Einführung eines Fahrradverleihsystems


Daten angezeigt aus Sitzung:  4. Sitzung des Werksenates, 07.10.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Werksenat 4. Sitzung des Werksenates 07.10.2021 ö Beschließend 6WS/4/6/21

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

Ausgangssituation

Die Stadtwerke Aschaffenburg beabsichtigen einen Fahrradverleih in der Stadt Aschaffenburg einzuführen. Der Fahrradverleih soll als Ergänzung zum ÖPNV dienen. Da dieses Sharing-Angebot zeitlich flexibel ist und die Fahrtstrecken individuell wählbar sind, können systemische Nachteile des ÖPNV (Bindung an einen Fahrplan mit festgelegten Fahrwegen) ausgeglichen und das System ÖPNV insgesamt attraktiver gestaltet werden. Die Kombination beider Verkehrsmittel schafft eine vollwertige Mobilitätsalternative und kann Fahrten im MIV überflüssig machen. Die Akzeptanz der Leihfahrräder ist u.a. mit der Attraktivität des Angebots verknüpft (hochwertige Fahrräder, Verfügbarkeit an mehreren Standorten). Gerade für kürzere Strecken ist das Fahrrad sehr attraktiv.

Ein Fahrradverleihsystem bietet sowohl ökologische als auch sozialökonomische Vorteile. Durch eine Verringerung von Fahrten im MIV werden die Straßen vor allem im städtischen Bereich entlastet und die Luftqualität verbessert. Außerdem steigt die Attraktivität des öffentlichen Raums, weil Fahrräder weniger Fläche für Fahren und Abstellen beanspruchen. Dem Nutzer bietet die körperliche Betätigung gesundheitliche Vorteile. Zudem muss er sich nicht um die Anschaffung und Pflege eines eigenen Rades kümmern.

Um die Chancen für ein Fahrradverleihsystem in Aschaffenburg zu ermitteln, soll der Betrieb zunächst als Pilotprojekt für zwei Jahre erfolgen. Die Stadtwerke Aschaffenburg haben hierzu mehrere Anbieter von Fahrradverleihsystemen angefragt und wichtige Aspekte für eine Umsetzbarkeit geprüft. Das Ergebnis wird im Folgenden dargestellt.


Mengenbedarf und mögliche Standorte

Bei der Ermittlung des Mengenbedarfs wurde auf die Einschätzungen der Anbieter und auch des Radverkehrsbeauftragten der Stadt Aschaffenburg zurückgegriffen. Die Annahmen tendieren von einem Fahrradbestand von mindestens 40 Rädern bis zu einer Anzahl von über 100 Rädern. Bezogen auf die Stadtgröße bzw. Einwohnerzahl wird eine Zielgröße im Endausbau von 100 Fahrrädern empfohlen. Dieser Wert dient als Empfehlung und kann entsprechend der Erfahrungen aus dem Testbetrieb angepasst werden.

Als Standorte für die Fahrräder kommen in der Stadt Aschaffenburg insbesondere in Frage:
  • ROB
  • Freihofsplatz
  • Bahnhof Nord (Dämmer Tor)
  • Brentanoviertel (Fahrradstraße im Bereich Haltestelle Lamprechtstr. stadteinwärts)
  • Herstallturm (Goldbacher Straße in Höhe des Reisebüros)
  • Hochschule
  • Werkstraße/Stadtwerke

Abgeleitet aus den oben genannten Annahmen sowie den Erfahrungswerten der Anbieter schlagen die Stadtwerke für den Start des Pilotprojektes 50 Fahrräder vor. Pro Station sollen zunächst 7-8 Fahrräder aufgestellt werden.




Abbildung 1: Mögliche Standorte Fahrradverleih


Vergleich der Angebote

Von vier angefragten Anbietern sind drei Angebote eingegangen. Verglichen wurden die Anbieter Donkey Republic (Kopenhagen), Deutsche Bahn Connect GmbH (Call a Bike) (Frankfurt am Main) und Mainova (Hop-On Sharing) (Frankfurt am Main).

