Die Kommunale Initiative (KI) stellte am 24.09.2020 einen Antrag auf Beschluss einer Baumschutzverordnung für die Stadt Aschaffenburg. Am 05.10.2020 stellte auch die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag auf eine Baumschutzverordnung.
Die KI führte als Beispiele für Städte, in denen bereits eine Baumschutzverordnung besteht, die Städte Ingolstadt, Würzburg, Frankfurt, Bamberg, Darmstadt, Erfurt, Jena, Weimar, Hildesheim und Hannover auf.
Als Begründung gab die KI Beispielsfälle von Fällungen von Bäumen in den letzten Jahren an, welche von einer entsprechenden Baumschutzverordnung in Aschaffenburg hätten geschützt werden können.
Für diese benannten Fälle wurde eine fachliche und rechtliche Bewertung vorgenommen, ob die Bäume von einer Baumschutzverordnung erfasst gewesen wären. Als Vorlage für die Baumschutzverordnung wurde beispielhaft die Verordnung der Stadt Ingolstadt herangezogen.
Das Ergebnis wird in der beigefügten Datei tabellarisch dargestellt.
Als Ausnahmefall hiervon ist die Fällung der 150 Jahre alten Eiche in der Dümpelsmühle im Jahre 2011 zu sehen, da dieser Baum im Außenbereich stand und durch eine Baumschutzverordnung die Bäume im Innenbereich geschützt werden. Auch die beiden Kiefern, die 2020 im Baugebiet Rotäckerstraße gefällt wurden, wären als Nadelbäume nicht von der Verordnung geschützt gewesen.
Der Großteil der aufgeführten Bäume war bereits durch einen Bebauungsplan festgesetzt. Neben der Eiche in der Dümpelsmühle, die im Außenbereich stand, waren nur die 150 Jahre alte Blutbuche in der Deutschen Straße 1 (Fällung 2005) sowie die 2020 im Baugebiet Rotäckerstraße gefällten Bäume nicht geschützt.
Hauptziele einer Baumschutzverordnung sind insbesondere der Schutz des alten Baumbestandes sowie die Forderung einer Ersatzpflanzung bzw. einer Ausgleichszahlung im Zuge einer genehmigten Fällung.
Um sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte/Folgen einer Verordnung besser beurteilen zu können, erfolgte bereits 2019 eine Abfrage bei den jeweils zuständigen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen der Fachbereiche der Städte München, Schweinfurt, Bamberg und Ingolstadt, bei denen aktuell eine Baumschutzverordnung besteht oder bestanden hat.
Zudem erfolgte eine Befragung bei den im Antrag der KI aufgeführten Städten Würzburg, Frankfurt, Darmstadt, Erfurt, Jena, Weimar, Hildesheim und Hannover zu den Erfahrungen mit ihren Baumschutzverordnungen.
Für die Beurteilung der Vor- und Nachteile einer Baumschutzverordnung wurde zudem das Ergebnis des Projektes „Neue Chancen für alte Bäume“ des Bund Naturschutz (BN) herangezogen. Im Rahmen dieses Projektes wurde erhoben, wie viele der bayerischen Kommunen eine Bauschutzverordnung erlassen haben. Nach der Erhebung des BN gibt es in 94 von insgesamt 2.056 Kommunen in Bayern eine Baumschutzverordnung. Die Städte und Gemeinden, in denen eine Baumschutzverordnung besteht, wurden vom BN zur Ausgestaltung und Effektivität ihrer Verordnungen befragt, 86 % dieser Kommunen nahmen an der Befragung teil.
Aufgrund der mitgeteilten Informationen der oben benannten Städte sowie des Ergebnisses der Kommunalbefragung des BN können zusammenfassend die folgenden Vor- und Nachteile einer Baumschutzverordnung dargestellt werden:
Vorteile:
- Bezogen auf den Innenbereich gem. § 34 BauGB: Schutz aller Bäume, deren Stammumfang größer als der in der Verordnung festgelegte Umfang ist.
- Im Zuge einer Fällgenehmigung können Ersatzpflanzungen oder eine Ausgleichszahlung angeordnet werden.
Nachteile:
- „Gefühlte Bevormundung“ des Bürgers, Eingriff in seine persönliche Entscheidungsfreiheit, somit ist eine schlechte Akzeptanz einer Baumschutzverordnung zu erwarten.
- Es besteht die Befürchtung, dass möglicherweise vor dem Erlass der Verordnung Bäume gefällt werden, die unter den Schutzumfang subsumiert werden können bzw. nach Erlass der Verordnung Fällungen von Bäumen vor Erreichen des Schutzumfangs durchgeführt werden. Dadurch könne eine „Zweiklassengesellschaft“ der Bäume (junge Bäume, die den Schutzumfang noch nicht erreicht haben sowie alte Bäume, die beim Erlass der Verordnung den Umfang bereits erreicht hatten) entstehen. Da der Großteil der Baumschutzverordnungen in Bayern bereits vor mehr als zwanzig Jahren eingeführt wurde, gibt es wenig Erfahrungswerte zu Fällungen vor Verordnungserlass. Fällungen, bevor Bäume den Schutzumfang der Verordnung erreicht haben, erfolgen nach der Studie des BN in einem Viertel der Kommunen immer wieder, in 48 % eher selten. Dass dies nie passieren würde, gab keine Kommune an.
- In einer Baumschutzverordnung werden Tatbestände geregelt unter deren Voraussetzung eine Genehmigung zu erteilen ist bzw. erteilt werden kann. Ein absoluter Schutz des alten Baumbestandes ist durch eine Baumschutzverordnung daher nicht gesichert. Die Umfrage bei o. g. Städten ergab, dass bei diesen durchschnittlich 80 – 90 % der Anträge auf Fällung genehmigt werden. Die Befragung des BN kam zu dem Ergebnis, dass in Bayern durchschnittlich 72 % der Fällanträge genehmigt werden, in ca. einem Drittel der Kommunen werden 90 % und mehr der Anträge genehmigt.
- Eine Baumschutzverordnung ersetzt keine intensive Beratung der Bürger, wie sie aktuell bereits innerhalb der Stadt Aschaffenburg durch die jeweiligen Fachämter durchgeführt wird. Durch die bereits freiwillig durchgeführte Baumberatung konnte die Fällung einiger Bäume bereits verhindert werden.
Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es aufgrund verstärkter Bautätigkeit im Bereich großer begrünter Grundstücke im Zuge der Innenverdichtung (Umwandlung von Grundstücken mit Einfamilienhäusern in Anlagen mit mehreren Wohneinheiten und Tiefgaragen) zu einem sukzessiven Verlust von wertvollem Baumbestand kommt. Bei Vorliegen einer Baumschutzverordnung wäre in diesen Fällen der Bauherr verpflichtet, Bäume nachzupflanzen, was aber wegen fehlendem Platz nicht möglich ist. In diesen Fällen wäre eine Ausgleichszahlung für Nachpflanzungen an die Stadt fällig. Städtische Flächen stehen jedoch nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung.
Ersatzpflanzungen müssten auch an Standorten realisiert werden, bei denen hohe Kosten anfallen (technische Umbauten an Straßen, Entwässerungseinrichtungen, Leitungen etc.)
Die Kosten für Pflege und Unterhalt der Ersatzpflanzungen im öffentlichen Grün werden bei Ersatzpflanzungen von der Stadt und nicht vom Verursacher getragen.
- Durch eine Baumschutzverordnung kann es zu einer weitergehenden Personalbindung sowie einem Personalmehrbedarf kommen. Beispielsweise:
- Garten- und Friedhofsamt: Sollte bei einer genehmigten Fällung keine Ersatzpflanzung möglich sein (z. B. aufgrund von Baurecht), wird eine Ausgleichszahlung festgesetzt. Mit dieser Ausgleichszahlung müssten durch das Garten- und Friedhofsamt auf geeigneten städtischen Flächen Standorte gesucht werden, Planungen erstellt, notwendige Baumaßnahmen und zusätzliche Neupflanzungen durchgeführt werden.
Der Unterhalt der Ersatzbäume im öffentlichen Grün erfolgt ebenfalls durch Mitarbeiter des Garten- und Friedhofsamtes.
- Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz: Die Baumschutzverordnung muss sowohl aus fachlicher als auch aus rechtlicher Sicht umgesetzt werden. Bei einem Eingang eines Antrages auf Genehmigung auf Fällung muss eine Beurteilung des betroffenen Baumes aus fachlicher Sicht erfolgen. Nicht immer ist die vorgelegte Fotodokumentation ausreichend für die fachliche Beurteilung. Eine Vor-Ort-Kontrolle ist hier dann notwendig. Nach der fachlichen Beurteilung wird eine rechtliche Beurteilung der Situation im Hinblick auf eine Fällgenehmigung oder Fällversagung vorgenommen. Bei einer Fällversagung muss unter Umständen mit einem Widerspruchs- oder Klageverfahren gerechnet werden. Sollte die Fällung genehmigt werden und in diesem Zuge eine Ersatzpflanzung erforderlich sein, fällt diese Ersatzpflanzung direkt unter die Baumschutzverordnung. Um den Erhalt der Ersatzpflanzungen fortlaufend zu gewährleisten ist eine regelmäßige Kontrolle des „Ersatzpflanzungsbaum-Bestandes“ zu gewährleisten. Die Nachfrage bei den anderen Städten ergab, dass die Gewährleistung einen zunehmenden fachlichen sowie rechtlichen Personalbedarf benötigt. In Folge dessen und des daraus resultierenden Personalmangels in den angefragten Städten, kann eine Kontrolle der Ersatzpflanzungen nicht im benötigten Umfang durchgeführt werden. Die Studie des BN kam zu dem Ergebnis, dass nur in 26 % der Kommunen Ersatzpflanzungen bei jeder Maßnahme überprüft werden, der Großteil der Überprüfung erfolgt nur stichprobenartig. Zudem werden Sanktionen oftmals nicht durchgesetzt. Nur 8 % der Kommunen gaben an, dass es bei Verstößen immer zu Sanktionen komme, in 35 % der Kommunen werden Sanktionen selten, in 8 % nie durchgesetzt. Damit eine Baumschutzverordnung ihrem Schutzzweck gerecht wird, ist die Überprüfung von Ersatzpflanzungen und Sanktionierung von Verstößen erforderlich.
Der Vergleich der angefragten Städte stellt sich als sehr schwierig dar, da die Parameter in den jeweiligen Baumschutzverordnungen unterschiedlich gestaltet wurden. Ebenfalls gibt es Unterschiede bei den innerhalb der Verordnung ausgenommenen Flächen (öffentliche Grünanlagen, Erwerbsgartenbau, etc.), den Nadel- und Obstbäumen sowie in Bezug auf die Aufnahme von mehrstämmigen Bäumen in eine Verordnung.
Der Personalbedarf beträgt beispielhaft bei den folgenden angefragten Städten:
- München: 10 Vollzeitäquivalente (VZÄ) fachlich sowie 6 VZÄ rechtlich
- Ingolstadt (ca. doppelt so groß wie Aschaffenburg): 1 VZÄ fachlich sowie 1 VZÄ rechtlich
- Bamberg (von der Fläche vergleichbar mit Aschaffenburg): 0,5 VZÄ fachlich sowie 0,5 VZÄ rechtlich
- Würzburg (ca. doppelt so groß wie Aschaffenburg): 1 VZÄ fachlich sowie 1 VZÄ rechtlich
- Schweinfurt: Baumschutzverordnung wurde am 01. Juli 2018 abgeschafft
Aufgrund der vorliegenden Informationen aus dem Vergleich der betroffenen Grundfläche der Städte sowie der angegebenen Anzahl der Anträge pro Jahr ergibt sich grob geschätzt bei der Stadt Aschaffenburg ein erhöhter Personalbedarf insbesondere für das Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz von einer 0,5 Stelle (rechtlich) sowie einer 0,5 Stelle (fachlich). Dafür müsste die Stadt ca. 65.000 € / Jahr veranschlagen.
Seitens des Garten- und Friedhofsamtes wird ein Personalbedarf von 0,5 Stelle für Planung, Ausführung und Unterhalt der Ersatzpflanzungen gesehen.
