Verkehrskonzept Innenstadt; Weiteres Vorgehen - Antrag der GRÜNEN-Stadtratsfraktion vom 23.11.2023


Daten angezeigt aus Sitzung:  11. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates, 05.12.2023

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Planungs- und Verkehrssenat 11. Sitzung des Planungs- und Verkehrssenates 05.12.2023 ö Beschließend 8PVS/11/8/23

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

1        Vorbemerkungen

Im Jahr 2020 wurde der Verkehrsentwicklungsplan Innenstadt verabschiedet. Von den 4 bearbeiteten Varianten sollte das Konzept 1+ weiterverfolgt werden und beinhaltet folgende Maßnahmen:
  • Umsetzung von Tempo-30 auf den Straßen innerhalb der Ringstraße (soweit erfolgt wie es die StVO zulässt).
  • Die Neuaufteilung der Fahrbahnen der Weißenburger- und Friedrichstraße (B26) in Abstimmung mit dem staatlichen Baulastträger.
  • Die Einrichtung einer Umweltstraße Luitpoldstraße zwischen Schlossplatz und Treibgasse.

Die Umweltstraße in der Luitpoldstraße ist die zentrale Maßnahme des Konzepts 1+. Der zweijährige Verkehrsversuch endete am 30.04.2023 (Bericht im PVS am 20.06.2023), weil einerseits die erhofften Ziele nicht erreicht wurden und andererseits die Rechtsgrundlage für den Ausschluss des motorisierten Verkehrs nicht gegeben war.

Die Umgestaltung des Doppelboulevards Friedrichstraße / Weißenburger Straße ist ebenfalls Bestandteil des Konzept 1+. Auch hier steht die Klassifizierung als Bundesstraße einem maßgeblichen Eingriff noch entgegen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, eine rein verkehrstechnische Maßnahme umzusetzen. Konkret soll der rechte Fahrstreifen der Weißenburger Straße zwischen dem Herstallturm und der Duccastraße als Umweltspur (Busspur mit Freigabe für den Radverkehr) ausgebildet werden.

Für den Straßenzug Landingstraße – Wermbachstraße wurden Planungen von Einbahnstraßen vorgenommen. Auch wenn ein vollständiger Ring aus Einbahnstraßen im Rahmen der Bearbeitung des Verkehrsentwicklungsplans teils nachteilig bewertet wurde (Mehrbelastung des Nebennetzes, Leistungsfähigkeit der Ringstraßenknoten), so können Einbahnstraßen bei einzeln vorliegenden beengten Straßenräumen Freiräume für den Umweltverbund und eine Reduzierung der Kfz-Menge bewirken. Voraussetzung ist aber auch hier die Umstufung der Staatsstraße zu einer Ortsstraße.


2        Umstufungsverfahren

Das Umstufungsverfahren der klassifizierten Straßen zielt darauf ab, die innerhalb des Stadtrings verlaufenden Bundes- und Staatsstraßen herauszunehmen und auf die Ringstraße zu verlegen. Dadurch gelangen die zuvor genannten verkehrsrechtlichen Eingriffe in die Verantwortung der Stadt Aschaffenburg.

Das Verfahren verläuft in zwei Umsetzungsstufen. In der ersten Stufe werden die Staatsstraßen innerhalb des Stadtrings auf eben diesen verlegt. Bild 1 zeigt, wie sich das klassifizierte Straßennetz dann abzeichnet. Mit dem Abschluss der ersten Stufe wird Anfang des Jahres 2024 gerechnet.

In der zweiten Stufe wird dann die Bundesstraße 26 (blau in Bild 1) auf den Nordring verlegt. Dieses Verfahren dauert länger, da der Verwendungsnachweis für den Nordring zuvor abgeschlossen werden muss. Die Verwaltung geht von einem Zeitraum bis 2027 aus.

