Um einen weiteren Verlust von ökologischen wertvollen und landschaftsprägenden Streuobstwiesen im Stadtgebiet entgegenzuwirken, hat die Stadt Aschaffenburg einen Streuobstaktionsplan erstellen lassen. Er startete 2015 mit dem Teil I. „Kartierung/Erfassung“ (2015) und erarbeitete 2016 daraus den Teil II. „Datenaufbereitung und Entwicklung eines Pflegekonzeptes“. Die Ergebnisse der Teile I. und II. wurden zuletzt im Stadtrat am 10.11.2016 vorgestellt.
Wesentlicher Schritt im Rahmen des Teil III. „Umsetzung der Maßnahmen“ (2019-2020) war die Einbeziehung der Grundstückseigentümer und der Akteure / Landbewirtschafter vor Ort.
Um diese und Streuobst-Interessierte besser zu unterstützen, wurde eine Informationsplattform auf der Homepage der Stadt Aschaffenburg aufgebaut. Sie beinhaltet auch eine Streuobstbörse zur Vermittlung von Streuobstflächen zur Pacht oder Verkauf (www.aschaffenburg.de/streuobstaktionsplan).
Es wurden fast 1.000 Eigentümer von über 1.700 Streuobstgrundstücken im Untersuchungsgebiet angeschrieben und abgefragt, ob sie ihre Flächen noch selbst pflegen oder gegebenenfalls verpachten oder verkaufen würden. Hierzu fand am 26.07.2019 eine Infoveranstaltung im Großen Sitzungssaal statt, die sehr gut besucht war. Auf das Schreiben antwortete ca. ein Drittel der Eigentümer.
Mit den Rückmeldungen konnten ca. 10 ha Streuobst über eine Streuobstbörse zur Verpachtung angeboten werden. Von ca. 160 Flurstücken, die als zu verpachten gemeldet waren, wurden 88 (4,6 ha) an das Schlaraffenburger Projekt und 30 (2,5 ha) an Privatleute vermittelt. Es konnte also 75 % der Flächen mit ca. 7 ha vermittelt werden. Die Daten von 3 ha Flächen, die zum Verkauf stehen, wurden der Stadt Aschaffenburg weitergegeben.
Für die Umsetzung von Pflegemaßnahmen wurden die erfassten Streuobstflächen priorisiert, die Einverständniserklärungen der Eigentümer eingeholt, die Ausschreibungsunterlagen erstellt und die Antragsunterlagen für einen Förderantrag nach LNPR (= Bayerisches Förderprogramm für Landschaftspflegemaßnahmen) zusammengestellt. Im Winter 2019/20 wurden 26 Flächen mit 438 zu schneidenden Obstbäumen und 6,3 ha zu entbuschender Fläche zusammengestellt. Für die meisten Flächen konnte eine Folgepflege über das Schlaraffenburger Streuobstprojekt sichergestellt werden. Insgesamt wurden seit 2017 auf 32 Flächen 554 Obstbäume geschnitten.
Der Streuobstaktionsplan hat den immensen Handlungsbedarf zum Erhalt des Streuobstes aufgezeigt. Mit den erhobenen Daten wurden wichtige erste Schritte unternommen. Der Kontakt zu den Eigentümern wurde hergestellt und zahlreiche Pflegemaßnahmen umgesetzt. Die Kleinteiligkeit der Flur, die zur Strukturvielfalt in den Gemarkungen Schweinheim und Obernau beitragen, erweisen sich bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen als hinderlich und bedeuten einen erheblichen Zeitaufwand.
Wie bereits in den vorherigen Berichten erläutert wurde, besteht weiterhin ein hoher Handlungsbedarf bei der Streuobstpflege. An erster Stelle ist dies ein Erhaltungs- bzw. Stabilitätsschnitt an alten, ökologisch hochwertigen (Alt-)Bäumen. Kartiert wurden 2015 etwa 2.600 Bäume, von denen bis heute ca. 560 Bäume geschnitten wurden. Realistisch ist eine jährliche Pflege von ca. 350 Bäumen.
Weitere Freistellungen von verbuschten Obstbaumbeständen machen nur dort Sinn, wo eine dauerhafte Bewirtschaftung gesichert werden kann.
Vordringlich sind in den kommenden Jahren Nachpflanzungen. Um bis 2035 80 % des Bestandes von 2015 zu erhalten, wären jährlich 100 Neupflanzungen im Gebiet nötig. Der hohe Planungsaufwand für 2020/ 2021 für die Pflanzung von schließlich (nur) ca. 80 Bäume zeigt auf, wie hoch die Hürden sind. Ein Grund ist der mangelnde Zugriff auf überwiegend private Grundstücke – nur sehr wenige Streuobstwiesen sind in städtischem Eigentum – sowie die derzeitige Bewirtschaftung als Wiese oder Acker. Viele Landbewirtschafter, unabhängig davon, ob sie Voll- oder Nebenerwerbslandwirte sind, benötigen für eine rentable Bearbeitung ihrer Feldstücke größere zusammenhängende Flächen ohne Bäume. Der Fokus sollte daher auf bereits bestehende lückige Bereiche liegen. Wirtschaftlich wünschenswert wäre eine flächige oder lineare Baumpflanzung.
Um die Unterwuchspflege / Mahd der Flächen zu minimieren, sollten diese vorzugsweise extensiv beweidet werden.
Ohne Pflege und Nachpflanzungen von Obstbäumen sowie Mahd oder Beweidung der Wiesen würde sich unsere typische, durch den Menschen geschaffene Kulturlandschaft stark verändern und die Arten- und Sortenvielfalt zurückgehen. Gerade die Bestände im Stadtgebiet und insbesondere im Verbund mit den Vorkommen in den benachbarten Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg sind landesweit bedeutsame Lebensräume des vom Aussterben bedrohten Steinkauzes. Auch weitere Vogelarten wie Wendehals, Spechte, Gartenrotschwanz, Meisen und Stare, aber auch Kleinsäuger wie Bilche und Fledermäuse und nicht zu vergessen die vielen Insektenarten, darunter Hornissen, Wespen, Totholzkäfer nutzen die zahlreichen Höhlen und Spalten von alten Obstbäumen.
Obstbäume bieten Wild- und Honigbienen, Hummeln und Schmetterlingen Fortpflanzungs- und Nahrungsraum. Unersetzlich sind sie als Bestäuber unserer Kulturpflanzen und sichern somit die Produktion von gesunden Nahrungsmitteln.
Mit der Erhaltung der Streuobstwiesen leistet die Stadt Aschaffenburg einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität.