I.
Mit Bauantrag, eingegangen bei der Stadt Aschaffenburg am 27.12.2022 beantragt die Firma H+B Hallen- und Bodenentwicklungsgesellschaft mbH die Genehmigung zur Nutzungsänderung eines Bürogebäudes in ein Boardinghouse auf dem Baugrundstück Fl.-Nr.: xxx, Gem. Aschaffenburg, Dessauerstraße xxx, 63739 Aschaffenburg.
Das Bestandsgebäude mit einer Grundfläche von ca. 17 m x 13 m mit 2 Geschossen, Zwischengeschoss und Dachgeschoss wird erhalten und umgebaut.
Die Grundstücksfläche beträgt 551 m², die Geschossfläche 762 m².
Geplant ist eine Umnutzung eines Bürogebäudes in ein Boardinghouse mit 14 Appartements mit 15 Zimmern und Größen zwischen 12 und 44 m², zwei Gemeinschaftsbädern, zwei Gemeinschafts-WC´s, zwei Gemeinschaftsküchen, eine Küche, sowie Gemeinschaftswaschräumen im Keller und vier Kellerräume mit Größen zwischen 16 und 38 m²
Das Objekt wird vorübergehend von der Stadtbau Aschaffenburg GmbH zur Unterbringung von Flüchtlingen angemietet. Nach Ablauf des Mietvertrages ist eine Nutzung als Boardinghouse zur temporären Unterbringung von Monteuren, Leiharbeitern oder sonstigen vorübergehend beschäftigten Arbeitskräften geplant. Ein dauerhaftes Wohnen findet in dem Objekt nicht statt. Der Wechsel erfolgt i.d.R. täglich, wöchentlich oder monatlich.
Auf dem Grundstück sind bereits 8 PKW-Stellplätze vorhanden.
II.
Planungsrechtliche Grundlagen
Das Bauvorhaben liegt im Geltungsbereich des übergeleiteten Baulinienplans Nr. 5 (= einfacher Bebauungsplan). Im Übrigen zählt das Baugrundstück zu einem „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“ nach § 34 BauGB.
Die planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben beurteilt sich also zum einen nach den Vorgaben des übergeleiteten Baulinienplans im Sinne des § 30 Abs.3 BauGB und nach dem § 34 Abs. 1 BauGB:
Demnach „ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.“ (§ 34 Abs.1 BauGB).
Für den betreffenden im Zusammenhang bebauten Ortsteil gestaltet sich der maßgebende bauliche Rahmen der näheren Umgebung wie nachfolgend beschrieben:
- Art der baulichen Nutzung: Der Ortsteil im Abschnitt zwischen Schweinheimer Straße, Spessartstraße, Lindestraße und Hefner-Alteneck-Straße/Carl-von-Linde-Platz ist gewerblich-industriell geprägt. Damit liegt ein Gebiet eigener Art i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB vor (= Gemengelage). Aufgrund umliegender Wohngebiete ist dieses Gebiet gewissen Einschränkungen bezüglich gewerblicher Emissionen unterworfen.
- Maß der baulichen Nutzung:
- Gebäudegrundflächen erreichen ein Maß bis ca. 15.000m² (Bezugsfall: Werkhalle, Hefner-Alteneck-Straße 11).
- Die bauliche Höhenentwicklung ist abzuleiten von einem Nebengebäude in der Dessauerstraße mit III Vollgeschossen (Flachdach, Gebäudehöhe: ca. 7,00 m) sowie vom Bestandsgebäude selbst mit einer Gebäudehöhe von 10,70 m, II Vollgeschossen plus Sockel und Walmdach.
- Die Bauweise ist auf dem gewerblich genutzten Areal sehr unterschiedlich, vorwiegend handelt es sich um eine „abweichende Bauweise“ mit Baukörpern, die überwiegend unter Wahrung von (seitlichen) Abständen „Überlängen“ von mehr als 50 m aufweisen.
- Überbaubare Grundstücksfläche: Entlang der Spessartstraße stehen die Baukörper stufenweise versetzt zur Spessartstraße.
III.
Bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Beurteilung
1) Baulinienplan Nr. 5 und Bebauungsplan Nr. 6/8
Entlang der Spessartstraße weicht das Bestandsgebäude von der vorderen Bebauungsgrenze sowie von der Straßenbegrenzungs- und Vorgartenlinie ab. Das Bestandsgebäude bleibt jedoch in seiner Kubatur unverändert und besitzt somit Bestandsschutz.
Für das Gebiet zwischen Dessauerstraße, Spessartstraße, Lindestraße und Hefner-Alteneckstraße (Nr. 6/8) besteht zudem ein Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan "Westlich Dessauerstraße" Nr. 6/8. Eine Zurückstellung des Baugesuchs (§ 15 BauGB) ist jedoch nicht notwendig, da nicht davon auszugehen ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht bzw. wesentlich erschwert werden.
