Bericht über ein Vorhaben zum Kies- und Sandabbau im Vorranggebiet „Westlich Schönbusch“


Daten angezeigt aus Sitzung:  11. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates, 07.12.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Planungs- und Verkehrssenat 11. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates 07.12.2021 ö Beschließend 3PVS/11/3/21

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

Die Orbu GbR vertreten durch die Fritz Weber GmbH und Co. Miltenberger Industriewerk KG und Orgeldinger GmbH & Co. KG aus Bürgstadt bereitet ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren für die Gewinnung und Veredelung von Quarzsand und Quarzkies auf den Flächen des Vorranggebietes „SD/KS 2 Westlich Schönbusch“ vor.
Die Orbu GbR ist an die Stadt Aschaffenburg herangetreten um über das Verfahren und das Vorhaben zu informieren und einen Kooperations- und Grunderwerbsvertrag abzuschließen - über die Vertragsinhalte wird in nicht öffentlicher Sitzung beraten.

Lage 
Das Gebiet mit der Lagebezeichnung „Nilkheimer Felder“ liegt im Außenbereich (§ 35 BauGB) westlich des Schönbuschs in der Gemarkung Leider, an den Gemarkungsgrenzen zu Stockstadt und Großostheim. 
Das Gebiet grenzt im Osten an den Schönbusch, im Westen wird es durch die Obernburger Straße begrenzt. 
Im Norden zieht die Darmstädter Straße die Grenze, im Süden schließen sich die Gewerbegebiete xxx „Linde“, xxx „Wailandtstr.“, xxx „Niedernberger Str.“ und xxx „GE III Nilkheim“ an.
Es handelt sich um ein Areal mit meist sehr großflächigen Grundstücken in landwirtschaftlicher Nutzung, die zum Teil der Stadt (vgl. Abb. 1) und zum Teil Privateigentümern gehören. 

Abb. 1 Gebietsausschnitt mit Vorranggebiet und Darstellung städtischer Grundstücke (gelb)


Regionalplan Region Bayerischer Untermain 
Der Regionalplan Region Bayerischer Untermain konkretisiert räumlich und fachlich das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) für die Region Bayerischer Untermain.
Er legt für das betroffene Gebiet „westlich Schönbusch“ ein Vorranggebiet mit der Nummer „SD/KS 2“ für Sand und Kies fest. Bei Sand und Kies handelt es sich um grundeigene Bodenschätze gem. § 3 Abs. 2 und 4 BbergG. „In Vorranggebieten soll bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Gewinnung von Bodenschätzen der Vorrang gegenüber anderen Nutzungsansprüchen zukommen“ (vgl. Regionalplan der Region Bayerischer Untermain 1, S. 53, Nr. 3.2.2.1) 

Das ausgewiesene Vorranggebiet wird vom regionalen Grünzug Gz3 „westlich Aschaffenburg“ überlagert. Der Grünzug reicht vom Freizeitpark Sonneck im Westen bis zum Park Schönbusch im Osten. Regionale Grünzüge dienen der Gliederung von Siedlungsräumen, der Erholungsvorsorge, dem Luftaustausch und der Vernetzung ökologisch bedeutsamer Flächen. Beeinträchtigende Maßnahmen sollen unterbleiben – das Vorranggebiet ist hiervon unberührt.
In der weiteren Umgebung befinden sich außerdem Trenngrünflächen (T12 „zwischen Stock-stadt am Main und Aschaffenburg“) und landschaftliche Vorbehaltsgebiete („Unter- und Oberhübnerwald bei Stockstadt a. Main“). Sie sind durch das geplante Vorhaben nicht tangiert.

Abb. 2 Ausschnitt Karte 2 "Siedlung und Versorgung" zum Regionalplan Bay. Untermain 1


Flächennutzungsplan und Landschaftsplan
Der rechtskräftige Flächennutzungsplan FNP 2030 der Stadt Aschaffenburg stellt für das Gebiet „landwirtschaftliche Fläche“ im Außenbereich mit der Zweckbestimmung „Flächen für Abgrabungen oder für die Gewinnung von Bodenschätzen“ für einen Großteil der Fläche dar (vgl. Abb. 3). 
Die Entwurfsplanung vom August 2012 hatte hier noch einen Großteil gewerbliche Fläche dargestellt (vgl. Abb. 4). Diese Zielsetzung einer baulichen Nutzung kollidierte jedoch mit den Zielen des Regionalplans als Vorrangfläche für Rohstoffgewinnung. Die Stadt Aschaffenburg musste ihr Planungsziel durch den Vorrang der Regionalplanung zurücknehmen. Demnach wäre eine bauliche Nutzung erst nach dem Rohstoffabbau möglich, sofern diese Nachnutzung im bergrechtlichen Verfahren auch festgelegt wird.

