Einrichtung eines Pflegestützpunktes; - Antrag der SPD-Stadtratsfraktion vom 18.07.2017 - Antrag von Herrn Stadtrat Dr. Lothar Blatt (UBV) vom 08.07.2020


Daten angezeigt aus Sitzung:  10. Sitzung des Stadtrates (Plenum), 19.07.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Stadtrat (Plenum) 10. Sitzung des Stadtrates (Plenum) 19.07.2021 ö Beschließend 9PL/10/9/21

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

Steigender Beratungsbedarf
Bereits seit 2009 besteht im Freistaat Bayern die Möglichkeit, Pflegestützpunkte einzurichten. Bisher gibt es 18 Pflegestützpunkte in Bayern, davon 5 in Unterfranken.
Der Bedarf für eine koordinierte und strukturierte Pflegeberatung ist schon jetzt gegeben und wird in den nächsten Jahren aufgrund des demographischen Wandels weiter stark zunehmen. Die Altersgruppe der ab 75-Jährigen wird bis 2037 in ganz Bayern am stärksten zunehmen, auch in Unterfranken, wo die Gesamtbevölkerung tendenziell eher schrumpfen wird?? Vgl. Gutachten für den Bereich der Pflege für die Jahre 2025 bis 2050 in Bayern, Endbericht für das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Teilbericht A: Gesamtgutachten, S. 34 (Berlin 2020)
. Da die Wahrscheinlichkeit für Pflegebedürftigkeit ab dem 75. Lebensjahr stark ansteigt, ist zu erwarten, dass auch die Zahl der Pflegebedürftigen wachsen wird. Hochrechnungen zufolge?? Vgl. Gutachten für den Bereich der Pflege für die Jahre 2025 bis 2050 in Bayern, Endbericht für das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Teilbericht B: Tabellenband, S. 507 (Berlin 2020) wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Aschaffenburg im Vergleich zu 2017 (2.825) bis zum Jahr 2025 um 321 Personen steigen, bis 2030 um 500. 
Beratungsangebote zur Pflege stellen eine gesetzliche Leistung der Kranken- und Pflegekassen dar, diese führen eine Beratung in der Regel jedoch nur für ihre eigenen Mitglieder durch. In Aschaffenburg gibt es aktuell zusätzlich zu den Krankenkassen verschiedene Anlaufstellen zum Thema Pflege. Diese können jeweils einzelne Teilbereiche abdecken, die Koordination vieler Akteure, insbesondere bei komplexen Problemlagen, ist jedoch schwierig bis unmöglich und belastet auch die Angehörigen zusätzlich. 
Anzustreben ist daher eine wohnortnahe, neutrale, unabhängige und umfassende Beratung. Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen oder weitere von ihnen beauftragte Personen sollen unnötige Wege zu unterschiedlichen Ansprechpartnern erspart bleiben, indem sie Informationen über erforderliche Hilfen und Unterstützungsleistungen möglichst aus einer Hand erhalten. 

Leistungen und Modellvarianten von Pflegestützpunkten
Aufgabe der Pflegestützpunkte ist es, dass Menschen zu allen Fragen im Vor- und Umfeld der Pflege beraten und die für sie in Betracht kommenden Hilfs- und Unterstützungsangebote koordiniert werden, um eine wohnartnahe und möglichst abgestimmte Versorgung und Betreuung zu erhalten.
Dies beinhaltet insbesondere:
       -Örtliche Anlaufstelle für Rat-und Hilfesuchende zum Thema Pflege
       -Informationen zu möglichen Sozialleistungen und weiteren Hilfsangeboten
       -kostenlose und neutrale Beratung in sämtlichen pflegerischen Belangen
       -Pflegeberatung im Sinne eines umfassenden Fall-Managements
       -Koordination von wohnortnahen Hilfs- und Unterstützungsangeboten
       -regionale Vernetzung mit allen relevanten Akteuren
       - Öffentlichkeitsarbeit

Träger der Pflegestützpunkte sind die beteiligten Kosten- und Leistungsträger. Dies sind die Pflege- und Krankenkassen, die Träger der Hilfe zur Pflege (Bezirke) sowie die Träger der Altenhilfe (Kommunen).
§ 7 c Absatz 1a SGB XI normiert bis zum 31.12.2021 einen Gründungsanspruch für die Kommunen, von den Pflege- und Krankenkassen die Einrichtung eines Pflegestützpunktes zu verlangen.
Die seit Ende 2017 laufenden langwierigen und schwierigen Verhandlungen zwischen den Kranken-und Pflegekassen, den Bezirken und kommunalen Spitzenverbänden auf Landesebene zur Festlegung der Arbeit und der Finanzierung von Pflegestützpunkten nach § 7 c Abs.6 SGB XI führten im Jahre 2020 endlich zum Abschluss eines Rahmenvertrages.
Danach sind nunmehr zwei Varianten zur Einrichtung eines Pflegestützpunktes möglich:

  1. Kooperationsmodell 
  • Das Personal wird paritätisch (=hälftig) von der Kranken-/Pflegekasse und der Kommune gestellt. Bei einer Orientierungsgröße bei einem Vollzeitäquivalent pro 60.000 Einwohner sind das 1,2 Vollzeitstellen für die Stadt Aschaffenburg, demnach jeweils 0,6 Stellenanteile, die durch die Kommune und die Krankenkasse und Pflegekasse gestellt werden. 
  • Pflegeberatung nach §7a SGB XI erfolgt durch Pflegeberater der Kassen, der kommunale Mitarbeiter übernimmt die übrigen Aufgaben (Öffentlichkeitsarbeit, Netzwerkarbeit, homepage etc.) 
  • Personalkosten werden durch entsendende Träger unmittelbar getragen ( wobei der Bezirk 50% der Personalkosten der Kommune übernimmt)
  • die Sachkosten werden zu 2/3 von der Krankenkasse und der Pflegekasse und zu 1/6 von Bezirk und 1/6 von der Kommune getragen

  1. Angestelltenmodell:
  • Die Finanzierung erfolgt auf der Basis einer Ist-Kosten-Abrechnung
  • Personal ist bei der Kommune angestellt, Mitarbeiter (Pflegefachkräfte, Sozialversicherungsangestellte, Sozialarbeiter) müssen Zusatzqualifikation nach §7a SGB XI vorweisen, bei einer Orientierungsgröße von einem Vollzeitäquivalent pro 60.000,00 Einwohner, sind das für Aschaffenburg 1,2 Vollzeitstellen.
  • Für Personalkosten pro Vollzeitkraft wird ein maximal abrechenbarer Betrag anhand tariflicher Eingruppierungsmerkmale ( maximal TVÖD-SUE, S 15, Stufe 6) in Ansatz gebracht
  • Zuzüglich eines 20prozentigem Gemeinkostenzuschlag
  • Zuzüglich einer Sachkostenpauschale von derzeit 9.750,00 Euro
  • Dies sind insgesamt daher 106.650,00 Euro pro Vollzeitkraft, womit alle Aufwendungen und sonstigen Kosten (Miete etc.) abgegolten sind.
  • Für Aschaffenburg würde dies bei einer 1,2 Vollzeitstelle abrechenbare Kosten in Höhe von maximal 127.980,00 Euro bedeuten.
  • Hiervon trägt die Krankenkasse 1/3 und die Pflegekasse 1/3, der Bezirk und die Kommune tragen zusammen 1/3
  • für die Kommune entstehen Kosten i.H.v. 1/6 der Gesamtkosten demnach 21.330,00 Euro

zusätzliche Fördermöglichkeiten 
… durch das Bayerische Landesamt für Pflege:
Um für den Ausbau von Pflegestützpunkten in Bayern zusätzliche Anreize zu schaffen, hat der Freistaat beginnend ab dem Jahre 2021 zusätzliche Mittel im Rahmen der Richtlinie für die Förderung im „Bayerischen Netzwerk Pflege“ bereitgestellt. Das Förderprogramm endet zunächst zum 31.12.2023.
Unter Zugrundelegung von 1,2 Stellenanteilen würde die Fördersumme für die Stadt Aschaffenburg 4.000,00 Euro betragen.



