Rahmenbedingungen für den gewerblichen Verleih von elektrischen Tretrollern („E-Scooter“) in Aschaffenburg - Antrag der SPD-Stadtratsfraktion vom 26.08.2021: E-Scooter-Chaos? Nein, Danke! Aschaffenburg kann das besser!


Daten angezeigt aus Sitzung:  1. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates, 18.01.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Planungs- und Verkehrssenat 1. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates 18.01.2022 ö Beschließend 8PVS/1/8/22

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

In der Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates vom 02.03.2021 wurde über den gewerblichen Verleih von elektrischen Tretrollen (E-Scooter“) informiert. 
Es ist festzustellen, dass es mittlerweile eine steigende Anzahl privater E-Scooter gibt. Auch im Rahmen des „Fahrradverleihs“ seitens der Verkehrsbetriebe der Stadt Aschaffenburg als Mobilitätsdienstleister wird ein Verleih von E-Scootern in Betracht gezogen. Für einen gewerblichen Verleih externer Anbieter liegen mehrere unverbindliche Anfragen vor.
Zunächst wurde der Verleih von Fahrrädern und E-Scootern sowie deren Aufstellung im öffentlichen Raum rechtlich als „Gemeingebrauch“ interpretiert. Es war damit genehmigungsfrei. Ausgehend von einem Urteil des OVG Münster im Jahr 2020 hat sich die Einschätzung der Gerichte geändert und der Verleih wird als „Sondernutzung“ eingeschätzt. Damit ist eine entsprechende Erlaubnis durch die Stadtverwaltung notwendig und eine Reglementierung des Angebotes ist möglich.

Es wurden nun Rahmenbedingungen ausgearbeitet, unter denen ein gewerblicher Verlieh vorstellbar und auch stadtverträglich sein kann. Diese wurden auch mit potenziellen Anbietern des gewerblichen Verleihs kommuniziert. Diese sehen die Rahmenbedingungen als umsetzbar und akzeptabel an.

Die Verwaltung hat die erforderlichen Steuerungsmöglichkeiten über die Anzahl der Fahrzeuge und die Definierung von Bereichen, wo das Abstellen der Fahrzeuge durch „Geofencings“ seitens der Anbieter reglementiert wird. Diese Bereiche können im Laufe der Zeit den Erfahrungswerten angepasst werden. Eine Reaktionsfähigkeit auf Nachfrageveränderungen (Angebotserweiterung, aber auch Angebotsreduktion) ist gegeben und auch im Interesse der Anbieter.

Rahmenbedingungen:

Die Stadtverwaltung schlägt folgende Rahmenbedingungen für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis vor:

  1. Organisation und Support

    1. Verleih nur mit Sondernutzungsgenehmigung 
    2. Begrenzung auf maximal 150 E-Scooter von maximal 2 externen Anbietern des gewerblichen Verleihs im Stadtgebiet
    3. Verteilung über ein Verteilungskonzept in Abstimmung mit der Stadt Aschaffenburg
    4. Die Anzahl und der Verteilungsschlüssel bleiben ständig variabel und anpassbar
    5. Einrichtung einer Support-Hotline und Nennung eines festen Ansprechpartners
    6. Entsorgung und Bergung von E-Scootern sowie Kostenübernahme durch die gewerblichen Vermieter (z.B. Bergung von E-Scootern aus dem Main)
    7. Support-Hotline: Die Zeitfrist für eine Abholung bei falsch abgestellten E-Scooter lautet: „schnellstmöglich bis maximal 5 Stunden
    8. Support-Hotline: Die Zeitfrist für eine Abholung defekter und gesperrter E-Scooter ist demgegenüber nachrangig zu betrachten. Sie lautet „schnellstmöglich bis maximal 24 Stunden
    9. Einstellung des Leihbetriebs: Entfernung von E-Scootern auf Kosten des Anbieters, wenn nach Ablauf der Zeitfristen trotz Aufforderung durch die Stadtverwaltung Aschaffenburg keine Abholung oder Bergung erfolgt sein sollte.


  1. Verkehrssicherheit

    1. Grundlagen des Betriebes: Einhaltung der Verkehrsregeln der StVO, Vorliegen einer Betriebserlaubnis, Vorliegen von Versicherungsplaketten, Einhaltung der Vorschriften der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKVF), fortlaufende Aktualisierung der Verleih-Software
    2. Vor Fahrbeginn: Informationen über die Nutzung und straßenverkehrsrechtlichen Regelungen und zum störungsfreien Abstellen und Parken.
    3. Tägliche Prüfung der Fahrzeuge auf Verkehrssicherheit und Mängel durch den Anbieter
    4. Auf Wunsch der Stadt müssen die Anbieter bei Veranstaltungen zusätzliche Bereiche für das Parken und Abstellen blockieren.


