Die Stadt Aschaffenburg ist zur Unterbringung obdachlos gewordener Bürger*innen verpflichtet.
Seitens der Stadt Aschaffenburg soll das Objekt Kolbornstraße 6 von der Stadtbau Aschaffenburg GmbH für die Unterbringung Obdachloser Menschen angemietet werden.
Haushaltsmittel stehen hierzu mit 35.000€ eingestellt für 5 Jahre über die Haushaltsstelle 0.4354. (Einzelplan 4, Soziale Einrichtung) zur Verfügung.
Die Stadt Aschaffenburg kann Mietkosten überwiegend oder zur Gänze über die Kosten für Unterkunft durch Sozialleistungen der Untergebrachten (Jobcenter, Grundsicherung etc.) refinanzieren.
Der stetig steigende Bedarf sowohl im Bereich Unterbringung (Übergangswohnheim) wie im Bereich der Notschlafstelle (Übernachtungsheim) macht eine Aufgabenerfüllung allein in der Leinwanderstraße 4 nicht mehr möglich (siehe Ausarbeitung im folgenden Fachkonzept).
Die Belegungssituation beider Bereiche in einem Objekt stellt eine in dieser Konstellation nicht mehr haltbaren Zustand dar.
Das Amt für soziale Leistungen ist derzeit in Vertragsverhandlungen mit der Stadtbau Aschaffenburg GmbH. Der Vertrag wird zu den ortsüblichen Konditionen vorerst befristet für fünf Jahre geschlossen.
Es wird empfohlen der Anmietung zuzustimmen.
Fachbereichskonzept 50.4 Sachgebiet Soziale Wohnhilfe, Beratung und Obdachlosigkeit
für das Objekt Kolbornstr.6 als städtisches Übergangswohnheim für obdachlose Frauen, Paare, Divers und Familien
Hintergrund
Die Anzahl an wohnungslosen Personen steigt landesweit zusehends. Laut statistischem Bundesamt sind zum Stichtag am 31.Januar 2024 rund 439.500 Menschen von Kommunen in Einrichtungen untergebracht gewesen. Damit stieg die Zahl gegenüber 2023 (372.000 Menschen) und 2022 (178.100 Menschen).
Vgl. BiB; Destatis; WZB: Sozialbericht 2024. 06.11.2024. S. 237-259.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), welche im Vergleich zum statistischen Bundesamt auch Personen erfasst, welche im Freundeskreis oder bei Bekannten unterkommen oder auf der Straße leben, erfasste am Stichtag (30.06.22) sogar eine Anzahl von 447.000 Menschen.
Vgl. BAGW: Statistikbericht. Zu Lebenslagen wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen in Deutschland – Lebenslagenbericht. 2022.
Von einer deutlich höheren Dunkelziffer ist auszugehen. Die steigende Menge der Betroffenen erfordert einen Ausbau und eine Differenzierung des Versorgungssystems.
Bereits im Integralen Konzept der Wohnungslosenhilfe der Stadt Aschaffenburg, Amt für soz. Leistungen, Sachgebiet 50.4 (aktuelle Fassung März 2022) wurde im Rahmen der amtsinternen Perspektiven und offenen Bedarfe eine räumliche Trennung von städtischer Frauenunterkunft und Notschlafstelle formuliert.
Da sich die Notschlafstelle inhaltlich wie konzeptionell von den Übergangswohnheimen als Unterbringungseinrichtungen unterscheidet, ist eine räumliche Trennung zu befürworten und anzustreben. Durch die Trennung können wir den Anforderungen in den Bereichen Sicherheit, Verwaltung und fachliche Ausrichtung zukunftsorientiert und professionell gerecht werden.
Vorteile, Verbesserungen und Perspektiven der Liegenschaft Kolbornstraße 6
- Sicherheit und Bedarfsorientierung
Die in der Einleitung genannte Steigerung der Fallzahlen ist geschlechtsneutral. In den Jahren der Datenerhebung hat sich der Prozentsatz obdachlos gewordener Frauen bei ca. 30% (zu 70% obdachloser Männer) eingependelt. Statistisch zählt die BAG W Personen mit diverser/nonbinärer Geschlechtsidentifikation zum binären Geschlecht der Frauen.