Donkey Republic ist ein Anbieter aus Dänemark und wurde 2015 gegründet. Angebote gibt es z. B. in Genf, Berlin, Köln, Landshut, Freiburg und Regensburg.

Call a Bike ist Teil des DB-Konzerns und hat 20 Jahre Erfahrung im Bereich Fahrradverleih. In über 80 Städten können ca. 16.000 Fahrräder ausgeliehen werden. Zu den Städten gehören beispielsweise Frankfurt am Main, Darmstadt, Offenbach, Lüneburg, Stuttgart und Hamburg. Call a Bike hat über 1 Mio. Kunden.

Die Mainova AG ist ein Energiedienstleister aus Frankfurt am Main und bietet neben klassischen Versorgungsinfrastrukturen auch Produkte und Dienstleistungen an, wie z.B. das Hop-On Sharing. Dabei handelt es sich um ein Sharing-System, in dem Fahrräder, aber auch weitere Fahrzeugarten angeboten und vermietet werden können. 
Aktuell ist das Bike-Sharing-System in Frankfurt vertreten. Zudem arbeitet Mainova derzeit an Sharing-Modellen mit E-Bikes in rund 25 hessischen Städten. Weiter bietet Mainova Car-Sharing für viele Kommunen und Energieversorgungsunternehmen an, u.a. in Königstein und Alzenau. Zuletzt wurden auch E-Scooter angeboten, dies musste aber aufgrund von Problemen mit dem Lieferanten zunächst wieder eingestellt werden.


  1. Leistungen
Gemeinsamkeiten aller Anbieter:

  • IT- Dienstleistungen (Einrichtung und Aktualisierung von Hintergrundsystem und Kunden-App)
  • Einrichtung der Stationen (physisch oder virtuell)
  • Durchführung des Kundenservice (Telefon, Web, Mail, App, Social Media)
  • Fahrräder: langlebig und wartungsarm; Flächen für eigene Werbung vorhanden
  • Möglichkeit für Vergünstigungen für Abo-Kunden, Unternehmen, Hochschulen etc.

Unterschiede zwischen den Anbietern:

Donkey Republic
Call a Bike
Mainova AG
  • Fahrräder werden von den Stadtwerken gekauft und sind Eigentum der Stadtwerke
  • „Buy-Back“-Option, wenn Fahrradverleihsystem nicht fortgeführt wird
  • Fahrräder werden nur bereitgestellt und verbleiben im Eigentum von Call a Bike
  • Räder werden von Mainova an die Stadtwerke vermietet 
  • Wartung, Reparatur und Zurückstellen der Räder durch die Stadtwerke
  • Operativer Betrieb wird komplett von Call a Bike übernommen (inkl. Reparaturen)
  • Full-Service Betrieb mit Vollkaskoversicherung
  • Inklusive: IT-System, Abwicklung, Wartung, Reparatur und Versicherung 
  • Zurückstellen der Räder durch die Stadtwerke 
  • Einnahmen werden an die Stadtwerke ausgezahlt
  • Einnahmen verbleiben bei Call a Bike
  • 75 % der Nettoerlöse aus der Drittvermietung erhalten die Stadtwerke
  • Stationen: Hybridsystem aus vorwiegend virtuellen Stationen + physischen Ankerstationen
  • Stationen: Wahl zwischen Stations- und Free-Floating-Modellen
  • Physische Stationen
  • Branding: Farbe der Fahrräder kann individualisiert werden, Logo kann in App integriert werden 
  • Branding der Deutschen Bahn
  • Individuelles Branding: App, Webseite und Fahrrad können nach Wunsch gestaltet werden

In den wesentlichen Leistungen unterscheiden sich die Anbieter kaum. Unterschiede bestehen in der konkreten Ausgestaltung, vor allem bezogen auf interne Prozesse.


  1. Buchung und Tarif
Die Buchung und das Entleihen der Fahrräder (Entsperren bei Fahrtantritt und Sperren nach Fahrtbeendigung) erfolgt über die jeweilige App. Der Nutzer muss das Fahrrad an einer der Stationen abholen und abstellen. Wenn Fahrräder außerhalb der Stationen abgestellt werden, wird eine Strafgebühr berechnet oder die Fahrt kann gar nicht erst beendet werden. Somit wird vermieden, dass Fahrräder wahllos im Stadtgebiet abgestellt werden.