  1. Fahren, zwischenzeitliches Abstellen und Parken

    1. Die Anbieter stellen die erforderliche Software für den Verleih 
    2. Die Stadt Aschaffenburg hat die Möglichkeit zur Festlegung von Fahrverbotszonen (Fußgängerzone, Fußwege, Grünanlagen)
    3. In der Innenstadt werden feste Parkzonen durch „Geofencing“ ausgewiesenen und durch Schilder und Markierungen für die Nutzer erkennbar gemacht
    4. Für das dauerhafte Parken ist eine 50m-Pufferzone mit Abstand um den Main vorzusehen (Vorbeugung von Vandalismus)
    5. In der Innenstadt sind in der Regel 5 E-Scooter pro Standort vorgesehen. Eine flächige Verteilung muss im Rahmen der Neuaufstellung gewährleistet werden
    6. Gesamtstadt: Außerhalb des definierten Innenstadtbereichs ist ein freies Abstellen möglich. Dabei dürfen insbesondere keine Fußgänger und Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen behindert werden. Es ist stets eine freibleibende nutzbare Gehwegbreite von mindestens 1,60 Meter zu gewährleisten. Die Kunden werden auch angehalten, die Fahrzeuge nicht auf Flächen Dritter (Privatgrund) abzustellen.
    7. Nach dem Laden sollen die E-Scooter wieder an definierten Ausgangs-Standorten aufgestellt werden 
    8. Die Anbieter stellen durch technische Maßnahmen sicher, dass die E-Scooter ordnungsgemäß abgestellt werden (z.B. Foto oder GPS Tracking). 


  1. Nachhaltigkeit

    1. Die Abholung und Aufladung soll mit schadstoffarmen Fahrzeugen erfolgen 
      (E-Auto, Hybrid, Lasten-E-Bike)
    2. Aufladung mit Strom ausschließlich aus regenerativen Quellen
    3. Reparatur und Wartung muss regional und möglichst innerhalb der Stadt Aschaffenburg erfolgen


  1. Datenschutz und Statistik

    1. Der Anbieter muss bestätigen, alle relevanten Bestimmungen der EU-Datenschutzgrundverordnung sowie des Bundesdatenschutzgesetzes und des Bayerischen Datenschutzgesetzes zu erfüllen.
    2. Der Anbieter muss der Stadtverwaltung anonymisierte Nutzungsdaten zur räumlichen Auswertung übermitteln.
    3. Es sind monatliche Berichte bzw. Statistiken durch die Anbieter zu erstellen mit folgenden Inhalten:
      1. Anzahl der Fahrten
      2. Gesamtkilometer
      3. Anzahl der Fahrten pro Fahrzeug und Tag
      4. Anzahl der Kilometer pro Fahrzeug und Tag
      5. durchschnittliche Fahrdauer pro Fahrzeug
      6. durchschnittliche Fahrdauer pro Leihvorgang
      7. Standort, wo die Leihvorgänge am meisten angefangen und beendet werden
      8. Anzahl Sachbeschädigungen
      9. Anzahl erfasste Unfälle


Laufzeit der Ausnahmegenehmigungen:

Es wird empfohlen, eine Sondernutzungsgenehmigung stets für ein Kalenderjahr zu erteilen. So können neue Erfahrungen und Entwicklungen stets berücksichtigt und in die Rahmenbedingungen für das Folgejahr eingearbeitet werden. Zudem wird den Anbietern dadurch eine hinreichende Planungssicherheit geboten.


Verteilungskonzept:

Das Verteilungskonzept für externe Anbieter des gewerblichen Verleihs entspricht dem Vorschlag aus der Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates vom 02.03.2021. Es basiert auf 150 E-Scootern als Basis für die räumliche Verteilung und maximale Anzahl aller Fahrzeuge aller externen Anbieter. Das Verteilungskonzept ist in Anlage 1 graphisch dargestellt.
Dabei ist in der Innenstadt eine Festlegung von Standorten zum Parken vorgesehen. Außerhalb dieses Kernbereichs gibt es keine festen Parkstände und eine grundsätzlich freie Standortwahl ist möglich. Die Nutzer müssen aber die bei den Rahmenbedingungen genannten Parkregelungen befolgen.


Stellungnahme von Polizeiinspektion und Straßenverkehrsbehörde / Ordnungsamt 

Ein gewerblicher Verleih von E-Scootern wird grundsätzlich zu erhöhten Nutzerzahlen und damit voraussichtlich auch vermehrt zu regelwidrigen Verhalten führen. Problematisch sind dabei die Bereiche zu sehen, in denen Fahrräder erlaubt sind, elektrische Kleinkraftfahrzeuge aber nicht. Dies gilt insbesondere für die freigegebenen Fußgängerzonen der Miteinanderzone in der Herstallstraße, dem Rossmarkt und der Sandgasse, aber auch auf dem Marktplatz oder in der Fußgängerzone der Frohsinnstraße am Hauptbahnhof. Aber auch andere Streckenabschnitte mit der Regelung „Gehweg, Radverkehr frei“ sind hiervon betroffen wie beispielsweise in der Rhönstraße.
Es ist zu erwarten, dass sich der Verleih der E-Scooter nachteilig auf die Verkehrssicherheit der Fußgänger als schwächste Verkehrsteilnehmer auswirken wird. In der Miteinanderzone werden die bereits bestehenden Vorbehalte der Fußgänger verstärkt werden. Trotz aller richtigen Informationen und Vorgaben seitens der Anbieter wird es voraussichtlich Nutzer geben, welche die E-Scooter in gefährdender Fahrweise benutzen oder diese behindernd abstellen.