Der jährlich erscheinende Statistikbericht BAG W belegt, dass Frauen häufiger von Wohnungslosigkeit bedroht sind als Männer (14,6% ggü. 9,2%). Die Zahl der Frauen in prekären Wohnverhältnissen fällt gleichwohl höher aus als bei den Männern.
Vgl. BAGW: Statistikbericht. Zu Lebenslagen wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen in Deutschland – Lebenslagenbericht. 2022.
Fachstellen sind sich einig, dass dies unter anderem an mangelnden (Schutz-) Angeboten in der Obdachlosenhilfe liegt. Auch herrscht ein Konsens über eine erhöhte Dunkelziffer.
Aufgrund der gleichwohl erhöhten Schutzbedürftigkeit zählen wir im Verlauf die diverse/nonbinäre Personengruppe (gering aber steigende Fallzahlen) im Folgenden konzeptionell zum Frauenbereich.
Die hier angesprochene vulnerable Klientel neigt eher dazu, in gewaltvollen (Zweck-) Beziehungen zu bleiben, um nicht obdachlos zu werden. Die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten ist bei Frauen seltener.
Vgl. BAGW: Sicherstellung bedarfsgerechter Hilfen für Frauen in einer Wohnungsnotfallsituation 2019.
In diesem Zusammenhang ist die Schutzbedürftigkeit von Frauen, intergeschlechtlichen Personen bzw. Hilfesuchenden mit nichtbinärer Geschlechtsidentität im Obdachlosenbereich als hoch bis sehr hoch einzuordnen.
Im jetzigen Objekt steht diese Schutzbedürftigkeit im unmittelbaren Konflikt mit dem unbekannten, stark fluktuierenden Personenkreis der Notschlafstelle.
Die Trennung von Notschlafstelle und Festunterbringung der Männer ist seit Jahren bereits fester Bestandteil unserer professionellen Obdachlosenhilfe und muss für alle vulnerable Hilfesuchende vorgesehen sein.
Die Lebenslagen von wohnungslosen Frauen, Paare, Divers und Familien sind geprägt durch komplexe Problemlagen in verschiedenen Bereichen wie familiäre und soziale Situation, Gesundheit und Arbeit.
Unsere pädagogischen Fachkräfte können bei räumlichen/objektbezogenen Trennung der Einrichtungen (Notschlafstelle und feste Unterbringung) auf die geschlechtsspezifischen Anforderungen gezielt eingehen. Hierzu zählen Inhalte wie die Kontinuität im Beziehungsaufbau und Fallbegleitung sowie gezielte Beratungs- und Unterstützungsangebote, welche sich an der Lebenswelt der Betroffenen orientieren.
Durch die Etablierung einer Hausgemeinschaft (z.B. durch Gruppenräume, Küche etc.) kann unter Anleitung erreicht werden, dass sich die Bewohner*innen durch regelmäßigen Kontakt gegenseitig unterstützen und Vertrauen fassen (Empowerment-Ansatz). Weiter kann eine funktionierende Hausgemeinschaft genutzt werden, um mit fachlicher Unterstützung eine Tagesstruktur zu entwickeln und im Verlauf zu verstetigen.
Mit Schaffung eines eigenen Objektes wird bedarfsorientiert und sensibel auf geschlechtsspezifische Bedarfe eingegangen und eine angenehmere Unterbringungsmöglichkeit geschaffen. Somit erhöht sich die Chance auch Betroffene von versteckter Wohnungslosigkeit zu erreichen und an das Hilfesystem anzubinden sowie ein Abnehmen der vorhandenen Dunkelziffer zu erwirken.
- Belegungsmöglichkeiten & Flexibilität
Das eigene Objekt verbessert die einzelfallbezogene Flexibilität bei Belegung. Zudem ist durch unterschiedlich große und größere Wohneinheiten eine notwendig werdende Unterbringung mit Kind/ern und/oder Partner*in leichter möglich. Im Objekt Kolbornstraße 6 gehen wir von einer Unterbringung je nach Belegungskonstellation von bis zu 9 bis 13 Personen aus.
