Einführung
Das Gesetz zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vom 14. Juni
2021 (BGBl. I S. 1802) ist am 23. Juni 2021 in Kraft getreten. Das Bundesgesetz soll den für die Ausweisung von Bauland verantwortlichen Gemeinden helfen, mehr Bauland bereitzustellen und bezahlbares Wohnen zu sichern. Daneben werden verschiedene weitere städtebauliche Anliegen aufgegriffen.
Das Baulandmobilisierungsgesetz enthält Änderungen des Baugesetzbuchs, der Baunutzungsverordnung und der Planzeichenverordnung.
Sofern die Landesregierungen von den Verordnungsermächtigungen in Bezug auf Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten Gebrauch machen, werden den Gemeinden weitere Instrumente an die Hand gegeben.
Überblick über die wesentlichen Neuregelungen:
Änderungen im Baugesetzbuch
- § 1 Absatz 3 (Erforderlichkeit der Bauleitplanung)
Die Ausweisung von Wohnbauland wird als ein Kriterium der Erforderlichkeit der
Bauleitplanung ausdrücklich erwähnt.
- § 9 Absatz 2d (Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung)
Im unbeplanten Innenbereich können in einem einfachen Bebauungsplan Flächen
bestimmt werden, auf denen Wohngebäude, insbesondere auch mit Wohnungen errichtet
werden dürfen, die Kriterien der sozialen Wohnraumförderung erfüllen.
- § 13a (Anwendung des beschleunigten Verfahrens für die Aufhebung von Bebauungsplänen)
Das beschleunigte Verfahren ist auch bei der Aufhebung von Bebauungsplänen anwendbar.
- § 13b (Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren)
Die zwischenzeitlich außer Kraft getretene Regelung wird wieder befristet eingeführt.
- § 24 (Allgemeines Vorkaufsrecht)
Das allgemeine Vorkaufsrecht wird auf sog. „Schrott-“ oder „Problemimmobilien“
ausgedehnt.
Die Ausübung zur Deckung eines Wohnbedarfs kann als dem Wohl der Allgemeinheit
dienend die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen.
- § 28 (Verfahren und Entschädigung)
Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts wird auf drei Monate verlängert. Die
Ausübung zum Verkehrswert wird erleichtert.
- § 34 Absatz 3a (Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich)
Es können auch in mehreren Fällen sich nicht einfügende Vorhaben zugelassen werden,
wenn es sich um Wohnzwecken dienende Gebäude handelt.
- § 35 Absatz 4 Nummer 1 („entprivilegierte“ landwirtschaftliche Gebäude)
Ein als privilegiertes landwirtschaftliches Vorhaben errichtetes Gebäude kann auch
mehrfach umgenutzt werden.
Verlangt der Eigentümer die Übernahme des Grundstücks, kann die Gemeinde das
Grundstück auch zugunsten einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft übernehmen.
- § 176a (Städtebauliches Entwicklungskonzept zur Stärkung der Innenentwicklung)
Die Gemeinde kann in einem städtebaulichen Entwicklungskonzept Aussagen zu
Maßnahmen treffen, die der Stärkung der Innenentwicklung dienen. Dadurch kann auch
die Begründung der Ausübung von Vorkaufsrechten oder von Baugeboten unterstützt
werden.
- § 246 (Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte)
Ein Teil der Sonderregelungen wurde befristet neu eingeführt. Ergänzend wurde geregelt, dass von diesen Sonderregelungen nur Gebrauch gemacht werden darf, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können.
- § 246b (Sonderregelungen für Anlagen für gesundheitliche Zwecke im Zuge der COVID 19-Pandemie)
Die Sonderregelungen wurden jeweils befristet bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022
neu eingeführt.
Änderungen in der Baunutzungsverordnung
- § 5a (Dörfliche Wohngebiete)
Es wird ein neuer Baugebietstyp geschaffen, der der Unterbringung von Wohnnutzungen,
land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen und nicht wesentlich störenden
Gewerbebetrieben dient.
- § 17 (Orientierungswerte für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung)
Die bisherigen Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung, die nur unter
bestimmten Voraussetzungen überschritten werden durften, werden als
Orientierungswerte ausgestaltet.