Östlich und südlich wird das Gebiet von Flächen umgrenzt, die als „Biotopverbund Trockenlebensraum“ dargestellt sind. 
Im südlichen Bereich verläuft die Grenze zur Wasserschutzzone IIIA. 
Im Westen, entlang der Obernburger Straße, liegt Flurstück Nr. xxx, Gem. Leider, für das eine Fläche mit der Zweckbestimmung „Abfall“ dargestellt ist und auf dem sich das mit dem Bebauungsplan Nr. 9/6 überplante Gebiet der Kompostierungsanlage der GABA befindet.
Weitgehend diagonal über das Gebiet verlaufen Versorgungsleitungen (220 kV und 110 KV).
Die gesamte Fläche wird mit dem Ziel dargestellt, eine Flurdurchgrünung anzustreben. 

Abb. 3 Ausschnitt des rechtskräftigen FNP 2030

Abb. 4 Ausschnitt FNP 2030 Vorentwurf vom 14.08.2012 

Verbindliche Bauleitplanung
Das betroffene Gebiet ist nicht mit Bebauungsplänen überplant. Direkt angrenzend an die Vorrangfläche wurde für die Kompostierungsanlage auf dem Grundstück mit der Flurnummer xxx, Gem. Leider der BPl. Nr. 9/6 „Kompostierungsanlage“ ausgewiesen. 
Für eine geplante Photovoltaikanlage wurde westlich der Obernburger Straße ein Aufstellungsbeschluss für einen Vorhaben- und Erschließungsplan gefasst.

Vorhabenbeschreibung
Der Vorhabenträger strebt die Gewinnung von Sand und Kies auf einer Bruttofläche von rund 45,8 ha in einem sog. Nassabbau an, der sich nach räumlichen und zeitlichen Gewinnungsabschnitten ordnet. Nach den bisherigen Erkenntnissen einer bereits durchgeführten Lagerstättenerkundung wird die Rohstoffmächtigkeit auf durchschnittlich 11 m geschätzt. Der Grundwasserspiegel liegt bei ca. 7,5 m unter Flur.
Die Betriebsfläche für die Aufbereitungsanlage und Lagerflächen soll sich südlich an das Abbaugebiet an die bestehende gewerbliche Nutzung des Kompostwerks und Wertstoffhofs anschließen.
Die Erschließung der geplanten Tagebaufläche soll vom geplanten Betriebsgelände mit einem Anschluss zur Bundesstraße 469 über die Kreisstraße AB 16 verlaufen. Sied-lungsflächen werden hierdurch nicht tangiert.

Östlich an den Vorhabensbereich grenzt das landschaftsprägende Denkmal und Baudenkmal „Landschaftspark Schönbusch“ an. Es handelt sich hierbei um einen der frühesten Landschaftsgärten Süddeutschlands. Der Park ist neben seiner kulturhistorischen und denkmalschützerischen Funktion auch wichtiger Erholungsraum für die Aschaffenburger Bevölkerung. 
Zum Park Schönbusch soll ein ausreichender Abstand eingehalten werden. In der Folgenutzung soll hier ein 160 m breiter Grüngürtel entstehen. Der Bayrischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen wurde das Vorhaben bereits zur Kenntnis gegeben.


Folgenutzung
Die Auskiesung der Abbaufläche wird einen langen Zeitraum beanspruchen. Der Vorhabenträger geht von mindestens 10-15 Jahren aus. Für die Folgenutzung, die bergrechtlich festgesetzt wird, ist ein differenziertes Konzept vorgesehen, dass in der Endphase eine bauliche Nutzung (gewerbliche oder Sonderbaufläche) vorsieht und der ursprünglichen Zielsetzung des FNP-Vorentwurfs von 2012 entspricht. 
Nach einem von der Orbu GbR vorgeschlagenen Entwicklungskonzept für die Folgenutzung könnte auf einer rd. 23 ha Fläche bauliche Nutzungen vorgesehen werden. Zzgl. der Flächen für den temporären Anlagen- und Lagerflächenstandort (rd. 7 ha) würden so nach dem Rohstoffabbau und Teilverfüllung rd. 30 ha für gewerbliche oder Sondernutzungen zur Verfügung stehen (vgl. Abb.5 und 6).

