- Sachstandsbericht
- Verkehrsregelungen
E-Scooter sind Tretroller mit einem Elektroantrieb. Die Verwendung dieser Elektroroller ist über die Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeuge am Straßenverkehr geregelt. Zusammengefasst gilt die Verordnung für Fahrzeuge mit Lenk- oder Haltestange, mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 20 km/h und einer Straßenzulassung / Betriebserlaubnis.
E-Scooter sind Kraftahrzeuge. Deshalb muss damit grundsätzlich auf der Fahrbahn gefahren werden. Das Befahren von Gehwegen und Fußgängerzonen ist grundsätzlich verboten, auch wenn diese für Radverkehrs freigegeben sind. Ebenfalls ist das Befahren von Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung mit E-Scootern verboten. Lediglich benutzungspflichtige Radverkehrsanlagen, also Radwege, Radfahrstreifen und Fahrradstraßen müssen mit E-Scootern ebenfalls benutzt werden. Eine Freigabe der für Radverkehrs freigegebenen Bussonderfahrstreifen soll auch für die E-Scooter eingerichtet werden. Zur Vertiefung der Verkehrsregelungen wird auf die Verwaltungsvorlage für die Sitzung des PVS am 08.10.2019 verwiesen.
- Steuerungsmöglichkeiten von gewerblichen Vermietungen
In anderen Städten wurden insbesondere mit dem Aufkommen der dezentralen („Free-Floating“) Verleihangebote von E-Scootern und Fahrrädern, häufig negative Erfahrungen gemacht. Einige Städte wurden regelrecht von Anbietern „überschwemmt“ mit der Folge, dass durch E-Scooter und Leihfahrräder Gehwege und Aufenthaltsbereiche zugestellt wurden.
Nach dem sog. „Free-Float“-Geschäftsmodell bestehen keine festen Verleihstationen, die E-Scooter können überall angemietet und wieder abgestellt werden. Die Ausleihe bzw. das Freischalten funktioniert über eine Smartphone-App der jeweiligen Anbieter. Hierüber können auch verfügbare E-Scooter lokalisiert und ggf. auch reserviert werden.
Auf Grund der vielfach negativen Begleiterscheinungen wurde von vielen Seiten Steuerungsmöglichkeiten gefordert. Bisher war es herrschende Meinung, dass die Benutzung des öffentlichen Raums durch die gewerblichen Anbieter unter das Recht des erlaubnisfreien Gemeingebrauchs fallen und keine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellen. Damit sind die Steuerungsmöglichkeiten für Kommunen jedoch eher gering und beschränken sich bestenfalls auf (freiwillige) Verpflichtungserklärungen der Anbieter.
Eine Gesetzesinitiative für die Schaffung einer Erlaubnispflicht für den gewerblichen Verleih auf öffentlichen Flächen (§ 29 (4) StVO) fand im Bundesrat keine Mehrheit (985. Sitzung des Bundesrates, 14.2.2020).
Eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom 6.4.2020 hat sich der Fragestellung „E-Scooter – Gemeingebrauch oder Sondernutzung?“ beschäftigt und stellte zum einen fest, dass die Rechtsfrage aufgrund fehlender Urteile noch ungeklärt sei, zum anderen wurde eine Tendenz zu einer Einordnung als Teil des Gemeingebrauchs gesehen (vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags (6.4.2020) WD 3 - 3000 - 063/20).
Mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2020 liegt nun erstmals eine obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vor, ob die Benutzung des öffentlichen Raums durch einen gewerblichen Anbieter von Leihrädern unter das Recht des erlaubnisfreien Gemeingebrauchs fällt oder eine Sondernutzung darstellt. Das Urteil bestätigt die Rechtsauffassung der Stadt Düsseldorf, wonach dies eine Sondernutzung darstellt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.11.2020, Az. 11 B 1459/20).
In der Urteilbegründung wurde jedoch u.a. auf das Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) verwiesen. Eine Übertragbarkeit auf das jeweilige Landesrecht ist noch zu prüfen, scheint aber in Bezug auf das bayerische Recht nicht unmöglich.
Mit der Einordnung des E-Scooter-Verleihs als Sondernutzung stehen den Kommunen viel mehr Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung, was die Vermeidung von Störungen auf den öffentlich gewidmeten Flächen betrifft.
Der Tatbestand erscheint erfüllt, da eine erlaubnispflichtige Sondernutzung immer dann vorliegt, wenn die Nutzung über den Gemeingebrauch hinausgeht und den Gemeingebrauch zumindest abstrakt zu beeinträchtigen droht (vgl. Sondernutzung öffentlicher Straßen, Prof. Dr. Friedrich Schoch, JURA 2013).
