Hintergrund
Auf der UN-Vollversammlung im September 2015 in New York wurden mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung erstmals global gültige Nachhaltigkeitsziele - (Sustainable Development Goals, SDGs) - beschlossen. Die 17 Hauptziele der SDGs bilden für alle Staaten – erstmals in Nord und Süd – einen gemeinsamen Bezugsrahmen und sind auch in Deutschland für Bund, Länder und Kommunen handlungsleitend. Sie verzahnen die ökonomische, ökologische und soziale Dimension von Nachhaltigkeit. Im Hinblick auf die Umsetzung der Agenda 2030 kommt der kommunalen Ebene eine besondere Rolle zu, denn nahezu alle der 17 globalen Entwicklungsziele stehen im direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Aufgaben einer Kommune.
In diesem Kontext erarbeitete die Stadt Aschaffenburg mit Unterstützung der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global in Zusammenarbeit mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes anhand des neuen „Berichtsrahmen nachhaltige Kommune (BNK)“ auf Basis des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK).
Die Ziele des RNE sind:
- Der BNK ist ein Transparenzstandard zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
- Er soll Geeignet sein für alle Kommunen, egal welcher Größe, er ist Instrument zur Reflexion der eigenen kommunalen Nachhaltigkeitsleistung.
- Er bietet die Möglichkeit einer prozessorientierten Berichterstattung.
- Er ermöglicht Kommunen durch ein festes Set aus 18 Kriterien (qualitativ) und einer Auswahl an Leistungsindikatoren (quantitativ) voneinander zu lernen.
Die Kriterien und Handlungsfelder folgen gängigen kommunalen Strukturen und Berichtsinhalte knüpfen an Bestehendes an.
Nachhaltigkeit in Aschaffenburg
Die Stadt Aschaffenburg sieht sich in der Verantwortung, als Kommune ihre Aufgaben in
ökologischer, sozialer und ökonomischer Weise ganz im Sinne der Nachhaltigkeit wahrzunehmen und in Vielem Vorbild zu sein. Diese Verantwortung wird in der Verwaltung als Querschnittsaufgabe angesehen und hat in Aschaffenburg lange Tradition.
Der Agenda21-Beirat wurde im Jahr 2000 ins Leben gerufen und es wurden zahlreiche Projekte wie das Streuobstwiesenprojekt "Schlaraffenburger" oder die Fairtrade-Stadt-Initiative angeregt und umgesetzt. Im Sonderplenum: Klima und Nachhaltigkeit am 13.10.2020 wurde die Verschmelzung des Agenda21-Beirates mit der Energie- und Klimakommission beschlossen.
Am 20.1.2020 hat sich die Stadt Aschaffenburg auf Empfehlung des Agenda21-Beirates der allgemeinen Erklärung der Musterresolution des Deutschen Städtetages und des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) „2030 – Agenda für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ angeschlossen. Damit bekennt sich die Stadt Aschaffenburg zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Agenda2030 und hat fünf Ziele benannt, um die sich die Stadt Aschaffenburg im Besonderen kümmern möchte.
- Ziel 1 keine Armut
- Ziel 11 nachhaltige Städte und Gemeinden
- Ziel 13 Maßnahmen zum Klimaschutz
- Ziel 15 Leben an Land
- Ziel 16 Frieden und Gerechtigkeit
Für eine nachhaltige und ausgewogene kommunale Aufgabenerfüllung ist eine Orientierung an der Agenda2030 und den 17 Nachhaltigkeitszielen der Grundpfeiler für eine moderne und in die Zukunft gerichtete Nachhaltigkeitspolitik.
Grundlage für den BNK in Aschaffenburg
Für den Berichtsrahmen nachhaltige Kommune bringt die Stadt Aschaffenburg einiges an Erfahrung mit und kann auf ein solides Fundament aufbauen. Es wurde bereits 2005 ein eigenes Nachhaltigkeits-Indikatoren-Set entwickelt, welches 2012 und 2018 neu veröffentlicht wurde. In der aktuellen Version, Aschaffenburger Indikatoren 2018, sind die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda2030 integriert und zugeordnet. Zudem hat die Stadt Aschaffenburg bereits zweimal 2003 und 2012 die Eine-Welt-Bilanz auf Indikatoren Basis herausgebracht.
