Nachdem die vorliegende Beschlussvorlage die einzige Angelegenheit für den UKVS am 18.5.2022 gewesen wäre, wurde die Sitzung am 18.5.2022 abgesagt. Die nächste UKVS-Sitzung ist erst am 22.6.2022, was im Hinblick auf die auslaufende Übergangslösung zum 30.6.2022 zu spät wäre. Die Angelegenheit wurde deshalb auf die Tagesordnung des Plenums am 16.05.2022 gesetzt.
- Bisherige Entwicklung
Dem Schützenverein St. Sebastianus Aschaffenburg 1899 e. V. wurde im März 1974 eine Teilfläche der Flur Nr. 11745/2 Gmkg Schweinheim, in der Natur handelt es sich um den früheren „Höllein-Steinbruch“ sowie dem Gelände vor dem Steinbruch nebst den Baulichkeiten, verpachtet. Die bisherige von der Stadt Aschaffenburg genehmigte wöchentliche Schussbegrenzung belief sich auf 13.000 Schuss/ Woche. Die Ruhezeiten, die am 08.12.2009 auf privatrechtlicher Basis festgelegt wurden, waren von Montag bis Donnerstag: bis 14:00 Uhr; Freitag und Samstag: 12:00 bis 14:00 Uhr und Sonntag: 12:00 bis 14:00 Uhr – im Zeitraum der MEZ (mitteleuropäische Zeit) und 12:00 bis 14:30 Uhr – im Zeitraum der MESZ (mitteleuropäische Sommerzeit. Der Schießbetrieb endet an Sonntagen generell um 19:00 Uhr. Ausgenommen von dieser Regelung waren Turniere, Lehrgänge und behördliche Maßnahmen bis zu einer Anzahl von 10 Tagen im Jahr.
Der Schützenverein St. Sebastianus Aschaffenburg 1899 e. V. hatte in den letzten zehn Jahren eine höhere sechsstellige Summe für Standsanierung und Schallschutz ausgegeben. Eine der Hauptaufgaben der Sanierungsarbeiten war die Beseitigung von Altlasten, die durch den Schießbetrieb entstanden sind. Im Zuge dieser Arbeiten wurden auch die Schallschutzanlagen verbessert. Der Schießstand ist geeignet für das Schießen mit Langwaffen und Kurzwaffen, sowie zum Tontauben- und Skeetschießen.
2020 wurde vom Verein eine Ausweitung der Schießzeiten beantragt, da neben den Schießübungen der Vereinsmitglieder auch die Polizei aufgrund der zurzeit geänderten politischen Lage (u.a. Terrorbekämpfung usw.) zu Ausbildungs- und Übungszwecken auf Schießanlagen angewiesen ist. Die Polizei wurde in den letzten Jahren u.a. wegen der Terrorbekämpfung mit Langwaffen ausgerüstet. Für diese Waffen fehlen der Polizei aber geeignete Schießstände um das Schießen und die Handhabung zu üben. Die Polizei aus Hessen (Polizeipräsidium Südosthessen) und Bayern sind daher an den Schützenverein herangetreten, um den vereinseigenen Schießstand für Ausbildungszwecke zu nutzen. Der Schießstand wird zurzeit auch von der Justiz, dem Industrie- und Werkschutz (IWS), dem Reservistenverband und zur Jagdausbildung von der Jägervereinigung Aschaffenburg genutzt. Durch die polizeiliche Ausbildung, bei der es sich um eine hoheitliche Tätigkeit handelt, sowie der Jagdausbildung, bei der es sich um eine staatliche Prüfung handelt, aber auch durch andere externe Nutzer würde sich die Schusszahl so erhöhen, dass für die eigenen Vereinsmitglieder nicht mehr genug Schusskapazitäten zur Verfügung stehen.
Durch die ursprünglich geplante Änderung des Bundesjagdgesetzes (neuer § 15a BJagdG nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drs. 19/26024), das u. a. einen jährlichen Schießnachweis für Jäger vorgesehen hat, die an Gesellschaftsjagden teilnehmen, würde sich der Schusszahlbedarf auf dem Schießstand weiter erhöhen, wenn ein Gesetz mit diesen Zielsetzungen auch in den neuen Bundestag wieder eingebracht werden würde. Auch ist bekannt, dass die Afrikanische Schweinepest (ASP) in Deutschland angekommen ist, welche eine gezieltere Bejagung und umfangreichere Schießausbildung erfordert.
Der Schützenverein St. Sebastianus Aschaffenburg 1899 e. V. bat daher, die nach § 16 Abs. 1 BImSchG im Bescheid vom 10.02.2010 von der Stadt Aschaffenburg genehmigte wöchentliche Schussbegrenzung von 13.000 Schuss/ Woche auf 25.000 Schuss/ Woche zu erhöhen sowie eine Tageshöchstgrenze von 6.000 Schuss/ Tag festzulegen.