Bild 1:        Klassifiziertes Straßennetz nach der ersten Stufe
Quelle: BAYSIS (Bayerisches Straßeninformationssystem)


3        Luitpoldstraße

Eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße – gleich ob Staats- oder Ortsstraße – kann nach der StVO nicht durch eine verkehrsrechtliche Anordnung der Verwaltung dauerhaft bestimmte Arten des Verkehrs ausschließen. Wenn dies beabsichtigt ist, muss zuvor der straßenrechtliche Widmungszweck geändert werden. Instrumente wie Fußgängerzone oder Umweltspuren können demnach nur durch straßen- und wegerechtliche Umwidmung und Teileinziehung angewendet werden. Hierbei wird die Nutzung einer Straße nachträglich für bestimmte Benutzungsarten, Benutzungszwecke und Benutzungskreise straßen- und wegerechtlich beschränkt.

Das Instrument einer Umweltspur (Bussonderstreifen und Rad frei) gleicht der Versuchsanordnung der zuvor erprobten Umweltstraße und verspricht keine höhere Akzeptanz als in der Vergangenheit. Nur mit einer konsequenten und damit kostenintensiven Umgestaltung wäre diesem Ziel näher zu kommen.

Beim Instrument der Fußgängerzone können die Ein- und Ausfahrtsbereiche sehr viel besser umgestaltet werden. Dabei müssen aber die Buslinien in erheblichem Umfang über die Erthalstraße fahren, weil Linienverkehr in Fußgängerzonen die Ausnahme sein muss und nicht die Regel mit derzeit ca. 700 Fahrten.

Eine wirksame Unterbrechung des Straßennetzes in der Luitpoldstraße hat für die Erthalstraße weitreichende Folgen:
  • Höhere Verkehrsbelastung (mehr noch als im Zeitraum des Verkehrsversuchs)
  • Mehr abfließender Verkehr von den Parkhäusern zur Erthalstraße
  • Mehr zufließender Verkehr zu den Parkhäusern, wenn das Linksabbiegen von der Weißenburger Straße in die Luitpoldstraße nicht mehr möglich wäre (Variante 2 Weißenburger Str., s. u.)
  • Erfordernis einer separaten Linksabbiegespur von der Erthalstraße in die Treibgasse: für die Zufahrt zu den Parkhäusern und vor allem, um den Verkehr (ÖPNV!) Richtung Landingtunnel durch wartepflichtige linksabbiegende Fahrzeuge nicht zu behindern
  • Bau von zwei Haltestellen. Für die Bedeutung dieser Haltestelle ist das Platzangebot im Seitenraum für Fahrgäste, Fußgänger und Wartehallen sehr beengt (im Vergleich zur bestehenden Haltestelle am Schlossplatz). Zudem können keine Busbuchten angelegt werden, d. h. zumindest in Fahrtrichtung Landingtunnel muss der Kfz-Verkehr hinter dem haltenden Bus warten.

Um den beschriebenen Anforderungen gerecht zu werden, ist ein Umbau der Erthalstraße erforderlich, der nicht provisorisch für eine Testphase hergerichtet werden kann. Eine Systemskizze de Erthalstraße ist der Anlage 1 zu entnehmen.

Da auch die im Folgenden beschriebene Einrichtung einer Umweltspur in der Weißenburger Straße Einfluss auf die miteinander in Abhängigkeit stehenden Erthalstraße und Luitpoldstraße ausübt wird vorgeschlagen, sich zunächst allein auf die Weißenburger Straße zu konzentrieren.


4        Umweltspur Weißenburger Straße

Die Umgestaltung des Doppelboulevards Friedrichstraße / Weißenburger Straße ist ebenfalls Bestandteil des Verkehrskonzepts 1+ (s. Bilder 2 und 3). Einer gänzlichen Umgestaltung steht aber noch die Klassifizierung als Bundesstraße im Wege. Die Weißenburger Straße besitzt eine Verkehrsbelastung von 7.000 – 10.000 Kfz pro Tag.

Bild 2: Lageplan Weißenburger Straße – Verkehrskonzept Innenstadt

Bild 3:        Muster-Querschnitt Friedrichstraße / Weißenburger Straße
Verkehrskonzept Innenstadt 1+

Eine vorweg genommene rein verkehrstechnische Maßnahme wäre die Umwandlung der rechten Fahrspur in eine Umweltspur für den ÖPNV und Radverkehr. Die Umweltspur, die bereits jetzt vom Kreisverkehr Platanenallee bis zum Herstallturm besteht, wird dann bis zur Einmündung der Duccastraße fortgesetzt. Ein durchgängiger Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr bleibt erhalten wie auch die Möglichkeit des Rechtsabbiegen in die Frohsinnstraße.