Die Abrechnung erfolgt bei allen drei Anbietern im Wesentlichen nach Zeit. Daneben gibt es jeweils noch weitere Tarife für Vielnutzer. Ein direkter Vergleich zwischen den Anbietern ist nicht möglich, da bei Donkey Republic und Mainova die Minutenpreise individuell für jede Stadt gelten und individuell festgelegt werden können. Bezahlt wird bei Donkey Republic mit einem digitalen Zahlungsmittel (Debit- und Kreditkarten, Paypal), bei Call a Bike und Mainova per Kreditkarte oder Lastschrift. 

  1. Kosten
Für 50 Fahrräder und bei einer Laufzeit von 2 Jahren belaufen sich die Kosten bei Mainova auf ca. 92.950,00 €. Donkey Republic bietet einen Preis von ca. 46.150,00 €. Die eigenen Kosten der Stadtwerke sind darin jedoch noch unberücksichtigt. Das Angebot von Call a Bike (ebenfalls 50 Räder, 2 Jahre) würde ca. 108.000 Euro kosten. 
Die preislichen Unterschiede der drei Anbieter sind teilweise sehr auffällig. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis kann jedoch aus Sicht der Stadtwerke Mainova bieten.

  1. Vor- und Nachteile

Donkey Republic
Call a Bike (DB)
Mainova
Vorteile
  • Vergleichsweise kostengünstig
  • Angebot individuell anpassbar
  • Umfangreiche Auswertemöglichkeiten
  • 20 Jahre Erfahrung
  • Werkstatt in Frankfurt am Main
  • Ansprechpartner vor Ort
  • Feste, wöchentliche Sichtprüfung und jährliche Wartung
  • Haftung liegt bei Call a Bike
  • Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
  • Full-Service
  • Ansprechpartner vor Ort
  • 75 % der Erlöse werden rückvergütet
  • Flexible Erweiterung des Angebots (z.B. E-Bikes, E-Scooter)
  • Selbstbestimmbare Nutzungspreise
  • Inspektion 2x jährlich
Nachteile
  • 5 Jahre Erfahrung (vergleichsweise wenig)
  • Sitz in Kopenhagen (kein Ansprechpartner vor Ort)
  • Wartung, Sichtkontrolle, Inspektion etc. durch Stadtwerke
  • Haftung liegt bei den Stadtwerken
  • Vergleichsweise teuer
  • Keine regelmäßigen Sichtkontrollen 
  • Reinigung, Luftprüfung und Logistik nicht im Angebot enthalten

Der Hauptunterschied zwischen den Anbietern besteht darin, dass sich Call a Bike um die Kontrolle und Wartung der Räder kümmert, sowie die Haftung für die Sicherheit der Räder übernimmt. 
Im Fall von Donkey Republic müssen sich die Stadtwerke um die Kontrolle und Wartung der Räder selbst kümmern und dementsprechend die Haftung übernehmen. In diesem Punkt liegt auch der Unterschied in den Kosten begründet. Daher sind auf die oben genannten Kosten noch die Kosten für die Kontrolle und Wartung der Räder hinzuzurechnen. 
Problematisch könnte es sein, einen Anbieter für Reparaturleistungen zu finden, da die Fahrradwerkstätten aktuell eine starke Auslastung verzeichnen. Die Lieferzeiten für Ersatzteile sind ebenso recht lang. 

Mainova hingegen führt zwei Mal jährlich eine große Inspektion durch und sichert sich mit Hilfe der AGBs ab. Der Nutzer stimmt in den AGBs zu, dass er/sie vor Fahrtbeginn das Fahrrad auf Verkehrssicherheit prüft. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, bei Bedarf eine Reinigung inklusive Kurzcheck für 13,50 € pro Rad (netto) zu vereinbaren.
Bei diesem Angebot ist es sinnvoll einen eigenen Mitarbeiter mit der Logistik und Sichtkontrolle zu beauftragen. Dies könnte z. B. im Rahmen des Außendienstes durchgeführt werden.