- Definition von Rahmenbedingungen und Vereinbarungen
Städte und Anbieter haben aus den großen Problemen während der Boom-Phase der E-Scooter bei deren massenweiser Verbreitung in den Großstädten gelernt. Auch die Anbieter bemühen sich seitdem stärker, insbesondere die Park- und Abstellproblem zu reduzieren und damit das Negativimage abzubauen. Eine Kooperation und Zusammenarbeit ist in beiderseitigem Interesse. Bisher wurde in anderen Städten vorrangig mit freiwilligen Selbstverpflichtungserklärungen der Anbieter und Kooperationsvereinbarungen die Grundsätze und Rahmenbedingungen für einen sicheren und vorteilhaften Betrieb definiert. Mit einer Möglichkeit der Einordnung als Sondernutzung können natürlich ebenso einvernehmliche Regelungen getroffen werden – jedoch kann die Steuerung auch darüber hinausgehen, insbesondere was die Definition und Durchsetzung einer verträglichen und bedarfsorientierten Obergrenze der Leihgeräte betrifft
(siehe 2.1).
- Kontingent/ Begrenzung der Gesamtzahl der Leihgeräte
Aus den ersten Erfahrungen anderer Städte mit einer „Überschwemmung“ des Marktes durch eine Vielzahl von Leihgeräten, die deutlich über den Bedarf bzw. die Nachfrage hinausging, erscheint es erforderlich eine Obergrenze festzulegen. Aus den bisherigen Erfahrungen ist ein Angebot von 2 E-Scootern je 1.000 Einwohner bedarfsgerecht. Für Aschaffenburg mit rd. 72.000 Einwohnern wären dies 144, bzw. aufgerundet 150 E-Scooter.
Die festgesetzten 150 Scooter würden somit auf die Anbieter anteilig vergeben. Aktuell liegen der Stadt bereits Anfragen von drei Anbietern zum Verleih von E-Scootern vor.
- Verteilungskonzept
Es wird eine flächendeckende, der Nachfrage entsprechende Verteilung der E-Scooter angestrebt. Auch in den Stadtteilen soll ein Verleih möglich sein. In der Innenstadt soll eine flächendeckende Parkverbotszone definiert werden, wo das Abstellen der E-Scooter durch „Geofencing“ technisch verhindert wird. Innerhalb dieser Zone werden aber einzelne Abstellbereiche definiert, wo die E-Scooter abgestellt werden können. So ergibt sich in der Innenstadt praktisch eine Art von „Stationsbindung“, während sonst im Stadtgebiet ein freies Parken je nach Fahrziel möglich ist.
- Verkehrssicherheit
Die E-Scooter können im Rahmen der straßenverkehrsrechtlich geltenden Vorschriften grundsätzlich im öffentlichen Verkehrsraum genutzt werden. Hierfür ist insbesondere die Straßenverkehrsordnung und die Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge maßgeblich. Alle Anbieter haben eine allgemeine Betriebserlaubnis für Ihre Fahrzeuge sowie Versicherungsplaketten. Die Anbieter informieren ihre Kunden vor Fahrtbeginn über erwünschtes und unerwünschtes Verhalten und die wesentlichen straßenverkehrsrechtlichen Regelungen zur Nutzung der Scooter im Straßenverkehr. Die Nutzung / Befahrung unzulässiger Bereiche kann durch technische und organisatorische Möglichkeiten reduziert bzw. unterbunden werden. Dies beinhaltet auch eine technische Einweisung der Kunden. Die Kunden werden über die Vorgaben der Kooperationsvereinbarung vor Vertragsabschluss informiert und stimmen diesen mit Vertragsabschluss zu.
- Abstellen und Parken
Die Anbieter tragen durch technische und organisatorische Maßnahmen dafür Sorge, dass die Fahrzeuge ordnungsgemäß abgestellt werden. Seitens des Anbieters werden die Fahrzeuge so abgestellt, dass keine anderen Verkehrsteilnehmer, insbesondere keine Fußgänger und Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen, behindert werden. Es ist stets eine freibleibende nutzbare Gehwegbreite von mindestens 1,60 Meter zu gewährleisten. Die Kunden werden auch angehalten, die Fahrzeuge nicht auf Flächen Dritter (Privatgrund) abzustellen.