Die nachhaltigen und zukunftsweisenden Projekte und Strukturen der Stadt Aschaffenburg wurden bereits mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2020 für mittlere Städte gewürdigt. Für die Testphase des BNK ist es sehr praktikabel, einen Bericht für eine Kommune mittlerer Größe zu erstellen. Es liegt darin hohes Potential für die Etablierung eines nachhaltigen Berichtswesens für Kommunen.
Bausteine des Berichtsrahmens
Die Handlungsfelder des Berichtsrahmens sind in einzelne Aspekte aufgegliedert. Diese Aspekte sind jeweils einem oder mehreren SDGs zugeordnet, um so eine Verknüpfung zur
Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen herzustellen. Der Berichtsrahmen setzt sich aus neun Steuerungskriterien, neun kommunalen Handlungsfeldern und einem ergänzenden Indikatoren Set zusammen. Die Kriterien und Handlungsfelder enthalten jeweils mehrere Aspekte, die klar beschreiben, welche Informationen offengelegt werden sollen.
Grundlagen zur Berichterstattung
Im Berichtsrahmen wird in den einzelnen Aspekten klar formuliert, welche Inhalte berichtet werden sollen. Hier werden in weiten Teilen qualitative Informationen gefordert.
Berichterstattung ist keine einmalige, sondern eine regelmäßige Aufgabe, denn jeder Bericht kann nur den Status zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist kein Selbstzweck, sondern vielmehr ein Baustein, der Teil eines größeren politischen Prozesses ist.
Entwicklungsprozess in Aschaffenburg
Die Stadt Aschaffenburg wurde als Pilotkommune zur Erstellung des Berichtsrahmens nachhaltige Kommune von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) und dem Rat für nachhaltige Entwicklung ausgewählt. Der Stadtrat stimmte der Teilnahme am 03.03.2021 zu. Kurz danach begann die Ausschreibung für ein begleitendes Dienstleistungsbüro, für das die Bürogemeinschaft Julia Pfinder/Corsus corporate sustainability GmbH von Seiten der SKEW und RNE den Zuschlag bekam.
Als erster Schritt wurde ein Kernteam innerhalb der Stadtverwaltung gebildet. Die Koordination und Kommunikation mit der Bürogemeinschaft Pfinder/Corsus wurde vom Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz übernommen.
Es fanden drei Workshops statt mit Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, mit Mitgliedern des Stadtrates sowie der Zivilgesellschaft.
Qualitative und quantitative Bestandsaufnahme
Als erster Schritt wurde ein Bestandsaufname gestartet, in der die vorhandenen Konzepte, Leitbilder, Beschlusse gesammelt und den Handlungs- und Steuerungsfeldern zu geordnet wurden.
Die Stadt Aschaffenburg hat bislang keine gesamtstädtische Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, sondern richtet ihre kommunalen Handlungsfelder an Nachhaltigkeitsprinzipien aus.
Im Anschluss an die Datenanalyse wurden die Aspekte und Indikatoren bearbeitet und es fanden die Workshops statt. Es wurden auch kleinere Arbeitsgruppen gebildet.
BNK Aschaffenburg
Das Endgültige Ergebnis liegt nun mit dem Berichtsrahmen nachhaltige Kommune vor.
Aschaffenburg richtet sich nachhaltig aus, besondere Schwerpunkte lagen in den letzten Jahren in der integrierten Verkehrsentwicklungsplanung, einer sicheren und sozial verantwortlichen Wohnraumversorgung, der nachhaltigen Mobilitätsentwicklung und des Klima-, Energie-, Umwelt- und Ressourcenschutzes. Insbesondere der Klimaschutz und die nachhaltige Versorgung mit Energie hat einen hohen Stellenwert. Die Stadt verfügt über ein internes Contracting zum Klimaschutz und ein Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept, in dem ambitionierte Ziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen festgelegt sind. Die Stadt hat zudem mit der Klimaanpassungsstrategie umfassende Konzepte zur Anpassung an den Klimawandel entwickelt. Insbesondere Freiflächen mit regionaler Bedeutung für Erholung, Hochwasserschutz und Luftaustausch sollen gestärkt werden. Das Leitbild „Grünes Rad“, die naturnahe Bewirtschaftung des Stadtwaldes oder der Streuobstaktionsplan adressieren Biodiversität und Ressourcenschutz.
Neben der Kernverwaltung spielen auch Eigenbetriebe und Beteiligungsunternehmen sowie die Zivilgesellschaft eine große Rolle für die Aktivitäten einer Stadt im Bereich der Nachhaltigkeit. An vielen Stellen stellt die Struktur des BNK daher konkrete Bezüge zum Handeln dieser Akteure her.
