Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer Anträge Einführung der GRÜNEN-Stadtratsfraktion vom 02.05.2025, 20.05.2025 und 29.05.2025


Daten angezeigt aus Sitzung:  10. Sitzung des Stadtrates (Plenum), 30.06.2025

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Stadtrat (Plenum) 10. Sitzung des Stadtrates (Plenum) 30.06.2025 ö Beschließend 7

.Beschlussvorschlag

I. Die Entscheidung über den Erlass einer Verpackungssteuer wird zurückgestellt bis die vom Freistaat Bayern angekündigte Änderung des Kommunalabgabengesetzes mit dem Verbot der Verpackungssteuer in Kraft getreten ist.

II. Angaben zur Klimawirkung:
Bewertung - jeweils Mehrung oder Minderung der Treibhausgase (THG)
wenig klimarelevant
teilweise klimarelevant
sehr klimarelevant
[ x ]  keine weiteren Angaben erforderlich
[  ]  kurze Erläuterung in den Begründungen
[  ]  ausführliche Erläuterung 
in den Begründungen 
Bewertungsschema nach KÖP (Klimaschutzmanagement in öffentlichen Projekten)
(Nationale Klimaschutz-Initiative  -  Klimabündnis / ifeu-Heidelberg / BMU)

III. Angaben zu den Kosten:
Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [  ]
nein [ x ]

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

  1. Anlass

Mit Schreiben vom 29.1.2025 hatten die Stadtratsgruppierungen von KI und ÖDP unter anderem beantragt, dass eine Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild eingeführt wird. In einem Antwortschreiben hierzu hat die Verwaltung ausgeführt, dass für eine derartige Einführung nach Art. 2 Abs. 3 KAG die Zustimmung der Rechtsaufsichtsbehörde benötigt wird. Die Verwaltung hat im Juni 2023 vorsorglich eine Anfrage an die Regierung geschickt mit der Bitte um Mitteilung, ob die Regierung grundsätzlich gewillt ist, eine derartige Genehmigung zu erteilen. Die Regierung hatte mitgeteilt, die Anfrage an das Innenministerium weitergeleitet zu haben. Das entsprechende Antwortschreiben wurde in der UKVS Sitzung vom 9.4.2025 (TOP 6 öffentlich) zur Kenntnis gegeben. Die Verwaltung hat vorgeschlagen, das Antwortschreiben abzuwarten, um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.

Mit mail vom 3.4.2025 hat sich die Fraktion Bündnis 90/Grüne grundsätzlich damit einverstanden erklärt aber beantragt, dass „die Stadtverwaltung der Staatsregierung eine Frist von drei Monaten setzt, eine Position zur Kommunalen Verpackungssteuer für Einwegverpackungen zu beziehen“.
In der UKVS-Sitzung vom 9.4.2025 sagte die Verwaltung zu, ein Schreiben an das Bayerische Staatsministerium des Inneren zu senden, wonach die Stadt Aschaffenburg auf eine Entscheidung nach Art. 2 Abs. 3 des Kommunalabgabegesetzes (KAG) bezüglich der Einführung einer Verpackungssteuer erwartet. Damit war der Senat einverstanden. Dem ist die Verwaltung mit Schreiben vom 16.4.2025 nachgekommen.

Mit Schreiben vom 14.5.2025 teilte das Bay. Staatsministerium des Innern unter Bezugnahme auf die Pressemitteilung des Innenministerium Nr. 165/2025 vom 13.5.2025 mit, dass die erforderliche Zustimmung nicht erteilt werden würde. In der zitierten Pressemitteilung findet sich folgende Passage:

„Auch wenn dem Innenministerium bislang noch keine gemeindliche Satzung zur Erhebung einer Verpackungssteuer vorliege, kündigte Herrmann mit Blick auf etwaige kommunale Überlegungen vorsorglich an: „Wir werden als oberste Rechtsaufsichtsbehörde hierzu jedenfalls die erforderliche Zustimmung nicht erteilen, so dass die jeweils regional zuständige Rechtsaufsichtsbehörde die Genehmigung ablehnen muss. Die erforderlichen Änderungen im Kommunalabgabengesetz werden wir schnellstmöglich umsetzen und ein entsprechendes Verbot klar regeln.““

Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt dem Landtag – soweit ersichtlich – bislang nicht vor.

