- Sachverhalt
Die Ukraine wurde am 23.02.2022 von Russland angegriffen. Dies hat eine Flüchtlingswelle ausgelöst. Laut UN-Berichten sollen in den ersten Tagen des Krieges bereits mehr als 600.000 Menschen aus der Ukraine in die EU geflohen sein. Die große Mehrheit hält sich nach wie vor in Polen auf. Es ist davon auszugehen, dass viele Menschen in andere EU-Staaten weiterziehen werden. Auch in Deutschland ist mit größerem Zuzug zu rechnen.
Laut Bundesinnenministerium plant die EU, dass EU-Mitgliedstaaten auf der Basis der Richtlinie 2001/55/EG das gleiche unbürokratische Verfahren zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen schaffen. Geflüchtete aus der Ukraine müssen dann kein langwieriges Asylverfahren durchlaufen. Sie erhalten einen vorübergehenden Schutz in der EU für bis zu drei Jahre. Im deutschen Recht findet sich die entsprechende Umsetzungsvorschrift in § 24 Aufenthaltsgesetz.
Laut Mitteilung der Regierung von Unterfranken und entsprechender Presseberichterstattung haben verschiedene Bahnunternehmen, darunter auch die Deutsche Bahn, sich bereit erklärt, ukrainische Geflüchtete kostenlos in ihren Zügen reisen zu lassen. Aufgrund dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass Geflüchtete sich Ihren Aufenthaltsort nach ihren persönlichen Kontakten aussuchen werden. Eine Planbarkeit des Zustroms ist daher nicht gegeben.
Anhaltspunkt für die zu erwartende Geflüchtetenzahl könnte die Anzahl der in Aschaffenburg lebenden Bewohner mit ukrainischer Staatsangehörigkeit sein. In der Stadt Aschaffenburg sind 230 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit gemeldet. Hinzu kommen weitere 189 Personen, die die ukrainische Staatsangehörigkeit hatten und inzwischen eingebürgert sind. Etwa 1.600 Bürger sind aktuell als russische Staatsangehörige gemeldet oder haben einen russischen Zuwanderungshintergrund (Stand 31.01.2022).
Die Stadt wird zumindest alle Einwohner mit ukrainischem Zuwanderungshintergrund anschreiben, über die aktuelle Situation informieren und um Rückmeldung dahingehend bitten, ob Erkenntnisse über die Anreise von Geflüchteten bestehen und ob die Bereitschaft zur Unterstützung bei der Betreuung der Geflüchteten besteht.
Die Vorgaben der Regierung sind zurzeit so, dass Geflüchtete, die privat untergekommen sind, in diesen Unterkünften bleiben können. Alle anderen haben sich grundsätzlich zunächst in das Ankerzentrum nach Geldersheim zu begeben. Eine Unterbringung in etwaig vorhandenen dezentralen Unterkünften kann nur in Abstimmung mit der Regierung erfolgen.
- Unterbringung
Soweit sich Geflüchtete in staatlichen Unterbringungseinrichtungen melden, wird die Unterbringung in diesen staatlichen Einrichtungen erfolgen. Zurzeit melden sich beispielsweise im Ankerzentrum Geldersheim täglich etwa 20 – 30 Personen. Die Gemeinschaftsunterkunft in Aschaffenburg ist ausgelastet.
Die Stadt beabsichtigt bis auf Weiteres eine gestufte Vorgehensweise.
Nach einer aktuellen Bestandsaufnahme stehen zurzeit Unterbringungsmöglichkeiten in dezentralen Unterkünften für ca. 50 Personen zur Verfügung, die notfalls sofort belegt werden können. Parallel hierzu werden etwaige Wohnungsangebote aus dem freien Markt auf Nutzbarkeit geprüft. Die Bürger können sich hierzu über die E-Mail-Adresse unterkuenfte-flucht@aschaffenburg.de an die Stadtverwaltung wenden. Angegeben werden sollten in der E-Mail bereits Informationen zu Lage, Größe und Anzahl der Zimmer sowie zu eventuell vorhandener Ausstattung (Küche, Möblierung etc.). Das städtische Sozialamt sammelt bzw. prüft die Angebote und wird sich zeitnah mit dem Absender in Verbindung setzen. Erste Gespräche laufen. Eine kostenneutrale Anmietung ist nach wie vor nur nach vorheriger Abstimmung mit der Regierung möglich.
Der zweite Schritt wäre die Revitalisierung bestehender Räumlichkeiten. Die Stadtbau GmbH ist zurzeit dabei einen Wohnblock zu entmieten, um ihn durch einen Neubau zu ersetzen. Entmietet sind bisher 20 Wohnungen. Die Wohnungen befinden sich in unterschiedlichem Qualitätszustand. Es muss noch geprüft werden, ob eine Instandsetzung betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Je nach Wohnungszustand ist für die Instandsetzung eine Vorlaufzeit zwischen 4 Wochen und 2 Monaten anzusetzen. Das Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft beabsichtigt – vorbehaltlich der brandschutztechnischen Nutzbarkeit - das Verwaltungsgebäude auf dem ehemaligen IMPRESS-Gelände an der Dyroffstraße zu ertüchtigen, um eine übergangsweise Unterbringung von Geflüchteten zu ermöglichen. Hier könnten – mit gewissen Abstrichen im Hinblick auf autarke Kochbereiche und der Sanitärkomponente – rund 80 Personen untergebracht werden.