Änderungen im Baugesetzbuch für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt -
Nur in von der Landesregierung durch Verordnung nach § 201a bzw. nach § 250 bestimmten Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten zusätzlich folgende Änderungen:
- § 25 (Besonderes Vorkaufsrecht)
Durch Satzung kann für unbebaute oder brachliegende (im Innenbereich i.S.v. § 34) und
brachliegende Grundstücke (in Bebauungsplangebieten) ein Vorkaufsrecht begründet
werden, wenn die Grundstücke vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können.
- § 31 Absatz 3 (Befreiungen)
Zugunsten des Wohnungsbaus kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans
unter erleichterten Voraussetzungen befreit werden. Die Befreiung ist nicht ausgeschlossen, wenn die Grundzüge der Planung berührt werden.
Es kann verlangt werden, dass ein Grundstück mit einer oder mehreren Wohneinheiten
zu bebauen ist, auch wenn andere Vorhaben zulässig wären. Von dem Baugebot ist
abzusehen, wenn der Eigentümer das Grundstück für einen Ehegatten oder eine in
gerader Linie verwandte Person halten will.
- § 250 (Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten) Die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum bedarf der
Genehmigung. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Genehmigung.
Näher eingegangen wird nachfolgend auf einzelne Neuerungen, die für Aschaffenburg von besonderer Bedeutung sind oder sein können:
Bauleitplanung
Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung (§ 9 Absatz 2d BauGB)
Der Neubau von Wohnungen erfolgt nicht nur in beplanten Gebieten, sondern häufig auch im sogenannten „unbeplanten Innenbereich“. Hier haben Grundstückseigentümer grundsätzlich bereits Baurecht, also einen Anspruch auf eine Baugenehmigung, wenn sich das Vorhaben „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“.
Diese Baurechte werden in Innenstadtlagen oft dazu genutzt, hochpreisigen Wohnraum zu schaffen. Um den Kommunen hier bessere Handlungsoptionen zu geben, sieht das Baulandmobilisierungsgesetz die Einführung eines neuen sektoralen Bebauungsplans vor: Der „Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung“ ist ein thematisch auf den Wohnungsbau beschränkter „einfacher Bebauungsplan“, in dem baulicher Bestand einschließlich bisher unbebauter Flächen (Baulücken) im „unbeplanten Innenbereich“ zugunsten der Errichtung von (ggf. förderfähigen) Wohnungen überplant werden kann. Dabei kann u. a. das bislang planungsrechtlich zulässige Maß der baulichen Nutzung im Sinne einer Verdichtung erhöht werden.
Es können die folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen.
Weitere Einschränkungen sind mit dieser möglichen Festsetzung nicht verbunden.
- Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne
oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der
sozialen Wohnraumförderung erfüllen.
Ob die Eigentümerin oder der Eigentümer selbst eine solche Förderung beantragt oder die förderfähigen Wohnungen tatsächlich als solche vermarktet, kann damit nicht verbindlich bestimmt werden.
- Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten, und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Dies kann z. B. durch städtebaulichen Vertrag oder eine Selbstverpflichtung der Bauherrin oder des Bauherrn sichergestellt werden. Nicht festgelegt ist mit der Festsetzung, zu welchem Zeitpunkt die Grundeigentümerin oder der Grundeigentümer die Verpflichtung eingeht.
Für die Aufstellung eines „Bebauungsplans zur Wohnraumversorgung“ gelten die allgemeinen Verfahrensvorschriften des Baugesetzbuchs.
Die Anwendung des Instrumentes ist befristet: Will eine Gemeinde einen derartigen Bebauungsplan aufstellen, muss das förmliche Verfahren bis zum 31. Dezember 2024 eingeleitet sein. Der Satzungsbeschluss ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.
Aufhebung von Bebauungsplänen im beschleunigten Verfahren
Das „beschleunigte Verfahren“ nach § 13a BauGB kann zukünftig auch für die Aufhebung von Bebauungsplänen genutzt werden. Bisher beschränkte sich die Regelung auf die Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen.
Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren (§ 13b BauGB)
Die Möglichkeit der Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren (§ 13b) wurde wiedereingeführt. Voraussetzung ist nunmehr, dass ein solches Verfahren bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 förmlich eingeleitet und der Satzungsbeschluss bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 gefasst wird.