Mit mail vom 20.5.2025 hat die Fraktion Bündnis 90/Grüne folgenden Antrag gestellt:

Die Stadt Aschaffenburg prüft rechtliche Schritte gegen die Bayerische Staatsregierung auf Aufhebung eines Verbotes zur Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer in Bayern. Nach Prüfung klagt die Stadt vor dem Verwaltungsgericht gegen den Freistaat.

Die Verwaltung hat unter Darlegung der Rechtslage darauf hingewiesen, dass der Freistaat Bayern grundsätzlich die Möglichkeit hat, kommunale Steuern zu verbieten. Entscheidend ist, wie dies im Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des KAG begründet wird. Insofern ist es sinnvoll, die Gesetzesänderung abzuwarten

Der Vorschlag „zu warten, bis das Verbot der Verpackungssteuer im KAG in Rechtsform gegossen ist inclusive der dargelegten Begründungen des Verbotes und dann weiterzusehen“ wurde zunächst mit mail vom 20.5.2025 akzeptiert.

Mit mail vom 28.5.2025 hat die Fraktion Bündnis 90 /Grüne klargestellt, dass sie nicht abwarten will. Vielmehr wurde erneut der Antrag gestellt:


„Wir erneuern daher unseren Antrag (ohne Hinweis Bundesrecht bricht Landesrecht) und fordern die Behandlung unseres Antrages im öffentlichen Teil eines HFS unter Hinzuziehung einer auf Verwaltungsrecht spezialisierten Juristin. Wir wollen eine öffentliche Debatte im Stadtrat zum Thema.“

  1. Sach- und Rechtslage

  1. Verpackungssteuer Tübingen

In Tübingen gilt seit dem 1. Januar 2022 eine Verpackungssteuer. Zahlen müssen sie die Verkaufsstellen von Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck, die darin Speisen und Getränke für den sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen ausgeben. Dass die Verpackungssteuer rechtmäßig ist, hat das Bundesverfassungsgericht am 27. November 2025 (Az. 1 BvR 1726/23) entschieden.

Der Steuerbetrag beträgt:

  • 0,50 Euro (netto) für Einwegverpackungen wie zum Beispiel Kaffeebecher
  • 0,50 Euro (netto) für Einweggeschirr wie zum Beispiel Pommesschalen
  • 0,20 Euro (netto) für Einwegbesteck und andere Hilfsmittel wie zum Beispiel Trinkhalm oder Eislöffel

Die Einzelheiten zum Satzungstext und den Auslegungshinweisen finden sich hier:


  1. Regelungskompetenz des Freistaates für Kommunalsteuern

Eine derartige Satzung wäre in Bayern grundsätzlich auch möglich. Als neue Steuer müsste sie allerdings durch die Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt werden. Wie oben ausgeführt, hat der Freistaat Bayern entschieden, dass eine entsprechende Genehmigung nicht erteilt werden würde. Das Ganze soll noch durch eine Ausdrückliche Regelung im KAG flankiert werden.

Grundsätzlich hat der Freistaat Bayern die Möglichkeit, solche Steuern zu verhindern. Die immer wieder ins Feld geführte Argumentation, dass das Bundesverfassungsgericht die Verpackungssteuer für rechtmäßig erklärt habe und Bundesrecht Landesrecht breche, weshalb sich die Staatsregierung in jedem Fall rechtswidrig verhalte, ist so verkürzt nicht zutreffend. Das Bundesverfassungsgericht hatte nur darüber zu entscheiden, ob die Erhebung einer Verpackungssteuer gegen Grundrechte der Bürger/Unternehmen verstößt. Das ist – zumindest bei der Tübinger Variante - nicht der Fall. Nicht Gegenstand der Prüfung war, ob ein Verbot einer Verpackungssteuer durch einen Landesgesetzgeber gegen verfassungsrechtliche Prinzipen verstößt.