Das Vorhaben wurde mit dem staatlichen Bauamt vorbesprochen, das seine Zustimmung schriftlich mitgeteilt hat, sofern die Leistungsfähigkeit, Verkehrssicherheit und Begreifbarkeit des Straßenzuges für alle Verkehrsarten nachgewiesen werden kann.

Das Stadtplanungsamt beabsichtigt die Vergabe zum Nachweis der Leistungsfähigkeit an das Büro T+T GmbH zu vergeben. Hierfür stehen HaushaltsmittelDabei sollen zwei Varianten untersucht werden:

Variante 1 lässt das Linksabbiegen von der Weißenburger Straße in die Luitpoldstraße nach wie vor zu.

Variante 2 lässt das Linksabbiegen von der Weißenburger Straße in die Luitpoldstraße nicht mehr zu.

Beide Varianten wirken unmittelbar auf die Leistungsfähigkeit der Knoten mit der Luitpold- und Erthalstraße. In Variante 2 wird der Knoten mit der Luitpoldstraße entlastet und zielt darauf ab, die Verkehrsmenge in der Luitpoldstraße zu reduzieren. Gleichzeit treten dadurch mehr Linksabbieger am Knoten Erthalstraße auf.


5        Straßenzug Landingstraße - Wermbachstraße

Der Einbahnstraßenring auf dem inneren Stadtring war eine Variante des Verkehrskonzepts Innenstadt, die in Ihrer Gesamtbeurteilung nachteilig bewertet wurde. Für einzelne Straßen mit beengten Straßenräumen kann die Anwendung von Einbahnstraßen jedoch Freiräume für den Umweltverbund und eine Reduzierung der Kfz-Menge bewirken.

Aber auch hier gelten die gleichen Bedingungen, wie sie schon bei einem gänzlichen Ausschluss des Kfz-Verkehrs in der Luitpoldstraße genannt wurden. Hierzu folgender Exkurs in die Stadt Gießen:

Die Stadt Gießen begann 2023 mit ihrem Verkehrsversuch. Auf dem Anlagenring rund um die Innenstadt sollte der Kfz-Verkehr auf den beiden äußeren Fahrstreifen ausschließlich gegen den Uhrzeigersinn geführt werden – der Umweltverbund jedoch in beiden Richtungen. Das Verwaltungsgericht und letztlich der Hessische Verwaltungsgerichtshof gaben der Klage von Anwohnern statt und kippten den Verkehrsversuch. In der Begründung hieß es: "Die Anordnung eines Verkehrsversuchs erfordert nach der StVO die Feststellung einer Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs sowie besondere Umstände, die den Versuch bzw. dessen spätere Umsetzung zwingend erforderlich machen." Auch die von der Stadt erwiesenen Verkehrsbelastungen von 2200 Kfz pro Stunde (!), hohe Fahrgeschwindigkeiten und das Fehlen von Radverkehrsanlagen stellten keine rechtliche Grundlage für die Maßnahme dar.

Das Urteil kann zumindest nicht von weiteren Planungen abhalten. Daher wurden für den Straßenzug Landingstraße – Wermbachstraße, in dem sehr beengte Straßenräume vorliegen, verschiedene Varianten entwickelt.

Die Varianten werden kurz vorgestellt und die Auswirkung dargestellt. Eine vertiefend detaillierte Betrachtungsweise erfolgte bislang nicht. Das liegt auch daran, dass es keine Variante gibt, die geeignet ist, die Verkehrssituation insgesamt zu verbessern. Alle Varianten weisen natürlich den Vorteil auf, dass die mit einer Einbahnstraßen bedachten Straßen die Hälfte ihrer Verkehrsbelastung verlieren und neue Räume für den Umweltverbund gewonnen werden können. Da sich die Flächenneuverteilung für die Verkehrsarten lediglich innerhalb der Bordsteine auf der Fahrbahn abspielt, zieht der Fußverkehr keinen Vorteil hieraus.

