Zu 1: Rechtliche Grundlagen Lärmschutz
Lärm ist nach § 3 Abs. 1 und 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz definiert als schädliche Umwelteinwirkung, wenn er nach Art, Dauer und Ausmaß geeignet ist, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit herbeizuführen. Die Erheblichkeit einer Lärmbelästigung hängt dabei nicht nur von der Lautstärke der Geräusche ab, sondern auch von der Art der Geräusche, der Tageszeit der Einwirkungen und der Nutzung eines Gebietes ab. Für die Beurteilung der belästigenden Wirkung von Geräuschen sind auch wertende Elemente wie Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit, der sozialen Adäquanz und einer allgemeinen Akzeptanz in der Bevölkerung zu berücksichtigen (BVerwGE 88, 143).
Die Begrenzung und Beurteilung von Freizeitlärm ist nicht bundeseinheitlich geregelt. In Bayern wird für Freizeitlärm durch Volksfeste, Konzerte, Openair-Kinos usw. die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) sinngemäß angewendet. In anderen Bundesländern wurde die vom Länderausschuss Immissionsschutz (LAI) veröffentlichte Freizeitlärmrichtlinie als Verordnung erlassen.
In beiden Beurteilungsgrundlagen sind für die Beurteilung der Lärmeinwirkungen, z.B. an einer Wohnung, Immissionsrichtwerte definiert. Diese Werte sind jeweils abhängig von der Gebietsnutzung gestaffelt.
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Immissionsrichtwerte in dB(A)
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Tagsüber außerhalb der Ruhezeiten*
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Tagsüber innerhalb der Ruhezeiten*
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Nachts (22:00 – 06:00 Uhr)
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Mischgebiet
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60
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55
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45
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Besonderes Wohngebiet
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60
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55
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40
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Allgemeines Wohngebiet
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55
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50
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40
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* Ruhezeiten sind an Werktagen 6:00 – 8:00 Uhr und 20:00 – 22:00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen 07:00 – 09:00 Uhr, 13:00 – 15:00 Uhr und 20:00 – 22:00 Uhr
In Ausnahmefällen kann aber von diesen Immissionsrichtwerten abgewichen werden. Bei diesen sogenannten seltenen Ereignissen dürfen aber die normalen Immissionsrichtwerte um nicht mehr als 10 dB (A) überschritten werden, keinesfalls aber Tagsüber 70 dB(A), in den Ruhezeiten 65 dB(A) und nachts 55 dB(A) überschreiten. Diese seltenen Ereignisse dürfen gemäß der in Bayern angewandten Sportanlagenlärmschutzverordnung höchstens an 18 Kalendertagen eines Jahres auftreten.
In Streitfällen wird seitens der bayerischen Verwaltungsgerichte Gerichte aber immer häufiger die Freizeitlärmrichtlinie als Beurteilungsgrundlage herangezogen. Dort werden teilweise maximal 10 seltene Ereignisse als oberste Grenze für Lärmeinwirkungen angesehen.
Zu 2: Lärmintensivere Veranstaltungen auf und um den Volksfestplatz 2013
Im Aschaffenburger Stadtgebiet hat sich der Volksfestplatz zur Durchführung von Groß- und Kleinveranstaltungen etabliert. Hier finden, teilweise bereits seit Jahrzehnten, Veranstaltungen wie das Volksfest, das Fest Brüderschaft der Völker und das Afrika-Karibik Festival statt. Aufgrund der mangelnden Alternative für Open-Air-Veranstaltungen im Stadtgebiet steigt die Nachfrage nach diesem Veranstaltungsort, so fand in diesem Jahr auch ein Konzert der Gruppe PUR auf dem Volksfestplatz statt.