Grundsätzlich kann der Freistaat den Kommunen untersagen, bestimmte Steuern zu erheben.  

Nach Art. 105 Abs. 2a GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern und damit auch die Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich Gemeindesteuern. Der bayerische Gesetzgeber hat von dieser Gesetzgebungskompetenz in Art. 3 KAG Gebrauch gemacht. 

Das bedeutet aber nicht, dass der Landesgesetzgeber machen kann was er will. In Bayern sind Beschränkungen des kommunalen Steuerfindungsrechts insbesondere anhand der Bay. Verfassung zu prüfen. Insbesondere ist zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung gegen das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht gemäß Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV im Allgemeinen und die damit verbundene kommunale Finanzhoheit im Besonderen verstößt.


Im Zusammenhang mit einer Verfassungsklage wegen der Regelungen zur Wohnungssteuer in Art. 3 Abs. 1 S. 2 KAG hat sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof (Entscheidung vom 27. März 1992 – Vf. 8-VII-89) intensiver mit der Thematik Steuergesetzgebungskompetenz des Landes versus Kommunale Selbstverwaltungsgarantie auseinandergesetzt. Aus dieser Entscheidung ein paar Zitate:

Rdnr. 61 ff:

„bb) Nach dem Grundgesetz (Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG) steht den Gemeinden hinsichtlich der örtlichen Aufwandsteuern nur eine eigene Ertragshoheit zu. Weder das Grundgesetz noch die Bayerische Verfassung gewährleisten den Gemeinden eine originäre Normsetzungskompetenz für bestimmte Steuerarten. Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV verpflichtet allerdings den Landesgesetzgeber, im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz den Gemeinden einen Bereich zur eigenverantwortlichen Abgabenerhebung einzuräumen. Mit der Gewährleistung in Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV wollte der Verfassungsgeber den Gemeinden - wenn auch im Rahmen der Gesetze und damit unter dem Vorbehalt staatlicher Mitwirkung - bewußt ein als "ursprüngliches Besteuerungsrecht" bezeichnetes Recht verleihen (vgl. Protokolle über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung, Bd. 1, S. 146 f.). Die Verfassung hat der gemeindlichen Finanzhoheit damit ein besonderes Gewicht verliehen. Der Gesetzgeber ging bei Erlaß des Kommunalabgabengesetzes ebenfalls davon aus, daß der Staat verfassungsrechtlich verpflichtet sei, den Gemeinden ein Steuerfindungsrecht bezüglich örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern einzuräumen; dies sei ein Ausfluß des Selbstverwaltungsrechts und wesentlicher Teil der verfassungsrechtlich gewährleisteten kommunalen Finanzhoheit; es bleibe im Rahmen der vom Gesetz gezogenen Schranken grundsätzlich der selbstverantwortlichen Entscheidung der einzelnen Gemeinde überlassen, ob und in welchem Umfang sie von dieser Möglichkeit Gebrauch mache; Art. 2 Abs. 4 KAG lege fest, wann die Genehmigung zu versagen sei (vgl. Amtl. Begründung zum Entwurf des KAG, LT-Drs. 7/5192, Einzelbegründung zu Art. 2 und 3, S. 14 f.). Es gehört zum Kernbereich der Selbstverwaltung, daß die Gemeinden - sei es auch unter staatlicher Mitwirkung grundsätzlich ein Recht zum Erlaß von Abgabesatzungen haben (VerfGH 41, 140/149).

