In der Plenumssitzung vom 28.7.2023 hat der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, die außerordentlichen Kündigungsmöglichkeiten hinsichtlich des Pachtvertrages über den Schlachthof Aschaffenburg zu prüfen und eine Arbeitsgruppe bestehend aus Stadtrat, Verwaltung und Dritten, die für den Weiterbetrieb des Schlachthofes von Bedeutung sein könnten, einzurichten. Unabhängig hiervon haben die drei Stadtratsfraktionen eine interfraktionelle Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich intensiv mit der Thematik befasst hat und die die als Anlage beigefügte „Handlungsempfehlung an den Stadtrat“ vom 20.8.2023 erarbeitet hat.
- Einrichtung der „Task Force Schlachthof“
Unter Ziffer 11 der Handlungsempfehlung wird vorgeschlagen, die interfraktionelle Arbeitsgruppe in die „Task Force Schlachthof“ zu überführen. Vor diesem Hintergrund und dem Auftrag des Stadtrates vom 28.7.2023 hat die Verwaltung die im Stadtrat vertretenen Fraktionen und Gruppierungen angeschrieben und um Benennung eines Vertreters oder einer Vertreterin für die Arbeitsgruppe gebeten. Die Benennung der entsprechenden Vertreterinnen und Vertreter ist erfolgt. Vertreter der Verwaltung werden je nach zu bearbeitenden Themenkreisen hinzugezogen. Dies gilt auch für externe wie zum Beispiel Bauernverband oder Metzgerinnung. Die verwaltungstechnische Betreuung der „Task Force Schlachthof“ wird im Büro des Oberbürgermeisters angesiedelt. Die „Task Force Schlachthof“ tagt nichtöffentlich. Bindende Entscheidungen werden nur in förmlichen Stadtratssitzungen entsprechend den gemeinderechtlichen Vorgaben getroffen.
Die „Task Force Schlachthof“ hat erstmals am 31.8.2023 getagt und sich dabei insbesondere mit den rechtlichen Rahmenbedingungen des bestehenden Pachtvertrages befasst.
- Kündigung des bestehenden Pachtvertrages
Insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse hat der Stadtrat am 28.7.2023 und jetzt auch im Rahmen der Handlungsempfehlungen Nr. 1 und 2 die interfraktionelle Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die Kündigungsmöglichkeiten des bestehenden Pachtvertrages zu prüfen und ggf. einen Kündigungsbeschluss herbeizuführen. Die Prüfung durch die Verwaltung unter Einbeziehung eines Fachanwaltes für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist erfolgt. Die Ergebnisse werden im Haupt- und Finanzsenat am 18.09.2023 nichtöffentlich vorberaten.
Für den Fall der Kündigung empfiehlt die interfraktionelle Arbeitsgruppe (Nr. 3 der Handlungsempfehlungen) mit den am Schlachthof im Wege der Unterverpachtung angesiedelten weiteren Betrieben neue Pachtverträge abzuschließen. Solche Verträge wären erforderlich, weil mit der Kündigung des Hauptpachtvertrages grundsätzlich auch die Unterpachtverträge enden (§ 546 Abs. 2 BGB). Dem kann man sich anschließen. Aufgrund von Verfehlungen des Hauptmieters sollte nicht die Existenz der Untermieter gefährdet werden. Zu berücksichtigen sind dabei die Risiken für die Stadt im Hinblick auf die Betriebssicherheit und Betriebsfähigkeit des Gesamtobjektes und unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten. Der Schlachthof ist als einheitlich zu nutzende Anlage konzipiert. Die Verwaltung hat seit zwanzig Jahren keinen Einblick die Funktionsabläufe des Objektes mehr, sodass zurzeit finanzielle und technische Risiken eines isolierten Weiterbetriebes der untervermieteten Teilbereiche nicht abgeschätzt werden kann.