Wie bekannt, finden jedoch auch noch andere Veranstaltung im Umfeld des Volksfestplatzes statt. 2013 waren dies: Ein Konzert im Innenhof des alten Forstamtes während der Kulturtage, die Museumsnacht mit verlängerten Zeiten der Außenbewirtung für die Gaststätten, das Dalbergstraßenfest (zweimal), das Stadtfest mit der Bühne unterhalb der Wappenmauer und an gleicher Stelle die Fahrerfeier des Linde Stapler Cups. Die Veranstaltung des Funkhauses am Freitag vor dem Stadtfest fand hier 2013 zum zweiten Mal in Folge statt.
Eine geplante Main-Sommer-Festival mit Aschaffenburger Gastronomen wurde in diesem Jahr aus organisatorischen Gründen nicht durchgeführt. Weitere Anfragen zur Durchführung von einem Holi Farb Festival und einer DJ Open Air Veranstaltung wurden ebenfalls nicht realisiert.
Zu 3: Beschwerdensituation 2013
Im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Mainufers ging in 2013 ein Schreiben eines Anwohners der Webergasse und 33 weiteren Anwohnern ein, mit der Bitte auf beiden Mainufern die immer zahlreicheren und lauter werdenden Veranstaltungen zu reduzieren und auf dem stadtseitigen Mainufer ein lärmarmes Mainufer zu planen.
Die Anzahl der lauten Veranstaltungen am Mainufer wurde auch in der Bürgerversammlung durch eine Anwohnerin im Güterberg thematisiert. Sie führte aus, dass bei den Festen Brüderschaft der Völker, Afrika-Karibik-Festival und auch teilweise beim Volksfest die Lärmbelästigung erheblich sei. Eine ähnliche lautende Beschwerde wurde im August 2013 dem Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz auch aus der Lamprechtstraße vorgetragen, hier wurde zudem noch die Bühne an der Wappenmauer während des Stadtfestes als erhebliche Lärmquelle aufgeführt.
Speziell zum Afrika-Karibik-Festival gingen 2013 jeweils Beschwerden ein aus der Webergasse, der Lamprechtstraße, der Martin-Luther-Straße (Nilkheim), aus Leider und der Hanauer Straße. In letzterem Fall wurden hierbei durch den Beschwerdeführer auch im Rahmen des Umweltinformationsgesetzes die Ergebnisse von Überwachungsmessungen angefordert und Rücksprache mit einem juristischen Beistand erwähnt. Im Zusammenhang mit dem AKF wurden im Main-Echo mehrere Leserbriefe veröffentlicht, welche sich zwar überwiegend mit der Art der gespielten Musik beschäftigten, aber teilweise auch die Basslastigkeit und die Lautstärke beklagen.
Zum Dalbergfest ging im Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz aus der Webergasse eine Beschwerde wegen der Lautstärke der Beschallung ein. Durch den Anrufer wurde jedoch darauf verwiesen, dass insbesondere die Wiederholung des Festes auf Unverständnis bei den Anwohnern traf.
Die Beschwerdesituation der Anwohner zu den Veranstaltungen variiert jedoch jährlich, besonders die zunehmende Basslastigkeit der Musikdarbietungen wird aber häufig als gravierend dargestellt. Bei Open-Air-Veranstaltungen auf dem Volksfestplatz sind zudem die Lautsprecher bisher immer in Richtung Nilkheimer Streuobstwiesen auszurichten, um die Innenstadt und Leider zu entlasten. Das Heranrücken der Nilkheimer Wohnbebauung wird voraussichtlich zu neuen Konflikten zwischen dem Ruhebedürfnis der neuen Anwohner und den lauten Veranstaltungen führen.
Zu 4: Genehmigungen
Die immissionsschutzrechtliche Zustimmung zu lauteren Veranstaltungen auf und um den Volksfestplatz wird einerseits u.a. aufgrund immer stärkerer Beschallungsanlagen, einer steigenden Zahl an Musikdarbietungen, wegen der Einhaltung gesetzlicher Regelungen und einem gestiegenen Anspruch der Bürger auf Ruhe immer schwieriger. Auf der anderen Seite steht das Interesse der Betreiber und Künstler, welche Beschränkungen der Musiklautstärke teilweise mit Unverständnis aufnehmen und sich ungerecht behandelt fühlen.