Folgende Nachteile treten in unterschiedlicher Ausprägung bei allen Varianten auf:

  • Verdrängung von Verkehrsströmen in das Nebenstraßennetz.
  • Erschwerte oder fehlende Erschließung von Grundstücken, das betrifft auch den Wirtschaftsverkehr zum Liefern und Laden.
  • Fehlende Durchsetzungsmöglichkeit der vorgeschriebenen Fahrtrichtung bzw. illegale Mitbenutzung der Umweltspuren durch den Kfz-Verkehr.


Planfall 1
Einbahnstraßen
  • Erthalstraße (ab Schloßberg) > Landingtunnel > Landing > Wermbachstraße (bis Kreisverkehr Schönborner Hof)

  • Wermbachstraße: Kreisverkehr Alexandra > Kreisverkehr Schönborner Hof

  • Luitpoldstraße: Treibgasse > Schlossplatz

in Folge des Ausweichverkehrs:
  • Lamprechtstraße: Nelseestraße > Dunzerstraße


Fahrtrichtungsänderungen
  • kein Linksabbiegen von Weißenburger Straße in Luitpoldstraße


Wirkung
  • Deutliche Entlastung der Straßenzüge Landingstraße, Wermbachstraße, Löherstraße, Willigisbrücke.
  • Hohe Ausweichverkehre ab der Willigisbrücke über Floßhafen – Lamprechtstraße zur Schweinheimer Straße, daher
  • zusätzlich Einbahnstraße Lamprechtstraße Richtung Main
  • es bleibt Ausweichverkehr über die Dunzerstraße in Richtung Südbahnhofstraße


Planfall 2
Einbahnstraßen
  • Ab Dalbergstraße > Landing > Landingtunnel > Erthalstraße (bis Schloßberg)

  • Wermbachstraße: Kreisverkehr Schönborner Hof > Kreisverkehr Alexandra 

  • Luitpoldstraße: Schlossplatz > Treibgasse 











Wirkung
  • Deutliche Entlastung der Straßenzüge Landingstraße, Wermbachstraße, Löherstraße, Willigisbrücke.
  • Mehrbelastung Luitpoldstraße und Friedrichstraße
  • Mehrbelastung im Nebennetz Floßhafen, Lamprechtstraße, Südbahnhofstraße


Planfall 3
Einbahnstraßen
  • Erthalstraße (ab Schloßberg) > Landingtunnel > Landing > Wermbachstraße (bis Kreisverkehr Schönborner Hof)

  • Wermbachstraße: Kreisverkehr Schönborner Hof > Kreisverkehr Alexandrastraße

  • Luitpoldstraße: Treibgasse > Schlossplatz





Fahrtrichtungsänderungen
kein Linksabbiegen von Weißenburger Straße in Luitpoldstraße


Wirkung
  • Deutliche Entlastung der Straßenzüge Landingstraße, Wermbachstraße, Löherstraße, Willigisbrücke.
  • Mehrbelastung Erthalstraße, Friedrichstraße und Weißenburger Straße


Als Fazit aus den Planungen zu den Einbahnstraßen kann gezogen werden, dass sie wohl geeignet sind, um aus beengten Straßenräumen Platz für den Umweltverbund zu gewinnen. Auf der anderen Seite entstehen dadurch zumindest im Kfz-Bereich längere Umwege und unerwünschte Umfahrungen der Einbahnstraßen im Nebennetz. Daher werden vertiefende Überlegungen zu Einbahnstraßen vorerst nicht vorgenommen und sich zunächst auf die Realisierung der Umweltspur in der Weißenburger Straße konzentriert.

.Beschluss:

 
  1. Der Bericht der Verwaltung zu den Planungsüberlegungen und den nächsten aktiven Schritten zum Verkehrskonzept Innenstadt werden zur Kenntnis genommen (Anlage 5).
  2. Die Verwaltung beauftragt das Büro T+T mit der vorbereitenden verkehrstechnischen Untersuchung zur Umsetzung einer Umweltspur in der Weißenburger Straße. Die Ergebnisse werden zeitnah im Planungs- und Verkehrssenat vorgestellt.
  3. Die Verwaltung wird beauftragt, den Durchgangsverkehr in der Innenstadt durch eine Verkehrserhebung zu erfassen. Die Kosten werden im Haushalt 2024 bereitgestellt.

Abstimmungsergebnis:
Einstimmig angenommen

Datenstand vom 18.01.2024 11:00 Uhr