Orientierungswerte für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung (§ 17 BauNVO)
Die bisher in § 17 Absatz 1 BauNVO geregelten Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung werden in Orientierungswerte umgewandelt. Unabhängig von dieser Umwandlung sind die allgemeinen Regelungen für die Aufstellung von Bebauungsplänen weiterhin beachtlich. Insofern sind bei einer Überschreitung der Orientierungswerte weiterhin u. a. die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu berücksichtigen. Auch das Gebot der Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf die Umwelt gilt weiterhin.
Sicherung der Bauleitplanung / Vorkaufsrechte
Bei privaten Grundstücksverkäufen steht den Gemeinden nach den Bestimmungen des Baugesetzbuchs im Einzelfall ggf. ein Vorkaufsrecht zu. Weil die Ausübung eines Vorkaufsrechts ein scharfer Eingriff in die Eigentumsgarantie ist, sind die Zugriffsmöglichkeiten begrenzt und an enge Bedingungen geknüpft – ein gemeindliches Vorkaufsrecht darf nicht beliebig ausgeübt werden, sondern u.a. nur, wenn das „Wohl der Allgemeinheit“ dies rechtfertigt. Sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines Vorkaufsrechts erfüllt, kann die Gemeinde in einen abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag als Käufer zu den Bedingungen eintreten, die die ursprünglichen Vertragsparteien vereinbart haben.
Mit dem Gesetz wird nun das Vorkaufsrecht für die Gemeinden ausgeweitet. Sie werden so in zusätzlichen, städtebaulich relevanten Fällen leichter und sicherer davon Gebrauch machen können. Den Gemeinden soll damit bei der Durchsetzung des städtebaulichen Ziels zur vermehrten Schaffung von Wohnbebauung geholfen werden. Dafür hat der Bundesgesetzgeber auch Änderungen für einen erleichterten Zugriff auf zur Veräußerung stehende Grundstücke geschaffen:
- Im den §§ 24 und 25 BauGB wird nun klargestellt, dass auch ein eingefriedetes oder nur zu vorläufigen Zwecken bebautes Grundstück als unbebaut zu werten ist und somit ggf. dem Vorkaufsrecht unterliegt.
- In § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 BauGB wird ein Vorkaufsrecht der Gemeinde für den Fall eingeführt, dass auf einem zu veräußernden Grundstück ein Missstand besteht und das Grundstück dadurch negative Ausstrahlungseffekte auf sein Umfeld verursacht (sogenannte „Schrott- oder Problemimmobilie“). Voraussetzung ist, dass ein Gebiet vorliegt, in dem ein erheblicher „Missstand“ besteht. Die Anforderungen an die Titulierung einer Immobilie als „Schrott- oder Problemimmobilie“ sind allerdings streng, denn die Gemeinden haben hierfür zu ermitteln, ob der festgestellte Missstand nachteilige Auswirkungen auf das soziale oder städtebauliche Umfeld hat und ob diese Auswirkungen erheblich sind. Zur Beurteilung der Erheblichkeit bedarf es einer Gesamtbetrachtung bzw. Abwägung aller Umstände im Hinblick auf die betroffenen Eigentums- und Verfügungsrechte und die mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verfolgten städtebaulichen Ziele. Das kann z.B. dann gegeben sein, wenn von der Immobilie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.
- Das Vorkaufsrecht darf generell nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. In § 24 Absatz 3 Satz 2 wird klargestellt, dass dem Wohl der Allgemeinheit auch die Deckung eines dringenden Wohnbedarfs in der Gemeinde dient.
- Die Ausübungsfrist des Vorkaufsrechts wurde von zwei auf drei Monate verlängert.
- Mit der neuen gesetzlichen Regelung wird der Gemeinde die Möglichkeit eingeräumt, ein Grundstück im Rahmen des Vorkaufsrechts zum Verkehrswert zu erwerben, wenn der im Kaufvertrag vereinbarte Preis diesen übersteigt. Allerdings steht dem Verkäufer dann ein Rücktrittsrecht zu; entstandene Verfahrenskosten (z.B. Notargebühren) gehen zu Lasten der Gemeinde.