Empfehlung der Stadtverwaltung:

Eine eindeutige Entscheidung ist in Abwägung aller Interessen ist in diesem Fall nicht möglich. Der Verleih von E-Scootern entspricht dem Ansatz, den zukünftigen Generationen multimodale Möglichkeiten der Mobilität zur Verfügung zu stellen. So wie auch der geplante Fahrradverleih der städtischen Verkehrsbetriebe als Experiment und Verkehrsversuch betrachtet wird, so kann ähnliches mit dem der Verleih von E-Scootern ermöglicht werden. Die Nachfrage in der Stadt Aschaffenburg nach diesen Mobilitätsangeboten kann nur im Falle einer Umsetzung eingeschätzt werden und nur dann kann auch das Ausmaß der negativen Auswirkungen insbesondere gegenüber Fußgängern konkretisiert werden.
Durch den Verleih der E-Scooter kann eine Ergänzung zum Busbetrieb und zum geplanten Fahrradverleih der städtischen Verkehrsbetriebe entstehen. Insbesondere können die Nutzer durch das Free-floating-Verfahren auch in die Stadtteile gelangen und die E-Scooter direkt am Reiseziel abstellen. Auch für diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die kein Fahrrad fahren möchten, kann der E-Scooter eine Alternative sein, die flächensparend und aufgrund des wesentlich geringeren Energieverbrauchs ressourcenschonender ist als das Automobil.


Klimawirkungsprüfung:

In der Praxis werden die E-Scooter bislang meist noch als touristisches „Spaß-Gefährt“ gesehen und auch so genutzt. Eine Substitution von Kfz-Fahrten durch die E-Scooter ist nur in geringem Maße vorhanden. Es werden eher Verkehrsarten innerhalb des Umweltverbundes durch Fahrten mit dem E-Scooter ersetzt. Ein zeitnaher und spürbar positiver Beitrag zur Verkehrswende ist deshalb nicht zu erwarten. Durch die massenhafte Produktion der E-Scooter und insbesondere der Akkus sind zunächst nur negative Auswirkungen auf die Umwelt und den Ressourcenverbrauch festzustellen.
Ein positiver Beitrag zur Verkehrswende und zu einer Klimawirkung ist aber auch nicht ausgeschlossen. Theoretisch können im Alltag und auf den kurzen Wegen im Nahbereich auch Kfz-Fahrten ersetzt werden. Wie beim Fahrrad sind auch E-Scooter innerhalb von 1-3 km Entfernung zwischen Quelle und Ziel der Fahrt insgesamt günstig, zeitlich konkurrenzfähig und auch sehr flexibel einsetzbar.

Anlage:
  1. Räumliches Verteilungskonzept 150 E-Scooter
  2. SPD-Antrag vom 26.08.2021

.Beschluss: 1

I. 
  1. Der Stadtrat nimmt den Bericht der Verwaltung zur Sondernutzung und zu den Rahmenbedingungen eines gewerblichen Verleihs von elektrischen Tretrollern („E-Scootern“) zur Kenntnis.

  2. Der Stadtrat beschließt die genannten Rahmenbedingungen als verbindliche Vorgabe für alle Antragsteller auf eine Sondernutzungsgenehmigung zum gewerblichen Verleih von E-Scootern.

  3. Der Stadtrat beschließt, dass eine Sondernutzungsgenehmigung stets nur für ein Kalenderjahr erteilt werden soll.

  4. Der Stadtrat beschließt das räumliche Verteilungskonzept und die Begrenzung der Anzahl von E-Scooter externer Anbieter auf insgesamt höchstens 150 Stück.


II. Angaben zur Klimawirkung:

Bewertung - jeweils Mehrung oder Minderung der Treibhausgase (THG)
wenig klimarelevant
teilweise klimarelevant
sehr klimarelevant
[  ]  keine weiteren Angaben erforderlich
[ x ]  kurze Erläuterung in den Begründungen
[  ]  ausführliche Erläuterung 
in den Begründungen 
Bewertungsschema nach KÖP (Klimaschutzmanagement in öffentlich Projekten)
(Nationale Klimaschutz-Initiative  -  Klimabündnis / ifeu-Heidelberg / BMU)


III. Angaben zu den Kosten:

Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [  ]
nein [ x ]

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 6, Dagegen: 10

Abstimmungsbemerkung:
Die Beschlussvorlage ist damit abgelehnt.

.Beschluss: 2

Die Verwaltung wird beauftragt, mit den Stadtwerken Gespräche aufzunehmen, um – wie im Antrag der SPD vom 26.08.2021 (Anlage 5) formuliert – ein stationsbasiertes Verleihsystem aufzubauen. 

Abstimmungsergebnis:
Dafür: 15, Dagegen: 1

Datenstand vom 04.05.2022 11:08 Uhr