cc) Das Verbot der Wohnungssteuer nach § 1 Nr. 2 des Änderungsgesetzes hält sich im Rahmen des Gestaltungsspielraums, den der Gesetzgeber bei Regelungen im Bereich der kommunalen Finanzhoheit hat. Die Erweiterung des Katalogs der unzulässigen Steuern (Art. 3 Abs. 3 KAG) führt noch nicht dazu, daß das durch Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV gewährleistete Steuerfindungsrecht der Gemeinden in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt oder beseitigt wird. Die Gemeinden haben keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch darauf, ganz bestimmte Steuerquellen zu erschließen. Ihre Befugnis, nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 KAG örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern zu erheben, wird durch das Verbot einer Wohnungssteuer nicht faktisch abgeschafft. Die Staatsregierung hat darauf hingewiesen, daß dem Erfindungsgeist in diesem Bereich nur wenige Grenzen gesetzt seien; sie hat in diesem Zusammenhang einige Beispiele für mögliche Steuern aufgeführt. Zu den Abgaben, die die Gemeinden gemäß Art. 83 Abs. 2 Satz 2 BV zur Deckung ihres Bedarfs erheben können, gehören außerdem nicht nur Steuern, sondern auch Beiträge und Gebühren. Zu nennen sind etwa Beiträge für kommunale Einrichtungen, Fremdenverkehrsbeiträge, Kurbeiträge, Benutzungs- und Verwaltungsgebühren. Wesentliche Bedeutung für die Gemeinden haben ferner die Realsteuern. Sie finden ihre Rechtsgrundlage zwar im Bundesrecht, nämlich im Grundsteuer- und im Gewerbesteuergesetz. Der Freistaat Bayern hat aber von seiner Befugnis, das gemeindliche Heberecht einzuschränken (Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG, § 26 GrStG, § 16 Abs. 5 GewStG), keinen Gebrauch gemacht. Er hat gemäß Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG die Verwaltung der Realsteuern im wesentlichen auf die Gemeinden übertragen.



cFür das Verbot der Wohnungssteuer, die als Aufwandsteuer vor allem in der Form einer Zweitwohnungssteuer erhoben würde, sind hinreichend sachliche Gründe vorgetragen worden. …“

Auf diese Entscheidung hat der Freistaat Bayern zuletzt zurückgegriffen, als er die sogenannte Übernachtungssteuer verboten hat. Auf die entsprechende Landtagsdrucksache 18/25997 vom 20.1.2023 (dort S. 3) wird Bezug genommen.

Der Freistaat Bayern kann also Verpackungssteuern grundsätzlich verbieten. Er muss allerdings dafür rechtlich tragfähige sachliche Gründe angeben. Ob ihm das gelingt, wird man sehen, wenn der Gesetzesentwurf zur Änderung des KAG vorliegt. Insofern schlägt die Verwaltung vor, das Inkrafttreten der KAG-Änderung abzuwarten, sofern man nicht ohnehin aus grundsätzlichen Erwägungen der Erlass einer derartigen Steuer ablehnt.

  1. Rechtsschutzmöglichkeiten

Die Stadt könnte eine Verpackungssteuersatzung erlassen und die Genehmigung beantragen. Wird sie – wie zu erwarten – nicht erteilt, kann sie auf Genehmigungserteilung klagen.

Würde durch den Gesetzgeber ein Verpackungssteuerverbot durch Änderung des KAG ausgesprochen, könnte die Stadt die Verfassungskonformität im Wege der Popularklage nach Art. 98 Satz 4 Bay. Verfassung, Art. 55 Abs. 1 Verfassungsgerichtshofgesetz überprüfen lassen.

Die Stadt München hat im Zuge des Erlasses einer Übernachtungssteuer die Rechtslage diesbezüglich durch die Kanzlei Redeker/Sellner/Dahs überprüfen lassen. Auf die entsprechende Beschlussvorlage vom 22.2.2023 – Vorlage Nr. 20-26/V 08022 – und das beigefügte Kurzgutachten der Kanzlei (Gutachtensersteller Rechtsanwälte Johann und Shulmann) vom Februar 2023 wird verwiesen.


Die Ausführungen gelten hinsichtlich der Rechtssituation für die Verpackungssteuer entsprechend, sodass zurzeit für die Beauftragung einer Fachanwältin für Verwaltungsrecht keine Notwendigkeit gesehen wird.

Datenstand vom 30.06.2025 13:13 Uhr