- Übergangslösung am bisherigen Standort
Sofern sich nach der fristlosen Kündigung des Pachtvertrages zeitnah ein neuer Betreiber für den Aschaffenburger Schlachthof am bisherigen Standort findet ist die Stadt bereit, mit diesem Betreiber einen neuen Pachtvertrag mit zum bisherigen Pachtvertrag vergleichbaren Konditionen zu schließen (Nr. 4 der Handlungsempfehlungen der interfraktionellen Arbeitsgruppe). Ergänzend hierzu müssten Regelungen aufgenommen werden, die einen Anreiz/Zwang für zukünftig rechtskonformes Verhalten des neuen Pächters bieten wie zum Beispiel Gründe für eine außerordentliche Kündigung unter dem Blickwinkel von Rechtsverstößen, insbesondere bei Tierschutzverstößen, oder ordentliche Kündigungsmöglichkeiten mit längerer Kündigungsfrist für ein Laufzeitende vor dem Mai 2029. Darüber hinaus sollten eine Videoüberwachung mit entsprechendem Zugang für das Überwachungspersonal vertraglich geregelt werden, eine Kostenübernahme für eventuell zusätzliches Überwachungspersonal fixiert werden, die Schlachtgebühren incl. aller Sonderkonditionen veröffentlicht werden und festgelegt werden, dass bei erneutem Fehlverhalten nicht nur die Kündigung im Raum steht, sondern auch der Wegfall der Pachtzinsvergünstigungen. Näheres bleibt den entsprechenden Vertragsverhandlungen vorbehalten.
- Zukunftsperspektive „Regionale Fleischversorgung“
Die Stadt Aschaffenburg hat mit Wirkung zum 1.1.2003 den Betrieb des städtischen Schlachthofes aufgegeben. Der Stadt war bewusst, dass der Schlachthof ein zentraler Baustein der regionalen Fleischversorgung war. Deshalb hat die Stadt die Möglichkeit eröffnet, dass ein Verbund aus Unternehmen und Einzelpersonen der regionalen Fleischproduktion vom Metzgerbetrieb über Zerlegebetriebe bis hin zu Landwirten und Fleischhändlern den Schlachthof weiterbetreiben. Das Konzept der Verknüpfung von Erzeugerbetrieben bis hin zur Fleischvermarktung über das Herzstück des Schlachthofes hat sich im Grunde bis heute als erfolgreich erwiesen in einem Markt, der einem knallharten Wettbewerb unterliegt. Eine Vielzahl von Schlachtbetrieben wurde in den letzten zwanzig Jahren geschlossen. Der Aschaffenburger Schlachthof hat überlebt.
Ursache dafür war aber auch, dass die Stadt Aschaffenburg weiter erhebliche finanzielle Lasten im Interesse der regionalen Fleischversorgung getragen hat. Das reicht von sehr günstigen Pachtkonditionen für das Schlachthofareal, der finanziellen Mehrbelastung für die erforderliche Personalausstattung im Fleischhygienebereich bis hin zur Zurückstellung von Entwicklungsmöglichkeiten des Schlachthofareals im Hinblick auf Stadtwerke- und Feuerwehrnutzung.
Der Stadtrat hat im Zuge der letzten Verlängerung des Pachtvertrages für den Schlachthof im Jahr 2021 zum Ausdruck gebracht, dass es an der Zeit ist, dass ein regionaler Schlachthof an einem anderen Standort in der Region die Aufgabe der regionalen Fleischversorgung übernimmt. Das bewährte „integrierte Handlungskonzept“ aus Schlachtbetrieb und Zerlege- und Veredeleungsbetriebe am bisherigen Standort sollte fortgeführt und ggf. um zusätzliche Komponenten erweitert werden. Auch die Betreiber des Schlachthofes sollten breit verankert in der regionalen Lebensmittelproduktion und -verwertung sein. Entsprechende Initiativen von Bauernverbänden, Metzgerinnung und dem Verein Grünland Spessart e.V. gibt es bereits. Diese sollten ausgebaut und unter Einbeziehung zumindest der beiden Landkreise Aschaffenburg und Miltenberg intensiviert werden. Diese Überlegungen wurden von der interfraktionellen Arbeitsgruppe in den Empfehlungen Nr. 7 – 10 nochmals aufgegriffen und weiterentwickelt.