Der dritte Schritt wäre die Wiederinbetriebnahme der Erbighalle als Notunterkunft nach dem bekannten System. Dies wird zurzeit nur als absoluter Ausnahmefall angesehen, da eine Unterbringung in einer derartigen Halle unter Coronagesichtspunkten schwierig ist und auch angesichts der erwarteten Zusammensetzung der Geflüchteten (viele Mütter mit Kindern) nur mit starken Einschränkungen bei den Kapazitäten hinnehmbar ist. Diesbezüglich wird der vorhandene Ausrüstungsbestand überprüft und es werden ggf. Ersatzbeschaffungen vorgenommen.
- Betreuung
Hier wird auf die in der Flüchtlingskrise eingeführte und seitdem – in reduziertem Umfang fortgeführte Systematik zurückgegriffen.
- Laufende Betreuung
Die Entscheidungsbefugnis bei der Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten liegt beim Amt für soziale Leistungen. Die Betreuung der Geflüchteten durch sogenannte „Kümmerer“, die Durchführung notwendiger Beschaffungen und der Abschluss etwaig erforderlicher Mietverträge erfolgt durch die Stadtbau GmbH auf der Basis des bestehenden Rahmenvertrages vom 7.10.2014 (Plenum 6.10.2014 TOP 2 nichtöffentlich mit späteren Nachträgen).
Ergänzt wird die Betreuung ggf. durch die Ausweitung des Angebotes an Sprach- und Kulturvermittlern.
Wer darüber hinaus noch seine ehrenamtliche Hilfe anbieten möchte oder ukrainisch spricht, kann sich über die E-Mail-Adresse ehrenamt-flucht@aschaffenburg.de bei der Stadt melden. Das Ehrenamtsbüro der Stadt ist dabei, eine Datenbank mit Helfern zusammenzustellen.
- Verwaltungsaufwand
Das erhöhte Aufkommen an Geflüchteten wird sich auch in der Verwaltung nicht ohne einen Mehraufwand abbilden lassen. Volumen und Modalitäten sind dabei noch unklar. Zu denken sind hier insbesondere die Bereiche:
- Bürgertelefon oder Vergleichbares
- Amt 33: Aufenthaltserlaubnisse
- Amt 50: Asylbewerberleistungen, Ehrenamt, Kümmerer/Objektbetreuer
- Amt 51: soz.päd. Betreuung
Zu denken wäre ggf. an Personalmehrungen, Überstunden, Bereitschaftsvergütungen oder Kosten für externe Dienstleister.
- Kosten
Ungeklärt ist zurzeit die Frage der Finanzierung der Unterbringungskosten. Angesichts dessen, dass die Geflüchteten aus der Ukraine als Asylbewerber formlos anerkannt werden sollen, ist davon auszugehen, dass die entstehenden Kosten größtenteils durch staatliche Erstattungen gedeckt werden. Solange jedoch noch nicht endgültig feststeht, nach welcher Norm die Aufnahme der Flüchtlinge erfolgen wird, gilt zunächst folgendes:
Zurzeit ist es so, dass sich die Leistungsgewährung nach dem ausländerrechtlichen Status richtet; bei einer visumfreien Einreise besteht nur im Einzelfall Anspruch auf so genannte „Überbrückungsleistungen“ nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII. Die Überbrückungsleistungen werden normalerweise für einen Monat erbracht und liegen deutlich unter dem normalen Leistungsumfang (nur Essen, Kleidung, Kosten der Unterkunft, medizinische Notversorgung sowie Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft). AsylbLG Leistungen wären nur bei Personen nach § 1 Abs. 1 AsylbLG zu erbringen.
Unklar ist, ob die Mehrkosten aus der Betreuung der Geflüchteten durch die Stadtbau GmbH, in der auch die Kosten für die „Kümmerer“ enthalten sind, mittelfristig übernommen werden. Die Verwaltung ist der Ansicht, dass das eingeführte und bewährte System beibehalten werden soll auch um den Preis, dass die Stadt auf etwaigen Mehrkosten sitzen bleibt.
Die erforderlichen Finanzmittel werden auf den bestehenden Haushaltsstellen über- oder außerplanmäßig bereitgestellt.
- Sonstiges
- Spenden
Verwaltung wird die Bevölkerung darum bitten, keine Sachspenden zu leisten. Der Aufwand, diese Sachspenden entgegenzunehmen, zu sortieren, zu bearbeiten und wieder zu verteilen bindet zu viele Kapazitäten. Aufwand und Nutzen stehen vor Ort in keinem Verhältnis zueinander.
Geldspenden verweist die Stadt bis auf weiteres auf das Spendenkonto der „Nothilfe Ukraine“, einer Initiative der „Aktion Deutschland hilft“ einem Zusammenschluss renommierter deutscher Hilfsorganisationen.
- Öffentlichkeitsarbeit
Eine zentrale Telefonnummer für ein Bürgertelefon wird derzeit eingerichtet. Die Hotline wird so schnell wie möglich bekannt gegeben.
Alle vorbenannten Angaben geben eine Momentaufnahme wieder. Angesichts der Dynamik der Situation sind kontinuierlich Änderungen zu erwarten.