschritten, können größere Gebäude entstehen. Erst dann ist dieses Grundstück für die Errichtung von Geschosswohnungsbau für den Grundstückseigentümer interessant. So hat sich bei einem Grundstück im Stadtteil Schweinheim, das die Stadt zum Verkauf angeboten hatte, gezeigt, dass bei einer geringeren erreichbaren Geschossfläche das Grundstück zur Errichtung von Geschosswohnungsbau nicht vermarktbar ist.  Es wird daher vorgeschlagen, erst bei Überschreiten dieser Schwelle das Vorkaufsrecht auszuüben.
-        § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BauGB
vorbeugender Hochwasserschutzes
Diese Regelung ist für die Baulandbereitstellung irrelevant.
-        § 25 Abs. 1 BauGB
Besonderes Vorkaufsrecht
       Diese Regelung erscheint das geeignete Instrumentarium für Bereiche, die einem Umnutzungsdruck unterliegen, zumal hier auch bebaute sowie gewerblich genutzte Grundstücke erfasst werden können. So ist es z. B. möglich, einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan zu fassen, in dem Ziele der Bauleitplanung definiert werden. Dies hätte zur Folge, dass Bauvorhaben zurückgestellt werden können bzw. eine Veränderungssperre erlassen werden kann. Zudem könnte durch eine Satzung ein Vorkaufsrecht begründet werden. Gegenüber der Ausweisung eines Sanierungsgebietes oder eines städtebaulichen Entwicklungsbereiches hätte dies den Vorteil, sehr schnell und rechtssicher agieren zu können.
       Es wird daher empfohlen, bei absehbaren Umnutzungen von der Möglichkeit zum Erlass einer Satzung zur Ausübung des „Besonderen Vorkaufsrecht“ Gebrauch zu machen.
Selbstverständlich sind auch bei Ausübung des Vorkaufsrechts auf Grundlage dieses Grundsatzbeschlusses in jedem Einzelfall die Vorschriften der Geschäftsordnung des Stadtrates über die Aufgaben des Oberbürgermeisters, des Stadtrates und seiner Ausschüsse zu beachten. Demnach sind für Grundstücksgeschäfte zuständig (jeweils Brutto-Beträge):
-        bis 50.000 €:                        Oberbürgermeister (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 Geschäftsordnung)
-        über 50.000 € bis 250.000 €:        Haupt- und Finanzsenat (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 Geschäftsordnung)
-        über 250.000 €:                        Plenum (§ 3 Nr. 11 Geschäftsordnung)
In den vergangenen 15 Jahren wurden 2 Grundsatzbeschlüsse über die Regularien zur Ausübung des Vorkaufsrechts in folgenden Baugebiet gefasst:
-        Hauptsenat 01.03.2010: Rotäcker
-        Hauptsenat 02.12.2013: Anwandeweg
Die Gültigkeit beider Beschlüsse war jeweils auf 2 Jahre beschränkt. Sie sind daher (und weil mittlerweile die Umlegungsverfahren abgeschlossen sind) nicht mehr anzuwenden.
Nicht Bestandteil dieses Beschlussvorschlages ist die künftige Vorgehensweise bei der Ausweisung von Neubaugebieten und zur Neuordnung der Grundstücke, wofür bislang Umlegungsverfahren durchgeführt wurden.

.Beschluss:

I.

1.        Der Bericht der Verwaltung über die Möglichkeiten zur Ausübung des Vorkaufsrechts nach den Vorschriften des Baugesetzbuches (BauGB) wird zur Kenntnis genommen.
2.        Das Vorkaufsrecht wird in folgenden Fällen grundsätzlich ausgeübt, sofern das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt:
       -        zum Erwerb öffentlicher Flächen und Ausgleichsflächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB)
       -        in einem Umlegungsgebiet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB), sofern nicht durch das ursprüngliche Rechtsgeschäft die Durchführung der Umlegung vereinfacht wird
       - in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB) für
° öffentliche Flächen,
° Brachflächen,
° Flächen, die einer Neuordnung bedürfen und
° unbebaute Grundstücke, auf denen Wohnungsbau möglich und eine Geschossfläche von mindestens 700 m² erreichbar ist
       - bei unbebauten Flächen im Außenbereich mit der FNP-Darstellung „Wohnbaufläche“ (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB), sofern ein Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst wurde
       - unbebauten Grundstücken in Gebieten, die nach § 30, 33 oder 34 Abs. 2 BauGB vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB), sofern eine Geschossfläche von mindestens 700 m² erreichbar ist
       - in Gebieten, für welche eine rechtskräftige Satzung auf Grundlage des § 25 Abs. 1 BauGB über ein „Besonderes Vorkaufsrecht“ besteht.

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 15, Dagegen: 0

Datenstand vom 19.09.2018 16:53 Uhr