Östlich in Richtung Park Schönbusch und nördlich bis zur Stadtgrenze sieht das Folgenutzungskonzept des Vorhabenträgers einen breiten Gürtel für Naturschutz und Erholung vor. Hiermit sollen die Ziele einer nachhaltigen Eingrünung der Gewerbefläche über breite Gehölzpflanzungen sowie eine parkartige und naturnahe Vernetzung der Landschafts- und Biotopelemente Schönbusch und Sonneck erreicht werden. 


Abb. 5 Vorgeschlagenes Folgenutzungskonzept der Orbu GbR

Abb. 6 Vorgeschlagenes Folgenutzungskonzept der Orbu GbR


Das Folgenutzungskonzept des Vorhabenträgers setzt eine teilweise Verfüllung voraus. Dies gilt insbesondere für die angestrebte ökologische Vernetzung zwischen den Parkflächen Schönbusch und Sonneck. Dieses wichtige Entwicklungsziel wird in mehreren Fach-planungen als übergeordnetes Leitbild formuliert oder zumindest planerisch impliziert (u.a. Regionalplan, Flächennutzungs- und Landschaftsplan, Arten- und Biotopschutzprogramm).
Hierdurch sollen die bestehenden Rahmenvorgaben nach Möglichkeit erreicht werden.
  • Grünzug gemäß Regionalplan Bayerischer Untermain (1)
  • Folgenutzung Biotopentwicklung und Erholung gemäß Regionalplan Bayerischer Untermain (1)
  • Flächenbestandteil BayernNetzNatur-Projekt
  • Flächenbestandteil eines Schwerpunktgebietes des Naturschutzes gemäß ABSP Landkreis Aschaffenburg
  • Standort mit Entwicklungspotenzial für Trocken- und Sandlebensräume gemäß FNP/LP Stadt Aschaffenburg; potenzielle Entwicklungsachse für ein Sandrasenverbundsystem ge-mäß ABSP Landkreis Aschaffenburg
  • Bereich mit erforderlicher Flurdurchgrünung gemäß FNP/LP Stadt Aschaffenburg
  • Abstandsflächen zum Landschaftspark Schönbusch (Denkmal und Baudenkmal)

Für den Bereich der baulichen Nutzflächen ist aus Landschaftsbild-Gründen keine vollständige Verfüllung geplant. Die bauliche Entwicklung kann so in sichtreduzierter Muldenlage ca. 4-5 m unter der ursprünglichen Geländeoberkante vollzogen werden. Ein vergleichbares Projekt hat der Vorhabenträger bereits in Bürgstadt realisiert. 


Gemäß § 15 BNatSchG Abs. 2 ist der Verursacher eines Eingriffes verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen).
Auf Grundlage der vom Vorhabenträger vorgesehenen Rekultivierungs-/Renaturierungs-Konzeption sowie unter Berücksichtigung der aktuellen Ausgangszustände ist von einer vollständigen Kompensation der Eingriffsfolgen im unmittelbaren Vorhabensbereich auszugehen. Lediglich im Hinblick auf die vorhandene Feldvogelfauna muss zur Gewährleistung des speziellen Artenschutzes voraussichtlich eine externe Kompensationsfläche bereitgestellt werden. Die Maßnahmen können jedoch erst mit Vorliegen der erforderlichen Fachgutachten durch die Naturschutzbehörden bestimmt werden.

Genehmigungsverfahren nach Bergrecht
Handelt es sich bei den Rohstoffen im Bereich des Vorranggebietes SD/KS um solche, die unter die Begriffsdefinition der „Grundeigenen Bodenschätze“ in § 3 Abs. 4 Bundesberggesetz (BBergG) subsummiert werden können, so beispielsweise Quarzsand, soweit er sich zur Herstellung von feuerfesten Erzeugnissen eignet, richtet sich das Genehmigungsverfahren nach den Richtlinien des Bergrechts. 