Dem Genehmigungsantrag wurde eine Schallprognose der Fa. Wölfel beigelegt, dies hält sogar eine Schusszahlobergrenze von 8.000 Schuss/ Tag unter Einhaltung der Immissionswerte für möglich. Diese 56.000 Schuss pro Woche wurden aber weder beantragt noch war oder ist dies beabsichtigt. Die Begrenzung der Schusszahlen im Bescheid vom 10.02.2010 erfolgt nicht aus immissionsschutzrechtlichen Gründen. Es wurde lediglich die beantragte Schusszahl festgesetzt.
Durch die erhöhte Nutzung der Schießanlage waren folgende wöchentliche Schusszeiten vorgesehen:
Werktags von 08.00 Uhr – 12.00 Uhr
14.00 Uhr – 22.00 Uhr
sonn- und feiertags von 09.00 Uhr – 12.00 Uhr MESZ (mitteleuropäische Sommerzeit)
14.00 Uhr – 19.00 Uhr MESZ
sonn- und feiertags von 09.00 Uhr – 12.00 Uhr MEZ (mitteleuropäische Zeit)
13.00 Uhr – 19.00 Uhr MEZ
Parallel stattfindender Schießbetrieb durch Behörden und Verein wurde ausgeschlossen. Beibehalten wurde die Sonderregelung, dass an 10 Tagen im Jahr anlässlich von Meisterschaften, Jagdlehrgängen und behördliche Maßnahmen von der vorstehenden Regelung abgewichen werden darf.
In der 9. Sitzung des Umwelt-, Klima- und Verwaltungssenates vom 12.11.2020 wurde einer Erhöhung der Schusszahlen und einer neuen Festsetzung der Schießzeiten, probeweise bis 31.12.2021 zugestimmt.
Mit Bescheid vom 07.05.2021 wurde dem Schützenverein St. Sebastianus die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung zur Erhöhung der Schusszahlen erteilt. Zur Prüfung der Unterlagen und Abgabe einer Stellungnahme wurden folgende städtische Dienststellen beteiligt:
- Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz
(Untere Immissionsschutzbehörde, Untere Abfallbehörde, Untere Naturschutzbehörde)
- Ordnungs- und Straßenverkehrsamt (Untere Waffenbehörde)
- Stadtplanungsamt
Des Weiteren wurde die Regierung von Unterfranken (Gewerbeaufsichtsamt, Höhere Naturschutzbehörde) als Trägerin öffentlicher Belange beteiligt.
Auf entsprechende Nachfrage hat der Vorstand des Vereins St. Sebastianus zur UVKS-Sitzung vom 8.12.2021 ausdrücklich bestätigt, dass er die Erweiterung der Schießzeiten nicht aus eigenem Interesse beantragt hat, sondern aus seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Sicherheitsbelange der Bevölkerung. Die Rahmenbedingungen der Vereinsschießanlage sind für die Polizei- und Behördenausbildung nicht nur in funktionaler Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die Schonung wertvoller Einsatzkapazitäten optimal. Wenn der Stadtrat bei seiner Entscheidung die Schwerpunkte anders setzt, wird dies vom Verein respektiert. In diesem Falle wurde lediglich darum gebeten, die erweiterten Schießzeiten bis zum 30.3.2022 zu verlängern, um allen Beteiligten die erforderliche Zeit zur Neuorientierung zu geben. Nach diesem Zeitpunkt ist das Ausbildungs- und Übungsschießen der bayerischen und hessischen Polizei auf der Vereinsanlage nicht mehr möglich.
In der Sitzung vom 8.12.2021 hat der Stadtrat die endgültige Entscheidung vertagt und die Verwaltung beauftragt, mit dem Verein über folgende Punkte zu verhandeln:
- Der Verein soll seinen Schießbetrieb in der Form beschränken, dass der Sonntag weitgehend schießfrei bleiben sollte. Ausnahmen, etwa für Wettbewerbe, müssten mit der Stadtverwaltung abgesprochen werden.
- Der Ausbildungsbetrieb von Polizei, Justiz und Werkschutz mit den neuen Langwaffen sollte auf 40 Vormittage (Montag bis Freitag) im Jahr begrenzt werden.
- Zudem sollte untersucht werden, ob sich der Schallschutz weiter verbessern lasse.
Im Hinblick darauf hat der Stadtrat einer Verlängerung der Ausnahmeregelung bis zum 30.6.2022 zugestimmt.
