Antrag von Herrn Stadtrat Johannes Büttner (KI) und von Herrn Stadtrat Jürgen Zahn (KI) vom 31.10.2022 wegen „Resolution zur Verurteilung des Angriffskrieges der Türkei im Nordirak und Nordsyrien“


Daten angezeigt aus Sitzung:  17. Sitzung des Stadtrates (Plenum), 05.12.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Stadtrat (Plenum) 17. Sitzung des Stadtrates (Plenum) 05.12.2022 ö Beschließend 9PL/17/9/22

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

1. Antrag

Mit Schreiben vom 31.10.2022-eingegangen bei der Stadt am 31.10.2022-haben die Stadträte Zahn (KI) und Büttner (KI) beantragt, eine Resolution gegen den Angriffskrieg der Türkei im Nordirak und in Nordsyrien mit folgendem Inhalt zu fassen:

1. Der Stadtrat Aschaffenburg verurteilt jegliche völkerrechtswidrige Kriegshandlung.
2. Dem folgend verurteilt der Stadtrat Aschaffenburg –insbesondere im Hinblick auf die in Aschaffenburg lebenden kurdischen-aber auch regierungskritischen türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger-die Angriffe, die die Türkei seit dem 18.04.2022 auf von Kurdinnen und Kurden bewohnte Gebiete im Nordirak und in Nordsyrien (Rojava) führt, solidarisiert sich mit den Opfern und fordert die türkische Regierung dazu auf, jegliche Angriffe auf diese Gebiete einzustellen.
3. Der Stadtrat Aschaffenburg bezieht sich u.a. auf die Schlussfolgerungen der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 17.05.2022“Völkerrechtliche Implikationen der türkischen Militäroffensive ‚Claw-Lock‘ gegen kurdische Stellungen im Nordirak“.


2. Rechtslage

Den bayerischen Gemeinden obliegen – als Ausfluss des im Kernbereich verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts – „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ (Art. 28 Abs.2 Satz 1 GG, Art. 7 Abs.1 GO), die Erfüllung ihrer „eigenen Angelegenheiten“ (Art. 11 Abs.2 Satz 2 BV) bzw. der „örtlichen Angelegenheiten“ (Art. 1 Satz 1 GO). Diese Vorschriften meinen trotz ihres voneinander abweichenden Wortlautes alle das gleiche. Die Gemeinden haben demnach die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Gewalt überantwortet sind, ohne besondere Kompetenztitel anzunehmen (BVerfGE 79, 127, 146).

Voraussetzung einer auf dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht gründenden hoheitlichen Befassung ist, dass sie die der Gemeindevertretung gezogenen Grenzen des Betätigungsfeldes wahrt, die durch den Tatbestand der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ vorgegeben sind. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs.2 Satz 1GG sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen der Gemeinde betreffen (s. BVerwG vom 14.12.1990, Az. 7 C 37/89 mit Verweis auf BVerfGE 79, 127 151; ferner BVerGE 8, 122, 134; 50, 195, 201; 52, 95, 120). Die Stellungnahme muss demnach auch und gerade, wenn sie den Kompetenz- und Zuständigkeitsbereich sonstiger Stellen der vollziehenden Gewalt betrifft, in spezifischer Weise ortsbezogen sein. Der bloße Umstand, dass die Gemeindevertretung nur für die eigene Gemeinde spricht, genügt dem Anspruch spezifischer Ortsbezogenheit schon deshalb nicht, weil sie sonst unter Berufung auf die im Selbstverwaltungsrecht wurzelnde Allzuständigkeit der Gemeinde auch allgemeinpolitische Fragen zum Gegenstand ihrer Tätigkeit machen könnte. Die Gemeinde erlangt jedoch aus Art. GG Artikel 28 GG Artikel 28 Absatz II 1 GG nur ein kommunalpolitisches, kein allgemeines politisches Mandat (BVerfGE 79, BVERFGE Jahr 79 Seite 127 (BVERFGE Jahr 79 Seite 147) = NVwZ 1989, NVWZ Jahr 1989 Seite 347 = NJW 1989, NJW Jahr 1989 Seite 179 ; ferner BVerfGE 8, BVERFGE Jahr 8 Seite 122 (BVERFGE Jahr 8 Seite 134) = NJW 1958, NJW Jahr 1958 Seite 1341, NJW Jahr 1958 Seite 1771 ), ebenso wie sie selbst weder Inhaberin grundrechtsgeschützter politischer Freiheit noch Sachwalterin der grundrechtlichen Belange ihrer Bürger ist (BVerGE 61, 82 (102 f.) = NJW 1982, NJW Jahr 1982 Seite 2173 = NVwZ 1982, NVWZ Jahr 1982 Seite 554 ). Die von der Gemeindevertretung gefassten Beschlüsse ergehen vielmehr, auch soweit die Vertretung sich in der Form “appellativer” oder “symbolischer” Entschließungen äußert, in Ausübung gesetzlich gebundener öffentlicher Gewalt und bedürfen daher der - hier durch Art. GG Artikel 28 GG Artikel 28 Absatz II 1 GG vermittelten - Rechtsgrundlage.

Die beabsichtigte Resolution soll zwar eine Solidaritätsbekundung gegenüber der kurdischen und der regierungskritischen türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger der Stadt Aschaffenburg darstellen, jedoch beinhaltet die beantragte Resolution nicht das Zusammenleben der Gemeindebewohner innerhalb der örtlichen Gemeinschaft. Sie nimmt hier explizit eine kleine Bevölkerungsgruppe heraus. Außerdem handelt es sich bei der beabsichtigten Resolution um eine übergreifende allgemeinpolitische Problematik, woraus sich die Ortsbezogenheit allein aus der Solidaritätsbekundung gegenüber einer kleinen Bevölkerungsgruppe nicht ergibt.

Der Antrag scheitert demnach an der Voraussetzung der „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft“.

Darüber hinaus hat sich die Stadt Aschaffenburg und die Regierung von Unterfranken im Jahr 2017 im Zusammenhang mit den Afghanistanabschiebungen intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit die Behandlung ausländerrechtlicher Themen in die kommunale Befassungskompetenz fällt.

Es handelt sich hier eindeutig um die Behandlung eines ausländerrechtlichen Themas, das außerhalb der kommunalen Befassungskompetenz liegt.

.Beschluss:

I. Der Antrag von Herrn Stadtrat Johannes Büttner (KI) und von Herrn Stadtrat Jürgen Zahn (KI) vom 31.10.2022 zur Verabschiedung einer Resolution zur Verurteilung des Angriffskrieges der Türkei im Nordirak und Nordsyrien wird mangels kommunaler Befassungskompetenz abgelehnt.

II. Angaben zur Klimawirkung:
Bewertung - jeweils Mehrung oder Minderung der Treibhausgase (THG)
wenig klimarelevant
teilweise klimarelevant
sehr klimarelevant
[ x ]  keine weiteren Angaben erforderlich
[  ]  kurze Erläuterung in den Begründungen
[  ]  ausführliche Erläuterung 
in den Begründungen 
Bewertungsschema nach KÖP (Klimaschutzmanagement in öffentlich Projekten)
(Nationale Klimaschutz-Initiative  -  Klimabündnis / ifeu-Heidelberg / BMU)

III. Angaben zu den Kosten:
Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [  ]
nein [ x ]

Abstimmungsergebnis:
Mehrheitlich angenommen

Datenstand vom 15.02.2023 10:35 Uhr