Das Vorhaben bedarf eines bergrechtlichen Rahmenbetriebsplanes mit einem Planfeststellungsverfahren und wird beim Bergamt Nordbayern, Regierung von Oberfranken, Bayreuth, durchgeführt. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens ist außerdem eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich.

Die für das Verfahren erforderlichen Antragsunterlagen bestehen aus dem Rahmenbetriebsplan mit Sonderbetriebsplan zur Wiedernutzbarmachung (Landschaftspflegerischer Begleitplan) sowie den erforderlichen Fachgutachten.
In Bezug auf die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen (v.a. § 44 BNatSchG) und hinsichtlich der Rechtsprechung zur "speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung" (saP) wird die Erstellung einer speziellen artenschutzrechtlichen Unterlage erforderlich.
Die für die Eingriffs- und Ausgleichsbewertung im Rahmen der landschaftspflegerischen Begleitplanung erforderlichen Fachgutachten werden für die Schutzgüter Pflanzen und Tiere erstellt. Die Ergebnisse sind in der Planung (Landschaftspflegerische Begleitplanung) zu berücksichtigen. 
 
Der Vorhabenträger, die Orbu GbR, wird den Umfang der einzelnen Gutachten mit den zuständigen Unteren Naturschutzbehörden (Stadt und Landkreis Aschaffenburg) sowie der Regierung von Unterfranken (Höhere Naturschutzbehörde) abstimmen. Auch in Bezug auf die zu erstellenden fachlichen Beiträge für Fauna und Flora werden im Vorfeld Abstimmungen mit den Naturschutzbehörden stattfinden.
Zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Abbaus sowie einer endgültigen landschaftspflegerischen Ausgestaltung und Renaturierung ist vom Vorhabenträger vorgesehen, die entsprechend geforderten Antragsunterlagen, mit denen eine Berücksichtigung fachlicher Erfordernisse sichergestellt wird, für ein bergrechtliches Zulassungsverfahren einzureichen.
Zur Feststellung des Umfanges der endgültig zu erarbeitenden Antragsunterlagen für das Zulassungsverfahren sowie zur Abstimmung und Beachtung ggf. weiterer fachlich erforderlicher Auflagen wird der Vorhabenträger einen Scoping-Termin mit den zuständigen Trägern öffentlicher Belange durchführen. Hierfür wurde bereits eine „Tischvorlage zur Behördeninformation“ (siehe Anlage 1 „Scopingvorlage Orbu GbR“) erstellt, die zunächst als Vorinformation dient.

Bezeichnung aller Anlagen (Pläne, Anträge, Sonstiges):
Anlage 1:          Scopingvorlage Orbu GbR, September 2020
Anlage 2:          Übersichtsplan Orbu GbR, April 2020
Anlage 3:        Folgenutzung Orbu GbR, April 2020
Anlage 4:         Gestaltungskonzept, Orbu GbR April 2020

.Beschluss: 1

I. Der Stadtrat nimmt die Vorstellung des Vorhabenträgers, der Orbu GbR, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn Dipl.-Ing. Matthias Scholz und den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis (Anlage 2).


II. Angaben zur Klimawirkung:

Bewertung - jeweils Mehrung oder Minderung der Treibhausgase (THG)
wenig klimarelevant
teilweise klimarelevant
sehr klimarelevant
[  ]  keine weiteren Angaben erforderlich
[ x ]  kurze Erläuterung in den Begründungen
[  ]  ausführliche Erläuterung 
in den Begründungen 
Bewertungsschema nach KÖP (Klimaschutzmanagement in öffentlich Projekten)
(Nationale Klimaschutz-Initiative  -  Klimabündnis / ifeu-Heidelberg / BMU)


III. Angaben zu den Kosten:

Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [  ]
nein [ x ]

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 0, Dagegen: 0

.Beschluss: 2

Die SPD-Stadtratsfraktion stellt den Antrag, dass der Stadtrat die Stadtverwaltung beauftragt, keine Flächen im Vorranggebiet „westlich Schönbusch“ zu verkaufen und alle rechtlichen Schritte zu unternehmen, um in diesem Gebiet die Nassauskiesung zu verhindern.

Abstimmungsergebnis:
Mehrheitlich angenommen

Datenstand vom 04.05.2022 11:04 Uhr