Besonderes Städtebaurecht
Baugebot zugunsten kommunaler Wohnungsbaugesellschaften
Durch die ergänzende Regelung in § 176 Absatz 4 Satz 2 kann die Gemeinde bei einem Übernahmeverlangen des Eigentümers nach einem Baugebot eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft mit der Bebauung beauftragen.
Nach bisher geltendem Recht kann der Eigentümer die Übernahme des Grundstücks durch die Gemeinde (gegen Entschädigung) verlangen, wenn er glaubhaft macht, dass ihm die Maßnahme individuell wirtschaftlich nicht zuzumuten ist. Die Neuregelung ermöglicht es der Gemeinde, das Grundstück zu Gunsten einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft zu übernehmen, sofern diese in der Lage ist, die Baumaßnahme innerhalb einer angemessenen Frist durchzuführen, und sie sich hierzu vertraglich verpflichtet.
Städtebauliches Entwicklungskonzept
Das Städtebauliche Entwicklungskonzept nach § 176a soll die Entwicklung und bauliche
Nutzbarmachung ungenutzter Grundstücke und die Schließung von Baulücken auch bei
unzusammenhängend im Gemeindegebiet verteilt liegenden Grundstücken erleichtern. Dies
können etwa Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken oder untergenutzte Grundstücke
sein.
Die ausdrückliche Einfügung von § 176a soll die Gemeinden zu einem speziell der
Innenentwicklung gewidmeten Entwicklungskonzept ermutigen, das bei der Anwendung
einer Reihe von städtebaulichen Instrumenten als Begründungshilfe für die Erforderlichkeit der jeweils anzuwendenden Maßnahmen genutzt werden kann:
- Beim Abschluss von städtebaulichen Verträgen mit den betroffenen Grundstückseigentümern.
- Bei der Prüfung, ob zur Verwirklichung der Ziele die Ausübung von Vorkaufsrechten in Betracht kommt; in diesem Fall kann das Innenentwicklungskonzept zur Begründung der Vorkaufsrechte herangezogen werden.
- Bei der Prüfung, ob eventuell der Erlass eines oder mehrerer Baugebote in Betracht kommt. In diesem Fall kann das Innenentwicklungskonzept zur Begründung der Baugebote herangezogen werden.
- Als Begründung zur Festlegung einer Gebietskulisse, in der Städtebauförderungsmittel eingesetzt werden können.
Die Stadt Aschaffenburg verfügt mit dem im Jahr 2020 aufgestellten „Innenentwicklungskataster inkl. Monitoring und Aktivierungsempfehlungen“ (bearbeitet durch das Büro Baader Konzept GmbH Gunzenhausen, gefördert im Programm „Erhebung der Innenentwicklungspotenziale“ durch das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr) bereits über ein entsprechend anwendbares „städtebauliches Entwicklungskonzept“.
Nur in Gebieten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ geltende und anwendbare Regelungen
Die Landesregierungen werden nach § 201a ermächtigt, Gebiete mit einem angespannten
Wohnungsmarkt durch Rechtsverordnung zu bestimmen und dadurch die Voraussetzung für
die Anwendung besonderer baurechtlicher Instrumente durch die Gemeinden zu schaffen.
Für die Anwendung der in § 201a genannten baurechtlichen Instrumente (Vorkaufsrechtssatzung für unbebaute und brachliegende Grundstücke, besondere Befreiungsmöglichkeiten von den Festsetzungen eines Bebauungsplans, Baugebot zur Errichtung von Wohnraum, präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt für die Bildung von Wohneigentum) ist es zwingende Voraussetzung, dass die Landesregierungen die für die Begründung eines angespannten Wohnungsmarktes erforderlichen Daten und Erkenntnisse erheben und darauf basierend und nachvollziehbar begründet eine eigenständige Verordnung erlassen.
Die Ermächtigung zum Erlass einer solchen Rechtsverordnung ist gesetzlich befristet bis zum 31. Dezember 2026.