- Verhandlungsergebnis
- Einschränkung des Schießbetriebes am Sonntag
Zum Wunsch des Stadtrates, den Schießbetrieb am Sonntag weitgehend einzuschränken, hat der Verein mit Schreiben vom 20.01.2022 Folgendes mitgeteilt:
„Dieser Punkt ist für uns nicht umsetzbar. Das Waffengesetz fordert von den Sportschützen eine regelmäßige Teilnahme am Schießtraining. Unsere Mitglieder sind überwiegend berufstätig und können nur am Wochenende ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen. Gleiches gilt natürlich für die Jägerschaft, welche sonntags von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr die Möglichkeit hat, Waffen einzuschießen, Zieleinrichtungen zu überprüfen, neue Munition zu testen, ihre Schießfertigkeit auf Wurfscheiben und laufenden Keiler (letzteres ist für Drückjagden Voraussetzung) zu üben. Auch finden sonntags regelmäßig Rundenwettkämpfe u.ä. statt. Der Sonntag ist der wichtigste Schießtag und nicht zu ersetzen oder in der Betriebsdauer zu verkürzen.“
Eine weitgehende Einschränkung des Schießbetriebes am Sonntag ist daher nicht möglich.
- Begrenzung des Ausbildungsbetriebes
Die Bayerische Polizei geht davon aus, dass sie für ihren Ausbildungsbetrieb 20 Schießvormittage im Jahr benötigt. Die Schusszahl wird dabei maximal bei 8.000 Schuss pro Jahr liegen. Im Zuge eines Modellprojektes schießt die bayerische Polizei ausschließlich mit Schalldampfer. Diese wurden für den Schießbetrieb in Aschaffenburg extra beschafft. Außerdem schießt die bayerische Polizei ausschließlich innerhalb des eingehausten Schießstandes. Der Schießlärm ist daher kaum noch wahrnehmbar. Auch Messungen durch das Umweltamt haben dies bestätigt.
Die Verwaltung befürwortet daher eine Genehmigung dieses Schießbetriebes unabhängig von der grundsätzlichen Frage der verlängerten Schießzeiten.
Die hessische Polizei hat Ihren Schießbetrieb um ca. 40 % reduziert. Die Grundausbildung ist weitgehend abgeschlossen. Zurzeit findet im Schnitt nur an einem Tag pro Woche Schießausbildung statt. Die hessische Polizei sieht jedoch keine Möglichkeit den Schießbetrieb analog zur bayerischen Polizei zu gestalten. Die hessische Polizei will, dass ihre Beamten praxisnah ausgebildet werden. Dies setzt voraus, dass ohne Schalldämpfer geschossen wird und dass die Schüsse in Bewegung abgegeben werden. Damit scheidet auch die Abgabe der Schüsse innerhalb des Schießstandes aus.
- Verbesserung des Schallschutzes
Der Genehmigung der Betriebsausweitung mit Bescheid vom 07.05.2021 lag eine Schallschutzberechnung zu Grunde. In der Genehmigung wurde zur Auflage gemacht, dass nach Betriebsaufnahme eine Schallmessung vorzunehmen ist. Diese wurde zwischenzeitlich vorgenommen. Als Ergebnis wurde im Gutachten vom 02.05.2022 festgehalten, dass die gesetzlich zulässigen Immissionswerte sowohl beim Vereinsschießen als auch dem Behördenschießen bis auf eine Konstellation nicht überschritten werden. Lediglich wenn mit Bockdoppelflinten im Trappstand geschossen wird, sind bei dieser Waffenart rechnerisch Einschränkungen auf zukünftig 3.500 Schuss pro Tag erforderlich. Zusätzlich dürfen parallel zur Bockdoppelflinte noch 2.000 Schuss weiterer Kaliber geschossen werden. Bereits jetzt darf zudem während dem behördlichen Schießen kein weiterer Schießbetrieb stattfinden, dies gilt auch weiterhin.
Eine Reduzierung des Schießlärms wurde durch die bayerische Polizei in der Form vorgenommen, dass nur noch Waffen mit Schalldämpfer eingesetzt werden. Schallreduzierung für das Schießen im Freien in Form von abgehängten schallabsorbierenden Elementen wäre zwar theoretisch möglich. Die Kosten hierfür würden sich aber auf rund 150.000 € belaufen, ohne dass dem eine belastbare Kostenschätzung zugrunde liegt. Der Schießlärm wäre dann immer noch sehr deutlich zu hören. Aufwand und Nutzen stehen daher in keinem Verhältnis zueinander. Der Verein wird für das Vereinsschießen weitere Lärmschutzmaßnahmen prüfen und möglicherweise im nächsten Jahr Vorschläge unterbreiten.