Empfehlung der Verwaltung

Um auch den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Aschaffenburg eine wohnortnahe und unabhängige Pflegeberatung aus einer Hand anzubieten, empfiehlt die Verwaltung die Einrichtung eines Pflegestützpunktes.
 Der Landkreis Aschaffenburg plant derzeit ebenfalls die Einrichtung eines eigenen Pflegestützpunktes. Die Einrichtung eines gemeinsamen Pflegestützpunktes für die Stadt und den Landkreis Aschaffenburg, so wie von der UBV mit Schreiben vom 08.07.2020 beantragt, war nicht realisierbar.
Um Synergieeffekte nutzen zu können, würde eine örtliche Anbindung des Pflegestützpunktes an das Ehrenamtsbüro Aschaffenburg Aktiv!,an das die Selbsthilfekontaktstelle angegliedert ist, eine gewinnbringende Lösung darstellen. 
So können ehrenamtliche Ressourcen, die in der ambulanten Versorgung pflegebedürftiger Menschen eine immer größere Rolle spielen, direkt in den Beratungsprozess mit einbezogen werden. Außerdem können pflegende Angehörige, die häufig einer immensen Belastung ausgesetzt sind, Unterstützung in der Selbsthilfekontaktstelle erfahren. 
Insoweit empfiehlt die Verwaltung die Einrichtung eines Pflegestützpunktes in der Variante des Angestelltenmodells.
Die Vorteile beim Angestelltenmodell liegen darin, dass aufgrund des ausschließlichen Einsatzes von kommunalem Personal eine stringente Führungsstruktur und ein unabhängiges Agieren möglich sind. 
Dies wäre auch im Hinblick auf ein gemeinsames Beratungszentrum aus Pflegestützpunkt, Selbsthilfekontaktstelle und Aschaffenburg Aktiv! von Bedeutung. 
Weiterer Vorteil beim Angestelltenmodell ist, dass Hausbesuche in den Fällen, in denen dies erforderlich ist, auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich ist, was beim Kooperationsmodell laut Rahmenvertrag nur innerhalb der Öffnungszeiten vorgesehen ist und sich damit nicht als flexibel erweist.  
Auch ist die Einhaltung des Datenschutzes beim Angestelltenmodell einfacher zu gestalten als bei einem Kooperationsmodell mit mehreren Akteuren.
Aufgrund der einfacheren Handhabung und klaren Regelungen ist daher dem Angestelltenmodell der Vorzug einzuräumen.
Kommunen, die bereits seit Jahren das Kooperationsmodell praktizieren, wechseln derzeit in das Angestelltenmodell.
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass unabhängig von der Wahl des Modells für die Errichtung des Pflegestützpunktes barrierefreie Räume angemietet werden müssen, da innerhalb des Rathauses oder der Außenstellen keine Räume zur Verfügung stehen.
Ob die Personalbemessung anhand der Orientierungsgröße 1 : 60.000 auskömmlich sein wird, den Beratungsbedarf in der Stadt Aschaffenburg angemessen zu befriedigen, wird evaluiert werden müssen.
Weitere Fördermöglichkeiten, insbesondere die Netzwerkförderung nach § 45 c Absatz 9 SGB XI bei Zusammenarbeit mit der Selbsthilfekontaktstelle sind möglich und werden geprüft werden.

.Beschluss:

I.

  1. Die Verwaltung wird ermächtigt, von ihrem Initiativrecht gemäß § 7 c Absatz 1a SGB XI Gebrauch zu machen und die Verhandlungen mit den Kranken- und Pflegekassen und dem Bezirk zur Einrichtung eines Pflegestützpunktes in der Form des Angestelltenmodells in der Stadt Aschaffenburg aufzunehmen und einen Errichtungsvertrag auf der Grundlage des geltenden Rahmenvertrages abzuschließen.

  1. Die ggf. notwendigen 1,2 Vollzeitstellen sind im Stellenplan 2022 auszuweisen. Der Besetzung der Stellen zum nächstmöglichen Zeitpunkt wird zugestimmt.

II. Angaben zur Klimawirkung:

Bewertung -  jeweils Mehrung oder Minderung der Treibhausgase (THG)
Wenig klimarelevant
Teilweise klimarelevant 
Sehr klimarelevant
[ x ]   keine weiteren Angaben erforderlich
[…..]   kurze Erläuterung in den Begründungen
[…..]  ausführlicher Erläuterung 
in den Begründungen 
Bewertungsschema nach KÖP (Klimaschutzmanagement in öffentlich Projekten)
 (Nationale Klimaschutz-Initiative  -  Klimabündnis / ifeu-Heidelberg / BMU)

III. Angaben zu den Kosten:

Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [ x ]
nein [  ]

Sofern Kosten entstehen:


Die Kosten sind im laufenden Haushaltsplan veranschlagt
ja [  ]
nein [ x ]
Es entstehen Folgekosten
ja [ x ]
nein [  ]
Häufigkeit der Folgekosten
einmalig
[  ]
wiederkehrend
[ x ]

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 39, Dagegen: 1

Datenstand vom 05.10.2021 08:47 Uhr