Das Ziel war, eine Entscheidungshilfe in Nachhaltigkeits- und Zukunftsfragen für Politik und Verwaltung zu schaffen, damit eine übersichtliche Informationsgrundlage vorliegt für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele in der Stadt Aschaffenburg. In den verschiedenen Workshops hatten sich Mitarbeitende der Stadtverwaltung, Mitglieder des Stadtrats und Agenda21-Beirats sowie der Stadtgesellschaft im Prozess eingebracht.
Der BNK zeigt, dass in Aschaffenburg das Engagement in sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Belangen sehr groß ist. Die Praxisbeispiele legen auch die innovativen Potentiale dar, die über die Kernaufgaben der städtischen Verwaltung hinausgehen.
Pilotprojekt BNK
Seit März 2021 wird der BNK in Kooperation mit der SKEW systematisch in 20 Kommunen in verschiedenen Bundesländern erprobt. Die Erfahrungen aus der Pilotphase sollen in die inhaltliche und methodische Weiterentwicklung des Berichtsrahmens einfließen. Ein Feedbackgespräch sowie Erfahrungsaustausch an dem die Stadt Aschaffenburg ihren BNK Prozess vorgestellte hatte bereits stattgefunden.
Der BNK ist ein Transparenzstandard, nach dem Kommunen freiwillig berichten können. Er setzt sich aus neun Steuerungskriterien, neun kommunalen Handlungsfeldern und einem ergänzenden quantitativen Set aus quantitativen Indikatoren zusammen. Da die Stadt Aschaffenburg dies als Pilotkommune erprobte ging es auch immer um die Hinterfragung der Struktur und Aussage Fähigkeit der gewählten Indikatoren.
So war die Einteilung der Steuerungs- und Handlungsfelder in Aspekte eine Maßnahme die während des Prozess erfolgte, dadurch konnte die Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit verbessert werden.
Auch die Festsetzung der vorgegebenen Indikatoren war nicht immer nachvollziehbar. So ist beispielsweise im Handlungsfeld 10 Klimaschutz und Energie der Indikator Windkraft obligatorisch.
Die Stadt Aschaffenburg verfügt nicht über ausreichend windhöffige Freiflächen, um im Stadtgebiet Windkraftanlagen zu bauen. Allerdings besteht die Möglichkeit eigene Indikatoren hinzuzufügen. Daher wurden seitens der Stadt Aschaffenburg die Indikatoren Regenerative Energieerzeugung sowie Verbräuche Ladesäulen für Elektromobilität selbst gewählt.
Die nachhaltigkeitsbezogenen Aktivitäten Aschaffenburgs greifen mit ihren Beteiligungsgesellschaften – Stadtbau, Stadtwerke und Kongress- und Touristikbetriebe – ineinander. Die Verfolgung ökologischer und sozialer Nachhaltigkeitsziele der Stadt ist nur im Zusammenspiel mit ihren Eigenbetrieben möglich. Es besteht Konsens, die Eigenbetriebe als Trägerinnen der Daseinsvorsorge auch weiterhin in städtischer Hand zu halten. Damit wird anerkannt, dass sie eine wichtige Grundlage für ein nachhaltiges Handeln der Stadt darstellen, ein hohes Vertrauen und Ansehen bei den Bürgerinnen und Bürgern genießen und im Vordergrund ihrer Leistungen das Gemeinwohl steht.
Mit dem vorliegenden Bericht verfügt die Stadt Aschaffenburg über ein Instrument um ihre ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeitsaktivitäten noch stärker in der Öffentlichkeit darzustellen. Der BNK bietet die Möglichkeit Transparenz und Sichtbarkeit für das nachhaltige Gesamtbild der Stadt zu schaffen. Insbesondere, um die Stadtgesellschaft zu ermutigen, gemeinsam mit Politik und Verwaltung an einer nachhaltigen und gerechten Welt mitzuwirken.
Die Verwaltung sollte zusammen mit Bürgerschaft und Unternehmen hierbei als Vorreiter und Vorbild fungieren und weiterhin kontinuierlich Ideen und nachhaltige Konzepte in die Umsetzung bringen.
Angaben zur Klimawirkung
Für die Erarbeitung und Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts besteht zunächst keine Klimarelevanz. Die daraus folgenden Maßnahmen können aber durchaus zu einer Verminderung von Treibhausgasen führen.