1. Antrag
Mit Schreiben vom 09.04.2025 -eingegangen bei der Stadt am 09.04.2025- beantragte Herr Stadtrat Bernhard Schmitt, eine Resolution gegen das Anstreben von Stromlieferungen aus tschechischen Atomkraftwerken, entsprechenden Liefervereinbarungen oder Beteiligungen an der Atomstromproduktion in Tschechien zu fassen:
„Der Stadtrat appelliert an die Bayerische Staatsregierung, keine Stromlieferungen aus tschechischen Atomkraftwerken, entsprechende Liefervereinbarungen oder Beteiligungen an der Atomstromproduktion in Tschechien anzustreben.“
2. Sachverhalt
Der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder erwägt derzeit, die Energieversorgung Bayerns mit einer „privilegierten“ Lieferung von Atomstrom aus Tschechien zu sichern. Zu diesem Zweck sollen eine Atomkraft-Partnerschaft mit Tschechien geschlossen sowie entsprechende Lieferverträge abgeschlossen werden.
Aus Sicht unabhängiger Energieexperten jedoch verhindert der europäische Energiemarkt derartige Energieabkommen. So wird beispielsweise Forschungskoordinator Felix Matthes vom Öko-Institut in einem am 12. Dezember 2024 veröffentlichten Artikel in der Süddeutschen Zeitung zitiert: „Es geht nicht: weder technisch noch marktlich noch rechtlich“. Im Strombinnenmarkt der EU werde Strom weder von Regierungen gekauft noch verkauft. Preise und Mengen werden einzig an der Strombörse ausgehandelt.
Die praktische Umsetzung der Pläne des bayerischen Ministerpräsidenten ist demzufolge zumindest fraglich. Dennoch hat sich Protest gegen diese Atomstrom-Importpläne in mehreren bayerischen Bezirkstagen gebildet. So hat der niederbayerische Bezirkstag in seiner Sitzung am 18.03.2025 in Straubing mit 16 zu 7 Stimmen die Staatsregierung aufgefordert, „keine Stromlieferungen aus tschechischen Atomkraftwerken oder Beteiligungen an der Atomstromproduktion in Tschechien anzustreben“.
Mit Schreiben vom 09.4.2025 hat der Stadtrat Bernhard Schmitt den Antrag gestellt, eine Resolution mit folgendem Inhalt zu beschließen:
„Der Stadtrat appelliert an die Bayerische Staatsregierung, keine Stromlieferungen aus tschechischen Atomkraftwerken, entsprechende Liefervereinbarungen oder Beteiligungen an der Atomstromproduktion in Tschechien anzustreben.“
3. Rechtslage: Befassungskompetenz des Stadtrates
Um über den Antrag entscheiden zu können, müsste eine entsprechende Befassungskompetenz des Stadtrats in dieser Angelegenheit gegeben sein. Die Verbandskompetenz der Gemeinden ergibt sich aus dem Gewährleistungsgehalt der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Dieser bezieht sich in der Regel auf alle „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“, vgl. Brüning in Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 5. Auflage 2024, § 3, Rn. 14.
Was derartige Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind, hat das BVerfG im sog. „Rastede-Beschluss“ (BVerfG NVwZ 1989, 347 (350)) definiert. Danach sind Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen; auf die Verwaltungskraft der Gemeinde kommt es hierfür nicht an.“
Es stellt sich daher die Frage, ob im vorliegenden Fall ein solcher spezifischer Ortsbezug gegeben ist.
Die beabsichtigte Resolution soll einen Appell an die Bayerische Staatsregierung darstellen, um Stromlieferungen aus tschechischen Atomkraftwerken, entsprechende Liefervereinbarungen oder Beteiligungen an der Atomstromproduktion in Tschechien zu verhindern. Es besteht somit vorliegend kein unmittelbarer Bezug der beantragten Resolution zum Zusammenleben der Gemeindebewohner innerhalb der örtlichen Gemeinschaft. Vielmehr handelt es sich bei der beabsichtigten Resolution in erster Linie um eine übergreifende allgemeinpolitische Problematik.
Allerdings wird vorliegend ein abstrakter bzw. künftig potentieller Bezug hervorgehoben. Das Vorhaben habe demnach die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung kommunaler Einrichtungen zur Folge. Alleine das Vorhaben des bayerischen Ministerpräsidenten, eine Atomkraft-Partnerschaft mit Tschechien einzugehen und künftig Strom aus tschechischen Atomkraftwerken zu beziehen weist demnach keinen spezifischen Ortsbezug auf und begründet demnach keine Befassungskompetenz des Stadtrates.
Lediglich für den Fall, dass das Vorhaben wie geplant umgesetzt würde – was, wie oben bereits dargestellt äußerst fraglich ist-, dadurch neue Atomkraftwerke in der Tschechei entstehen würden, welche dann wiederum von einer Atomkatastrophe betroffen werden würden, wäre ein spezifischer Ortsbezug aufgrund daraus resultierender erheblicher Beeinträchtigungen kommunaler Einrichtungen gegeben.
Allerdings kann hier nicht von einer Angelegenheit „der örtlichen Gemeinschaft“ und somit von einem spezifischen Ortsbezug die Rede sein. Im Falle einer Atomkatastrophe wäre die Stadt Aschaffenburg grundsätzlich nicht anders betroffen als jede andere Gemeinde im Gefahrenbereich. Es läge in einem solchen Fall demgemäß lediglich ein unspezifisches Betroffensein der Stadt Aschaffenburg vor, vgl. Brüning in Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 5. Auflage 2024, § 3, Rn. 22, BVerwG NVwZ 1991, 682 ff.
Es ist somit in dieser Angelegenheit keine Befassungskompetenz des Stadtrates gegeben.