Die folgenden Instrumente setzen eine Rechtsverordnung der Landesregierung zur Bestimmung der Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt voraus:
Schaffung eines Vorkaufsrechts durch Satzung für unbebaute und brachliegende Grundstücke (§ 25 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3)
Es wird eine neue Form des „besonderen Vorkaufsrechts“ eingeführt, das die Gemeinden durch Satzung aktivieren können. Der Anwendungsbereich der Vorkaufsrechtssatzung soll sich nicht mehr nur auf unbebaute, sondern auch auf brachliegende Grundstücke erstrecken können - darunter zu verstehen sind insbesondere Grundstücke, deren vormalige Nutzung dauerhaft aufgegeben wurde.
Die Vorkaufsrechtssatzung nach § 25 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 setzt voraus, dass es sich
um ein per landeshoheitlicher Rechtsverordnung bestimmtes Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt handelt.
Erweiterung der Befreiungsmöglichkeiten durch Lockerung der Bindung an die „Grundzüge der Planung“ (§ 31 Absatz 3)
Eine Befreiungsmöglichkeit von Festsetzungen eines Bebauungsplans, auch für den Fall, dass „die Grundzüge der Planung berührt“ werden, war bisher nur in den Sonderregelungen für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden enthalten. Dies wird nun auf bestimmte Konstellationen zugunsten der Schaffung von Wohnraum ausgeweitet.
Gebunden ist eine entsprechende Befreiung vor allem an folgende Voraussetzungen:
- Das beantragte Vorhaben befindet sich in einem per landeshoheitlicher Rechtsverordnung bestimmten „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt“
- Es liegt ein „Einzelfall“ vor.
- Die Befreiung erfolgt zugunsten des Wohnungsbaus.
- Die Befreiung muss auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein. Zu den ggf. zu berücksichtigenden Belangen gehören unter anderem die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse, die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes sowie umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit.
Baugebot zugunsten einer Wohnbebauung (§§ 175 Absatz 2, § 176)
Mit § 176 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 wird für „Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt“ der Anwendungsbereich des Baugebots erweitert:
So sind nun auch Baugebote zur Errichtung von Wohnungen – ggf. einschließlich bebauungsplankonformer Anordnungen über das Maß der Nutzung – möglich. Dies gilt nicht nur für Gebiete mit überwiegender Wohnnutzung (z.B. „Allgemeine Wohngebiete“), sondern auch für Baugebiete der BauNVO, in denen Wohnnutzungen neben anderen Nutzungen gleichermaßen zulässig sind (z.B. „Mischgebiete“). Dem Eigentümer können folglich Vorgaben zur Bebauung gemacht werden, wodurch seine Dispositionsbefugnis hinsichtlich der Art der Nutzung eingeschränkt wird.
Für den Fall der Anordnung eines solchen Baugebots wird in § 176 Absatz 3 neben der
bisherigen subjektiven wirtschaftlichen Unzumutbarkeit eine befristete zusätzliche
Abwendungsmöglichkeit für den Eigentümer eingeführt. Die Gemeinde hat danach von dem Baugebot abzusehen, wenn der Eigentümer glaubhaft macht, dass ihm die Durchführung des Vorhabens aus Gründen des Erhalts der Entscheidungsbefugnis über die Nutzung des Grundstücks für seinen Ehegatten oder eine in gerader Linie verwandte Person nicht zuzumuten ist. Die Regelung trägt dem Verfügungsbedarf im Rahmen des engsten Familienkreises Rechnung. Dadurch kann das Grundstück insbesondere als Altersvorsorge oder finanzielle Absicherung im Familienbesitz gehalten werden. Zum engsten Familienkreis zählen die Ehepartner bzw. eingetragenen Lebenspartner sowie die in gerader Linie verwandten Personen - zu berücksichtigen sind damit neben den Ehe- und Lebenspartnern die Kinder, Enkel, Großenkel, Eltern und Großeltern.
Bildung von Wohneigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§ 250)
§ 250 eröffnet den Landesregierungen die Möglichkeit, in per Rechtsverordnung bestimmten „Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt“ durch weitere Rechtsverordnung einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder
Teileigentum nach § 1 Wohnungseigentumsgesetz einzuführen.
Gegenstand der Rechtsverordnung ist die Festlegung der Gebiete. Die Rechtsfolgen ergeben sich dann aus den gesetzlichen Bestimmungen. Sie werden regelmäßig nur für Wohngebäude ausgelöst,
- die bereits bei Inkrafttreten der Verordnung bestehen und
- die mehr als fünf Wohnungen enthalten.