Die dem Volksfestplatz nächsten Wohnungen befinden sich in der Suicardusstraße, Webergasse, Fischergasse, Ziegelbergstraße, Kapellenstraße und dem Leiderer Stadtweg. Bei jeder Veranstaltung muss geprüft werden, wie laut eine Veranstaltung voraussichtlich wird und ob die Anzahl der seltenen Ereignisse in diesem Bereich bereits ausgeschöpft ist. Falls dies der Fall ist, muss geprüft werden, ob durch die geplante Veranstaltung die Einhaltung der normalen Immissionsrichtwerte möglich ist. Diese Beurteilung kann z.B. anhand der zu beschallenden Fläche, der Dauer und der Art der Veranstaltung erfolgen. Vor einer solchen Prüfung kann aus immissionsschutzfachlicher Sicht einer Veranstaltung nicht zugestimmt werden.
Die Einhaltung der Immissionsrichtwerte bei Open-Air Veranstaltungen, so wie diese bereits auf dem Volksfestplatz stattfinden, kann in den meisten Fällen jedoch nur gewährleistet werden, wenn diese als seltene Ereignisse die Möglichkeit haben die normalen Immissionsrichtwerte zu überschreiten. Die seit Jahren durchgeführten Veranstaltungen wie das Volksfest (11 Tage), das Stadtfest (2 Tage), das Afrika Karibik Festival (4 Tage) finden bereits an insgesamt 17 Tagen im Jahr statt.
Die Anzahl der seltenen Ereignisse ist an einzelnen Immissionsorten (z.B. Suiccardusstraße) mit den o.g. Veranstaltungen bereits fast ausgeschöpft. Zusätzliche laute Veranstaltungen auf und um den Volksfestplatz können aus immissionsschutzfachlicher Sicht nur noch an einem Tag als seltenes Ereignis eingestuft werden. So konnten dem Fest Brüderschaft der Völker in diesem Jahr in Absprache mit dem Kulturamt erstmals nur die normalen Immissionsrichtwerte zugestanden werden, weil mit der weiteren und vom Stadtrat zugestimmten Veranstaltung, dem „PUR Konzert“, die 18 Tage für die seltenen Ereignisse bereits ausgeschöpft waren.
Sollten hier weitere entsprechende Veranstaltungen hinzukommen, steigt das Risiko der Stadtverwaltung ein durch einen betroffenen Nachbarn eingeleitetes Klageverfahren zu verlieren. Dies kann zur Konsequenz haben, dass der Veranstalter der untersagten oder beeinträchtigten Veranstaltung die Stadt in Regress nimmt. Dies kann auch zur Konsequenz haben, dass städtische Traditionsveranstaltungen untersagt oder mit Restriktionen beaufschlagt werden. Hiervon ist insbesondere Stadtfest als letzte städtische Veranstaltung im Jahr betroffen. Abwegig ist diese Annahme nicht. Zum Beispiel war die Stadt Fürth im Jahr 2013 einer Reihe von Klagen der Anwohner der Gustavstraße ausgesetzt. Über diese Klagen wurde im Juli die Öffnung der Freischankflächen bis 23.00 Uhr gekippt und die Livemusik beim Fürth-Festival auf 22.00 Uhr beschränkt.
Bei den Genehmigungen für Veranstaltungen im Bereich auf und um den Volksfestplatz ist daher darauf zu achten, dass die maximale Anzahl der sogenannten seltenen Ereignisse (18 Tage) nicht überschritten wird. Traditionellen und wiederkehrenden Veranstaltungen wie z.B. Volksfest, Stadtfest und Afrika-Karibik-Fest sollte dabei jedoch ein Vorrang eingeräumt werden.
Auf die mündliche Behandlung des Antrag des Hr. Stadtrats Büttner (KI) vom 10.01.2014 wird verwiesen.