2) Einfügungsgebot, gem. § 34 BauGB
Art der baulichen Nutzung
Der Bauantrag auf Erteilung einer Nutzungsänderung umfasst die Umwandlung bisher als Büroräume genutzte Aufenthaltsräume in ein Boardinghouse. Geplant ist eine temporäre Unterbringung von Monteuren, Leiharbeitern oder sonstigen vorübergehend beschäftigten Arbeitskräften. Übergangsweise ist eine Anmietung durch die Stadtbau Aschaffenburg GmbH zur Unterbringung von Flüchtlingen vorgesehen.
Aufgrund sehr unterschiedlicher Nutzungen in diesem Bereich kann keine eindeutige Gebietszuordnung nach den einzelnen Gebietstypen der BauNVO erfolgen. Es liegt ein Gebiet eigener Art i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB vor (= Gemengelage), welches jedoch überwiegend gewerblich-industriell geprägt ist. Aufgrund der Lage ist der Bereich gewissen Einschränkungen bezüglich gewerblicher Emissionen unterworfen.
Ein Boardinghouse kann in dieser Gemengelage, am Rande dieses Gebietes, im Übergang zur umliegenden Wohnbebauung zugelassen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um einen „echten Boardinghousebetrieb“ und um kein „Wohnen“ handelt. Aufgrund der vorliegenden Betriebsbeschreibung, wie auch des planerischen Nutzungskonzeptes liegt hier ein solcher Betrieb, ähnlich einem „gewerblichen Beherbergungsbetrieb“ vor. Darüber hinaus handelt es sich hier auch um keine solche gewerbliche Nutzung, welche störende Einwirkungen auf die gegenüberliegenden Wohngebiete verursachen würde. Im Gegenteil ist eher von einer vermittelnden Funktion im Übergangsbereich zwischen Gewerbe-/Industriegebiet zum gegenüberliegenden Wohngebiet auszugehen. Auch die Betriebsgröße hält sich mit 14 Appartements innerhalb dieses vermittelnden Rahmens.
Allerdings ist im Rahmen des Einfügegebotes, gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB auch sicherzustellen, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, bzw. Lebensverhältnisse in Hinblick auf den nahegelegenen, emittierenden Gewerbetrieb der Firma AB-GUSStech GmbH gewahrt werden.
Maß der baulichen Nutzung
Nachdem lediglich eine Nutzungsänderung mit baulichen Änderungen im Inneren erfolgen, ergeben sich keine Veränderungen beim Maß der baulichen Nutzung.
Überbaubare Grundstücksfläche
Der Grad der Überbauung wird im Rahmen der Nutzungsänderung nicht verändert.
Gesunde Wohn-, Arbeits-, Lebensverhältnisse / Immissionsschutz
Das Vorhaben befindet sich südwestlich, in der Nähe des emittierenden Betriebes der Firma AB-GUSStech GmbH. Es handelt sich hierbei um einen bestehenden und genehmigten Gewerbebetrieb. Von dem Betrieb gehen erhebliche Immissionen (Lärm, Geruch, Luftschadstoffe) aus, welche auch auf das Vorhaben einwirken und im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu berücksichtigen sind. Hierbei sind gesunde Lebensverhältnisse zu wahren. Ein Wohnen kann in diesem Bereich nicht zugelassen werden. Gegen einen gewerblichen Betrieb eines Boardinghouses, mit einer temporären Unterbringung bestehen hingegen keine Einwände. Der bauliche Schallschutz ist sicherzustellen.
Die Untere Immissionsschutzbehörde wurde beteiligt. Eventuelle Auflagen sind zu beachten.
Pkw-Stellplätze / Fahrradabstellplätze
Gemäß der städtischen Garagen-, Stellplatz- und Abstellplatzsatzung ist für ein Boardinghouse je 2 Zimmereinheiten 1 PKW-Stellplatz vorzusehen. Bei 15 Zimmer ergibt sich ein Bedarf von 8 PKW-Stellplätzen. Diese werden auf dem Baugrundstück, sowie einem angrenzenden Grundstücksstreifen, Fl.-Nr.: xxx und xxx, Gem. Aschaffenburg bereits im Bestand nachgewiesen. Die dingliche Zuordnung und Sicherung ist nachzuweisen.
Zudem ist je 15 Zimmereinheiten 1 Fahrradabstellplatz nachzuweisen. Die Planunterlagen sehen 15 Fahrradabstellplätze vor.
Gem. § 7 des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG) ist mindestens jeder dritte Stellplatz mit der Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität auszustatten und zusätzlich mindestens ein Ladepunkt zu errichten.
Zufahrt / Erschließung
Die Erschließung erfolgt über die Spessartstraße. Bauliche Veränderungen erfolgen nicht.
Dem Umwelt-, Klima- und Verwaltungssenat wird die Zustimmung zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung vorgeschlagen.