Seitens der Stadt können Bereiche definiert werden, in denen das Abstellen der Fahrzeuge grundsätzlich nicht erlaubt ist. Kunden, die einen Mietvorgang dennoch in einem solchen Bereich beenden wollen, werden anbieterseitig durch technische Maßnahmen an der Abmeldung mittels „Geofencing“ gehindert. Die freizuhaltenden Flächen können im Laufe der Zeit und nach neuen Erfahrungswerten angepasst werden. Eine Reaktionsfähigkeit auf Nachfrageveränderungen (Angebotserweiterung, aber auch Angebotsreduktion) ist gegeben und auch im Interesse der Anbieter. Ein Vorschlag zur Einrichtung der E-Scooter Parkverbotszone mit freigegebenen Parkinseln in der Innenstadt ist in Anlage 2.
- Kontrolle und Überwachung
Die Anbieter können verpflichtet werden, fortlaufende Sichtkontrollen und technische Maßnahmen durchzuführen, um die Einhaltung des ordnungsgemäßen Abstellens der E-Scooter zu kontrollieren. Auch das Entfernen beschädigter oder unsachgemäß abgestellter E-Scooter soll schnellstmöglich und innerhalb von 24 Stunden gewährleistet sein. Eine Identifikation der E-Scooter ist mit eindeutiger Seriennummer und Versicherungskennzeichen möglich. Das wiederholte Abstellen von E-Scootern durch Kunden auf unerlaubten Flächen oder das wiederholte Fahren in Fahrverbotszonen wird durch die Anbieter sanktioniert.
- Supportmanagement
Die Anbieter haben eine telefonische Support-Hotline und nennen auch eine Kontaktperson einschließlich einer Abwesenheitsvertretung, die während der Betriebsstunden über Telefon und E-Mail erreichbar ist. Diese Kontaktperson kann über die grundlegenden Anforderungen an den Anbieter, den Umgang mit anderen Anbietern und oder über die Anpassung der getroffenen Vereinbarungen entscheiden.
- Daten und Statistik
Die Daten über die Nutzung der E-Scooter müssen der Stadt Aschaffenburg regelmäßig oder auf Anfrage bereitgestellt werden. Es sind anonymisierte Nutzungsdaten für Analysezwecke. Dabei werden beispielsweise folgende monatliche Daten ausgewertet und übermittelt:
- Gesamtanzahl aller Fahrten.
- Gesamtsumme der zurückgelegten Kilometer.
- durchschnittliche Anzahl der Fahrten pro Fahrzeug und Tag.
- durchschnittlich zurückgelegten Kilometer pro Fahrzeug und Tag.
- durchschnittliche Fahrtdauer pro Fahrzeug und Tag.
- Anzahl und Art der Störungsmeldungen (z.B. Beschwerden wegen falsch abgestellter Fahrzeuge, Beschädigungen, Kollisionen, Unfälle).
Die Leitlinien zur Digitalisierung der Stadt Aschaffenburg werden berücksichtigt.
- Weiteres Vorgehen
Auf Grundlage der Beschlüsse wird die Verwaltung die unter Punkt 2 skizzierten Rahmenbedingungen ausarbeiten und sich mit den interessierten Anbietern in Verbindung setzen. Die Steuerungsziele sollen über Verträge und/ oder Verpflichtungserklärungen der den jeweiligen Anbieter gesichert werden.
Die abstimmten Vertragsentwürfe werden dem Stadtrat vorgelegt.
- Klimawirkungsprüfung
In der öffentlichen Wahrnehmung werden die E-Scooter zumeist noch als touristisches „Spaß-Gefährt“ gesehen und in der Praxis auch so genutzt. Eine Substitution von Kfz-Fahrten durch die E-Scooter ist nur in geringem Maße vorhanden. Es werden eher Verkehrsarten innerhalb des Umweltverbundes durch Fahrten mit dem E-Scooter ersetzt. Ein spürbar positiver Beitrag zur Verkehrswende ist deshalb nicht zu erwarten. Durch die massenhafte Produktion der E-Scooter und insbesondere der Akkus sind zunächst nur negative Auswirkungen auf die Umwelt und den Ressourcenverbrauch festzustellen. Zudem ist auch der Stromverbrauch zu berücksichtigen.
Ein positiver Beitrag durch die Nutzung der E-Scooter ist aber auch nicht ausgeschlossen. Natürlich können im Alltag auf den kurzen Wegen im Nahbereich auch Kfz-Fahrten ersetzt werden. Wie beim Fahrrad ist auch der E-Scooter innerhalb von 1-3 km Entfernung zwischen Quelle und Ziel der Fahrt insgesamt günstig, zeitlich konkurrenzfähig und auch sehr flexibel einsetzbar. Für diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die kein Fahrrad fahren möchten, kann der E-Scooter eine Mobilitätsalternative sein, die wesentlich flächensparender und aufgrund des geringen Energieverbrauchs auch ressourcenschonender ist als das Auto. Ein positiver Beitrag zur Verkehrswende und damit auch zu einer Klimawirkung ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen.