Planungsanlass
In der Sitzung vom 14.01.2013 hat der Stadtrat die Aufstellung des Bebauungsplanes für das Gebiet „Nordöstlich Beckerstraße“ (Nr. 3/26) beschlossen. Zugleich hat der Stadtrat beschlossen, diesen Bebauungsplan als Bebauungsplan der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren nach §13a BauGB aufzustellen, hierbei allerdings nicht auf die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden zu verzichten.
Der Bebauungsplan löst einen Teil des rechtsverbindlichen Baulinienplanes Nr. 10 ab. Sein vorgesehener Geltungsbereich enthält zwei größere Bauflächen, die durch den Butzbachweg voneinander getrennt sind, nämlich den südwestlichen Teil des Grundstücks der ehemaligen Jugendherberge (Flurstück Nr. xx), auf dem noch das dreigeschossige Herbergsgebäude steht und das südöstlich benachbarte Grundstück (Flurstück Nr. xx), das mit drei zweispännigen, zweigeschossigen Wohnhäusern bebaut ist.
Mit dem Freiwerden des städtischen Grundstücks der ehemaligen Jugendherberge entstehen neue Entwicklungsperspektiven. Allerdings lässt der derzeit geltende rechtsverbindliche Baulinienplan Nr. 10 aus dem Jahr 1961 bisher lediglich eine zweigeschossige Bebauung mit einer Geschoßflächenzahl von 0,5 zu. Nach diesen Festsetzungen könnte heute nicht einmal mehr die bestehende Jugendherberge errichtet werden.
Demgegenüber liegen die Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach der Baunutzungsverordnung 1990 fast zweieinhalb Mal höher, nämlich bei 1,2. Auf der gegenüberliegenden Südwestseite der Beckerstraße ist die Bebauung viergeschossig und auf der gegenüberliegenden Nordwestseite der Hartmannstraße ist die Bebauung dreigeschossig. Durch die im aufzustellenden Bebauungsplanes vorgesehenen planungsrechtlichen Regelungen sollen sowohl auf der Südwesthälfte des Herbergsgrundstückes als auch im Bereich der Geschosswohnungen Baudichten ermöglicht werden, die sich stärker am südwestlich entlang der Beckerstraße und nordwestlich entlang der Hartmannstraße vorhandenen Gebäudebestand orientieren.
Der nordöstliche Teil des Herbergsgrundstückes liegt nicht im Plangebiet - er soll nach den Vorgaben des rechtsgültigen Baulinienplans Nr. 10 bebaut werden und so einen fließenden Übergang zu den übrigen Bereichen des Baulinienplanes Nr. 10 herstellen, die bereits mit Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern bebaut sind.
Auch für das benachbarte Gelände zwischen Butzbachweg und Gentilstraße werden neue Entwicklungsperspektiven eröffnet. Auf diesem ca. 2760 m² großen Grundstück stehen derzeit drei zweigeschossige Häuser mit insgesamt zwölf Wohnungen. Somit beansprucht derzeit jede dieser Wohnungen im Durchschnitt eine 230 m² große und damit im Hinblick auf die städtische Lage großzügig bemessene Grundstücksfläche. Auch vor diesem Hintergrund bietet sich im Sinne einer „Innenentwicklung“ eine Nachverdichtung an. Daher sollen ausgehend von der Sicherung des baulichen Bestandes auch auf diesem Gelände die übermäßig restriktiven planungsrechtlichen Vorgaben des Baulinienplanes Nr. 10 abgelöst werden, um eine größere bauliche Dichte zu ermöglichen.
Planungsziele
Im bisherigen Bebauungsplan-Aufstellungsverfahren wurden bereits Planungsziele formuliert. Im Zuge der Ausarbeitung der Planung gibt es nun Modifizierungen und Konkretisierungen der Planungsziele, die nun wie folgt aussehen:
- Es ist eine wohnbauliche Nutzung zu realisieren. Dabei sind im gesamten Plangebiet auf mindestens 50 % der Bruttogeschossfläche Wohnungen zu errichten, die die Kriterien des sozialen Wohnungsbaus erfüllen.
- Eine Neubebauung soll vorhandene Siedlungsmuster aufgreifen, ohne neue städtebauliche Brüche zu erzeugen, und sich zugleich konfliktarm in die nordöstlich und nordwestlich vorhandene Siedlungsstruktur einfügen.
- Die im Plangebiet gelegenen, zur Beckerstraße hin orientierten Grundstücke bzw. Grundstücksteile sind in städtebaulicher Hinsicht als minder genutzt und in planungs-rechtlicher Hinsicht als unterdurchschnittlich nutzbar zu betrachten. Dies rechtfertigt eine stärkere Verdichtung des derzeitigen baulichen Bestandes durch bauliche Erweiterungen und Erhöhungen oder aber durch Abbruch und Neubebauung.
- Angrenzend an die Beckerstraße ist eine bis zu dreigeschossige Bebauung mit ausgebauten Dachgeschossen oder Staffelgeschossen in offener bzw. abweichender Bauweise denkbar; die gegenüberliegende bis fünfgeschossige Wohnbebauung südwestlich der Beckerstraße soll allerdings nicht als Höchstmaß übernommen werden, weil sonst die Gefahr neuer städtebaulicher Brüche am Übergang zum Gebiet des Baulinienplanes Nr. 10 entstehen könnte.
- Im Falle eines Geschosswohnungsbaus ist der ruhende Verkehr vorrangig in Tiefgaragen unterzubringen. In Abhängigkeit der im Bebauungsplan festzusetzenden Geschossflächenzahl (GFZ) sind gegebenenfalls Geschossflächenzuschläge im Sinne des § 21a Abs. 5 BauNVO regelbar.
- Die Laubbäume entlang der Beckerstraße und der Hartmannstraße sollen aufgrund ihrer ortsbildprägenden Qualität überall dort dauerhaft erhalten werden, wo diese der angestrebten Erhöhung der baulichen Dichte nicht im Weg stehen können.
Aufgrund des Antrags der CSU-Fraktion vom 01.06.2014, in dem die Prüfung der Anwendung des § 9 Absatz 1 Nr. 8 BauGB beantragt wurde, hat die Rechtsstelle hierzu ein Gutachten erstellt. Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass eine Anwendung des § 9 Absatz 1 Nr.8 nur für den Bedarf von genau umschreibbaren Personengruppen in Frage kommt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil 1992 präzisiert, dass für diese Gruppen bauliche Besonderheiten des Wohngebäudes zum Ausdruck kommen müssen. Dies wären beispielsweise Anforderungen an den Gebäudetyp, nur erdgeschossige Nutzflächen oder besonders hohe Räume oder eine Mindestraumzahl oder eine bestimmte Grundrissbildung und Raumaufteilung oder zusätzliche Einrichtungen im Gebäude oder auf den Außenanlagen u. ä.
Die Wohngebäude müssen für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sein. Die Rechtssprechung und Kommentarliteratur nennt hier als nicht abschließende Aufzählung behinderte Menschen, alte Menschen, Studenten oder Großfamilien mit mehreren Generationen. Im Bebauungsplan muss in der Begründung städtebauliche begründet werden, warum dieser Personenkreis überhaupt und an dieser Stelle begünstigt werden soll. Dabei muss sich die Festsetzung auf Flächen beschränken.
Die Rechtsstelle weist ausdrücklich auf die mit einer solchen Festsetzung verbundenen „Vollzugsprobleme“ hin. Die Umsetzung der Festsetzungen bedarf der Verankerung in der Baugenehmigung, in die konkrete Verpflichtungen über die Verwendung der Wohngebäude aufzunehmen sind. Die Überlassung der Wohnungen an andere Personen und insbesondere die Verwendung zu anderen Wohnzwecken stellt eine planungsrechtlich relevante Nutzungsänderung dar, die dann aufgrund der Baugenehmigung unzulässig ist. Außerdem müssen die Festsetzungen nach Nr. 8 auch wirtschaftlich realisierbar sein. Es muss daher in der Abwägung betrachtet werden inwieweit es für den Eigentümer möglich ist, die Festsetzung zu realisieren. Dabei ist auch zu berücksichtigen inwieweit öffentliche Mittel zur Verfügung stehen. Gegebenenfalls sind flankierende vertragliche Vereinbarungen nach § 11 BauGB einzugehen. Den Gemeinden erwächst dadurch bei dieser Art von Festsetzung eine besondere Betreuungs- und Beratungsaufgabe gegenüber den betroffenen Grundstückseigentümern.
Im Fazit stellt die Rechtsstelle fest: Mit Rücksicht auf die Rechtsfolgen des §9 Absatz 1 Nr. 8 BauGB bedarf es spezifischer städtebaulicher Gründe, die gegenüber den Interessen der betreffenden Grundstückseigentümer speziell abgewogen werden müssen. Zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus ist § 9 Absatz 1 Nr. 8 daher ein nicht zulässiges rechtliches Instrument.
Denn Gebiet und Umfeld der ehemaligen Jugendherberge drängen sich nur schwerlich als ein besonders geeigneter Bereich für eine spezifisch zu benennende Gruppe mit besonderem Wohnbedarf auf. Naheliegend wären noch Studenten oder alte Menschen. Da jedoch für Studenten in der näheren Umgebung und günstiger gelegen zur Hochschule in den letzten Monaten mehrere hundert Appartements genehmigt worden sind und auch in wenigen hundert Meter Entfernung ein Pflegeheim und eine Anlage für betreutes Wohnen entsteht, hält es die Verwaltung für rechtlich kaum vollziehbar das Instrument des § 9, Absatz 1 Nr. 8 BauGB bei diesem Bebauungsplan anzuwenden.
Stand des Bebauungsplan-Aufstellungsverfahrens und weiteres Vorgehen
Nach dem Aufstellungsbeschluss (siehe oben) hat die Verwaltung zur Erreichung der Planungsziele einen Vorentwurf zum aufzustellenden Bebauungsplan in zwei Varianten gefertigt (Pläne vom 01.07.2013).
Der Stadtrat hat in seiner Sitzung vom 16.09.2013 diese Planvarianten gebilligt und die Verwaltung beauftragt, mit diesen Varianten die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden durchzuführen, was im Oktober und November des Jahres 2013 erfolgte. Auf die entsprechenden Berichte über diese Beteiligungsschritte wird hingewiesen.
Einige der bei der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden eingegangenen Anregungen und Bedenken konnten im Plan berücksichtigt werden. Der Vorentwurf des aufzustellenden Bebauungsplanes Nr. 3/26 wurde zum Bebauungsplanentwurf weiter ausgearbeitet und mit einer dementsprechend weiterentwickelten Begründung versehen.
Nach der vorgeschlagenen Billigung des Entwurfes vom 30.06.2014 zum Bebauungsplan für das Gebiet „Nordöstlich Beckerstraße“ und seiner Begründung gleichen Datums sowie nach entsprechender Beauftragung der Verwaltung kann mit diesem Entwurf und mit dieser Begründung die öffentliche Auslegung gem. § 3 Abs. 2 BauGB durchgeführt werden.