Das Genehmigungserfordernis soll also erst dann greifen, wenn sich in dem Wohngebäude mehr als fünf Wohnungen befinden. Mit dieser Ausnahme sollen Kleineigentümer geschützt werden. Die Umwandlungsregelung zielt in erster Linie auf Wohnungsunternehmen. Dagegen sollen Privatpersonen, die etwa zum Zweck der Altersvorsorge nur in geringem Umfang Immobilienvermögen erworben haben, in ihrer Verfügungsgewalt nicht eingeschränkt werden.
Unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Gegebenheiten kann die Landesregierung eine abweichende Anzahl von Wohnungen in einem bestehenden Wohngebäude festlegen, ab der das Genehmigungserfordernis gilt; die Anzahl kann zwischen drei und 15 Wohnungen liegen.
Die Länder bestimmen zudem die Stelle, die für die Genehmigungserteilung bzw. Versagung
zuständig ist.
Kurze Würdigung und Ausblick
Die Neuregelungen des Baulandmobilisierungsgesetzes sind zunächst sehr umfassend und bieten eine Reihe verschiedener Ansatzpunkte zur Mobilisierung von Wohnbauland. Einige der neu eingeführten Regelungen stehen jedoch unter dem Vorbehalt des Erlasses einer Rechtsverordnung durch den Freistaat und sind zudem zeitlich relativ eng befristet, weshalb ihre Relevanz für die kommunale Praxis mit einem Fragezeichen zu versehen ist.
Der Bayerische Städtetag setzt sich bereits für den Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung ein und hat die Bayerische Staatsregierung aufgefordert, die „Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt“ in Bayern nach § 201a BauGB zu bestimmen.
Einen echten Fortschritt bedeuten die Erweiterungen bei den Vorkaufsrechten und die Einführung des Instrumentes des sektoralen „Bebauungsplans zur Wohnraumversorgung“.
Es liegt zwar in der Natur der Sache, dass insbesondere bei neuen Instrumenten wie dem sektoralen Bebauungsplan noch eine Reihe von Unklarheiten hinsichtlich der Art und des Umfangs der Anwendungsmöglichkeiten und mangels Kommentierung und Rechtsprechung auch Rechtsunsicherheiten und -risiken bestehen – dies braucht bei geeigneten städtebaulichen Szenarien aber kein unumstößliches Hindernis für eine Anwendung des Instruments sein. Umso mehr muss ein bisher unbeplantes Gebiet, das für einen sektoralen Bebauungsplan in Frage kommt, behutsam und mit großem Bedacht auf seine Eignung hin untersucht und ausgewählt werden. Die planaufstellende Gemeinde darf nicht aus dem Blick verlieren, dass auch die Aufstellung eines „Bebauungsplans zur Wohnraumversorgung“ den allgemeinen Grundsätzen der Bauleitplanung verpflichtet bleibt – zu nennen ist hier insbesondere das Abwägungsgebot des § 1 Abs.7 BauGB, wonach „öffentliche und private Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“ sind.
Auch die Erweiterungen beim Instrument des Baugebots scheinen theoretisch zunächst vielversprechend – hier darf aber nicht übersehen werden, dass ein Baugebot ein sehr weitreichender, harscher Eingriff in persönliche Eigentumsrechte ist, dessen Durchsetzung einer Vielzahl von gesetzlichen Bedingungen standhalten und nachweisbar im öffentlichen Interesse liegen muss. Die rechtlichen und tatsächlichen Hürden liegen hier sehr hoch, der Erfahrung nach werden Anläufe zur Durchsetzung eines Baugebots regelmäßig auf dem Rechtswege überprüft, bedürfen meistens einer Legitimation durch Gerichtsentscheid und ziehen folglich ein entsprechend aufwändiges und ggf. auch langwieriges Verfahren nach sich.
Anlagen:
- Antrag KI vom 09.09.2021
- Gesetzestext im BGBl I S. 1802 (in der Cloud)
- Muster-Einführungserlass zum Baulandmobilisierungsgesetz (in der Cloud)