1. Sachstand:
Der Haupt- und Finanzsenat vergab in seiner Sitzung vom 07.12.2020 einen Auftrag zur Beschaffung von mobilen Luftfilteranlagen für alle Klassen-Räume, die nicht ausreichend durch gezieltes Fensteröffnen oder durch eine RLT-Anlage gelüftet werden können. Das Bayerische Staatsministeriums für Unterricht und Kultus förderte diese technischen Investitionskosten im Wege der Anteilfinanzierung. Die Stadt Aschaffenburg hat daraufhin nach Absprache mit den Schulen 60 mobile Luftreinigungsgeräte und darüber hinaus 1.060 CO2-Melder beschafft, die aktuell ausgeliefert und entsprechend installiert werden.
Zum Ende der laufenden Antragsfrist im Förderprogramm für Investitionskosten für technische Maßnahmen zum infektionsschutzgerechten Lüften in Schulen hat der bayerische Ministerrat eine Fortsetzung in Form einer zweiten Antragsrunde für die Beschaffung mobiler Luftreinigungsgeräte beschlossen.
Der staatliche Förderanteil für diese Geräte wird gegenüber der ersten Runde (100%) bei 50% der Anschaffungskosten von ca. 3.500 Euro pro Gerät liegen, d.h. der Förderhöchstbetrag pro Raum beträgt 1.750 €. Die Förderung erfolgt nach Datum der Antragstellung („Windhundprinzip“).
Anträge der Schulaufwandsträger können voraussichtlich Ende Januar 2021 nach entsprechender Änderung der Förderrichtlinie und längstens bis zum 31.03.2021 gestellt werden.
2. technische Bewertung
Nach Bekanntgabe der Empfehlung der Innenraumlufthygiene-Kommission (IRK) zum sachgerechten Lüften und zum Einsatz von Lüftungstechnik in Schulen während der SARS-CoV-2 Pandemie vom 12.8.2020 (IRK 2020-1) ist eine Diskussion darüber entstanden, ob in der kalten Jahreszeit mobile Luftreiniger ergänzend oder auch als Ersatz für das aktive Lüften über Fenster in Unterrichtsräumen eingesetzt werden sollten. Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt in seiner Handreichung vom 15.10.2020, mobile Luftreiniger nur in Ausnahmefällen und als flankierende Maßnahme einzusetzen. In der ergänzenden Stellungnahme des UBA speziell zum Einsatz mobiler Luftreiniger vom 22.10.2020 wird diese grundsätzliche Haltung nochmals bekräftigt.
Insgesamt wird festgestellt, dass sowohl der Wirkungsgrad der Geräte (die nur unter Laborbedingungen getestet wurden), die Geräuschemissionen, als auch verschieden Faktoren im Umfeld des Gerätes (Raumverhältnisse, Belegungsdichte, Anordnung des Luftreinigers im Raum, etwaige Strömungshindernisse etc.) einer pauschalen Empfehlung zur Anschaffung und Installation entgegenstehen.
Beim Einsatz von mobilen Luftreinigern mit Filtration wird z.T. der 6-fache Luftdurchsatz des Raumluftvolumens pro Stunde gefordert, um erfolgreich die Aerosolmenge im Raum zu reduzieren. Luftdurchsatz im Sinne der Förderleistung eines Geräts bedeutet etwas Anderes als Luftwechsel (Luftaustausch) der Raumluft mit außen. Der Luftdurchsatz eines Gerätes ist nicht direkt mit der Lüftungssituation über Fenster vergleichbar. So wird bei mobilen Luftreinigern die gesamte Luft durch ein einziges Gerät geleitet, während bei Fensterlüftung die Raumluft über deutlich größere Fensteröffnungsflächen ausgetauscht wird. Insoweit kann seitens des Umweltbundesamtes die Verwendung der Geräte auch nicht als 1:1-Ersatz für Fensterlüftung empfohlen werden.
Ferner wird der Einsatz von mobilen Luftreinigungsgeräten von verschiedenen weiteren Stellen kritisch gesehen, da die Geräte keinen nachgewiesenen infektionspräventiven Nutzen haben, ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln und gegebenenfalls kontraproduktiv wirken, da sie bei mangelnder oder falscher Wartung sogar zu „Virenschleudern“ werden können. Gestützt wird diese Ansicht auch durch aktuelle Expertenmeinungen zahlreicher medizinischer Fachgesellschaften und Behörden wie zum Beispiel der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene und des European Centre for Disease Prevention and Control der EU.
Die von Befürwortern des Einsatzes von Luftreinigungsgeräten oft zitierte Studie der Universität der Bundeswehr München kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass dezentrale Lüftungsgeräte das direkte Infektionsrisiko, das durch direktes Anhusten oder beim langen Unterhalten über kurze Distanz erfolgen kann, nicht verringern können. Die beste Prävention ist und bleibt nach Einschätzung der Fachleute regelmäßiges Lüften der Unterrichtsräume.
Festzuhalten bleibt, dass auch der Einsatz von mobilen Luftreinigungsgeräten nicht dazu führt, dass die Maskenpflicht aufgehoben wird oder auf das Lüften verzichtet werden kann. Es wird darauf hingewiesen, dass bei den mobilen Luftreinigungsgeräten täglich vor Nutzung das Gerät für 30 min auf ca. 100 Grad Celsius erhitzt werden sollte, um Schimmelbildung sowie Verkeimen zu vermeiden.
3. Kosten
Um alle Schulen zusätzlich auch in ausreichend belüftbaren Räumen mit mobilen Luftreinigungsgeräte auszustatten, würden aktuell schätzungsweise ca. 800 Geräte benötigt. Bei einem Anschaffungspreis von ca. 3500 Euro pro Gerät ergäben sich Anschaffungskosten von 2,8 Mio Euro, von denen maximal 50 Prozent, also 1,4 Mio Euro gefördert würden. Demnach müsste die Stadt Aschaffenburg für die verbleibenden 1,4 Mio Euro selbst aufkommen, die in jedem Falle als zusätzliche Ausgabe im Haushalt 2021 eingestellt werden müssten.
Weitere Folgekosten entstehen durch den notwendigen Austausch der Filter der Luftreinigungsgeräte. Diese sind aktuell nicht bezifferbar.
4. Zeitplan
Es wird auch darauf hingewiesen, dass durch das vorgesehene Vergabeverfahren die Beschaffung nicht vor Sommer 2021 abgeschlossen sein wird.
Nach Abwägung der eingangs erläuterten kritischen technischen Bewertung einer zusätzlichen Belüftung von belüftbaren Räumen mittels mobilen Luftreinigungsgeräten und aufgrund des Zeitplans der tatsächlichen Inbetriebnahme dieser mobilen Luftreinigungsanlagen in den Schulen sollte die Teilnahme an der zweiten Antragsrunde aktuell nicht angestrebt werden.