Bewertung und Vorschlag

Aufgrund des Preis-Leistungs-Verhältnisses, dem Full-Service und der Möglichkeit einer Rückerstattung, empfehlen die Stadtwerke die Kooperation mit dem Anbieter Mainova AG. 50 Fahrräder sollen an den 7 priorisierten Stationen (siehe oben) bereitgestellt werden. Es handelt sich dabei um normale Fahrräder und keine Pedelecs oder E-Bikes. Der Betrieb ist zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren als Pilotprojekt vorgesehen. Vor Ablauf der zwei Jahre berichten die Stadtwerke über die Testphase und die gewonnenen Erkenntnisse und schlagen das weitere Vorgehen vor.  Konkrete Fördermöglichkeiten des Projekts müssen noch abgefragt werden.




















Fahrradtyp bei Mainova (unter Vorbehalt der Lieferfähigkeit): A200 28“ 7 Gang Shimano Nexus Freilauf

Bei einem Start im Frühjahr 2022 sind ggf. weitere Modelle verfügbar.

Bei einem Erfolg des Angebotes ist eine Ausweitung sowohl räumlich auf weitere Stationen bzw. Stadtteile als auch auf weitere nachhaltige Mobilitätslösungen (E-Bikes, E-Scooter etc.) denkbar, müssen jedoch gesondert geprüft werden.


Klimawirkung

Das Vorhaben ist als teilweise klimarelevant einzustufen. Ein Fahrradverleihsystem kann dazu beitragen, Fahrten im MIV zu vermindern und das Verkehrsaufkommen im MIV zu senken. Weniger MIV bedeutet weniger Ausstoß von Treibhausgasen. Gerade Kurzstreckenfahrten mit dem PKW können durch das Fahrrad ersetzt werden. Gleichzeitig kann das Fahrrad die Attraktivität des ÖPNV steigern, indem es als Ergänzung und als Verkehrsmittel für die „letzte Meile“ zur Verfügung steht. Die umweltfreundliche und emissionsfreie Nahmobilität steht im Fokus.

Der Einspareffekt von Treibhausgasen ist allerdings an die Akzeptanz des Angebots geknüpft. Für die Bereitstellung der Fahrräder werden Ressourcen verbraucht und indirekt Treibhausgase ausgestoßen. Außerdem ist das Angebot zunächst nicht flächendeckend verfügbar, wodurch nicht alle möglichen Nutzer profitieren. Wenn durch die Nutzung der Leihfahrräder aber tatsächlich Autofahrten eingespart werden, dürften die negativen Auswirkungen marginal sein und die positive Klimawirkung überwiegen.

.Beschluss:

I. Der Bericht der Stadtwerke Aschaffenburg über die Einführung eines Fahrradverleihsystems wird zur Kenntnis genommen.

Die Stadtwerke Aschaffenburg werden beauftragt, zunächst für 2 Jahre ein Fahrradverleihsystem mit 50 Fahrrädern an 7 Stationen einzuführen und die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen.  Eine Kooperation soll mit dem Anbieter Mainova AG erfolgen.

II. Angaben zur Klimawirkung:

Bewertung - jeweils Mehrung oder Minderung der Treibhausgase (THG)
wenig klimarelevant
teilweise klimarelevant
sehr klimarelevant
[  ]  keine weiteren Angaben erforderlich
[ x ]  kurze Erläuterung in den Begründungen
[  ]  ausführliche Erläuterung 
in den Begründungen 
Bewertungsschema nach KÖP (Klimaschutzmanagement in öffentlich Projekten)
(Nationale Klimaschutz-Initiative  -  Klimabündnis / ifeu-Heidelberg / BMU)

III. Angaben zu den Kosten:

Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [ x ]
nein [  ]

Sofern Kosten entstehen:


Die Kosten sind im laufenden Haushaltsplan veranschlagt
ja [  ]
nein [ x ]
Es entstehen Folgekosten
ja [  ]
nein [  ]
Häufigkeit der Folgekosten
einmalig
[  ]
wiederkehrend
[  ]

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 13, Dagegen: 1

Datenstand vom 28.02.2022 16:50 Uhr