- Planungssicherheit
Wohnungslose Frauen (Paare, Divers und Familien) sind eine wachsende Zielgruppe, mit spezifischen Problemlagen und Bedürfnissen für welche langfristig eigene Hilfsangebote etabliert werden.
Die Dauer einer Unterbringung nach Einweisung (OL-Bescheid) erfolgt meist über einen längeren Zeitraum und liegt erfahrungsgemäß bei mindestens drei Monaten.
Die Schaffung dieser eigenen Einrichtung ermöglicht der Verwaltung und den Fachkräften vor Ort eine längerfristige Planung und erleichtert Abläufe in der Organisation.
Aufgrund der ordnungsrechtlichen Unterbringung/Nutzung per Einweisungsbescheid ergeben sich keine Probleme hinsichtlich (Unter-)Vermietung bzw. zivilrechtliche Ansprüche der Klienten etc. (Mietrecht) gegenüber der Stadt. (Ein solches Vorgehen wird neben unserer Unterbringung im Bereich Asyl ferner in vielen Kommunen wie z.B. Stadt Erlangen, Bayreuth etc. ebenfalls praktiziert.)
- Personaleinsatz
- Hausleitung/Verwaltung
Verwaltung und Leitung der Liegenschaft Kolbornstraße als Außenstelle kann bei Aufnahme des Betriebs aus den bestehenden Verwaltungsstrukturen heraus bedient werden.
- Sozialpädagogische Betreuung
Die Unterbringung in den städtischen Übergangswohnheimen muss als Übergang hin zu einer nachhaltigen Wohnform bzw. einer verbesserten Lebenssituation unter Berücksichtigung der individuellen Lebensentwürfe gesehen werden. Hierfür ist die Aufrechterhaltung bzw. Wiedererlangung der Wohnfähigkeit und somit die Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zu ermöglichen.
Aus diesem Grund wechselt der Arbeitsort der bereits eingesetzten Fachkraft der Sozialen Arbeit im Übergangswohnheim Leinwanderstraße in die Kolbornstraße 6. Wir greifen durch Verlagerung von Betreuungs- und Beratungskapazitäten auf die Ressourcen aus dem bestehenden Bereich Unterbringung zurück.
- Netzwerkarbeit
Wesentlicher Bestandteil der städtischen Wohnungslosenhilfe ist die Netzwerkarbeit und Kooperation mit stadtinternen Stellen, freien Trägern und weiteren Institutionen. In diesem Rahmen wird eine koordinierte fallbezogene Zusammenarbeit, Weiterentwicklung der Angebotsstruktur sowie eine bedarfsgemäße Weitervermittlung der Empfänger angestrebt. Auch die Etablierung von niedrigschwelligen Angeboten vor Ort durch externe Träger ist gewünscht.
- Optimierung der Notschlafstelle
Auch die Notschlafstelle profitiert von einer räumlichen Trennung. Der Zugewinn an Räumlichkeiten ermöglicht unter anderem mehr Flexibilität bei den Belegungsmöglichkeiten. Es kann eine vermehrte Einzel-Unterbringung erfolgen, wodurch verschiedene Sicherheitsaspekte optimiert als auch besser auf die unterschiedlichen Bedarfe und Bedürfnisse der Betroffenen (Berufstätigkeit, Alter, psych. Erkrankungen etc.) eingegangen und ein vergrößerter Übernachtungsbereich für Frauen geschaffen werden kann.
Zusätzliche Räumlichkeiten in der Notschlafstelle ermöglichen darüber hinaus die Installation weiterer Beratungsangebote aus unseren bestehenden Fachbereichen Streetwork, Prävention und aufsuchender Sozialarbeit vor Ort, tagesstrukturierende Maßnahmen und perspektivisch die Möglichkeit eines verbesserten Tagesaufenthalts.
Ausblick Gesamtkonzept:
Die angeführten Inhalte dieses Kurzkonzepts werden bei Anmietung konzeptionell weiterführend konkretisiert, ausgearbeitet und dargestellt.