Um zurzeit einen größtmöglichen Schutz von Bäumen z. B. auf Baugrundstücken zu erreichen, wird bei Bauanträgen folgendermaßen vorgegangen:
Bereits vor Abgabe eines Bauantrages stellt der/die zuständige Sachbearbeiter/in im Stadtplanungsamt im Rahmen der Vorgespräche fest, ob sich auf den Baugrundstücken erhaltenswerte Bäume befinden und notiert dies auf einem Formblatt. Dies ist insbesondere wichtig bei genehmigungsfreien Bauvorhaben.
Ergänzend hierzu werden vom Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz (Naturschutz) nach Eingang der wöchentlich erstellten Bauantragsliste die Baugrundstücke zunächst anhand der Luftbilder überprüft. Falls größere Bäume oder Baumbestände erkennbar sind, werden das Bauordnungsamt und der städtische Baumberater des Garten- und Friedhofsamtes informiert. Die Hinweise werden der jeweiligen Bauakte beigelegt. Diese Vorgehensweise hat auch zu einer größeren Sensibilität für den Baumschutz innerhalb der Verwaltung geführt.
Zudem wird betont, dass die Stadt Aschaffenburg den Baumbestand auch über Bebauungspläne schützt. Beim Erlass von Bebauungsplänen werden erhaltenswerte Bäume als zu erhaltend festgesetzt. Diese Bäume dürfen grundsätzlich nicht beseitigt werden. Bei einer Beseitigung wird der Verursacher bauordnungsrechtlich zu einer Ersatzpflanzung verpflichtet.
Nicht zuletzt ist anhand der beigefügten Tabelle nachzuvollziehen, dass ein Schutz von Bäumen auch durch Festsetzungen in Bebauungsplänen erreicht werden kann.
Darüber hinaus wird der städtische Baumberater bei Problemen in privaten Gärten hinzugezogen. Typische Fälle sind Bäume, die zu nah am benachbarten Grundstück stehen und durch Laub- und Fruchtfall z. T. erhebliche Probleme verursachen.
Die Zunahme der Anrufe besorgter Bürger bei Baumfällungen zeigt, dass auch in der Bevölkerung das Interesse am Erhalt des städtischen Grüns groß ist.
Es sei noch erwähnt, dass die Stadt in den letzten 7 Jahren insgesamt 43 Bäume als Naturdenkmal unter Schutz gestellt hat. Von diesen Bäumen befinden sich 22 im Innenbereich bzw. innerhalb eines Bebauungsplans. Diese Bäume wären auch vom Geltungsbereich einer Baumschutzverordnung erfasst.
Fazit:
Der Vergleich des Vollzuges von Baumschutzverordnungen in anderen Städten hat gezeigt, dass der Großteil der beantragten Fällungen genehmigt wird. Ersatzpflanzungen gestalten sich im Zuge einer genehmigten Fällung in Folge der Nachverdichtung als schwierig und werden in den Städten nicht ausreichend kontrolliert. Ferner zeigt die beigefügte Tabelle, dass die von der KI angegebenen Bäume mit Ausnahme der 2005 gefällten Blutbuche sowie der 2020 gefällten Weide keinen besseren Schutz durch eine Baumschutzverordnung erhalten hätten. Für den Vollzug einer Baumschutzverordnung wird zusätzliches Personal (fachlich und rechtlich) benötigt.
Seit 2010 wurde das Thema der Baumschutzverordnung zwei Mal im Stadtrat behandelt.
Am 01.03.2010 fasste der Stadtrat den Beschluss, dem Vorschlag der Verwaltung zuzustimmen, den eingeschlagenen erfolgreichen Weg des Baumschutzkonzeptes beizubehalten und vom Erlass einer Baumschutzverordnung abzusehen.
Den gleich lautenden Beschluss fasste der Stadtrat in der UVS-Sitzung am 26.06.2019.
Die oben dargestellte bewährte Vorgehensweise in Aschaffenburg soll weiterhin als Alternative zu einer Baumschutzverordnung fortgeführt werden.
Daher wird vorgeschlagen, den eingeschlagenen erfolgreichen Weg des Baumschutzkonzeptes beizubehalten und vom Erlass einer Baumschutzverordnung abzusehen.
Anlagen:
Tabelle „Bewertung gefällter Bäume zwischen 2005 und 2020“
Liste der Naturdenkmäler in der Stadt Aschaffenburg seit 2014